Zum Inhalt springen

ADB:Masius, Andreas

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Masius, Andreas“ von Max Lossen in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 20 (1884), S. 559–562, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Masius,_Andreas&oldid=- (Version vom 4. Dezember 2024, 09:14 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Masen, Jacob
Band 20 (1884), S. 559–562 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Andreas Masius in der Wikipedia
Andreas Masius in Wikidata
GND-Nummer 118578685
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|20|559|562|Masius, Andreas|Max Lossen|ADB:Masius, Andreas}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118578685}}    

Masius: Andreas M. hat besonders als Exeget des Alten Testamentes fortdauernden Ruhm erworben; doch ist auch seine politische Thätigkeit als Secretär, Agent und Rath verschiedener Reichsfürsten nicht ganz unbedeutend gewesen. Er war geboren am 30. Novbr. (S. Andreastag) 1515 zu Lennick (Linnich) bei Brüssel, aus einer, soviel ersichtlich, wohlhabenden Familie (Maes). Seine philosophischen Studien machte M. in Löwen, wo er im Jahre 1533 mit der Würde des Primus zum Magister artium promovirt wurde. Darnach scheint er einige Jahre eine Lehrstelle an einem Collegium der Löwener Artistenfacultät bekleidet zu haben. Inzwischen erwarb er sich in erstaunlich kurzer Zeit sehr gründliche Kenntnisse im Griechischen und Hebräischen, so daß er schon während seines Löwener Aufenthaltes einen gewissen Ruf als Linguist genoß. Nebenbei wird er juristische Studien getrieben haben, welche ihn befähigten, in späteren Jahren, wir wissen nicht wann und wo, Doctor juris [560] utriusque zu werden. Die bescheidene Lehrstellung scheint ihn nicht auf die Dauer befriedigt zu haben; er verließ Löwen – vermuthlich gegen Ende des Jahres 1537 – und ging nach Wien, wo er als Secretär bei dem kaiserlichen Rath Johann von Weze, vormals Erzbischof von Lund, seit kurzem aber Bischof von Konstanz, in Dienste trat. Theils mit diesem in den kirchlichen und politischen Händeln der Zeit viel verwendeten Mann, theils für ihn, ist M. während der nächsten zehn Jahre viel in der Welt herumgekommen, überall sich Freunde fürs Leben erwerbend und zugleich, trotz seinem schwächlichen Körper und den zerstreuenden Pflichten seiner Stellung, seine reichen Kenntnisse erweiternd. Länger und öfter scheint M. besonders in Rom verweilt zu haben, theilweise zusammen mit Heinrich Rudolph von Weze, dem ihm vielleicht schon von Löwen her befreundeten Neffen seines Herrn. Von den in Rom damals noch sehr zahlreichen humanistisch gebildeten Männern zählten viele zu Masius’ vertrauteren Freunden, unter anderen die Cardinäle Morone und Cervino (nachmals Papst Marcellus II.), ferner Wilhelm Sirleti und Commendone, später ebenfalls Cardinäle, der spanische Jurist und Canonist Antonius Augustinus (Agustin) mit seinem burgundischen Gefährten Johann Metellus, die Philologen Fulvio Orsini, Gabriel Faërno, Latino Latini, Lävinus Torrentius, Stephan Winand Pighius und vor allen der als der Sokrates dieses gelehrten Freundeskreises verehrte Servitenpater Octavius Pantagathus. Mit manchen von diesen Männern stand M. auch in späteren Jahren noch in lebhaftem Briefwechsel.

