Seite:Zerstreute Blaetter Band I 316.jpg

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     Ch. Aber auch die Vernunftgründe nicht, die man dafür anführt? daß Gott z. E. der ohne Ansehen der Person ist, bey Einem Daseyn der Seelen auf der Welt so viel Ansehn der Person beweise: daß der Langmüthige, Gerechte jedem Zeit und Raum zur Buse gebe. Daß manchem Menschen ja unschuldiger Weise der Genuß des Lebens so bitter gemacht, so abgekürzt werde – Sie sind, mein Freund, über diese Gründe hingegangen weil sie, wie ich wohl sagen darf, mit Vorurtheil betrachtet haben. Denken Sie sich die Sachen menschlich; nehmen Sie sich das Schicksal der Mißgebohrnen, der Ungestalten, der Armen, der Dummen, der Krüppel, der entsetzlich Zurückgesetzten und Beleidigten, der jungen Kinder, die das Licht kaum sahen, und fort mußten, nehmen Sie dieß alles zu Herzen, und entweder müssen Sie von ihrer Fortrückung in jene Welt schwache Begriffe haben: oder diesen Personen müssen hier erst Fittige gemacht werden, damit sie nur von fern nachschweben lernen,

Empfohlene Zitierweise:
Johann Gottfried Herder: Zerstreute Blätter, Erste Sammlung. Carl Wilhelm Ettinger, Gotha 1785, Seite 293. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zerstreute_Blaetter_Band_I_316.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)