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ADB:Erdmann, Karl

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Artikel „Erdmann, Karl“ von Johannes Engelmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 55 (1910), S. 742–743, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Erdmann,_Karl&oldid=- (Version vom 13. November 2024, 18:32 Uhr UTC)
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Erdmann *): Karl E., Professor des Provincialrechts an der Universität Dorpat, geboren am 25. Mai 1841 in Wolmar in Livland, † zu Dorpat am 27. October 1898. E. erwuchs in einem kleinen livländischen Landstädtchen, wo sein Vater, später Professor in Dorpat, ein weit und breit bekannter und geliebter Arzt war und wo ein Kreis praktisch tüchtiger Männer wirkte, stets bestrebt, die geistige Entwicklung Deutschlands zu verfolgen und sich anzueignen. Er absolvirte rasch das Gymnasium und die Universität zu Dorpat, hörte philologische, historische und philosophische Vorlesungen und widmete sich dann ganz der Rechtswissenschaft. Seine Studien setzte er in Heidelberg zwei Jahre als Schüler Vangerow’s fort. In die Heimath zurückgekehrt, wurde er in Mitau Secretär des Magistrats, der damals nicht nur Verwaltungs- sondern auch Gerichtsbehörde war. Hier bearbeitete er hauptsächlich die Civilsachen und bereitete sich durch sechsjährige angestrengte Arbeit auf seine wissenschaftliche Thätigkeit vor. E. erwarb im J. 1870 in Dorpat die Magisterwürde, habilitirte sich als Privatdocent, erlangte 1872 den Doctorgrad, wurde außerordentlicher und 1873 ordentlicher Professor des Provincialrechts. Seine Studienjahre und sein Eintritt in die Praxis fiel in eine aufstrebende Zeit. Die großen Reformen, die Kaiser Alexander II. in Rußland durchführte, ließen von dem wohlwollenden Monarchen auch wichtige Reformen für die Ostseeprovinzen erwarten. Es ging wie Frühlingswehen durch das Land. Die Universität erhielt ein neues Statut, das ihr größere Mittel und große Selbständigkeit verlieh und ihre rasche Blüthe beförderte. Man sah mit Vertrauen in die Zukunft und hoffte auf eine für das Land gedeihliche Entwicklung. In solchen Zeiten ist die Arbeit Genuß. E. brachte zu dieser Arbeit eine vortreffliche Schulung, eine große Begabung für rasche Auffassung und systematische Gestaltung mit. Er wirkte besonders durch das gesprochene Wort, indem er in großen Zügen das Wesentlichste seines Themas seinen Zuhörern vorführte, sie zu begeistern wußte und zu eigener selbständiger Arbeit anregte. Seine Begabung lag auf dogmatischem Gebiet, historische Untersuchungen und Forschungen lagen ihm fern. Für die Aufgabe seines Lebens, die systematische Darstellung des baltischen Privatrechts, das er als echtes Privatrecht, geschaffen nicht nur für Privatpersonen, sondern durch [743] Privatpersonen, bezeichnete, bereitete er sich durch das eingehende Studium der Gerichtspraxis und die schriftstellerische Bearbeitung einzelner Fragen vor.

Sein Hauptwerk „System des liv-, esth- und kurländischen Privatrechts“ erschien 1889–1894 (Riga). Von seinen Monographien sind hervorzuheben: „Das Güterrecht der Ehegatten während fortdauernder Ehe nach dem Provincialrecht Liv-, Esth- und Kurlands“ (Dorpat 1872); „Das Güterrecht der Ehegatten nach Auflösung der Ehe“ (Dorpat 1873); „Das dingliche Miethrecht der modernen Provincial-Gesetzgebung“, und eine Reihe anderer Abhandlungen in der von der Dorpater Juristenfacultät in den Jahren 1868–1891 herausgegebenen Zeitschrift für Rechtswissenschaft, sowie in den Dorpater Juristischen Studien 1893–1895.

In hervorragendem Grade Herr der Form in Wort und Schrift, behandelte er als beliebter Redner vor einer immer großen Zuhörerschaft in ernster, geistreicher Auseinandersetzung wichtige Fragen des Lebens. Die „Gesammelten Vorträge“ (Reval 1897) behandeln Themata aus dem Grenzgebiet zwischen Rechts- und Empfindungsleben und die durch die gewaltsame Russificirung hervorgerufene Frage, „was uns bleibt“.

Im J. 1884 wurde der Universität infolge der Russificirung das Recht entzogen, die Professoren zu erwählen und nach 25jährigem Dienst auf weitere fünf Jahre wiederzuwählen. So konnte es geschehen, daß E. im J. 1893, obwohl im kräftigsten Alter stehend, pensionirt und entlassen wurde. In das zwangsweise eingeführte Neue konnte er sich nicht finden, die Verdrängung aus seiner Berufsthätigkeit nagte am Mark seines Lebens. Eine tückische Krankheit warf ihn, der eigentlich nie krank gewesen, darnieder und endete frühzeitig seine irdische Laufbahn.

Genaueres bei Engelmann, Prof. Karl Erdmann, Baltische Monatsschrift Bd. 55, und Biographisches Lexikon der Professoren der Universität Dorpat (russisch) I, 571.

[742] *) Zu Bd. XLVIII, S. 391.