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ADB:Lüdinghausen genannt Wolff, Friedrich von

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Artikel „Lüdinghausen, Friedrich Wolff von“ von Adolf Schimmelpfennig in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 381–383, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:L%C3%BCdinghausen_genannt_Wolff,_Friedrich_von&oldid=- (Version vom 28. November 2024, 17:18 Uhr UTC)
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Lüdinghausen: P. Friedrich Wolff v. L., nicht Ludwigshausen, berühmter Jesuit und intellectueller Gründer der Leopoldina in Breslau, am bekanntesten unter dem Namen P. Wolff, geb. am 16. Octb. 1643 in Dünaburg, † am 15. April 1708 in Breslau, verlebte seine Jugend am Hofe des Königs Johann Kasimir von Polen und trat, angewidert von der innern Leerheit des Hoflebens und dem das Wohl des Staates untergrabenden Treiben der Parteien im Alter von 16 Jahren in die Gesellschaft Jesu. Bei seiner eminenten Begabung bemächtigte er sich mit Leichtigkeit der ganzen Wissenschaft, welche in den Anstalten des Ordens gelehrt wurde und gehörte bald, nachdem er 3 Jahre die sogenannten humaniora vorgetragen, zu den gefeiertsten Lehrern desselben. Die summos honores in der Philosophie scheint er 1675 in Prag erworben zu haben; über seine Promotion zum Doctor der Theologie ist Näheres nicht bekannt. Neben bedeutender Gelehrsamkeit befähigten ihn tiefe Menschenkenntniß, seltene Gewandtheit im Verkehr mit Hohen und Niederen, zähe Ausdauer im Verfolgen seiner Ziele, verbunden mit einer erstaunlichen Arbeitskraft zu den schwierigsten Aufgaben, und eine solche wartete seiner in Schlesien. Nur in Oberschlesien hatte die Reformation vollständig unterdrückt werden können, Niederschlesien war noch evangelisch und Breslau hatte alle Angriffe auf seine politische und kirchliche Selbständigkeit bisher mit glücklichem Erfolge abgewehrt. Selbst das 1659 auf der kaiserlichen Burg etablirte Jesuitencollegium konnte sich trotz der zahlreichen Schüler, die ihm aus Oberschlesien und den katholischen Nachbarländern zuströmten, nicht rühmen, dem Protestantismus besonderen Abbruch gethan zu haben; daher wurde L., der beste Mann, über den der Orden verfügte, 1687 mit der Leitung des Collegiums in Breslau betraut. Nach Lüdinghausen’s Ueberzeugung war, wie er es bezeichnet, „Erfrischung der Wissenschaft“ durch eine Landesuniversität erstes Erforderniß, wenn gegen den Protestantismus in Schlesien Etwas ausgerichtet werden sollte. Gab es in Schlesien eine Universität, auf welcher die Wissenschaften blühten, so ließ sich das Studiren auf auswärtigen Hochschulen verbieten und dem Umsichgreifen evangelischer Ideen ein Riegel vorschieben. Die Erhebung des Breslauer Collegiums zur Universität war daher das Ziel, welches L. unverrückt im Auge behielt. Umsichtig und besonnen übereilte er nichts. Vor allem ließ er sich angelegen sein, dem Breslauer Rath „alle Liebe und Freundschaft zu erweisen“ und ihn dadurch mit dem verhaßten Collegium auszusöhnen. L. war kaiserlicher Capellan und bei Hofe hochangesehen; es war ihm leicht, für die vornehmsten und einflußreichsten Mitglieder des Rathes Gnadenbezeigungen zu erwirken, für die einen Erhebung in den Adelstand, für andere den Titel als kaiserlicher Rath, und dem Rathe als solchem das längst erwünschte Prädicat „Ehrenfest“ zu verschaffen; kurz als L. 1694 zum zweiten Male Rector wurde, stand er mit der Bürgerschaft im besten Einvernehmen und mit dem Rathe auf freundschaftlichstem Fuße. Da verbreitete sich 1695 in Breslau auf einmal das Gerücht, [382] L. wolle eine Universität gründen und sei Allerhöchsten Orts deßwegen schon eingekommen. Was die katholische Universität für das protestantische Breslau bedeutete, darüber machte sich Niemand Illusionen. Der Schrecken war groß und allgemein. Der Rath trat sofort zusammen und wurde „aus Amts- und Gewissenspflicht in allertiefster Demuth“ wider diese Gründung bei Hofe vorstellig. Er hätte besser gethan, nicht so zu eilen, denn das Gerücht hatte gelogen, doch der Stein war ins Rollen gerathen und L. zu schnellem Handeln genöthigt, wobei es ihm zu statten kam, in seiner Petition um Erhebung des Collegiums zur Universität die Einwendungen des Breslauer Raths gleich berücksichtigen und widerlegen zu können. Dabei wies er darauf hin, daß für die neue Universität eigentlich zwei Fakultäten, die theologische und die philosophische schon vorhanden seien; ihnen fehle Nichts als das Recht zu Promotionen, denn über gedruckte Thesen sei schon immer, „nicht ohne Solennität auf akademische Art disputirt worden“; der Kaiser möge daher die beiden schon bestehenden Facultäten mit dem Promotionsrechte und den übrigen Universitätsprivilegien begnaden und die juridische und medicinische später fundiren, unterdessen aber, „bis in bessern Zeiten andere ersprießliche Mittel gefunden würden, einiges vacirende Lehngut, davon in Schlesien anjetzo mehr zu finden, zur Unterhaltung etlicher „juris et medicinae professorum ad interim appliciren und diese also neu fundirte Universität mit allen aller in orbe christiano vornehmer Universitäten Privilegien pariformiter Allergnädigst begaben.