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Edmund Veckenstedt (Hrsg.): Zeitschrift für Volkskunde 1. Jahrgang
Frau Adler sen., Rose, Fr. Adler, Anna Veckenstedt: Sagen aus der Provinz Sachsen II

Sagen aus der Provinz Sachsen.
Der Dråk (Drache).

Ein Knecht und eine Magd, welche bei einem reichen Bauer dienten, der auf einem Dorfe wohnte, nicht weit von Magdeburg, hatten schon längst ihre Betrachtung darüber gehabt, wo des mittags immer das schöne Essen herkam. Die Bäuerin liess nämlich das Mädchen keinen Sonntag in die Küche kommen, um dort Feuer anzumachen oder ihr beim Kochen zu helfen. Der Knecht sah auch nicht, dass der Schornstein rauchte, und doch war das Essen immer zur rechten Zeit auf dem Tisch, wenn die Kirche aus war, ob nun der Bauer und die Bäuerin in der Kirche gewesen waren oder nicht. Da beschloss denn der Knecht, der Sache auf den Grund zu kommen, und dazu sollte ihm das Mädchen behilflich sein. Er sagte also am nächsten Sonntag bei dem Frühstück, dass er in die Kirche gehen wolle. Einige Tage zuvor hatte aber die Magd in der Küche ein Fass ausräumen und dann umstülpen müssen, so dass der Boden des Fasses nach oben stand. Die Bäuerin hatte nicht weiter auf das Fass geachtet und so stand denn dasselbe am Sonntag noch ruhig da an Ort und Stelle. Als der Knecht gesagt hatte, dass er in die Kirche gehen wolle, meinte das Mädchen, sie wolle auch in die Kirche gehen und sich dazu anziehen. Darauf stand sie auf, ging aber nicht auf den Boden in ihre Kammer, sondern huschte heimlich in die Küche. Alsobald stand auch der Knecht auf, und als er im Flur an der Küche vorbeikam, stahl er sich heimlich hinein. Die Magd stand schon bereit und stülpte sofort das Fass über den Knecht, welcher sich niedergeduckt hatte, dann schlüpfte sie wieder aus der Küche und ging auf den Boden, zog sich an und begab sich in die Kirche.

Die Glocken hatten längst geläutet, das Haus war leer, denn auch der Bauer war in die Kirche gegangen, und noch immer sass der Knecht ruhig unter seinem Fasse. Endlich hörte er, dass jemand in die Küche kam. Er dachte sich gleich, das werde die Bäuerin sein, und so war es auch, wie er bald merken sollte. Erst hörte er nämlich, wie mit

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Edmund Veckenstedt (Hrsg.): Zeitschrift für Volkskunde 1. Jahrgang. Alfred Dörffel, Leipzig 1888/89, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Volkskunde_I_073.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)