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ADB:Natorp, Ludwig

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Artikel „Natorp, Bernhard Christian Ludwig“ von Binder. in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 285–286, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Natorp,_Ludwig&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 17:55 Uhr UTC)
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Natorp: Bernhard Christian Ludwig N., evangelischer Theolog und Pädagog, geb. am 12. November 1772 zu Werden a. d. Ruhr, † am 8. Februar 1846 als preußischer Oberconsistorialrath zu Münster. Derselbe bezog von 1790–1794 die Universität Halle, wo er Theologie studierte; dann wirkte er zuerst als Lehrer in Elberfeld am Weißenstein’schen Kaufmannsinstitute. Am 3. März 1796 wurde er ordinirt und als Pfarrer angestellt in der lutherischen Gemeinde Hückeswagen; von 1798–1810 war er Pfarrer in Essen. Hier zog er die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich durch seine vortrefflichen Kanzelvorträge, sowie durch die Herausgabe einer durch Gründlichkeit und Freimüthigkeit sich auszeichnenden theologischen Quartalschrift. Seine Wirksamkeit erwarb ihm die Gunst des damaligen Oberpräsidenten und späteren Ministers v. Stein, und auf Vorschlag des Oberpräsidenten v. Vincke ward N. 1810 zum Mitglied der königlichen Regierung zu Potsdam ernannt, wo er als Oberconsistorialrath hauptsächlich in der Kirchen- und Schuldeputation unter der Leitung des Oberpräsidenten v. Bassewitz und dem Directorium des späteren Finanzministers Maaßen eine energische und anregende Thätigkeit entfaltete. 1816 folgte er seinem Gönner v. Vincke nach Münster, woselbst er in der königlichen Regierung wiederum Oberconsistorialrath und zugleich Prediger der dortigen protestantischen Gemeinde war. 1836 wurde er als Gehilfe des Bischofs Dr. Roß Vicegeneralsuperintendent der Provinz Westfalen. Er starb zu Münster infolge eines Schlaganfalles im 50. Jahre seiner Amtsführung und im 75. seines Lebens. – N. hat sich um die Verbesserung des Unterrichtswesens und um die Bildung des Lehrerstandes bleibende Verdienste erworben. Schon vor seiner Berufung nach Potsdam, wo die Pflege des Schulwesens seine Amtsaufgabe war, hatte er, seiner Neigung folgend, sich mit der Hebung der Stadt- und Landschulen mit Erfolg beschäftigt; als Mitglied der Regierung zu Potsdam [286] wie später zu Münster wendete er seine volle Thätigkeit der Schule zu, wie insbesondere auch das ehemalige kurmärkische Lehrerseminar größtentheils nach seinen Vorschlägen eine umgestaltende Organisation erhielt. Neben seinem praktischen Eingreifen in das Unterrichtswesen suchte er vornehmlich auch durch seine pädagogischen Schriften auf dasselbe verbessernd einzuwirken. Schon als Prediger in Essen gab er daselbst 1802 neben seiner „Kleinen Bibel des Alten und des Neuen Testaments“ (2. Aufl. 1823) die „Kleine Schulbibliothek“ heraus, ein geordnetes, jetzt aber wohl litterarisch veraltetes Verzeichniß auserlesener Schriften für Lehrer an Elementar- und Bürgerschulen (5. Aufl. 1825). Zur Förderung einer besseren Einrichtung des damals noch vielfach sehr mangelhaften Stadtschulwesens veröffentlichte er 1824 seinen „Grundriß zur Organisation allgemeiner Stadtschulen“. N. war einer der Ersten, der die deutsche Lehrerwelt mit der Methode von Bell und Lancaster bekannt machte durch seine 1808 erschienene, aus dem Englischen übertragene Schrift: „Ein einziger Schullehrer unter 1000 Kindern in der Schule von J. Lancaster“, und dann durch die weitere Schrift: „Andreas Bell und Joseph Lancaster. Bemerkungen über die von denselben eingeführte Schuleinrichtung, Schulzucht und Lehrart.“ Heute noch für die Fachkreise beachtenswerth ist sein „Briefwechsel einiger Schullehrer und Schulfreunde“, 3 Bändchen (1811–1816. 2. Aufl. des 1. Bändchens 1823); hier werden in der Form einer Correspondenz die wichtigsten bis dahin in der Volksschulkunde gemachten Erfahrungen behandelt; als Fortsetzung eines Abschnittes dieses „Briefwechsels“ reiht sich an das 1834 erschienene Schriftchen: „Ueber Rink’s Präludien“. R. wandte sein Interesse aber auch ganz besonders noch der Pflege des Gesangs sowohl in der Kirche als auch als Bildungsmittel in der Schule zu. Außer dem von ihm mit Rink und Keßler gemeinschaftlich bearbeiteten, bei Bädeker in Essen erschienenen „Choralbuch für evangelische Kirchen“ und einer 1817 ebenda von ihm herausgegebenen Schrift über den „Gesang in den Kirchen der Protestanten“ suchte N. auf eine zweckmäßige Erlernung und Uebung eines guten Gesanges in den Volksschulen hinzuwirken durch seine Schriften: „Anleitung zur Unterweisung im Singen für Lehrer in Volksschulen“, 1. Cursus – 5. Aufl. 1837. 2. Cursus – 2. Aufl. 1834, ein leicht faßlicher, auf Pestalozzi’scher Theorie der Gesangsbildungsmethode beruhender und zum Gebrauche der Lehrer beim Unterricht bestimmter Leitfaden, wobei N. hier zur Bezeichnung der Töne neben der Notenschrift auch die Ziffernschrift in Anwendung brachte, welches letzteres sich jedoch in der Folge als unpraktisch erwies; schließlich ist in dieser Hinsicht noch zu erwähnen Natorp’s „Lehrbüchlein der Singkunst für die Jugend in Volksschulen“, 2 Curse, 1834. – N. war eine Persönlichkeit von offener Klarheit und edler Einfalt, eine ungeschminkte Natur, die durch aufrichtige Herzlichkeit alle Gemüther anzog. In Lehre und Wandel war derselbe ein erbaulicher Geistlicher, als Prediger gerne gehört, als Vorgesetzter werthgeschätzt. Als Theologe zeigte er sich in seinen Ansichten liberal, neigte in späteren Jahren jedoch mehr und mehr zum positiv Christlichen hin. Seine Bemühungen um die Hebung des Volksschulwesens in praktischer und litterarischer Thätigkeit sichern ihm eine Stelle unter den ersten Pädagogen.

Vgl. die Biographien von K. G. Hergang, 1. Lieferung, und von J. B. Heindl; ferner die biograph. Schilderung von Bischof Dr. Eylert im Schulbl. f. d. Prov. Brandenburg o. O. Schulz. II. Jahrg., 2. Heft.
Binder.