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Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.

Ins Grab, huhu! ins kühle Grab!

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Hinab zur Ruh! tief, tief hinab!

Der letzte Reihn soll’s heute seyn!
Willkommen, Sarg und Leichenstein!“

Drauf wird’s im Saale still und leer,
und der Trompeter athmet schwer

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und tief, und wagt sich nicht zu dreh’n,

geschweige, einen Schritt zu geh’n.
In seiner Angst gewahret er
stet’s neue Schrecken um sich her,
bis er, so backenlahm er ist,

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zum letzten Mittel sich entschließt.


Er dreht sich um – er wagt es drauf! –
und reißt das Erkerfenster auf,
und bläßt die Herzensangst mit Macht
hinaus weit in die stille Nacht.

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Die Nachbarn schau’n zum Fenster ’raus,

doch Niemand wagt sich an das Haus,
und erst das nächste Morgenroth
befreit den Bläser aus der Noth.

Da kommt der Wirth im schnellen Lauf,

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und eilet in den Saal hinauf,

und reißt die Thür auf, und erschrickt,
als den Trompeter er erblickt.
Denn kläglich war der anzuschau’n,
die Backen waren blau und braun,

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sein Aug’ so trüb’ und feucht, sein Mund

vom vielen Blasen blutigwund.

Empfohlene Zitierweise:
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ziehnert_Sachsens_Volkssagen_II_120.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)