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Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.

Donner rollten, Blitze zackten
     blendend durch die schwarze Nacht,
grausenvolle Stürme packten
     Baum und Strauch mit wilder Macht.

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Aus dem finstern Wolken schossen

     auf die körnerschwere Saat,
spitzen Pfeilen gleich, die Schloßen,
     und bedeckten jeden Pfad.

Da im Wald irrt eine Dirne,

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     keines Zieles sich bewußt,

Todesschweiß auf ihrer Stirne,
     Todesangst in ihrer Brust;
und der Sturm zerwühlt ohn’ Ende
     ihr das goldgelockte Haar,

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und sie schluchzt und ringt die Hände,

     jeder Hoffnung quitt und bar.

Denn es nagt an ihrem Herzen
     sonder Rast ein gift’ger Wurm,
die Gewissensbisse schmerzen

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     herber als der Wettersturm.

Und sie ruft: „Ihr Elemente,
     tödtet mich! Erbarmt euch mein!
Machet meiner Noth ein Ende,
     und ein Ende meiner Pein!“

Empfohlene Zitierweise:
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 099. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ziehnert_Sachsens_Volkssagen_II_099.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)