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ADB:Adelheid (Kurfürstin von Bayern)

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Artikel „Adelheid (Kurfürstin von Bayern)“ von Georg Friedrich Preuß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 198–200, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Adelheid_(Kurf%C3%BCrstin_von_Bayern)&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 12:01 Uhr UTC)
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Henriette Adelheid, Kurfürstin von Baiern, wurde am 6. November 1636 zu Turin als Tochter des Herzogs Victor Amadeus I. von Savoyen, des Enkels Philipp’s II. von Spanien, und seiner Gemahlin Christine, der Tochter Heinrich’s IV. geboren. Schon in ihrem Kindesalter beschäftigte sich der mütterliche Ehrgeiz mit hochfliegenden Plänen bezüglich ihrer Vermählung; kein Anderer als der junge Bourbon Ludwig XIV. war als zukünftiger Gemahl für sie in Aussicht genommen. Der Gedanke erwies sich als undurchführbar, am 25. Juni 1652 wurde Adelheid in München dem um einige Tage jüngeren Wittelsbacher Ferdinand Maria angetraut, der damals noch unter der Vormundschaft seiner energischen Mutter, der Habsburgerin Maria Anna, stand. In diesem Verhältniß lagen auch bereits die Keime späterer häuslicher Conflicte. Dazu kam, daß die beiden Gatten nach Erziehung, Temperament und Anlage sich völlig von einander unterschieden. Dem ungelenken, unselbständigen und melancholischen jungen Fürsten, der so gar nichts besaß, was einen phantastischen weiblichen Sinn fesseln konnte, stand die früh entwickelte, durch alle Reize des Körpers und mancherlei Vorzüge des Geistes ausgezeichnete feinsinnige Tochter Italiens mit ihrer reichen französischen Bildung anfangs ohne Verständniß und Neigung gegenüber. Auf einer Wallfahrt nach Altötting im ersten Jahre ihrer Ehe erbat sich die kindlich Gläubige von der Mutter Gottes die besondere Gnade, den Gatten lieben zu können. Ihren romantischen Sinn sowie die ästhetischen Bedürfnisse ihrer künstlerisch gestimmten Seele vermochte der eng umschriebene Kreis des Münchener Hofes mit seiner klösterlichen Schmucklosigkeit und Stille in keiner Weise zu befriedigen. Um so ausschließlicher beschränkte sie sich auf ihren piemontesischen Hofstaat, erregte aber gerade dadurch, sowie durch ihre ganze leidenschaftliche und impulsive Art, die es wenig verstand, fremde Eigenart zu berücksichtigen, allseitiges Aergerniß. An der Spitze der höfischen Opposition gegen die Ausländerin stand die Kurfürstin-Mutter. Es war ein sehr erbitterter Kampf, den die beiden bedeutenden Frauen mit einander ausfochten und aus dem die jüngere, vielfach doch infolge eigenen Verschuldens, nicht als Siegerin hervorging. Wenn Adelheid, den Traditionen ihres Hauses entsprechend, den Gedanken unbedingtesten Anschlusses an Frankreich vertrat, und in ihrem Ehrgeize nicht damit zufrieden, „una semplice duchessa di Baviera“ zu sein, ihren Gemahl mit allen den vielseitigen Mitteln weiblicher Dialektik bestürmte, nach der ihm von Mazarin in lockender Nähe gezeigten Kaiserkrone zu greifen, so erlebte sie auch auf dem politischen Felde eine völlige Niederlage. Dem Einflusse der Königin-Mutter sowie des besonnenen und pflichttreuen Obersthofmeisters Kurz, der damals als „el vero sovrano“ die bairische Politik leitete, gelang es im Laufe des Jahres 1657 den friedseligen Kurfürsten über innere Schwankungen hinweg zum Verzicht auf die Candidatur zu bewegen und dadurch dem Habsburger Leopold die Wahl zu sichern.

