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ADB:Schmid, Peter

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Artikel „Schmid, Peter“ von Binder. in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 689–692, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schmid,_Peter&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 13:54 Uhr UTC)
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Schmid: Peter S., verdienter Methodiker des Zeichenunterrichts, geb. am 15. April 1769 zu Trier, † am 22. November 1853 zu Ehrenbreitstein bei Coblenz. Der Vater, ein Küfer, starb früh, als S. erst 6 Jahre zählte; die [690] Mutter befand sich nach dessen Tode mit ihren fünf Kindern in den dürftigsten Verhältnissen, sodaß der siebenjährige S. mit einem noch jüngeren Bruder durch Arbeit in einer Spinnanstalt zum Unterhalte der Familie beitragen mußte. Der Besitzer der Spinnanstalt wurde zwar sein Stiefvater, wodurch die Lage sich wohl kurze Zeit besserte, aber bald ging durch die Concurrenz einer städtischen Spinnanstalt die des Stiefvaters zu Grunde und S. hatte wiederum unter dem Drucke der Noth der Familie mitzuleiden. Doch ein großer geistiger Gewinn hatte sich für den Knaben aus jener Zeit der Noth und Arbeit ergeben, die strenge Gewöhnung an genaue ausdauernde Arbeitsamkeit, was ihm als Grundlage seiner späteren Entwicklung sehr zu statten kam. Seine geistige Ausbildung, auch die elementare, wurde von den Eltern völlig vernachlässigt; Lesen und Schreiben lernte der reifere Knabe nachher durch eigene Uebung. Die in ihm schlummernde Begabung für die Zeichenkunst wurde durch ein ganz zufälliges Ereigniß, durch den Anblick eines Freskenbildes an dem Fischergildenhause in der Diedrichsgasse zu Trier, den Fischzug Petri darstellend, geweckt. Der Eindruck dieses Bildes auf den Knaben war ein derartiger, daß er mehrere Stunden lang sich nicht von ihm trennen konnte, alles um sich her vergessend, und daß er heimgekehrt, von seiner kleinen Ersparniß sich sofort Papier und Farben kaufte und noch in derselben Nacht, während er zuvor noch nie einen Strich gezeichnet hatte, die in dem Gedächtniß haftenden Figuren jener Freskenbilder in getreuen Zügen nachzeichnete, eine Arbeit, die ihn bis gegen Morgen beschäftigte. So stark offenbarte sich in dem damals elfjährigen Knaben die künstlerische Begabung. Jetzt benützte S. alle freie Zeit zum Zeichnen und gewann so durch Selbstübung eine gewisse Sicherheit des Auges und der Hand in naturwahrer zeichnerischer Nachbildung der ihm vorliegenden Gegenstände. Eine spätere Leistung seines Talentes, die Zeichnung des 1782 erfolgten Einzugs des Kurfürsten Clemens Wenzeslaus in Trier erwarb ihm die Gunst des Dompropstes Grafen v. Waltersdorf, der Schmid’s Ausbildung dem Maler Habicht in Trier übertrug. Nach mehrjähriger Uebung daselbst ging er nach seines Gönners Wunsch und mit dessen Empfehlung zu dem Hofmaler Zick nach Coblenz, dessen übrigens nicht sonderlich fördernden Unterricht er drei Jahre genoß; dann besuchte S. 1790 die Akademie zu Mannheim und 1791–1793 die zu Düsseldorf. Obwohl er durch diese langjährigen Studien in der Kunst des Malens, der Composition und Farbengebung eine bedeutende technische Ausbildung gewann, so sah er sich doch nicht in gleichem Maße gefördert hinsichtlich der anderen, ebenso wichtigen Seite dieser Kunst, des naturwahren correcten Zeichnens, wozu die Eigenart seines Talentes ihn schon als Knabe besonders hinlenkte. Er hatte wohl nach der Lehre seiner Meister, rasch, dreist und frei zu arbeiten, eine gewisse Darstellungsfertigkeit, Routine erlangt; von der sorgfältigen Arbeit, der genauen Schärfe und naturwahren Treue, der streng correcten Zeichnung war er aber, wie er bei einer zufälligen Vergleichung seiner früheren und späteren Arbeiten ersah, immer mehr und mehr abgekommen. Bei dieser Erkenntniß war er beinahe gewillt, der Kunst zu entsagen, weil er sich zur Erreichung seiner Ziele nicht mehr befähigt hielt; in einer Anwandlung von Hoffnungslosigkeit vernichtete er alle seine akademischen Zeichnungen. Doch überwog nach schwerem Kampfe die angeborene Neigung zur Kunst seine Muthlosigkeit und er fing wieder an, nach seiner persönlichen Anschauungsart zu arbeiten. 