“ Man beachte wohl, daß L. bei der Dotation der neuen Universität die Kirche mit ihrem ungeheuern Besitze ganz aus dem Spiele läßt und unter Hinweis auf heimgefallene Lehngüter ausschließlich an die Großmuth des Kaisers appellirt; aber unter König Wladislaus war die geplante Stiftung einer Universität in Breslau eben daran gescheitert, daß ihre Dotation auf geistlichem Boden gesucht wurde, und auch diesmal würden Bischof und Capitel sofort auf die Seite der Gegner Lüdinghausen’s getreten sein, wenn er dem Reichthum der Kirche irgend welche Opfer für seine neu zu gründende Universität angemuthet hätte. Indeß wie gnädig der Kaiser die Vorschläge und Anträge seines Capellans auch aufnahm, die Schwierigkeiten, die sich ihrer Ausführung entgegenstellten, waren trotzdem nicht gering. Der Bischof und das Capitel verhielten sich passiv und der Rath von Breslau bot Alles auf, die Universität, von welcher er den Ruin der Stadt befürchtete, zu hintertreiben. Lüdinghausen’s Gegner am Hofe aber spotteten über das Project und äußerten wegwerfend, „es sei eine Lumperei mit allen Jesuiten-Universitäten, die sie allein inne hätten“. Die jetzt beginnenden mehrjährigen Unterhandlungen in ihren einzelnen Phasen zu verfolgen, ist hier nicht der Ort; genug, L. blieb Sieger. Am 21. Octbr. 1702 unterzeichnete Kaiser Leopold die Stiftungsurkunde der nach ihm genannten neuen Universität, welche an seinem Namenstage, den 15. November, in zwei Facultäten mit mehr als 300 Studirenden feierlich eröffnet wurde. L. wurde als Generalstudienpräfect aller Jesuitenschulen in Schlesien ihr erster Kanzler. Die von ihr in der Philosophie, dem canonischen Recht und der Theologie ertheilten Grade sollen nach der Stiftungsurkunde denen aller andern Universitäten gleich stehen, selbst in Rom erworbene Diplome nicht mehr gelten als die der Leopoldina. Eine Bestätigung in Rom ist nicht nachgesucht worden. Aber Kaiser Leopold und L. starben für ihr Werk zu früh; es blieb unvollendet; zur Errichtung einer juristischen und medicinischen Facultät ist es nicht gekommen. Nach Lüdinghausen’s Intentionen sollte die Leopoldina eine Universität ersten Ranges werden; das ist sie im Laufe der Zeit allerdings geworden, aber erst nach ihrer Emancipation von der Kirche und durch ihre Vereinigung mit der Frankfurter evangelischen Viadrina und nicht unter geistlicher Aufsicht sondern unter weltlicher Leitung. – L. war nicht [383] der Jesuit gewöhnlichen Schlages. Für sich nichts begehrend, sicherten ihm geistige Ueberlegenheit und persönliche Bedürfnißlosigkeit überall, auch am Hofe und im Kabinette des Kaisers den ersten Platz. Namentlich in den letzten zehn Jahren der Regierung Leopolds waren sämmtliche Geheimräthe nach ihrem eigenen Geständniß ihm gegenüber ohnmächtig. Nicht bloß Priester, sondern zugleich feiner Diplomat und gewiegter Finanzmann war er dem Kaiser geradezu unentbehrlich geworden. Schwierige Unterhandlungen mit fremden Höfen wurden in die Hände des den Gesandten als Capellan beigegebenen L. gelegt, und wenn in den unaufhörlichen Kriegen Leopolds Niemand mehr Geld zu schaffen wußte, so fand L. immer noch Mittel und Wege, die zur Fortsetzung oder Beendigung eines Feldzuges nothwendigen Summen aufzutreiben. Er war der eigentliche Finanzminister Leopolds. Noch in anderer Weise leistete er im Kriegsdepartement Dienste. Im Juni 1696 gefährdete der Zwiespalt der unter Kurfürst Friedrich August von Sachsen in Ungarn befehligenden Generale den Erfolg des Feldzugs gegen die Türken. L. war es, der als Vermittler ins Lager geschickt die Eintracht wieder herstellte und großes Unheil abwendete. Der Kurfürst war von ihm bezaubert, hielt ihn über einen Monat bei der Armee fest und setzte nach Niederlegung seines Oberbefehls die Bekanntschaft mit ihm fort. Gewiß war sie ein bedeutsamer Factor bei seinem 10 Monate später erfolgten Uebertritte zur katholischen Kirche. Ebenso hat bei den Unterhandlungen des Kurfürsten Friedrich von Brandenburg um die Königskrone in Preußen L. offenbar im Rathe des Kaisers den Ausschlag gegeben. Er schreibt an den Kurfürst nicht ohne Humor: „Durchlauchtiger Kurfürst! Gnädiger Herr! Beinahe König!“ Wo und wie L. sonst noch in die Geschicke des deutschen Reiches und Europas bestimmend eingegriffen, läßt sich aus den lückenhaften Nachrichten, die über sein Leben und Wirken auf uns gekommen sind, denn das Archiv der Leopoldina ist verschwunden, leider nicht mehr nachweisen, aber unter den deutschen Jesuiten giebt es keinen, der an Tüchtigkeit und geschichtlicher Bedeutung sich mit ihm messen kann.

Die Universität zu Breslau vor der Vereinigung der Frankfurter Viadrina mit der Leopoldina. Festschrift der katholisch-theologischen Facultät. Von Professor Dr. Joseph Reinkens. Breslau 1861.