Seite:Zum Gedächtnis des Herrn Johannes Deinzer 06.png

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zusammen: einmal die Notlage der Familie mit den Anforderungen, die sie an ihn stellte. Bald fühlte der Verstorbene, daß er der Mutter an die Hand gehen müsse, sonderlich in der Erziehung der Brüder, und das führte ihn früh in den Ernst des Lebens ein. Zum andern waren es die geistlichen Einflüsse seines neuen Wohnortes, die bestimmend in seinem ferneren Entwicklungsgang sich geltend machten. Dettelsau hatte damals seine geistliche Blütezeit, und wohl alle, die sie an Ort und Stelle miterlebten, hatten das deutliche Gefühl, daß die Wogen geistlichen Lebens hier höher gingen als anderwärts. Von der Wahrheit des Christentums und der Herrlichkeit der christlichen Kirche empfing man damals unauslöschliche Eindrücke. Die äußeren Verhältnisse waren armselig und primitiv, aber die Anregung, die von der großen Persönlichkeit Löhes ausging, hob über alle Mängel und Schattenseiten hinweg. – Frühe nun war der älteste Sohn in unmittelbare persönliche Beziehung zu Herrn Pfarrer Löhe gekommen, der des jungen Gymnasiasten sich annahm und auf einsamen Morgenspaziergängen sich ihm widmete. Pfarrer Löhe war ihm bereits eine Autorität geworden, als er nach Erlangen kam. Dies hinderte ihn aber nicht, mit hingebender Teilnahme und jugendlichem Eifer sich dem Unterricht der damaligen großen Lehrer der Erlanger Hochschule hinzugeben. Insbesondere zog ihn v. Hofmann an. Seine exegetischen Arbeiten zog er allen anderen vor und bereitete sich später auf seine homiletischen Lehrstunden kaum anders als mit Hofmanns Bibelauslegungen in der Hand vor. Wenn ihm auch später allmählich gewisse Schwächen des großen Auslegers mehr und mehr zum Bewußtsein kamen, die Wertschätzung der Gesamtleistung desselben hat ihn bis an sein Lebensende nicht verlassen. Außerdem pflegte er die pastorale Wärme der Vorlesungen von Prof. Thomasius zu rühmen. Mit Professor v. Raumer, zu dem er schon durch Löhe gewiesen war, las er Augustin’s Konfessionen. Mit einem Altersgenossen trat er bei ihm ein. Der alte ehrwürdige Herr begrüßte sie mit den Worten: vor 30 Jahren sind Ihre beiden Väter zu gleichem Zweck bei mir eingetreten. Von bleibendem Gewinn waren für ihn auch die Geschichtsvorlesungen Prof. Hegels und der Verkehr mit Prof. Heyder. –

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Hermann von Bezzel: Zum Gedächtnis des Herrn Johannes Deinzer. C. H. Beck, Nördlingen 1897, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zum_Ged%C3%A4chtnis_des_Herrn_Johannes_Deinzer_06.png&oldid=- (Version vom 20.7.2016)