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Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.

„Ha, denkt er, daß ich allen euch
     die Augen öffnen könnte,
vielleicht, daß ich von Gottes Reich

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     so manche Seele trennte!

Und Gott, dann ein entlarvter Gott!
Welch süße Rache! süßer Spott!
     Jedoch, ihr blinden Laffen,
     ihr seid in’s Joch geschaffen!“

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Schon an der Deckenöffnung, war

     er nahe dem Verschwinden,
da zog ihn plötzlich unsichtbar
     was an dem Schopfe hinten.
Er sieht sich um, und schrickt zurück,

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ihm flirrt es drehend vor dem Blick,

     gelähmt sind seine Glieder,
     er schwankt und – stürzt hernieder.

Er schmettert hin. Sein Aug’ erlischt,
     zerschellt sind die Gebeine,

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Hirn und Geblüte, graß gemischt,

     klebt gischend am Gesteine.
Seht, Laien, seht, das Wort steht fest,
daß Gott sich niemals spotten läßt;
     er weiß stets das Verbrechen

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     zu seiner Zeit zu rächen.


Die Mönche traten allzugleich
     laut klagend um den Todten,
und sah’n vor Schreck erstarrt und bleich
     das Jammerbild am Boden;

Empfohlene Zitierweise:
Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band.. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 171. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ziehnert_Sachsens_Volkssagen_II_171.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)