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ADB:Sprecher von Bernegg, Fortunat

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Artikel „Sprecher von Bernegg, Fortunat“ von Fritz von Jecklin in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 279–281, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sprecher_von_Bernegg,_Fortunat&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 17:47 Uhr UTC)
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Sprecher: Fortunat S. v. Bernegg, Ritter, Dr. Geboren am 8. Jan. 1585 zu Davos-Platz (Kanton Graubünden), † am 12. Jan. 1647 zu Chur, stammte aus einer hochangesehenen, altadeligen Bündnerfamilie, die dem Lande zu allen Kriegs- und Friedenszeiten tüchtige, feingebildete Männer gestellt hat.

Ursprünglich im Thale Schanfigg wohnhaft, hatte das Geschlecht zwei feste Plätze – Bernegg und Unterwegen – zu seinem Wohnsitze inne und stand in Dienstverhältnissen zu den Fürstbischöfen von Chur, den Grafen von Montfort-Werdenberg und Matsch, sowie zu den Oberherren, den Herzögen von Oesterreich. Die in alter Zeit rege Verbindung zwischen Schanfigg und Davos mag einen Zweig der Familie in die letztgenannte Thalschaft geführt haben, woselbst schon der Großvater Fortunat’s 1512 als Anführer der Davoser bei Besetzung des Veltlins eine hervorragende Stellung einnahm, er fiel 1515 in der Schlacht bei Marignano. Dessen Sohn Florian ward 1582 mit Anderen nach Frankreich gesandt, um das alte Bündniß mit der Krone zu erneuern; zur Zeit der Geburt Fortunat’s hatte er das Landammannamt zu Davos inne, woselbst er vorher während 14 Jahren Landschreiber gewesen war.

1591, acht Jahre alt, begann Fortunat die Winterschule in Davos zu besuchen. Für dessen höhere Entwicklung war es von großem Werth, daß der Churer Stadtpfarrer Lucius v. Capol, durch die Pest von Chur vertrieben, sich nach Davos flüchtete und dort dessen Lateinlehrer wurde. Im Juni 1595 reiste Fortunat’s Vater nach Morbegno (Veltlin), um das ihm daselbst zugefallene Amt eines Podestà zu bekleiden. Hier übernahm ein bolognesischer Flüchtling die Weiterbildung des Knaben. Mit Freuden gewahrte sein Schwager, Anton v. Sonvig dessen brennende Lernbegier und sein ausgezeichnetes Gedächtniß und beschloß 1595, entgegen dem Willen der Eltern, ihn nach Chur zu schicken, wo [280] der als Staatsmann und Humanist gleich hervorragende Pfalzgraf Dr. Andreas Ruinelli die Kathedralschule, eine Art Obergymnasium, leitete.

Infolge übermäßiger Arbeit erkrankte S. anfangs 1598 am Wechselfieber und begab sich zu seiner Erholung nach Hause. Bald war dem eifrig Strebenden das stille Landleben zu einförmig: im December floh er heimlich zu seinem Gönner Anton v. Sonvig, der ihn – abermals wider der Eltern Zusage, welche die Kosten scheuten – am 6. Januar 1600 mit einem Reisegeld von 15 fl. auf die Universität Basel sandte, woselbst S. Vorlesungen über Stylistik, Rhetorik, Dialektik, Theologie und Geschichte hörte. Mitte Juni 1601 zwangen die Eltern den Studenten, nach Hause zurückzukehren, damit er eine, von ihnen ihm auserlesene Braut an den Traualtar führe, welchen Plan S. „der den Studien geschworen, voll Abscheu gegen die ländliche Tölpelhaftigkeit“ mit beharrlichem Widerwillen zurückwies.

1602 beginnt S. seine politische Laufbahn als Davoser Eherichter, unterbricht jedoch dieselbe, 1605 zum kaiserl. Notar ernannt, um im October desselben Jahres eine Reise nach Paris anzutreten, woselbst er ausschließlich Jurisprudenz und die französische Sprache studirte. Von Paris scheint S. sich nach Orleans gewandt zu haben, an welcher Universität er sich am 29. November 1606 mit der Dissertation „De Donationibus materia“ die Doctorwürde erwarb. Nach Abschluß seiner Studien trat S., mit einem k. französischen Reisestipendium versehen, der schönen Künste und Kriegswissenschaften willen, eine Wanderung nach Norwegen an. Kaum 27 Jahre alt bekleidet sodann S., der über gründliche juristische, historische und humanistische Kenntnisse verfügte, das verantwortungsvolle Amt eines Generalproveditors im Veltlin (eines Berichterstatters über politische Ereignisse im angrenzenden mailändischen Gebiete) und in rascher Folge werden dem jungen Staatsmanne wichtige Gesandtschaften übertragen, so diejenige nach Innsbruck vom Mai 1621 und Imbst im October desselben Jahres. Man vergegenwärtige sich, daß im Juli 1620 der grauenhafte Veltlinermord und damit auch der Abfall der Unterthanenlande sich ereignet hatten, daß im selben Monat von bündnerischer Seite ein verunglückter Zug in die rebellirende Landschaft unternommen, Untercalven durch Oesterreich dem Bündnerlande entrissen wurde und seit October des folgenden Jahres die österreichischen Invasionen beginnen. Diese Häufung der eingreifendsten Ereignisse erheischte tüchtige und einsichtige Staatsmänner, wie sie uns in Jenatsch, Juvalt, Guler, Sprecher entgegentreten.