Allein bald darauf setzte der allmähliche Umschwung ein. Im J. 1662 schied Kurz aus dem Leben, und fast zur selben Zeit schenkte Adelheid durch die Geburt Max Emanuel’s ihrem Gatten den ersehnten Erben. Seitdem war ihr Uebergewicht über Maria Anna entschieden, die bis zu ihrem drei Jahre später erfolgenden Tode nie mehr bestimmend in die Politik eingegriffen hat. Um so größer wurde Adelheid’s Einfluß auf ihren Gemahl, dessen Liebe zu der schönen, ihn auch geistig überragenden Frau seitdem kein Gegengewicht mehr hatte. Jetzt erst ergab sich dieser auch die Möglichkeit, ihrem Hasse gegen das „powere Geschlecht“ der Habsburger die Zügel schießen zu lassen. Bei ihr lag die Veranlassung, wenn sich Ferdinand Maria immer tiefer in bittere Empfindungen gegen das Fürstenhaus hineinlebte, dem seine Mutter [199] entstammt war. Hatte Adelheid schon vor der Kaiserwahl ihre heimliche politische Correspondenz mit Frankreich unterhalten, so begann nach der Geburt Max Emanuel’s und an diese anknüpfend ein noch lebhafterer Briefwechsel ihrerseits mit Lionne in Paris, mit dem französischen Gesandten Grémonville in Wien, vor allem auch mit Ludwig XIV. selbst, dem sie mit fast schwärmerischer Verehrung huldigte. Im Verein mit dem Nachfolger Kurz’, dem Landgrafen Hermann von Fürstenberg, der wiederum in engem Einverständniß mit seinen beiden in der deutschen Geschichte zu trauriger Berühmtheit gelangten begabteren Brüdern agirte, gelang es ihr, nachdem mit dem Sturze des Kanzlers Oexl auch der letzte kaiserliche Anhänger gefallen war, den Kurfürsten mehr und mehr in die Bahnen einer französischen Annäherung zu leiten, die dann in dem unter reger Mitwirkung des Vicekanzlers Kaspar Schmid geschlossenen Bündniß vom 17. Februar 1670 ihre officielle Form erhielt. Auch später hat Adelheid ihr französisches Herz nicht verleugnet. Immer wieder ist sie nach Ausbruch des holländischen Krieges für den Gedanken eingetreten, die bei aller inneren Parteinahme für Ludwig doch stets nach außen nicht ohne Aengstlichkeit behauptete Neutralität aufzugeben und die mit französischem Golde geschmiedeten Waffen offen gegen den Kaiser zu erheben. Allein hier stellte sich ihr in der Furchtsamkeit Ferdinand Maria’s eine um so unüberwindlichere Schranke entgegen, als auch die beiden mächtigsten kurfürstlichen Rathgeber, Fürstenberg und Schmid, aus verschiedenen Gründen eine französische Schilderhebung widerriethen. Ueberhaupt begann ihr Einfluß am Ende ihres Lebens zu sinken. Nach Fürstenberg’s Tode (1674) hatte sie gehofft, ihre Stellung neu zu befestigen, allein da war es Schmid, der es mit Erfolg unternahm, sie bei Seite zu drängen. Wie einst ihre ersten Jahre am Münchener Hofe, so waren auch ihre letzten nicht frei von Enttäuschungen. Die beiden französischen Gesandten, der hochgebildete Herzog von Vitry und de la Haye Vantelet wissen manches resignirte Wort aus ihrem Munde zu berichten. Dazu kam ein Herzleiden, das bald immer schnellere Fortschritte machte und ihrem Leben ein frühes Ende bereitete. Am 18. März 1676 ist sie verschieden. Sie wurde als erstes Mitglied des wittelsbachischen Hauses in der prunkvollen Theatinerkirche, ihrer eigensten Schöpfung, beigesetzt.

Trotzdem Henriette Adelheid sich mit Vorliebe in der Politik bethätigte, ist sie doch nichts weniger als ein starker politischer Charakter gewesen. Ihre Bedeutung für Baiern liegt vielmehr auf ganz anderem Gebiete. Mit ihr begann eine Aera der Kunst, zogen in die bairische Hauptstadt künstlerischer Sinn und schöngeistige Bestrebungen ein, in deren Förderung die Kurfürstin durch keinerlei Rivalität behindert wurde. Wie sie selbst einige anspruchslose Komödien geschrieben hat und ihren Gefühlen gefälligen dichterischen Ausdruck zu geben wußte, so zog sie auch häufig junge Talente aus ihrer Heimath heran. Domenico Gisberti, Maccioni, Pallavicini werden uns als die geistigen Führer einer Schar von Gelegenheitsdichtern genannt, die nicht müde wurden, im Stile der französischen Pretiösen den bairischen Hof, vor allem aber Schönheit und Geist ihrer Herrin zu feiern. Auch die Musik fand in Adelheid, die selbst in Gesang und Lautenspiel