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ADB:Siméon, Joseph Jérôme Comte

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Artikel „Siméon, Joseph Jérôme comte“ von Georg Winter in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 34 (1892), S. 349–350, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sim%C3%A9on,_Joseph_J%C3%A9r%C3%B4me_Comte&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 13:00 Uhr UTC)
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Siméon: Joseph Jérôme comte S., Pair von Frankreich und Minister in der Zeit der Restauration, gehört der deutschen Geschichte dadurch an, daß er während der Herrschaft Jérôme’s im Königreich Westfalen dessen Minister war; und zwar war er einer der wenigen französischen Beamten aus der Zeit jener Fremdherrschaft, welche sich allgemeiner Achtung erfreuten, und gegen die sich selbst in den schärfsten Flugschriften gegen die Mißwirthschaft im Königreich Westfalen so gut wie keine gehässigen Angriffe richteten.

S. war zu Aix in der Provence am 30. September 1749 geboren, studirte Jura, wurde Professor an der Universität in Aix und trat dann in den Verwaltungsdienst ein, in welchem er sich noch befand, als die französische Revolution ausbrach; er nahm an derselben keinen hervorragenden Antheil, hatte aber gleichwohl oder vielmehr gerade deshalb an den Folgen derselben mitzutragen. Er mußte nach Italien flüchten, von wo er erst nach dem Umschwung des 9. Thermidor zurückkehrte. Er gehörte dann der Deputirtenkammer an, in welcher er sich zu den Gemäßigten hielt. In den weiteren Wirren der Revolution mußte er noch einmal flüchten, erhielt aber unter dem Regiment des Consulats die Erlaubniß zur Rückkehr. Er nahm alsdann an der Redaction des Code civile theil und entwickelte dessen Ziele und Bedeutung im Corps législatif, als das Gesetzbuch dort zur Vorlage gelangte. Von da an trat er immer mehr in den Vordergrund und wurde von Napoleon wegen seiner Talente hochgeschätzt. Er gehörte zu denen, welche für die Erhebung Bonaparte’s zum Kaiser eintraten. Bei dieser Gelegenheit hielt er eine Rede voll heftiger Angriffe gegen die Bourbonen, die ihm diese nach ihrer Rückkehr trotz der Dienste, die er der Restauration leistete, nicht vergessen konnten. Als nun durch ein kaiserliches Decret von 28. August 1807 eine Regentschaft für das aus eroberten deutschen Gebieten zu bildende Königreich Westfalen eingesetzt wurde, verlieh Napoleon eine dieser Regentenstellen, und zwar die des zweiten Staatsraths, an S., den er schon [350] vorher zum Baron erhoben hatte. Nach der Uebernahme der Herrschaft durch Jérôme selbst trat S. in dessen Ministerium ein, und zwar übernahm er zunächst das Ministerium des Inneren und das der Justiz zugleich. Am 31. December 1808 aber wurden diese beiden Ministerien von einander getrennt. Nach einer Andeutung Reinhard’s wurde das durch S. selbst veranlaßt, weil derselbe sich wegen des Eingreifens der hohen Polizei in das Gebiet des Ministeriums des Innern verletzt fühlte und deswegen von demselben zurückzutreten wünschte. Er hat von da an bis zum Untergange des Königreichs die Stelle des Justizministers bekleidet und in derselben als ebenso tüchtiger Mann wie Jurist, dessen Gerechtigkeitssinn und scharfer juristischer Verstand auch von allen deutschen Beamten des Königreichs gelobt und gerühmt wurde, sich die allgemeinste Anerkennung erworben. Nach außen hin trat er nur in wenigen Fällen hervor. So eröffnete er am 7. Juli 1808 den ersten westfälischen Reichstag mit einer längeren Rede, die auszüglich im amtlichen Moniteur veröffentlicht wurde. Außerdem wurde von ihm gerühmt, daß er mit dem schändlichen Treiben der gewerbsmäßigen und besoldeten politischen Angeber durchaus nicht einverstanden gewesen sei, sich vielmehr eingehend darüber ausgesprochen habe, daß in der gegenwärtigen Zeit, in welcher in Deutschland größtentheils Friede herrsche – es war die Periode zwischen 1809 und 1812 –, man diese Agenten überhaupt nicht nöthig habe. So bildet seine ganze Wirksamkeit einen vereinzelten Lichtblick in dieser für jeden deutschen Patrioten sonst so trüben Zeit.

Seine ferneren Schicksale und seine politische Thätigkeit nach dem Zusammenbruch des Königreichs Westfalen im Spätherbst 1813 gehören ausschließlich der französischen Geschichte an. Er widmete seine Dienste noch der wiederhergestellten bourbonischen Dynastie, wurde mit dem Großcordon der Ehrenlegion decorirt und in den Grafenstand erhoben, erlebte dann noch die Revolution von 1830, wurde 1832 zum Mitgliede der Akademie erwählt und starb am 19. Januar 1842 im Alter von 92 Jahren.

Encyclopédie des gens du monde. Tome 21, S. 308–310. – R. Goecke, Das Königreich Westphalen, vollendet und hrsg. von Th. Ilgen. Düsseldorf 1888. – Ludwig Müller, Aus sturmvoller Zeit. Ein Beitrag zur Geschichte der westphälischen Herrschaft. Marburg 1891 und die in diesen Werken citirten Quellen.