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ADB:Rainhard, Walther

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Artikel „Rainhard, Walther“ von Viktor Hantzsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 53 (1907), S. 191–194, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rainhard,_Walther&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 00:32 Uhr UTC)
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Rainhard: Walther Balthasar R., einer der erfolgreichsten deutschen Abenteurer im Auslande, ist um 1720 in den Rheinlanden, vermuthlich in Straßburg, geboren. Er stammte aus niedrigen Verhältnissen, wuchs ohne Schulbildung heran und erlernte das Zimmermannshandwerk. Da er in der Heimath kein gutes Fortkommen zu finden vermochte, trat er als Schiffszimmerer in den Dienst der französischen Compagnie des Indes Orientales. Auf einem Schiffe dieser Gesellschaft kam er 1750 nach Ostindien und trat in Pondicherry, des Seelebens überdrüssig, als Soldat in das Heer ein, das die Compagnie zum Schutze ihrer Besitzungen an der Coromandelküste unterhielt. Seine Kameraden legten ihm entweder wegen seiner dunklen Gesichtsfarbe oder um seines düstern und unheimlichen Charakters willen den Namen Sombre, der Dunkle, bei. Diese Bezeichnung blieb dauernd an ihm haften, nur daß [192] sie die Engländer später in Somers, die Eingeborenen in Sumru verwandelten. Diesen letzteren Namen führt er auch bei den neueren Geschichtschreibern Indiens. Nachdem er den Franzosen einige Jahre gedient und sich an verschiedenen Kriegszügen betheiligt hatte, wurde er aus unbekannten Gründen fahnenflüchtig und zog auf eigene Hand nordwärts bis nach Bengalen. Hier wollte er sein Glück bei den Engländern versuchen und ließ sich deshalb in Calcutta bei den Truppen der East India Company anwerben. Aber schon nach 18 Tagen desertirte er abermals und entfloh nach der benachbarten französischen Niederlassung Tschandarnagar. Der Commandant, ein Neffe des berüchtigten Speculanten John Law, kannte sein Vorleben nicht, reihte ihn deshalb in die Besatzung des festen Platzes ein und beförderte ihn nach kurzer Zeit wegen seiner Tüchtigkeit in militärischen Dingen zum Sergeanten. In dieser Stellung blieb er mehrere Jahre und zeichnete sich wiederholt in den Kämpfen gegen benachbarte eingeborene Fürsten aus. Im Frühjahr 1757 rückten die Engländer unter Clive und Watson vor die Festung, belagerten sie zu Wasser und zu Lande und zwangen sie durch eine zwölftägige Beschießung zur Capitulation. Doch gelang es dem Commandanten noch vor der Uebergabe, die englischen Linien mit einer Schar von Getreuen zu durchbrechen. Auch Sumru befand sich unter den Geretteten. Diese beschlossen um ihrer Sicherheit willen, nicht auseinander zu gehen, sondern sie bildeten eine Freischar und boten ihre Dienste den eingeborenen Herrschern der Gangesebene an. Zunächst nahm sie der Nabob von Bengalen auf, der mit den Engländern in Feindschaft lebte, doch vermochten sie nicht zu verhindern, daß er in der Schlacht von Plassey besiegt und bald darauf ermordet wurde. Dann zogen sie den Ganges weiter aufwärts in das Gebiet des Großmoguls Schah Allum, der ihnen gleichfalls mit Wohlwollen entgegenkam und sie einlud, an einem längst geplanten Kriege gegen die Ostindische Compagnie theilzunehmen. Aber dieser Kampf fiel unglücklich für ihn aus, er mußte sich schließlich seinen Feinden ergeben, und auch Law mit einem Theile seines Freicorps wurde gefangen. Die übrigen europäischen Söldner wählten Sumru, den sie im Laufe der Jahre um seiner Tapferkeit willen schätzen gelernt hatten, zu ihrem Anführer. Sein ganzes Bestreben ging nun darauf hin, den Engländern, die er tödlich haßte, möglichste Schwierigkeiten zu bereiten. 1763 berief ihn der neue Nabob von Bengalen, Kasim Ali, an seinen Hof, beauftragte ihn mit der Neuorganisation seiner Armee und ernannte ihn zum General. Als solcher hat er allerdings seinen Namen dadurch geschändet, daß er in Patna an einem Tage 200 gefangene Engländer auf grausame Weise ermorden ließ. Bald darauf wurde er von Kasim Ali zum Oberbefehlshaber des gesammten Heeres ernannt, doch war das Glück seinen kriegerischen Unternehmungen nicht günstig. Ein Versuch, das Fürstenthum Nepal am Fuße des Himalaya zu erobern, mißlang vollständig, und auch die britischen Truppen, welche herbeieilten, um den Tod ihrer Landsleute zu rächen, vermochte er nicht zu besiegen. Als sie seinen letzten Zufluchtsort, das feste Patna, einschlossen, blieb ihm nichts anderes übrig, als nach dem Nachbarstaate Oudh zu entfliehen, dessen Herrscher, gleichfalls ein Feind der Compagnie, ihm gastfreundlich Aufnahme gewährte. Er stellte ihn an die Spitze eines