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Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.

„Hast recht, du Getreuer! – so spricht er bewegt –

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will harr’n und bereu’n, bis mein Stündlein schlägt,

     will pilgern nach heiligen Städten,
                    zu beten.“

Und sie reiten selbander wohl eilends nach Rom,
     und wenn sie ein Bethaus wo finden,

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in jeder Kapelle, in jedem Dom,

     kniet der Ritter und bereut seine Sünden,
und jammert bei Tage und jammert bei Nacht,
bis daß sie die mühsame Reise vollbracht
     und Ablaß für’s blut’ge Vergehen

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                    erflehen.


Drauf reiten sie weiter und schiffen sich ein,
     und segeln zum heiligen Lande,
und landen beim siebenten Abendschein
     am palästinischen Strande,

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und wenden sich freudig zur heiligen Stadt,

wo der Heiland am Kreuze gelitten hat,
     und betreten die heiligen Mauern
                    mit Schauern.

Von Jerusalem krümmt sich ein steinigter Pfad

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     gen Golgatha hin, und die Stellen,

wo Christus mit dem Kreuze geruhet hat,
     bezeichneten sieben Kapellen.
Dort strömt es ohn’ Ende von nah und von fern,
so Fürsten wie Bettler, so Diener wie Herrn,

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     und hoffen Vergebung der Sünden

                    zu finden.

Empfohlene Zitierweise:
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 035. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ziehnert_Sachsens_Volkssagen_II_035.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)