1794 ging S. nach Trier zurück; hier errichtete er ein bescheidenes Atelier und ertheilte Unterricht im Zeichnen und Portraitiren. Lange hielt es ihn jedoch hier nicht; in der Hoffnung seine materiellen Verhältnisse zu verbessern, ging er 1797 nach Petersburg, wo er sich aber in seiner Erwartung getäuscht sah; krank langte er noch in demselben Jahr in Stettin an. Nach seiner Genesung beschloß er, sich dort niederzulassen und [691] ein Zeicheninstitut zu errichten. Das Unternehmen hatte guten Erfolg; schon 1802 überließ er aber diese Anstalt seinem Schwager und lebte die nächsten Jahre abwechselnd zu Paris und Trier. Nach einem abermaligen mehrjährigen Aufenthalt in Stettin, wo sich indessen das von ihm gegründete Institut durch die Ungunst der Zeitverhältnisse auflöste, siedelte er 1810 nach Berlin über. S. hatte während seiner bisherigen Lehrthätigkeit sein vorwiegendes Interesse der Theorie des Zeichenunterrichtes gewidmet; auf einer 1817 unternommenen Reise zu Pestalozzi, um dessen Methodik des Zeichnens kennen zu lernen, ließ er sich unterwegs in Frankfurt a. M. bestimmen, dort zu bleiben und ein Institut zu gründen. Die hier erzielten günstigen Unterrichtsergebnisse lenkten die Aufmerksamkeit des preußischen Culturministeriums auf Schmid’s Unterrichtsweise und nach Prüfung seiner Methode wurde er 1819 von der preußischen Regierung nach Berlin berufen, wo eben an der Kunstschule der k. Kunstakademie ein Seminar zur Ausbildung von Zeichenlehrern an Lehrerseminaren und den höheren Unterrichtsanstalten gegründet wurde. Hier in dieser Stellung war ihm nun ein Wirkungskreis erschlossen, wo er seine Methodik des Zeichnens, das „Naturzeichnen“ bethätigen und durch die daselbst zu bildenden Lehrer in weiteren Kreisen verbreiten konnte. Bisher war der Zeichenunterricht zumeist eine Anweisung des rein mechanischen Copirens fertiger flacher Vorzeichnungen; die Kunst bildlicher Uebertragung von Körperbildern auf die Fläche war nicht geübt, das bildende Moment überhaupt, die Entwicklung der formenbildenden Kraft des Menschen, die Weckung des Verständnisses regelmäßiger und edler Formen so viel wie gar nicht berücksichtigt worden. Rousseau hatte übrigens hier schon den richtigen Weg angedeutet und Pestalozzi jene Winke in seiner Methode benutzt. Unabhängig jedoch von Pestalozzi’s Ideen, wenn auch in wesentlichen Punkten mit denselben übereinstimmend, ging S. seinen eigenen Gang und gab zur Förderung des bildenden Momentes des Zeichenunterrichtes den kräftigsten Anstoß. Schmid’s Unterrichtsweise war vornehmlich auf die Uebung des oben erwähnten „Naturzeichnens“ gerichtet: an die Stelle mechanischen Nachzeichnens von Flächenbildern soll das verständnißvolle Zeichnen selbstgeschauter Körper, an die Stelle des unmittelbar Nützlichen soll in erster Linie die Betonung des vorhin berührten pädagogisch bildenden Momentes treten. Zum Behufe praktischer Uebung der Methode dieses „Naturzeichnens“ stellte S. für die stufenweise Nachbildung eine Reihenfolge von 18 einfachen und zusammengesetzten, geradflächigen und krummflächigen Körpern auf, womit die zweckentsprechende Belehrung über Perspective, mathematische Verhältnisse sowie auch über Schattenlehre verbunden war. Doch nicht allein als Lehrer, auch durch litterarische Arbeiten suchte S. seiner Methodik Verbreitung zu verschaffen. Schon 1809 erschien bei Nicolai zu Berlin seine „Anleitung zur Zeichenkunst“ in zwei Heften mit Kupfern (zweite Auflage 1825). 1827 veröffentlichte er ein interessantes Schriftchen, das zwar nur in entferntem Zusammenhang mit seinen übrigen methodischen Schriften steht, aber sehr lesenswerth und bezeichnend für die auch auf weiteren Gebieten sich bewegende geistige Regsamkeit des Mannes ist, es ist dies „Wege der Natur und der Entwicklung des menschlichen Geistes“. Hierauf folgten seine beiden Hauptschriften, das Ergebniß seiner gereiften Erfahrungen bezüglich seiner Lehrweise, womit er für die Theorie und Praxis dieses Faches ein sehr schätzbares Unterrichtsmittel schuf, nämlich sein „Naturzeichnen für den Schul- und Selbstunterricht“, 4 Thle., Berlin 1828–33. An diese Schrift reiht sich seine „Formenlehre mit Anwendung auf Naturgegenstände“, Berlin 1833, sowie „Plan, wie P. Schmid’s Zeichenmethode in allen Schulen mit Erfolg einzuführen ist“ (1835). 1833 wurde S. zum Professor ernannt. Infolge Erblindung sah er sich 1843 gezwungen, sein Amt niederzulegen. Schmid’s Verdienste sind schon zuvor [692] erwähnt: seine Anleitung zum Zeichnen nach der Natur und seine Betonung der bildenden Kraft des Zeichenunterrichtes hat eine naturgemäße Methode dieser Kunst theoretisch und praktisch in die Schule eingeführt und diesem Unterrichtsfach eine erhöhte pädagogische Bedeutung gegeben. S. starb 85 Jahre alt in Folge eines Lungenschlages.

Vgl. Skizze von P. Schmid’s Leben in der Allgemeinen Schulzeitung. Jhrg. 1840. Nr. 116. – Plaschke, P. Schmid’s Lebensgeschichte für die Jugend. Berlin 1842.
Binder.