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Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.

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     „„Ach Vater! O Himmel! Mein Vater ist todt!

     Helft, Leute! Den König vernichtet der Schmerz! –
     O nicht doch! – Die Wange färbt wieder sich roth,
     und leise noch zucket im Busen das Herz.
Bezwinge, mein Vater, bezwinge den Kummer!

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Man sagt ja, der Tod sey ein labender Schlummer!““ –


     Da raffte der König sich mählig empor,
     und schaute mit starrenden Blicken sich um,
     und zerrte das Schwert aus der Scheide hervor,
     und preßte den Arm um die Tochter herum:

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„Hinaus jetzt, hinaus! und kämpfen und ringen,

ha, oder zwei Opfer statt eines ihm bringen!“

     Er schwankte verzweifelnd hinunter vor’s Schloß,
     kaum trugen die alternden Sehnen das Schwert,
     da sprengte ein Ritter auf schnaubendem Roß,

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     mit Schwert und mit Lanze gar stattlich bewehrt,

dem König entgegen: „Ha, greiser Herr König,
das Schwert ist zu schwer und die Kraft ist zu wenig!“

     Der Ritter war stattlich und herrlich zu schaun,
     sein Harnisch von Silber mit Sternen geschmückt,

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     die Feldbinde hellgrün, der Wappenrock braun,

     die Decke des Sattels mit Golde gestickt;
sein Auge schoß Blitze, sein Federbusch wehte
und kühlte der Wangen hochfeurige Röthe.

Empfohlene Zitierweise:
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 008. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ziehnert_Sachsens_Volkssagen_II_008.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)