Seite:Zerstreute Blaetter Band I 217.jpg

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Phöbus. „Keusches, liebliches Wesen, sprach er, die Bitte ist dir gewährt, die du so oft in deiner verschwiegenen Brust nährtest und sie konnte dir nicht eher gewährt werden.“ Kaum hatte er das Wort gesagt, so berührte er den Schwan mit seiner Leier und stimmte auf ihr den Ton der Unsterblichen an. Entzückend durchdrang der Ton den Vogel Apollo's und aufgelößt und ergossen sang er in die Saiten des Gottes der Schönheit, dankbar froh besingend die schöne Sonne, den glänzenden See und sein unschuldiges, seliges Leben. Sanft, wie seine Gestalt war das harmonische Lied: lange Wellen zog er daher in süssen entschlummernden Tönen, bis er sich – im Elysium wieder fand, am Fuß des Apollo in seiner wahren, himmlischen Schönheit. Der Gesang, der ihm im Leben versagt war, war sein Schwanengesang geworden, der sanft seine Glieder auflösen mußte: denn er hatte den Ton der Unsterblichen gehört und das Antlitz eines Gottes gesehen. Dankbar schmiegte er sich an den Fuß Apollo's und horchte seinen göttlichen Tönen, als eben auch

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 194. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_217.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)