Seite:Zerstreute Blaetter Band I 182.jpg

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Wirkung hervorbringen; nur daß ich nicht ganz deine Dienerin seyn wollte, denn ich bin deine Lehrerin gewesen, und habe auch für mich selbst einen Kreis der Wirkung. Mir dient der Tanz wie die Worte; Gebehrden und Bewegungen, wie deine Verse; und eigentlich schließe ich alles dieß, Modulation, Tanz, Rhythmus in mich. Der Tonkünstler dichtet, wenn er spielt, so wie der ächte Dichter singt, wenn er dichtet. –

     Der Malerey sowohl als dem Vater Apollo ward bey diesem Gespräche die Zeit lang. Jene hatte so lang eine schöne ruhige Landschaft gezeichnet, und allen Streit darüber vergessen. Das ist, sprach sie, die große Wirkung meiner Kunst, sie macht die Seele ruhig und heiter. Ein Mensch, der sie liebet, genießt jeden Sonnenstrahl fröhlich; wo andere nichts sehen, siehet er ein tausendfaches Spiel desselben. Ueberall im Schooße der Natur, studirt er ihre stillesten freundlichsten Wirkungen, und genießt sie auf unendliche Weise. –

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_182.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)