Seite:Zeitschrift für Volkskunde I 119.png

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minder bedeutende Zuthaten sind ausserdem der von einem anderen berühmten Rhapsoden, Archippa Perttunen in Latvajärvi, erhaltenen Version und ausserdem zehn Varianten entnommen worden. Ursprünglich nicht zu diesem epischen Gesange gehörend, sind ferner folgende Zuthaten, freilich mit Ausschluss derjenigen, welche nur zwei, drei Zeilen ausmachen und deren Anführung hier allzu ermüdend sein würde: — Die Beschreibung der Heimfahrt Wäinämöinens (v. 7—20, 43—52) ist in ihrem ersten Teile in der Hauptsache übereinstimmend mit der gleichen in vielen anderen Gesängen und in ihrem späteren Teile von Lönnrot aus allerhand Fragmenten zusammengesetzt: — Dasselbe ist der Fall mit einem Teile des Gespräches zwischen Wäinämöinen und Ilmarinen über den Aufenthalt des ersteren in Pohjola (v. 69—80): — Die grosse Tanne, welche Wäinämöinen hervorzaubert (v. 39—42), kommt auch im Volksgesange vor; aber hierbei hat Lönnrot doch eine recht wesentliche Veränderung — und Verbesserung vorgenommen. Ursprünglich sieht man nämlich im Wipfel der Tanne nur einen Marder und ein Eichhörnchen, die allzu gewöhnliche Wesen sein würden, um einen Ilmarinen zu bewegen, auf den Baum hinaufzuklettern; Lönnrot hat deswegen mit Recht an ihre Stelle den Mond und den Grossen Bären gesetzt. Von Lönnrot selbst sind die Worte der Tanne (v. 151—8): — Die Fahrt Ilmarinens durch die Luft auf den Flügeln des Windes (v. 169—174) ist offenbar eine Umbildung des vorhergehenden Stückes, wo Wäinämöinen dem Winde befiehlt, den Bruder nach Pohjola zu bringen. — Reminiscenzen aus zwei verschiedenen Balladen enthält die Aufforderung der Herrin Pohjolas an ihre Tochter, sich zum Empfang des Freiers zu schmücken, wie auch die Ausführung dieses Wunsches (v. 217—250). Im Sampogesange, in der Form, wie er wirklich gesungen wird, wird der Vorgang beim Schmieden des berühmten Kleinodes niemals in mehr als vier Versen beschrieben; Lönnrots Ausgabe dagegen enthält mehr als hundertundzwanzig! Diese weitläufige Zuthat ist zwei verschiedenen Quellen entnommen. Der Anfang und der Schluss, die Schilderung, wie zuerst die Knechte beim Blasen helfen, und schliesslich die Stürme an ihre Stelle treten (v. 281—308, 393—408), sind dem Zaubergesange vom Ursprunge des Eisens entnommen, wo sie sehr allgemein sind. Der mittlere Teil, welcher zeigt, wie erst einige andere Gegenstände aus der Esse hervorkommen vor dem beabsichtigten Wunderdinge selbst, gehört eigentlich zu den ingermanländischen Varianten des Gesanges von der Goldbraut Ilmarinens.

Ein paar kleine, aber wesentliche Veränderungen und Zuthaten in diesem Gesange mögen ausserdem noch erwähnt werden als bezeichnend für die Art und Weise, wie Lönnrot zu Werke ging. Im Volksgesange ist es ursprünglich ein Schwert, das zuerst aus der Esse hervorsteigt; Lönnrot hat es in einen Bogen verwandelt und zuletzt noch einen Pflug hinzugefügt. Dadurch hat er eine Reihe von Gegenständen bekommen: den Bogen, das Bot, die Kuh und den Pflug, welche verschiedene in der Kette der Kultur aufeinander folgende Nahrungszweige: die Jagd, die Fischerei, die Viehzucht und den Ackerbau symbolisieren. Von dieser Symbolik weiss der Volksgesang nichts, sie ist ihm auch vollständig fremd bei seinem unreflektierten Charakter. — Etwas weiter unten (v. 430—2) wird erzählt, wie

Empfohlene Zitierweise:
Edmund Veckenstedt (Hrsg.): Zeitschrift für Volkskunde 1. Jahrgang. Alfred Dörffel, Leipzig 1888/89, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Volkskunde_I_119.png&oldid=- (Version vom 21.11.2023)