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ADB:Leopold IV. (Herzog von Anhalt)

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Artikel „Leopold Friedrich, Herzog von Anhalt“ von Ferdinand Siebigk in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 367–369, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Leopold_IV._(Herzog_von_Anhalt)&oldid=- (Version vom 27. Dezember 2024, 06:14 Uhr UTC)
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Leopold Friedrich, Herzog von Anhalt, ward als der älteste Sohn des Erbprinzen Friedrich und der Erbprinzessin Christiane Amalie, geb. Prinzessin von Hessen-Homburg am 1. Octbr. 1794 in Dessau geboren. Unter den Augen seines einsichtsvollen Vaters und seiner trefflichen Mutter erhielt er mit seinen Geschwistern durch den nachmaligen Hofprediger Böttger eine gute Erziehung und bildete sich noch später auf wiederholten Reisen durch Frankreich und Italien. 1813 und 1814 kämpfte er für Deutschlands Befreiung im österreichischen Heere und befand sich noch bei letzterem, als ihn der unerwartete Tod seines [368] Vaters zur Unterstützung seines hochbetagten Großvaters, des Herzogs Leopold Friedrich Franz, nach der Heimath zurückrief.

Durch den Tod des letzteren, am 9. August 1817, zur Regierung des anhalt-dessauischen Landes gelangt, war er eifrig bemüht, Vollendetes sorgfältig zu erhalten und Begonnenes im Sinne des geliebten Verewigten zum Ziele zu führen. Er suchte Landbau und Viehzucht auf jede Weise zu verbessern und zu heben, mehrfach wurden Domainen aufgelöst und ihre Aecker einzeln verpachtet, wüstes Land ward culturfähig gemacht, Waldstrecken ausgerodet und dem Ackerbau übergeben. Die Zolldifferenzen mit Preußen, welche fast das ganze erste Jahrzehnt seiner Regierung trübten, endigte er 1828 durch seinen Beitritt zum Zollverein, er traf eine zweckmäßigere Eintheilung der Gerichtsbezirke durch Errichtung neuer Justizämter und vereinfachte die Justizpflege durch eingreifende Gesetze, sorgte für Verbesserung der vorhandenen Landstraßen und für Anlegung neuer, so der ersten Chaussee im Lande von Dessau bis zur cöthenschen Grenze und baute auch in diesem Sinne die schöne Elbbrücke bei Roslau 1834–36, so wie er auch die sein Land berührenden Eisenbahnen sehr begünstigte. Seinen Kunstsinn zeigt die von ihm gepflegte Hofcapelle, die lange Zeit unter Friedrich Schneiders Leitung stand und das Hoftheater, seinen feingebildeten Geschmack viele schöne Bauten, als das Vorhaus des Hoftheaters und die Caserne in Dessau und seinen tiefreligiösen Sinn viele neue und hergestellte Kirchen in den Städten und auf dem Lande, so in erster Richtung die in Raguhn und Kühnau und viele andere, und von letzteren die Schloßkirche in Dessau, die Nicolaikirche in Zerbst, die Schloßkirche in Nienburg und die von ihm vollendete Herstellung der Kirche in Gernrode. Unter ihm ward 1827 die evangelische Union eingeführt und dadurch der langen kirchlichen Spaltung im dessauer Landestheile ein Ende gemacht. Für Hebung der Schulen hat Herzog L. viel gethan, er reorganisirte zweckmäßig die Hauptschulen zu Dessau und Zerbst und errichtete viele neue Schulen in den kleinen Städten und auf dem Lande, desgleichen auch Bürgerschulen und gymnastische Anstalten in den genannten Städten. Auch vermehrte er die bedeutende Zahl der in Anhalt schon vorhandenen Stipendien 1819 durch Stiftung der für bedürftige Studirende und Schüler bestimmten, nach ihm genannten Leopoldstipendien. Auch ihm wie seinem Großvater lag die Verschönerung der Städte seines Landes und desselben überhaupt sehr am Herzen, was viele geschmackvolle Anlagen bezeugen. Auch zeitgemäße Abänderungen der Verwaltung ließ er nie außer Acht, und Handel und Industrie fanden stets in ihm einen regen Beförderer, aber erst in seinen späteren Regierungsjahren hatte er die Freude, auch auf diesem Felde seine Bemühungen durch größeren Erfolg belohnt zu sehen. Im J. 1836 stiftete er mit seinen Vettern von Cöthen und Bernburg den Gesammthausorden Albrecht des Bären. Das J. 1848 zog auch Dessau und das seit dem Ableben seines letzten Herzogs Heinrich, unter Herzog L. als Senior des Hauses stehende Herzogthum Cöthen in seinen Strudel. Es entstand ein Staatsministerium und ein aus Urwahlen hervorgegangener Landtag an Stelle der alten Stände, der eine vom Herzoge am 29. Octbr. 