S. hat diese lange Kampfes- und Leidenszeit mit durchgelebt, es war ihm vergönnt, die sehnlichst erhoffte Pacification des Jahres 1639, welche nach bitterer Noth den Bündnern den Frieden und ihre Unterthanenlande zurückgab, noch mit anzusehen. Nimmt er auch unter den bündnerischen Staatsmännern seiner Umsichtigkeit und Erfahrung wegen eine der ersten Stellen ein, so besteht sein Hauptverdienst doch darin, daß er das Selbsterlebte aufgezeichnet hat.

In dieser Richtung kommt als zeitgenössische Geschichtsquelle hauptsächlich in Betracht: „Historia motuum et bellorum postremis hisce annis in Rhaetia excitatorum et gestorum.“ Coloniae Allobrogorum 1629 und 1690 mit dem veränderten Titel: „Historia Rhaetiae in qua motus et bella ibi excitata, fideliter exponuntur.“ Deutsche Ausgaben älterer Zeit von 1701, 1702, 1703 sind betitelt: „Historia von denen Unruhen und Kriegen, so in denen Hochl. Rhätischen Landen vor Jahren entstanden. Aus dem Lateinischen ins Teutsche übersetzt“. Im Archiv für die Geschichte der Republik Graubünden Band III. gibt Conradin v. Mohr eine kritische Ausgabe. Sie trägt die Aufschrift: „Des Ritters Fort. Sprecher v. Bernegg J. V. D. Geschichte der bündn. Kriege und Unruhen.“ Das erste Buch gibt eine gedrängte Uebersicht der Ereignisse bis zum Beginne des 17. Jahrhunderts (1614), hier setzt dann S. mit großer Ausführlichkeit und [281] unter Benutzung amtlicher Acten ein und behandelt den Zeitraum bis zum Waser’schen Spruch 1644, bei welchem Ereignisse der Verfasser „aus Unlust und Kummer über die Einbuße, welches sein geliebtes Heimaththal an seinen Rechten erlitt, die Geschichte abbricht“. Der zweite Theil des Werkes, der mit der Innsbrucker Gesandtschaft des Jahres 1628 anhebt und als eigenes Werk den Titel „Continuatio motuum Rhaetiae“ führt, wurde 1780 von J. L. Lehmann als „Erste und zweite Fortsetzung der Bündnergeschichte oder der ehemaligen Unruhen in dem Freistaat der III Bünde“, aus einer lateinischen Handschrift übersetzt, herausgegeben.

Einen wesentlich anderen Charakter trägt das zweite Hauptwerk Sprecher’s, die „Pallas Rhaetica, armata et togata. Ubi primae ac priscae Inalpinae Rhaetiae verus situs, bella et politia etc. adumbrantur“, Basileae 1617, Lugd. Batavorum 1623, oder wie es auf der deutschen Uebersetzung heißt: „Rhetische Cronica, oder Beschreibung Rhetischer Kriegs- und Regiments-Sachen“, Chur 1672.

Nach dem Vorbilde und wol unter Benutzung älterer Schweizerchroniken wird in dieser Arbeit (welche auf den Index gesetzt worden ist) in den ersten 5 Büchern die rätische Geschichte als Ergänzung der Hist. motuum in chronologischer Aneinanderreihung der Ereignisse, also ohne inneren Zusammenhang, behandelt. Buch 6 und 7 sind einer einläßlichen verfassungsgeschichtlichen und geographischen Beschreibung des Gebietes der III Bünde und ihrer Unterthanenlande gewidmet.

Sprecher’s historische Arbeiten von untergeordneter Bedeutung sind betitelt: 1) „Ein schön neu Lied zu Ehren gmeiner dry Bündt“, 1615. 2) „Stemma vetustissimae romanae originis familiae Plantarum. Quorum antiqua sedes in superiori Zuzii fuit, ubi turris antiquissima ejusdem nominis videtur. Collectum a Fortunato Sprechero a Berneck“. 3) „Das christenlich leben vnd selig Sterben des Anrüwen vatters des vatterlands herrn Obersten Johann Guler von Wyneck, Ritters etc. Grundlich und eigenlich beschrieben durch F. S. – gedruckt im Jahr Christi 1637. 4) Consultum iuris Duorum Praecl. Doctorum (S. & J. Schmid) per quod clarè & patenter probatur Excels. Foedus Domus Dei pleno iure pretendere Episcum Curiensem debere esse Nationalem & oriundum ex eodem Foedere 1627. Neben den genannten histor. Werken Sprecher’s sind uns auch geographische Arbeiten von ihm erhalten. Herrliberger’s Schweiz. Ehrentempel nennt ihn als Verfasser einer Abhandlung, betitelt „De montibus Raetiae“, die wol im Zusammenhange mit seinem interessanten Kartenwerke steht, das, in 3 Auflagen erschienen, die Aufschrift trägt: „Alpinae seu foederatae Rhaetiae subditarumque ei terrarum nova descriptio 1620. Authoribus Fortunato Sprecher et Phil. Claverio, Amstel. in Offic. Jo. Jansonii, C. Vischer excudebat.“ Ueber die Aufnahme dieser Karte in Jansson’s Atlas vgl. Haller, Bibl. I, 542. S., der zweimal verehelicht war, zuerst mit Elisabeth de Sebregonzio und später mit Ludovica v. Planta, hinterließ 3 Söhne zweiter Ehe: Rätus, Florian, Peter; doch starb seine männliche Linie mit des Rätus Sohn, Hans Peter, aus.

Curriculum vitae (Fragment bis 1605 reichend) in Sprecher’s Liber Creditorum et Debitorum. (Msc.) – Rudolf Baron v. Salis, Raetia illustrata, contenant l’Histoire ou les principaux Evenemens de la Vie des Hommes célèbres qui ont paru au païs des Grisons, jusques à jour.