Als Johann von Weze am 13. Juni 1548 zu Augsburg gestorben war, beschloß M., seiner Secretärstelle ohnehin längst müde, zunächst kein festes Amt mehr anzunehmen, sondern nur gelegentlich als Agent oder als Rath von Haus aus sich verwenden zu lassen, seine freie Zeit aber den Studien, besonders den biblischen zu widmen. In der Kenntniß des Hebräischen hatte er damals wenige seines Gleichen; das Studium des Arabischen hatte er zu Rom unter Leitung von Wilhelm Postell begonnen; einige Jahre später fand er, wieder in Rom, Gelegenheit, auch die in Europa damals noch fast unbekannte syrische Sprache kennen zu lernen. Neben seiner vlämischen Muttersprache sprach und schrieb er geläufig Deutsch, Italienisch, Französisch, auch das Spanische war ihm wohlbekannt. – Die Mittel zu sorgenfreiem Leben gewährten ihm, neben einem nicht unbedeutenden Privatvermögen, kirchliche Pfründen, welche nicht allzuviel Pflichten auferlegten. Er besaß Canonicate zu Lübeck und zu Konstanz; auch an einer Utrechter Collegiatkirche hatte er längere Zeit ein Canonicat oder doch die Anwartschaft auf ein solches; zu Köln wurde er, wir wissen nicht wann, Propst von S. Kunibert. Für die Collegiatkirchen zu Xanten und Emmerich verlieh ihm der römische Stuhl die Canonicate, welche bisher sein Herr, Bischof Johann besessen hatte. – Die Muße den Studien zu leben gewährte ihm die Freundschaft mit zwei humanistisch gebildeten Prälaten, dem Abt von Weingarten, Gerwich Blaurer und seinem Jugendgenossen Heinrich von Weze, welcher, als Nachfolger seines Oheims, Administrator des Cistercienserklosters Waldsassen in der Oberpfalz geworden war. Hier und in Weingarten hat M. einen großen Theil der nächsten zehn Jahre (1548–58) zugebracht. – Schon einige Zeit vor dem Tode Johanns von Weze war M. von den Räthen des Herzogs Wilhelm von Jülich, Cleve, Berg auf dem Augsburger Reichstag, mit verschiedenen Geschäften an der römischen Curie betraut worden, namentlich mit dem Auftrag Herzog Wilhelms Schirmvertrag mit der Abtei Hervord vom Papste bestätigen zu lassen. Diesen Auftrag vollführte M. im Sommer 1549 zur Zufriedenheit seines neuen Herrn, während dessen weiterer Wunsch, das Recht der Pfründenverleihung in den päpstlichen Monaten, nicht durchzusetzen war. – Während seines Aufenthaltes in Rom wurde M. auch von Kurfürst Friedrich II. von der Pfalz mit [561] gewissen nicht genau bekannten Geschäften beauftragt. – Als M. im Sommer 1550 nach Deutschland zurückkam und später wiederholt, wurden ihm sowohl am Hof der Statthalterin der Niederlande, Königin Maria, wie vom römischen König Ferdinand Dienste angeboten; er lehnte ab, ließ sich dagegen im März 1551 als clevischer und nachher auch als kurpfälzischer Rath von Haus aus bestallen. Außerdem verlieh ihm Herzog Wilhelm, theilweise als Entschädigung für die ihm entgangenen Canonicate zu Xanten und Emmerich, die Propstei Nideggen im Herzogthum Jülich. – Vorübergehend ließ sich M. später auch von anderen Reichsständen, z. B. von den schwäbischen Prälaten, sodann von dem Bischof von Lüttich, zu Gesandtschaften verwenden. – Vom Frühjahr 1551 bis Frühjahr 1553 war M. anhaltend in Rom, theils seinen Studien lebend, theils Geschäfte an der Curie für den clevischen Herzog und für den Pfälzer Kurfürsten betreibend: für ersteren wieder die Pfründenverleihung, sodann die Translation der Nidegger Stiftskirche nach Jülich und anderes mehr; für letzteren besonders Heidelberger Universitätsangelegenheiten. Damals machte M. die Bekanntschaft eines Abgeordneten des syrischen, nicht monophysitischen Patriarchen von Antiochien, mit Namen Moses von Mardin, welcher sein Lehrer in der syrischen Sprache wurde. Das Behagen am römischen Leben und am Verkehr mit den dortigen gelehrten Freunden wurde jedoch gestört durch ein mit der ungesunden Sommerluft ihn beschleichendes hartnäckiges Fieber, dessen Folgen M. lange nachgingen und ihn schließlich von dem Gedanken abbrachten. künftig einmal ganz in Rom zu leben. – Zum letzten Male war M. vom April bis zum Juli 1556 in Rom, damals mit einer ganzen Menge von Geschäften des Herzogs von Cleve betraut: neben einzelnen Punkten der kirchlichen Jurisdiction und Disciplin, welche man am clevischen Hofe besser oder mehr im Interesse des Herzogs geordnet wünschte, sollte M. hauptsächlich die Gestattung des Laienkelches, sodann die Errichtung einer neuen Universität zu Duisburg und ihre Ausstattung mit Einkünften aus geistlichen Pfründen betreiben. – Aber diesmal hatte M., ungeachtet seiner guten Beziehungen zu vielen Cardinälen und Curialisten geringen Erfolg, weil der alte starrsinnige Papst Paul IV. theils zu viel mit seinen Kriegsplänen beschäftigt war, theils nicht zugeben wollte, daß kirchliche Rechte geschmälert oder Neuerungen eingeführt würden. Erst Pius IV. hat durch eine Bulle vom 10. April 1562 die Errichtung einer Universität zu Duisburg gestattet.

