ADB:Sluse, René-François de
[470] Briefwechsel über die verschiedensten Gegenstände zu führen, war ihm Bedürfniß und Erholung. Als Schriftsteller auf historischem Gebiete trat S. 1679 auf, wo er über den Tod des Heiligen Lambert (A. D. B. XVII, 547) Untersuchungen anstellte, durch welche er zu den gleichen Ergebnissen geführt wurde, welche man gegenwärtig als die richtigen anzuerkennen pflegt. Eine zweite geschichtliche Arbeit über den Heiligen Servatius von 1684, also kurz vor de Sluse’s Tode veröffentlicht, strotzt von Gelehrsamkeit, wenn auch die Benutzung derselben weniger glücklich gewesen zu sein scheint. Vorzugsweise war S. aber Mathematiker, und seine Leistungen in dieser Wissenschaft sind theils in einem Buche veröffentlicht worden, theils sind sie in Briefen an Huygens, an Pascal, an Oldenburg niedergelegt, welche meistens erst in unserem Jahrhunderte der Forschung zugänglich gemacht worden sind. Das Buch führt den Titel „Mesolabum“ und ist erstmalig 1659, dann wesentlich vermehrt ein zweites Mal 1668 im Drucke erschienen. S. hat darin die Auflösung cubischer Gleichungen mittelst irgend eines gegebenen Kegelschnittes und eines entsprechend gewählten Kreises vollzogen. Die Zusätze zur 2. Auflage enthalten unter anderem eine theoretische Untersuchung über Inflexionspunkte von Curven. Eine Methode zur Tangentenziehung an algebraische Curven scheint S. seit 1652 besessen zu haben. Er reichte sie aber erst 20 Jahre später der Londoner Royal Society ein, in deren Abhandlungen (Philosophical Transactions 1672 und 1673) sie zu lesen ist. Aus den Briefen an Pascal dürfte vorzugsweise eine Erweiterung des Begriffes der Cycloide merkwürdig erscheinen, indem auch andere Curven als Kreise längs einer geraden Grundlinie fortbewegt werden.
Sluse: René-François de S., Mathematiker, geboren am 2. Juli 1622 zu Visé (an der Maas, halbwegs zwischen Lüttich und Mastricht), † am 19. März 1685 zu Lüttich. Die Rechtschreibung des Namens hat mehrfach gewechselt. Seit der Mitte des XVII. Jahrhunderts schrieben sich verschiedene Glieder der Familie de Sluze, aber René-François hat stets so geschrieben, wie wir den Namen oben angaben. Die Familie stammte wahrscheinlich aus einem Dorfe Sluze in der Nähe von Tongres und war, vielleicht ursprünglich von Adel aber verarmt, durch Gewerbsthätigkeit allmählich in die Höhe gekommen. Beamte verschiedener Berufszweige gingen aus ihr hervor, und auch die Familie Walteri, welcher Katharina, die Mutter von René-François, angehörte, zählte feingebildete Männer, insbesondere zwei Brüder Katharinens, von denen der eine Kanonikus in Visé, der andere Hausprälat der beiden Päpste Innocenz X. und Alexander VII. war. René-François wurde zum Geistlichen bestimmt und erhielt schon am 15. März 1631 die Tonsur. Eigene Neigung fesselte ihn dann an den Stand, zu dem man ihn bestimmt hatte, ungleich einem Bruder, der bereits in jungen Jahren Kanonikus geworden, später der Kirche entsagte und sich verehelichte. S. begann seine Studien in Löwen (1638–1642) und setzte sie an dem Collegium der Sapienza in Rom fort, wo er bis 1651 verweilte. Schon 1643 hat er sich in Rom die juristische Doctorwürde erworben, dann trieb er mit großem Eifer Griechisch, orientalische Sprachen, Mathematik, Astronomie, Anatomie. So wurde Rom seine geistige Heimath, nach welcher ihn in späteren Jahren wiederholt Heimweh erfaßte, welches er aber nicht wiedersah, nachdem er 1651 als Kanonikus in das Capitel der St. Lamberts-Kirche in Lüttich eingetreten war. Amtliche Geschäfte füllten kaum einen geringen Theil seiner Zeit aus. Noch weniger Zeit vergeudete er in damals üblichen Gelagen, von denen er sich stets fernzuhalten wußte. Den Wissenschaften zu leben, einen ausgiebigen- Le Paige, Correspondance de René-François de Sluse publiée pour la première fois et précédée d’une introduction im Bulletino Boncompagni Bd. 17 (Rom 1884). – Cantor, Vorlesungen über Geschichte der Mathematik Bd. 2.