wohl erfahren war, eine eifrige Gönnerin, und die Hofcapelle gewann unter der Leitung von Männern wie Porto und Bernabei erhöhte, über München hinausreichende Bedeutung. Nicht minder ausgeprägt war Adelheid’s Neigung für die Kunst des Schauspiels; mit Vorliebe trat sie selbst auf die Scene, berief auch welsche Komödiantentruppen nach der Hauptstadt. Tiefer ins Volk ist diese Kunstpflege freilich nicht gedrungen. Dort sah man nur die glänzende Außenseite in den kostspieligen [200] Waffen- und Festspielen in der Residenz, den Bällen und Gartenfesten zu Schleisheim und in dem lieblichen neuen Lustschloß Nymphenburg, den Wasserfahrten auf dem Starnbergersee. Das Ganze hatte auch seine sehr schlimmen Seiten. Die luxuriöse Hofhaltung kam dem Lande natürlich sehr theuer zu stehen, und es ist höchst bezeichnend für den Einfluß Adelheid’s auf ihren mehr als sparsamen Gemahl, daß er mit vollen Händen Geld ausgab für Veranstaltungen, an denen er selbst gar keine Freude hatte. Anderseits drängten sich durch den Glanz angezogen, auch zweideutige Elemente an den Hof, die keine bessere Empfehlung hatten als die, Franzosen oder Italiener zu sein. So kam viel gutes bairisches Geld in fremde, nicht immer ganz saubere Hände. Auch wird es schwer möglich sein festzustellen, wie viel Antheil an dem bunten Treiben dem ernsten künstlerischen Geiste der Kurfürstin, wie viel ihrer Sucht nach geselligen Vergnügungen zuzuschreiben ist, durch die sie sich den kalten deutschen Himmel vergessen machen wollte. Wie dem auch sei, gewiß ist jedenfalls, daß der bairische Hof, über dem der Zauber weiblicher Anmuth lag, sich von aller Frivolität ferngehalten hat. Die werkthätige Frömmigkeit des kurfürstlichen Paares, die gelegentlich allerdings auch in Bigotterie ausartete, unterschied sich nicht minder vortheilhaft von der rohen Völlerei und dem wilden Waidmannsleben des trunkfesten sechzehnten, wie von der Maitressenwirthschaft des die schlimmsten Seiten französischen Hoflebens imitirenden achtzehnten Jahrhunderts. Wenn es uns heute nicht ganz leicht ist, die Doppelnatur der Kurfürstin in ihrer seltsamen Mischung von „Weltlust und Entsagung, heiterer Lebensfreude und verzehrender Melancholie“ (Heide) zu begreifen, so liegt ein Grund dafür gewiß auch darin, daß sie in ihren Fähigkeiten und Vorzügen wie in ihren Mängeln eine romanische Frau gewesen und geblieben ist. Wie sehr sie trotzdem der geistige Mittelpunkt des Hofes war, zeigte sich, als nach ihrem Tode die Musen verstummten, und Ferdinand Maria sich wieder in die Einsamkeit von Schleisheim zurückzog.

Chappuzeau, Relation de la maison electorale et de la cour de Bavière (Paris 1673). – Mémoires du marquis de Pomponne, hrsg. v. Mavidal II (Paris 1868) 225 ff. – Götze, Die Durchlauchtigsten Churfürstinnen von Bayern (Dresden 1747). – Lipowsky, Ferdinand Maria’s Lebens und Regierungsgeschichte (München 1831). – Claretta, Adelaide di Savoia, duchessa di Baviera, e i suoi tempi (Turin 1877). – Heide, Kurfürstin Adelheid von Bayern (Zeitschr. f. allgem. Geschichte III. 1886). – v. Oefele, Ferdinand Maria (s. A. D. B. VI, 677). – Heigel, Die Vermählung des Kurfürsten Ferdinand Maria mit Adelaide von Savoyen und die Beziehungen zwischen Bayern und Savoyen 1648–53 (Quellen u. Abhandlungen z. neueren Geschichte Bayerns II. München 1890). – Trautmann’s drei Aufsätze im Jahrbuch f. Münchener Geschichte I-III (1887–89). – v. Reinhardstöttner, Ueber die Beziehungen d. italienischen Litteratur zum bayrischen Hofe, ebenda I. – Recueil des instructions données aux ambassadeurs et ministres de France; Bavière t. VII (1889); bes. die Instr. für de la Haye Vantelet. – Merkel, Adelaide di Savoia (Turin 1892; vgl. Heigel, Beil. z. Allg. Ztg. 1892, Nr. 279). – Döberl, Bayern und Frankreich, 2 Bde. (München 1900/1903). – Schiedermair, Künstlerische Bestrebungen am Hofe des Kurf. Ferdin. Maria v. Bayern (Forsch. z. Gesch. Bayerns X. 1902). – Preuß, Kurfürstin Adelheid von Bayern, Ludwig XIV. u. Lionne (Festgabe für Heigel, München 1903); – derselbe, Wilhelm III. von England u. die Wittelsbacher im Zeitalter der spanischen Erbfolgefrage I (Breslau 1904).