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Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.

Der Frühlingssonne falber Strahl
          durchbricht die Regenwolken,
es schmilzt der Schnee von Berg und Thal,
          das Eis wird trüb wie Molken.

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Wer jetzt noch übern Elbstrom muß,

          der eile sonder Weilen,
          eh’ sich die Schollen theilen,
     noch heute bricht der Fluß.

Wer reitet im gestreckten Trab

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          vom Städtlein dort zum Strande?

’s ist ein Trompeter, den der Stab
          nach Pirna gestern sandte.
Der muß, er muß noch heut zurück!
          Ach, himmlischer Erlöser,

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          und die Gefahr wird größer

     mit jedem Augenblick!

Doch furchtlos kommt er an den Strand.
          Dort schleicht an seiner Krücke
ein Greis, und streckt nach ihm die Hand

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          mit flehendlichem Blicke. –

Er hört wohl nicht des Bettlers Flehn?
          Wer mag’s ihm auch verdenken?
          Denn will er ihm was schenken,
     so wird die Zeit vergehn.

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Und der Trompeter – hört den Greis,

          und schaut mit bangem Blicke
erst auf das weite Feld von Eis,
          dann auf des Alten Krücke,

Empfohlene Zitierweise:
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 017. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ziehnert_Sachsens_Volkssagen_II_017.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)