Seite:Zerstreute Blaetter Band I 202.jpg

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meines Reichs zu verwandeln. Wollt ihr die Tauben seyn, die triumphirend meinen Wagen ziehen, und im Chor der Buhlereyen und Scherze von Ambrosischer Speise leben? Eure Treue, eure Liebe verdient diese Belohnung.“

     „Verzeih, o gütige Mutter, sprachen die Liebende mit Einem[1] Munde, verzeihe uns die zu gefahrvolle, zu glänzende Belohnung. Im Chor der Scherze und Buhlereyen, im ewigen Geräusch und Glanz deines Siegreichen Hofes, wer ist uns Bürge für unsre Treue, für unsre Liebe? Sollen wir Tauben seyn, so sende uns in die Einsamkeit, damit wir in unserm armen Nest einander alles werden, alles bleiben.“

     Die Göttin sprach das Wort der Verwandlung; siehe, da flog das erste Paar girrender Turteltauben. Sie girreten Dank der Göttin, und flogen ihrem Grabe zu, wo sie mit ihrer Treue, mit ihrer rührenden Klage die alte Parze bewegen wollen, daß sie ihnen ihr ungenoßenes Menschenleben wiedergebe. Aber auch ihre gemeinschaftliche Klage ist ihnen Trost; die zarte,


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Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 179. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_202.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)