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ADB:Dreier, Christian

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Artikel „Dreier, Christian“ von Wilhelm Gaß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 392–393, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Dreier,_Christian&oldid=- (Version vom 16. November 2024, 11:42 Uhr UTC)
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Dreier: Christian D., einer der entfernteren Theilnehmer am synkretistischen Streit, war am 22. Dec. 1610 zu Stettin geboren, der Sohn des dortigen Bürgermeisters und nachherigen schwedischen Raths und Assessors am Tribunal zu Wismar. Nach dem ersten Unterricht in seiner Vaterstadt machte er in Jena und Rostock zuerst juristische, dann philosophische und theologische Studien, bildete sich weiter auf Reisen und trat 1638 als Docent in Königsberg auf. Eine Berufung als Prediger führte ihn nach Stralsund und 1643 nach Stettin, doch begab er sich 1644 wieder nach Königsberg, um dem Jubiläum der dortigen Universität beizuwohnen, und zugleich zur Erlangung der theologischen Doctorwürde. Mit G. Calixt, dessen freiere und vermittelnde Theologie damals die lutherische Kirche in Aufregung versetzte, war er persönlich noch nicht bekannt geworden, galt aber doch für einen Freund seiner Bestrebungen. Daher machte ihm Myslenta, das Haupt der strengen Lutheraner daselbst, Schwierigkeiten und seine Promotion fand erst statt, nachdem er, ohne sich zu einer Eidesleistung zu verstehen oder die ihm beigelegten Meinungen ausdrücklich zu verwerfen, doch den symbolischen Büchern gemäß lehren zu wollen versprach. Nun sollte er nach Stettin zurückkehren, aber der große Kurfürst, der nicht geneigt war, die mit Calov’s Weggang entstandene Lücke durch schroffe Confessionalisten zu ersetzen, hielt ihn, auch als er bald nachher in ehrenvoller Weise nach Lübeck berufen wurde, unter günstigen Bedingungen in Königsberg fest. Zum außerordentlichen Professor der Theologie ernannt, ging D. neben M. Behm, dem Jüngeren, und Levin Pouchen als Abgeordneter zu dem bevorstehenden Thorner Religionsgespräch. Hier lernten sie, besonders D., Calixt kennen und verehren, in ihnen fand dieser trotz aller Abmahnungen Calov’s einen Anschluß, der aber nicht ausreichte, um ihm selber einen rechtmäßigen Antheil an den Verhandlungen zu verschaffen. Nach Königsberg zurückgekehrt, erfuhr D. durch die Gunst des Landesherrn ehrenvolle Beförderung, wurde 1648 Schloßdiakon, kurz darauf erster Schloßprediger und 1652 ordentlicher Professor, alles unter lebhaftem Widerspruch der Landstände und ihres Anhangs. Durch Latermann, den Schüler Calixt’s, und durch dessen Disputation De praedestinatione war die synkretistische Fehde nämlich schon 1646 nach Königsberg verpflanzt worden. Die Parteien schieden sich vollständig, D., Latermann und M. Behm, der Jüngere, auf der einen Seite, ihnen gegenüber Myslenta, und da der Kurfürst jene Männer nicht fallen lassen wollte, so war die Opposition indirect gegen die Regierung selber, [393] welche eine falsche Neutralität begünstige, gerichtet. Die Controversen bezogen sich auf Erwählung, Willensfreiheit, Erbsünde, Offenbarung der Trinität im A. T.; Censuren und Anticensuren über Latermann und seine Anhänger wurden gewechselt und alle gegen den Synkretismus üblichen Tadelnamen kamen in Anwendung. Ein Schreiben der drei Genannten nach Helmstädt (1649) setzte Calixt und Genossen wieder in Mitleidenschaft, so daß der Kampf sich von nun an zu der Universität zurückwandte, von der er ausgegangen war. Umsonst befahl der Kurfürst, die Kanzel mit solchen Streitigkeiten zu verschonen. Myslenta erlaubte sich, während einer Predigt Dreier’s die Liturgie vom Altare wegnehmen zu lassen, um ihn beim Absingen der Collecte zu stören. M. Behm starb 1650 und D. wollte ihm die Grabrede halten; Myslenta verhinderte dies, die Leiche mußte in der Stille beigesetzt werden und erst zwei Jahre später erfolgte ein öffentliches Begräbniß. Nach dem Tode beider Behm, Pouchen’s und Myslenta’s hätte D. zur ersten theologischen Professur aufrücken müssen, die ihm aber durch den Widerspruch der Landstände noch bis 1657 vorenthalten blieb; seitdem hat er weniger Anfechtung erlitten. Er starb am 12. Aug. 1688 nach zweimaliger Ehe, und sein Sohn Christian hat an derselben Universität als Professor der Theologie gewirkt.

D., obwol kein Mann von hervorragenden Eigenschaften, besaß doch gute Kenntnisse, auch philosophische und historische Bildung; Persönlichkeit und Charakter werden ungleich beurtheilt. Hartknoch nennt ihn aufgeblasen und barbarisch unhöflich (non videtur nisi se ipsum quaerere Dreierus), Buddeus (Isag. p. 1335) einen gelehrten Mann, dessen Schriften man aber mit Vorsicht lesen müsse, da er zum Synkretismus geneigt und in manchen Dingen es „mit den Griechen gehalten habe“. Von seinen Schriften heben wir hervor: „Sapientia sive philos. prima ex Aristotele“, 1644; „Controversiae cum Pontificiis praecipuae“, 1688, nach Pfaff’s Urtheil ein „egregium contra Romanenses opus“; „Oratio de orthodoxia seu genuina h. vocab. significatione“, 1678; „Vindicatio sanctitatis Dei“, 1654, gerichtet gegen „Calovii Solida discussio tractatus Dreieri etc.“ 1654; „Gründliche Erörterung etlicher schweren theologischen Fragen“, 1651. Dazu zahlreiche Dissertationen und Predigten, auch einige Briefe finden sich noch.

Hartknoch, Preuß. Kirchenhistorie, S. 603 ff., dess. Preußische Historie, S. 489; Strubberg, Nachricht von seinem Leben in fortgesetzter Sammlung von alten und neuen theologischen Sachen 1736, S. 644; Arnold, Historie von Königsberg, II. 164. 202; Hering, Neue Beitr. zur Gesch. d. preuß. K. I. S. 255; E. Henke, G. Calixt, II, 2, S. 26 u. a. St.