1848 sanctionirte Verfassung aufstellte, und viele neue Einrichtungen, als Trennung der Justiz von der Verwaltung, Aufhebung der Patrimonialgerichte und des befreiten Gerichtsstandes, allgemeine Wehrpflicht, Separation und Grundentlastung, Geschworenengerichte etc. gingen aus derselben hervor. Jedoch wurde diese Verfassung, als ihrem Zwecke nicht vollständig entsprechend, am 4. Novbr. 1851 wieder aufgehoben. Das einstweilen verwaltete Herzogthum Cöthen ging durch Vertrag mit Bernburg am 4. Febr. 1853 ganz in den Besitz des Herzogs L. über, der nun den Titel Herzog zu Anhalt-Dessau-Cöthen annahm, und erfreute sich der neue Landestheil derselben Sorgfalt wie dessen früherer Besitz: namentlich [369] hat der Herzog auch hier für Kirche und Schule viel gewirkt, was die zahlreichen Neubauten und Vergrößerungen derartiger Gebäude, sowie die Errichtung vieler neuer Schulstellen bezeugen. Im J. 1859 wurde die frühere Landschaft als Vertretung des Landes neu constituirt und seitdem namentlich die Tilgung der in Dessau nicht drückenden Schulden mit dem besten Erfolge kräftigst aufgenommen, im J. 1869 aber eine andere Zusammensetzung der Landesvertretung an Stelle der bisherigen eingeführt. In dem letzten Viertheil der Regierung des Herzogs haben der Landbau, namentlich der Zuckerrübenbau, die Viehzucht, der Handel, die Gewerbe, die Fabrikindustrie (Zuckerfabriken) und der Bergbau (auf Kohlen an vielen Orten und auf Stein- und andere Salze in dem so ergiebigen Leopoldshall) einen lebhaften Aufschwung genommen und auch der weniger von der Natur begünstigte Zerbster Kreis hob sich in erfreulicher Weise. Durch den am 19. August 1863 erfolgten kinderlosen Tod des Herzogs Alexander Karl von Bernburg war auch dieses Herzogthum dem Herzoge L. zugefallen, er hatte so die Freude, als Herzog von Anhalt nun das ganze Anhaltland nach einer zweihundertsechzigjährigen Trennung in seiner Hand wieder vereint zu sehen. Der Tag seines fünfzigjährigen Regierungsjubiläums, der 10. August 1867 war ein Freudentag für das ganze Land, das ihm, in dem es seinen Vater verehrte, von allen Seiten die ungeheuchelte innige Theilnahme entgegenbrachte. Noch kurz vor Schluß seiner irdischen Laufbahn gelang es dem Herzoge, die sehr schwierige Frage der Trennung des fürstlichen Familienvermögens von dem des Staates mit der Landesvertretung in befriedigender Weise zu lösen (23. Juni 1869). Herzog L. starb als der älteste der deutschen Fürsten am 22. Mai 1871. Er war ein frommer Christ, ein treuer Familienvater, ein redlicher Landesfürst. Ausgerüstet mit einer seltenen Kenntniß der Verhältnisse und der Oertlichkeit seines Landes, zu deren Vermehrung ihm keine Mühe zu groß erschien, ist er bei zahlreichen Gelegenheiten selbsthandelnd aufgetreten und hat Heilsames hervorgerufen und Nachtheiliges entfernt; begabt mit einem nie endenden Wohlwollen und einer unerschöpflichen Güte ist er der Wohlthäter zahlloser Bedürftiger geworden und hat sich nicht nur in seinem ursprünglichen Erbtheile die ungetheilteste Liebe in Stadt und Land, bei Hoch und Gering erworben, sondern auch die Bewohner der angefallenen Landestheile bald ganz an sich zu fesseln gewußt. Sein Andenken wird stets ein gesegnetes sein. Von seiner trefflichen Gemahlin, der Herzogin Luise Wilhelmine Amalie Friederike, einer geb. Prinzessin von Preußen, die ihm am 1. Jan. 1850 voranging, hinterließ Herzog L. einen Sohn, den jetzigen Herzog Friedrich von Anhalt und zwei Töchter, Agnes, vermählte Herzogin von Sachsen-Altenburg, und Maria Anna, Gemahlin des Prinzen Friedrich Karl von Preußen.