Heeres, das den Engländern entgegenzog, aber bei Bapar am Ganges eine empfindliche Niederlage erlitt. Der Fürst wollte daraufhin Frieden schließen und Sumru an seine Gegner ausliefern, aber dieser vergalt ihm die geplante Untreue, indem er sein Schatzhaus plünderte und die reiche Beute zur Anwerbung einer Leibgarde von mehreren hundert Mann verwendete, die er nach europäischer Weise bewaffnete und disciplinirte und mit der er dann den Ganges aufwärts zog, bis er aus dem britischen [193] Machtbereiche entkommen war. Er setzte sich in dem in voller Auflösung befindlichen großmogulischen Reiche fest und bot seine Dienste den zahlungsfähigsten unter den einheimischen Herrschern an, die bei ihren unaufhörlichen Kämpfen gegen einander sich gern fremden Beistandes bedienten. Zunächst nahm ihn der Radscha von Bharatpur in Sold, und diesem half er die reiche Stadt Agra, die ehemalige Residenz der Großmogulen, erobern. Als aber der Fürst bald darauf ermordet wurde und seine fünf Söhne einen langwierigen Streit um die Thronfolge begannen, verließ Sumru das Land und folgte einer Einladung des Radscha von Dschaipur, den er in mehreren Feldzügen gegen die benachbarten Kleinstaaten unterstützte. Bald aber bemerkte er, daß der englische Agent an diesem Hofe gegen ihn wühlte und ihm nach dem Leben trachtete. Er kehrte deshalb nach Bharatpur zurück, wo unterdeß nach mehreren Regierungswechseln Randschit Singh, ein Mann von ungewöhnlicher kriegerischer Tüchtigkeit, zur Herrschaft gelangt war. Dieser ernannte ihn zum Commandanten der wichtigen Festung Agra, wo er Gelegenheit fand, sich bedeutende Reichthümer zu erwerben. Aber auch hier war seines Bleibens nicht lange. 1772 erhielt er von Nudschuf Khan, dem einflußreichen Günstling und Minister des Großmoguls Schah Allum, eine Einladung, unter glänzenden Bedingungen das Amt eines militärischen Oberbefehlshabers in der Hauptstadt Delhi zu übernehmen. Er folgte diesem Rufe und rechtfertigte bald das in ihn gesetzte Vertrauen, indem er einen gefährlichen Aufstand des unzufriedenen Adels niederwerfen half. Dadurch wurde er der angesehenste und am meisten gefürchtete Mann im großmogulischen Reiche, und als Belohnung für seine Dienste verlieh ihm der Herrscher 1773 das unweit Delhi zwischen den Strömen Ganges und Dschamna gelegene Fürstenthum Sardhana als erbliches Lehen. So war er allmählich durch das Kriegsglück aus einem armen Handwerker ein regierender Fürst geworden. In der gleichnamigen Hauptstadt des Ländchens schlug er seine Residenz auf, befestigte sie stark und unterhielt mit Hülfe der beträchtlichen Staatseinkünfte ein schlagfertiges Heer, das er in den Kriegen seines Lehnsherrn befehligte. Außer andern Feldzügen mußte er auch eine Expedition gegen seinen früheren Herrn, den Radscha von Bharatpur unternehmen. Er besiegte ihn völlig und nahm ihm Agra ab, das er wieder als Gouverneur verwaltete. Seinen Regierungssitz schlug er hier in dem ehemaligen Palaste des großen Kaisers Akbar auf. In Agra wurde er auch mit den beiden deutschen Jesuiten Wendel und Tieffenthaler bekannt, die damals als Missionare unter den Eingeborenen wirkten. Ihren Bemühungen gelang es, seine christlichen Jugenderinnerungen wieder aufzufrischen. Er entsagte zwar nicht dem Mohammedanismus, dessen Gebräuchen er sich angeschlossen hatte, aber er bewies den Patres alles Wohlwollen und erneuerte mit großen Kosten ihre baufällige Kirche. Als er nun auf der Höhe der Macht und des Ruhmes stand, dachte er daran, eine Familie zu gründen, der er sein Land und seine Würden als Erbe hinterlassen könnte. Er verheirathete sich mit der Tochter eines verarmten Adligen aus Delhi, doch blieb die Ehe kinderlos. Am 4. Mai 1778 starb er plötzlich zu Agra und wurde auf dem katholischen Friedhofe daselbst beerdigt. Sein Grab schmückt ein noch heute wohlerhaltenes prächtiges Mausoleum. Sein Charakter schwankt im Urtheil der Zeitgenossen. Die Geschichtschreiber Indiens sagen ihm Treulosigkeit, Habsucht und Grausamkeit nach, doch gestehen sie ihm wenigstens Geistesschärfe, persönlichen Muth, Thatkraft und ungewöhnliche militärische Begabung zu. Er konnte weder lesen noch schreiben, aber es gelang ihm, das Vordringen seiner Todfeinde, der Engländer, im Gangestiefland [194] zwei Jahrzehnte hindurch aufzuhalten. Seine Wittwe, eine Frau von männlichem Charakter, überlebte ihn um volle 58 Jahre und leitete die Regierung des Fürstenthums Sardhana mit starker Hand. In ganz Nordindien war sie unter dem Namen Begum Sumru bekannt und geachtet. Nach ihrem Tode 1836 kam ihr Land unter britische Herrschaft.

S. Noti, Das Fürstenthum Sardhana, Freiburg 1906, wo auch die übrige, meist englisch-indische Litteratur verzeichnet ist.