Seite:Zeitschrift für Volkskunde I 184.png

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und zündeten das ganze Dorf an, damit die Katze im Feuer umkäme. Das Dorf brannte nieder, bald war nur noch ein Aschenhaufen davon vorhanden. Die Masuren waren froh, denn nun, dachten sie, sei es mit der Katze aus. Plötzlich aber hörten sie ein lautes „Miau“, und als sie sich umsahen, woher das kam, erblickten sie die Katze auf einem hohen Birnbaum. Da umstanden die Masuren denselben und gafften voll Schrecken in die Höhe. Der Katze mochte es aber mit der Zeit auf dem Birnbaume zu langweilig geworden sein, deshalb sprang sie plötzlich von demselben herunter und einem Masuren in das breite Gesicht. Ein Schreckensschrei entfuhr dem Munde aller, der Mann fiel wie tot zu Boden, die Masuren liefen davon und zerstreuten sich in alle Welt.

Seit der Zeit findet man die Masuren an vielen Orten in Galizien und in der Bukowina, aber sie leben stets vereinzelt unter den andern Bewohnern des Landes und nirgends findet man ein Dorf, in welchem nur Masuren wohnen. –

Also die Masuren hatten sich in alle Winde zerstreut und nur der Schulze des Ortes hielt bei unserem Manne aus, der zu Boden gestürzt war und sich selbst für tot hielt. Der Schulze rüttelte und schüttelte den am Boden Liegenden und redete ihm dabei gut zu. Endlich schlug derselbe die Augen auf und überzeugte sich davon, dass er noch nicht tot war. Er stand also auf und als er sich noch mit dem Schulzen umsah, ob nicht irgendwo ein Masure zu finden sei, ertönte ihnen plötzlich das furchtbare „Miau“ in die Ohren – denn die Katze sass auf dem Aschenhaufen eines Hauses, der in der Nähe des Birnbaumes gestanden hatte. Da rissen auch sie voll Schrecken aus und liefen in den nahen Wald.

Nachdem sie eine Weile gelaufen waren und das „Miau“ der Katze nicht mehr hörten, fingen sie an, langsamer zu gehen. Endlich sagte der Eine: „Mich hungert“. „Mich auch“, antwortete der andere. Gerade in dem Augenblicke sahen sie einen grossen, dunkelbraunen Marder einen Baum hinaufklettern. „Hurra!“ rief der Dorfschulze, „das giebt einen trefflichen Braten, den Marder müssen wir haben. Bleib du hier“, redete er seinen Begleiter an, „und habe acht auf das Tier, dass uns dasselbe nicht entwischt; ich werde ausgehen und versuchen, ob ich irgendwo Salz auftreiben kann, denn ohne Salz kein Essen.“ „Gut“, sagte der andere, „hole du das Salz, ich werde hier warten.“ Gesagt, gethan; der Schulze ging nach dem Salze aus und der Bauer blieb als Wache unter dem Baume, auf welchem der Marder sass. Nachdem er vom vielen Stehen stumpf und steif geworden war, rief er endlich aus: „Da kommt mir eben ein gescheiter Gedanke. Wenn ich den Marder fange und schlachte, dann brauche ich keine Wache mehr zu halten, dann kann ich mich hinlegen und schlafen, bis der Schulze mit dem Salze kommt.“

Das war nun allerdings ein sehr kluger Gedanke, nur hätte der Masur nicht drei Stunden Zeit gebraucht, um denselben zu fassen. Aber nun er ihn einmal gefasst hatte, ging er auch daran, denselben sofort auszuführen. Er rieb sich also die Augen und begann den Baum hinaufzuklettern. Der Marder wandte seine gelbe Kehle nach oben und kletterte bis in die Spitze des Baumes, der Masure ihm nach. Aber, o weh, als der Masure

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Edmund Veckenstedt (Hrsg.): Zeitschrift für Volkskunde 1. Jahrgang. Alfred Dörffel, Leipzig 1888/89, Seite 184. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Volkskunde_I_184.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)