ADB:Jacobs, Emil
Friedrich J. (s. o.), wurde den 18. August 1802 (nicht 1803) geboren. Seine Mutter, eine Tochter des Consistorialraths Seidler in Weimar, verlor er schon in seinem achten Lebensjahre, fand jedoch einen vollständigen Ersatz in deren trefflicher Schwester, mit welcher sich sein Vater fünf Jahre nachher vermählte. Seine wissenschaftliche Ausbildung erhielt er auf dem Gymnasium illustre, welches sich damals durch eine Reihe bedeutender Lehrer auszeichnete. Auf dieser Anstalt gewann der lebhafte und gescheidte Knabe nicht sowol einen großen Schatz gelehrter Kenntnisse, als vielmehr einen Einblick in die Schönheit der antiken Welt und dadurch eine Menge von Anregungen für seine künftige Laufbahn. Daß diese eine künstlerische sein müsse, erkannte zugleich mit seinem Vater der Maler Döll, Custos der Gothaer Gemäldesammlung, welcher sein erster Lehrer im Zeichnen war, und J. bezog daher im Sommer 1818 zu seiner weiteren Ausbildung die Akademie der Künste in München. Director derselben war zu jener Zeit Joh. Peter v. Langer, und vornehmlich bei ihm und bei seinem Sohne Robert v. Langer erwarb sich J. die ihm eigene Fertigkeit im Zeichnen und die Sicherheit in der Darstellung des nackten menschlichen Leibes. Eine gewisse Einseitigkeit dieser streng classischen Richtung befing damals auch ihn, – war er doch ein pietätvoller Schüler und pflegte auch später (1824) mit seinem Freunde Riedel den sterbenden Meister in dessen letzter Krankheit. Bereits vorher aber hatte J. die Münchener Studien unterbrochen, indem er mit Riedel nach Oberitalien reiste und sich dann in Gotha und in Göttingen aufhielt, wo er Vorlesungen an der Universität hörte. Als er 1824 nach München zurückgekehrt war, übernahm Cornelius nach v. Langer’s Tode die Leitung der Akademie. Mit den sich entwickelnden neuen Verhältnissen konnte sich J. nicht befreunden; er zog daher, in Begleitung seiner Eltern, im August 1825 zum zweiten Male nach Italien. Während diese von Florenz wieder heimreisten, blieb er selbst noch einige Wochen dort, um hierauf nach Rom zu gehen, welches ihm fortan zu einer zweiten Heimath wurde. Hier wirkten die großen künstlerischen Vorbilder mächtig auf ihn ein und feuerten ihn zu angestrengter Thätigkeit an. Schon in München war ein großes Gemälde, die „Erweckung des Lazarus, entstanden; hier in Rom beschäftigte sich J. mit den Entwürfen zu einem noch umfangreicheren Altarbilde, „Die Kreuzigung“, das jedoch erst zu Anfang der vierziger Jahre vollendet wurde und jetzt die Augustinerkirche in Gotha schmückt (vgl. Gothaische Zeitung 1879, Nr. 66). Vom Mai 1828 bis Ende Febr. 1829 hielt er sich wieder in seiner Vaterstadt auf, siedelte aber dann nach Frankfurt a. M. über, wo er besonders Porträts malte und auch durch seinen „gefesselten Prometheus“ Beifall gewann, ohne sich indessen zu verhehlen, daß dieses Bild zwar der Mode des Tages, nicht aber seinem Ideale entspreche, so daß es ihm geradezu Freude machte, als dasselbe bald nach der Vollendung ein Raub der Flammen wurde. Im letztgenannten Jahre mit einer Gothaerin verheirathet, zog er 1830 mit seiner jungen Frau nach Petersburg, wo er vier Jahre mit glänzendem äußeren Erfolge, aber ohne innere Befriedigung thätig war. Er schuf hier zahlreiche Porträts, unter ihnen auch dasjenige des Feldherrn Diebitsch-Sabalkanski, und viele Bilder nach Stoffen der Bibel, namentlich für das Smolnakloster eine „Himmelfahrt Christi“ und ein „Abendmahl“. Nach seiner Heimkehr erhielt er 1835 von Hannover aus den ehrenvollen Auftrag, die dortige königliche Residenz mit einer Anzahl von Gemälden auszustatten. In Folge dessen zierte er das Treppenhaus mit hübschen kleinen Amorettengruppen in Wachsfarben, den Ballsaal mit Darstellungen aus der antiken Götterwelt auf imitirtem Marmor und den Speisesaal mit den Fresken: „Aphrodite, dem Meere entsteigend“, „Der Triumphzug des Bacchus“ und „Der Argonautenzug“. Der Tod seiner Gattin, [616] die Prüderie der damaligen Königin und die technischen Schwierigkeiten der ihm neuen