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Verehrung, und ihr werden vielleicht die allermeisten Inao oder heiligen Symbole geweiht, welche — obwohl im Widerspruche mit Chamberlain — Scheube (Die Ainos, im 26. Heft der Mitteilungen der deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens) ohne Zweifel ganz richtig als symbolische Weihgeschenke, ähnlich den japanischen Gohei, erklärt. Wie diese Gohei, stellt der Inao oder Inabo, ein 1/2 bis 3/4 Meter langer Holzstab, dessen äusserer Teil zu schmalen, spiralig angeordneten Streifen gehobelt wird, mag nun diese Hobelung oder Abschabung den ganzen Stock entlang gehen und einen Büschel am oberen Ende abgeben, oder mag dieselbe mehrere kürzere, wirbelartig aussehende, nach oben freie Büschel bilden, immer nur ein Symbol für ein der Gottheit zu bringendes Geschenk dar. Dies muss ursprünglich wohl als ein Festkleid gemeint sein, wie die japanischen, aus Papier gebildeten Gohei noch deutlicher zeigen, und auf diese Weise kommt der Inao in letzter Instanz mit unseren Fahnen und Bannern zusammen, so verschiedenes Aussehen diese auch bekommen haben. Ausser diesen Symbolen, von denen eines, wo nicht mehrere, wohl stets am Ostfenster der Wohnungen sich befindet, hat man aber auch Köcher, auf denen der Mond und die Sterne in Gestalt von einer grösseren und vielen kleinen Metallscheiben angebracht sind und welche ebenfalls besonders heilig gehalten werden.

Die Donnergötter werden beim Gewitter in Kampf miteinander gedacht. Ein von Scheube mitgeteiltes Gedicht der Aino von Yeso lautet übersetzt :

„Der Gott des Himmels und der aus der Nähe herbeispringende Gott kämpften in heissem Streit mit lautem Geräusche; beide Götter verliessen zu Tode getroffen einander.“

Auf die Fluss- und Meergötter werden, wie es scheint, am häufigsten die Versammlungslieder der Aino bei den Festen gesungen, zu welchen die Insassen verschiedener Dörfer an einer Art Zentralstelle, z. B. in Piratoru in der Nähe des an der Südküste der Insel gelegenen und für einen Hauptort der Aino von Yeso angesehenen Sara, zusammenkommen, Lieder, von denen Pfizmaier in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie bereits im Jahre 1850 (Bd. 4 u. 5) einige mitgeteilt hat. Noch häufiger aber findet man den Feuergott und den Hausgott, dessen Schutze das ganze Eigentum anvertraut wird, verehrt. Dass ein besonderer Reisweingott (Gott des von den Japanern den Aino gelieferten Sake, der an die Stelle des einheimischen, aus Hirse bereiteten gegorenen Getränkes getreten ist) als existierend gedacht wird, möchte ich sehr bezweifeln, da bei allen Festen der Aino das Trinken eine grosse Rolle spielt und kein Trinken ohne Libation für die Götter stattfindet. Auf den Sake geht dadurch allerdings eine Art Heiligung über, so dass die Männer sorgfältig mit einem Stäbchen ihren Schnurrbart beim Trinken hochheben; man würde ihn indes schwerlich zur Ehre der Götter auf den Boden schütten, wenn er selbst als göttlich angesehen würde. Die übrigen Gebräuche bei den Festen bestehen in Tanz und Gesang. Einen solchen feierlichen Tanz hatte ich Gelegenheit anzusehen; die tanzenden jungen Weiber bildeten unter Führung eines Mannes — die übrigen, namentlich die älteren Männer sahen zu und tranken — einen Kreis, in dem sie sich fortwährend bewegten,

Empfohlene Zitierweise:
Edmund Veckenstedt (Hrsg.): Zeitschrift für Volkskunde 1. Jahrgang. Alfred Dörffel, Leipzig 1888/89, Seite 223. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Volkskunde_I_223.png&oldid=- (Version vom 20.11.2023)