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Edmund Veckenstedt (Hrsg.): Zeitschrift für Volkskunde 1. Jahrgang
Fr. Adler, Seeger, Eberth, Chr. Adler: Sagen aus der Provinz Sachsen VI

Hasen sitzen sehen. Da mit solchen Tieren kein Spassen ist, so gingen die Leute immer schweigend daran vorüber und thaten so, als ob sie den dreibeinigen Hasen nicht bemerkten. Auch die Magd eines Bauers hatte öfters des Abends den Gang nach der Mühle zu machen. Die Magd ärgerte sich nun aber über das Tier so sehr, dass sie eines Abends einen tüchtigen Knüppel mit sich nahm. Sobald sie den dreibeinigen Hasen sah, nahm sie den Knüppel und warf ihn mit aller Kraft nach dem Hasen. Im nächsten Augenblicke kam aber der Knüppel schon wieder angeflogen und die Magd erhielt einen furchtbaren Schlag in die Seite und auf den Arm. Da kehrte sie schnell um und lief weinend nach Hause.

Als sie dem Bauer, bei welchem die Magd diente, alles erzählt hatte, sagte ihr dieser: „Da siehst Du, was Du nun davon gehabt hast. Lass fortan den dreibeinigen Hasen in Ruhe und er wird Dir auch nichts thun.“ Das Mädchen merkte sich das und so ist ihr denn auch nichts mehr auf dem Gange zur Mühle geschehen.

Fr. Adler.     


6. Der lahme Hase.

Zwischen den Dörfern Vehlitz und Ziepel liegt unfern des Weges eine Kiesgrube. Dort war früher Unland, welches den Namen „der Totschlag“ hat. Es soll aber danach genannt sein, dass sich hier einst zwei Hirten mit ihren Hirtenstöcken erschlagen haben. Auf dieser Stelle hielt sich früher immer ein dreibeiniger Hase auf. Wenn man auf denselben zuging, so lief er nach Ziepel zu und verschwand dort. Weil er aber nur drei Beine hatte, so sprach man von ihm nur als von dem lahmen Hasen.

Chr. Adler.     
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Edmund Veckenstedt (Hrsg.): Zeitschrift für Volkskunde 1. Jahrgang. Alfred Dörffel, Leipzig 1888/89, Seite 348. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_f%C3%BCr_Volkskunde_I_348.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)