Freskomalerei verleideten ihm den Aufenthalt in Hannover, so daß er 1838 in einer Reise nach Griechenland Erholung und neue Anregung suchte. Von dort wandte er sich wieder nach Rom, verlobte sich aus der Ferne mit der Tochter eines evangelischen Predigers in Petersburg, feierte dann in dieser Stadt seine Vermählung und gründete sich 1840 nach einer Hochzeitsreise durch Schweden eine dauernde Heimstätte in Gotha. Er vollendete hier das erwähnte große Altarbild für die Augustinerkirche und unternahm in den Jahren 1844 bis 1845 eine dritte Romfahrt, durch welche sein Talent erst zur vollen Entwickelung gedieh. Er selber pflegte zu sagen, daß er erst jetzt „einigermaßen zu malen gelernt habe“. Seinem Schaffensdrange aber mochte er sich um so freudiger überlassen, als auch seine Gattin und der 1841 geborene Sohn ihm nach Rom gefolgt waren. Im Herbst 1853 kehrte er zum vierten Male dorthin zurück; sonst lebte er fortan meistens in Gotha. – Zu den Bildern aus der Zeit der Reise, welche durch die Correctheit der Zeichnung, die Meisterschaft in der Technik und die realistische Auffassung in weiten Kreisen Anerkennung fanden, gehört zunächst „Scheherasade, dem Sultan Märchen erzählend“ (jetzt in der Wilhelma bei Stuttgart; auch in Manchester, Königsberg und Gotha wiederholt). Sodann folgten: „Ueberreichung der seidenen Schnur“ (ebenfalls in der Wilhelma), „Orientalischer Sklavenmarkt“ (im Besitze des Königs von Portugal und – als Wiederholung – des Königs von Württemberg), der „Raub der Proserpina“ (in München), das große historische Bild „Luther auf dem Reichstage zu Worms“ (im Stralsunder Rathhause), die kirchlichen Gemälde: „Christus und „Maria mit dem Kinde“ (in der katholischen Kirche zu Gotha), eine große „Kreuzabnahme“ für eine Kirche in Livland und zahlreiche andere, unter denen „Simson und Delila“, „Judith und Holofernes“ und „Susanna im Bade“ noch genannt werden mögen. Daneben fertigte J. noch eine Reihe Genrebilder, bei denen „namentlich die Schönheit des nackten Kinderleibes nach Farbe und Zeichnung in seltener Naturwahrheit zum Ausdrucke kam“. In den letzten Jahren seines Lebens unternahm er auch mehrfach allegorische Darstellungen, wie die trauernde und die siegreiche Germania (jetzt dem Herzog von Sachsen-Altenburg gehörig), „Tag und Nacht“, „Krieg und Friede“ (von Hanfstängl photographirt) und seine letzte Arbeit: „Religion, Weltgeschichte, Naturgeschichte und Rechenkunst“. Von diesen vier Bildern, die er für die Aula einer Bürgerschule in Gotha unentgeltlich malen wollte, konnte er nur das erste vollenden. – Wie als Künstler, so zeichnete sich J. auch als Mensch vortheilhaft aus. Unabhängigen Sinnes, wie er war, trachtete er nicht nach äußeren Ehren. Ungesucht fielen ihm solche zu. 1841 erhielt er in Manchester und 1850 in Philadelphia für ausgestellte Gemälde den ersten Preis; er war Mitglied der Akademien der Künste zu Berlin und zu Petersburg, und sein Landesfürst verlieh ihm die Titel eines Hofmalers und eines Hofrathes. Für das Wohl seines Vaterlandes und seiner Geburtsstadt hatte er ein warmes Herz. Er half den „Nationalverein“ stiften und betheiligte sich viele Jahre an der bürgerlichen Verwaltung Gothas. Kirchen und Schulen desselben schmückte er mit Werken seiner Hand, ohne eine Entschädigung dafür zu beanspruchen. – Nachdem er lange gekränkelt hatte, starb er den 6. Januar 1866. Noch im gleichen Jahre ließen ihm gothaische Freunde und Verehrer in den Anlagen der Stadt ein Denkmal errichten. Es trägt außer seinem vom Bildhauer Wolfgang modellirten und in Bronze gegossenen Reliefbilde die Inschrift: „Dem verdienten Mitbürger und Maler Paul Emil Jacobs.“
Jacobs: Paul Emil J., Maler, jüngster Sohn von- Allgemeines Künstlerlexikon. 2. Aufl. Umgearbeitet und ergänzt von A. Seubert. 2. Bd. Stuttgart 1878. S. 284–285. – Außerdem nach [617] gefälligen Mittheilungen des Herrn Rechtsanwalts Friedr. Jacobs in Gotha. – Vgl. auch: Friedr. Jacobs, Vermischte Schriften. 7. Bd.: Personalien. Leipzig 1840. S. 126, 185–186, 187, 189–190, 224 u. 247.