Seite:Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure Band XIII Heft 12 1869 p741-742.png

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den bei dem Zuge zu überwindenden Widerständen und nach der Richtung der Tangente , also horizontal wirkend.

Eine gleichförmige Bewegung vorausgesetzt, müssen diese drei Kräfte im Gleichgewicht sein und man hat wegen des rechten Winkels

(1),
(2),
(3).

Danach ist die von dem Seilstücke gebildete Curve eine gemeine Kettenlinie von der Länge , deren einer Aufhängepunkt in , deren tiefster Punkt in liegt, und in welcher in diesen Punkten die Spannungen resp. wirken. Danach ergiebt sich denn auch für die Länge des aufgehobenen Seilstückes

wenn h die Höhe des Punktes, in dem das Seil auf die ersten Leitrollen aufläuft über der Sohle des Flußbettes bezeichnet.

Durch Einsetzen dieses Werthes in die Gl. (3) erhält man

(4),

welche ergiebt, daß die Größe des Widerstandes, welchen der Toueur zu überwinden vermag, und damit auch die Nutzlast abnimmt sowohl mit dem größeren Gewicht des Seiles, als auch mit der größeren Wassertiefe.

Zum Theil auf experimentellem Wege, zum Theil durch Schätzung hat man gefunden, daß bei Kettendampfern durch die Steifigkeit der Kette die Reibung der verschiedenen Leitrollen und durch die Vergrößerung des Deplacements, welche durch den Zug und das Gewicht der Kette hervorgebracht wird, ungefähr 5 pCt. der von der Maschine geleisteten Arbeit verloren gehen. Bei Raddampfern hat sich dagegen unter günstigen Verhältnissen in tiefen und breiten Wasserläufen ein Nutzeffect von 60 pCt. herausgestellt, bei Schraubendampfern von 50 pCt., und ist es nun interessant zu untersuchen, unter welchen Verhältnissen der Kettendampfer günstiger arbeiten wird, als die beiden anderen Betriebsmittel.

Für den Kettendampfer ist unter Berücksichtigung des eben Angeführten nach Gl. (1)

,

für den Raddampfer dagegen

,

es würde also der erstere vor dem zweiten keinen Vorzug mehr haben, sobald

oder

wird, also bei .

Aus Gl. (2) ergiebt sich dazu durch Einsetzen des Werthe von

Als den größten Werth, welchen annehmen darf, resp. die größte Wassertiefe, bei welcher die Kettenschifffahrt sich noch günstiger stellt, als die gewöhnliche Schleppschifffahrt.

Dieses gilt für ruhiges Wasser. Nimmt man dagegen an, die beiden Dampfer hätten gegen einen Strom von der Geschwindigkeit in Metern pro Secunde aufzufahren, so stellt sich für den Kettendampfer folgendes Verhältnis heraus:

Die zur Fortbewegung eines Schiffsgefäßes nöthige Arbeit ist proportional dem Product aus der dritten Potenz der Fahrgeschwindigkeit in das Quadrat des eingetauchten Hauptspants, wonach man dieselbe in Meterkilogramm ausdrücken kann

(der Coefficient ist für Schiffe ohne schlanke und scharfe Formen und für mittlere Geschwindigkeiten etwa = 10 zu setzen), es ist also der zu überwindende Widerstand bei der Geschwindigkeit

und dieser wächst bei der Bergfahrt gegen einen Strom von der Geschwindigkeit auf

,

wonach der unter Berücksichtigung der übrigen Verhältnisse von der Maschine auszuübende Zug sich stellt

,
.

Damit ein Raddampfer unter gleichen Verhältnissen dieselbe Arbeit leiste, muß seine Maschine mit einer Geschwindigkeit arbeiten, wonach sich ergiebt

und daraus

(6).

Der Toueur arbeitet also um so vortheilhafter gegen den Remorqueur, je größer die Geschwindigkeit des zu überwindenden Stromes und je flacher der Winkel ist.

Für die Thalfahrt wäre -c an Stelle von zu setzen, und die Formel ergäbe dann, daß für eine gewisse Stromgeschwindigkeit der Kettendampfer weniger günstig arbeitet, als der Schrauben- oder Raddampfer. In der Praxis ist diesem Umstande fast durchgängig Rechnung getragen, daß eine große Anzahl Ketten- oder Seilschiffe, welche auf Wasserläufen mit starker Strömung gehen, für die Thalfahrt das Seil verlassen und mit der Schraube fahren. –

Aus den meisten der oben aufgestellten Formeln geht der Einfluß hervor, welchen das Gewicht der Kette auf die relative Leistungsfähigkeit des Kettendampfers ausübt: In Gleichung (4) wird das letzte Glied der rechten Seite kleiner mit abnehmendem Werth von , der Nutzeffekt also größer, in Gl. (5) erhöht sich die Grenze der vortheilhaften Benutzung des Kettenschiffes mit geringeren Werthen von p, ebenso wird für kleine Werthe von die Neigung der Kette gegen den Horizont geringer, woraus sich dann, wie bei Gl. (6) bereits erwähnt, ergiebt, daß der Toueur dem Schleppdampfer gegenüber um so vortheilhafter arbeitet, je kleiner ist. Es war also dahin zu streben, für eine und dieselbe Zugkraft ein möglichst leichtes Seil zu erhalten, und so sind denn in neuester Zeit die Bestrebungen besonders auf die Anwendung des Drahtseiles für die Schleppschifffahrt gerichtet gewesen, da dieses bei gleichem Widerstande gegen Zerreißen nur den dritten Theil von dem Gewichte der entsprechenden Kette hat. Veranlassung hierzu gaben auch noch die günstigen Resultate, welche man

Empfohlene Zitierweise:
R. Ziebarth: Ueber Ketten- und Seilschifffahrt mit Rücksicht auf die Versuche zu Lüttich im Juni 1869. Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, Berlin 1869, Seite 741-742. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_des_Vereins_deutscher_Ingenieure_Band_XIII_Heft_12_1869_p741-742.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)