Seite:Zerstreute Blaetter Band I 261.jpg

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wie die alten Rabbinen und viele Völker der Welt es sich dachten? Mich dünkt, wenn geträumt seyn muß, so träumt man lieber im freyesten der Träume. Denken Sie sich z. E. wie sie einst mit Ihren Geliebten im Lande der Geister so

– Klein, wie Theilchen des Lichts ungesehn schwärmeten,
wie sie auf einem Orange Blatt
sich zum Scherzen versammleten,
Im wollüstigen Schoos junger Aurickelchen
Oft die zaudernde Zeit schwatzend beflügelten –[1]

Warum müssen Sie sich die Scene so eng machen und die Seele in unserer dürftigen Menschheit geistige Allmosen oft und mühsam betteln lassen: da sie sie doch wohlfeiler und alle auf Einmal haben kann, wenn Sie sie ins Reich der Geister senden und sie ihrer körperlichen Klausur entladen. Haben Sie keine Briefe der Verstorbnen an die Lebendigen[2] gelesen?

     Ch. Viele.


  1. Aus J. A. Schlegels Choriambischer Ode an Klopstock
  2. Von Christoph Martin Wieland 1753 verfasst
Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 238. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_261.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)