Inzwischen hatte die in der Kurpfalz nach dem Tode des Kurfürsten Friedrich II. im Jahre 1556 erfolgende protestantische Kirchenreform auch in dem ferneren Schicksal der Abtei Waldsassen und ihres Administrators Heinrich von Weze und in der Folge im Lebensgang des M. eine Wendung vorbereitet. Jahrelang hatten die beiden Freunde, im Einvernehmen mit einigen kurpfälzischen Räthen, namentlich dem Secretär Hubert Thomas Leodius, in der Stille den Plan betrieben, daß die Abtei durch Resignation Weze’s an M. fallen solle. Kurfürst Friedrich II., der Schutzherr des Klosters, schien nicht abgeneigt; aber sein eifrig lutherischer Nachfolger Ottheinrich mochte ohne Zweifel in dem Bestreben sein Land zu reformiren und die Klöster zu säcularisiren, nicht durch die Fortdauer der katholischen Administration des mitunter noch als reichsunmittelbar geltenden Stiftes Waldsassen gehemmt sein. Nach langen Streitigkeiten kam es im Jahre 1559 dahin, daß Weze zu Gunsten des Pfalzgrafen Reichard (von Simmern) resignirte. – Schon einige Zeit vorher (1558) war Weze in seine clevische Heimath übergesiedelt und als Rath in Herzog Wilhelms Dienste getreten. M. folgte dem Freunde; mit beiden wählte ein dritter Freund, Heinrich von der Recke, welcher längere Zeit mit M. in Rom gelebt hatte, das damals clevische, jetzt holländische Städtchen Zevenaar (zwischen Emmerich und Arnheim) [562] zum Wohnsitz. M. entsagte nun dem geistlichen Stand, heirathete (im Sommer 1558) eine Nichte seines Freundes Heinrich von Weze und führte mit ihr und seinen Freunden die letzten fünfzehn Jahre seines Lebens ein theils seinen Amtspflichten, theils seinen geliebten biblischen und sprachlichen Studien gewidmetes glückliches Stillleben, welches nur durch seine Kränklichkeit getrübt wurde. Aus wiederholten Wechselfiebern entwickelte sich schließlich die Bauchwassersucht; an ihr starb M., fromm ergeben und mit den katholischen Sterbesacramenten versehen, am 7. April 1573.

Wenn auch die Muße des Zevenaarer Lebens durch Amtsgeschäfte und Dienstreisen, besonders an den clevischen Hof und in die spanischen Niederlande, manchmal unterbrochen wurde, war M. doch Zeit genug vergönnt, um aus seinen tief eindringenden biblischen und sprachlichen Studien einige Früchte von bleibendem Werth zu zeitigen. – Im Jahre 1569 erschien bei Christoph Plantin in Antwerpen die lateinische Uebersetzung einer vormals in Rom erworbenen, aus dem 10. Jahrhundert stammenden syrischen Abhandlung des Moses-Bar-Cepha über das Paradies, ferner einer alten syrischen Meßliturgie und verschiedener Glaubensbekenntnisse, welche bei der erwähnten syrischen Gesandtschaft in den Jahren 1552 und 1553 zu Rom überreicht worden waren. – Danach wurde M. einer der verdienstvollsten Mitarbeiter an der bei Plantin gedruckten großen Polyglottenbibel. Er gab für dieselbe die chaldäische Paraphrase eines Theiles der alttestamentlichen Bücher her und verfaßte selbst für den dem Bibelwerke beigegebenen gelehrten Apparat eine syrische Grammatik und ein syrisches Wörterbuch, welche in den Jahren 1571 und 1572 erschienen und bis in das folgende Jahrhundert hinein als Grundlage für syrische Sprachstudien gedient haben. Ebenfalls bei Plantin wurde Masius’ bedeutendstes, heute noch hochgeschätztes Werk gedruckt: seine hebräisch-griechische Ausgabe des Buches Josua nebst lateinischen Uebersetzungen, ausführlichem Commentar und vortrefflicher, die Septuaginta und andere Bibelübersetzungen behandelnder Einleitung. – In Folge der Geldverlegenheiten, in welche Plantin durch die niederländischen Unruhen und durch sein großartiges Bibelunternehmen gerieth, verzögerte sich der Druck des Josua, so daß das Werk erst ein Jahr nach dem Tode des M. erscheinen konnte. Ein demselben beigefügter Brief Heinrichs von Weze an Plantin berichtet ausführlich über Masius’ letzte Lebenstage und giebt zugleich Zeugniß von seinem liebenswürdigen Charakter. Masius’ Josua ist wiederholt wieder abgedruckt und viel gepriesen, aber auch wegen freier Aeußerungen über biblische Inspiration einerseits und andererseits über die Fehler der Vulgata mitunter von Protestanten wie Katholiken getadelt und sogar auf den Index der verbotenen oder zu reinigenden Bücher gesetzt worden.

Biographisches und besonders Bibliographisches bei Paquot, Mémoires Tom. II. der Folio-Ausgabe S. 274–78, wo jedoch die unter Nr. 14 aufgeführte Disputatio de coena Domini als nicht von M. herrührend zu streichen sein wird. – Briefe von und an M. in Latini Latinii Lucubrationes tom. II. Rom. 1667; Acta Acad. Theodoro-Palatinae tom. VII. histor. Mannh. 1794; Lacomblet, Archiv für die Geschichte des Niederrheins Bd. V u. VI; einzelne Briefe zerstreut in verschiedenen gedruckten Briefsammlungen. Ungedruckte Briefe von A. M. und seinen Freunden gedenke ich im Auftrag der Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde demnächst zu veröffentlichen.