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ADB:Warrens, Eduard

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Artikel „Warrens, Eduard“ von Alexander Dorn von Marwalt in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 179–181, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Warrens,_Eduard&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 03:27 Uhr UTC)
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Warrens: Eduard W., geboren in Altona oder Stockholm im J. 1820, † in Wien am 5. Januar 1872, war der Sohn jüdischer Eltern – sein Vater hieß Wolf Arens –, selbst jedoch protestantischer Confession. Er ging in jungen Jahren aus Hamburg, wo sein Vater ein angesehener Kaufmann war, nach Amerika. Näheres über seine Lebensschicksale daselbst ist nicht bekannt. Man weiß nur, daß er sich dort als Sachwalter und politischer Publicist Einfluß und Namen verschaffte. Er redigirte den „Anzeiger des Westens“. Er spielte eine hervorragende Rolle in der agitatorischen Thätigkeit für die Wahl des Präsidenten James Polk und kam dann in den vierziger Jahren als amerikanischer Consul nach Triest. Dort trat er bald in Verbindung mit dem Oesterreichischen Lloyd und wurde insbesondere von Karl Bruck, der einer der Directoren dieses Unternehmens war, sowie von dem Gouverneur Grafen Franz Stadion wegen [180] seines durchdringenden Verstandes, seines weiten Gesichtskreises und seiner außergewöhnlichen publicistischen Befähigung geschätzt. Im J. 1848 übersiedelte W. auf Wunsch des Grafen Stadion, welcher damals als Reichstagsdeputirter in Wien weilte und später als Minister eine wichtige Stelle einnahm, nach Wien und leitete dort die seiner Zeit in Triest gegründete und nun gleichfalls nach Wien übersiedelte Zeitung „Der Oesterreichische Lloyd“. Diese Zeitung, welche ursprünglich einen vorwiegend commerciellen und volkswirthschaftlichen Charakter hatte, wurde nunmehr zu einem politischen Blatte umgewandelt und erhob sich namentlich während des Krimkriegs zu ziemlich hervorragender Bedeutung. Hier schon zeigte sich jedoch, daß W. mit seiner glänzenden Begabung als Schriftsteller keineswegs einen festen Charakter verband, und im Laufe der Zeit, als er nach Aufhören des Lloyd in der „Oesterreichischen Zeitung“ und später im „Botschafter“ führende Rollen innehatte, diente er nacheinander den verschiedensten Strömungen, wie sie eben zur Macht gelangten. In der Periode der Verfassungssistirung unter Belcredi verfocht er die Politik dieses letzteren, und es war seine Erfindung, daß zum Zwecke der Popularisirung derselben unter dem Titel „Wiener Tagblatt“ ein hochofficiöses Blatt gegründet wurde, welches im Widerspruch mit den gesetzlichen Bestimmungen Befreiung vom Zeitungsstempel genoß und daher in der Lage war, im Abonnementspreis den anderen Zeitungen eine illoyale Concurrenz zu bieten. Eine Belohnung für Warrens’ Dienste lag in der im Juli 1866 erfolgten Verleihung des Hofrathstitels, welche eine nicht geringe Verstimmung in dem Kreise der durch langjährige, ernste Dienstleistungen zu diesem hohen Rang emporgekommenen wirklichen und legitimen Hofräthe hervorrief. Als nach der Wiederkehr der constitutionellen Aera und dem erfolgten Ausgleich mit Ungarn eine eigentliche politische Verwendung des Publicisten, der so viele Wandlungen offen zur Schau getragen hatte, nicht gut mehr möglich war, gründete er selbst eine Wochenschrift („Warrens’ Wochenschrift für Politik und Volkswirthschaft“), in deren erster, am 10. Februar 1868 erschienener Nummer er übrigens in dem einleitenden Artikel sagte, daß „dieses Blatt vielleicht nicht einem allgemeinen Bedürfniß, aber jedenfalls dem Bedürfniß seines Leiters entspreche“. Uebrigens erfreute sich dieses Blatt bis zu Warrens’ Tode einer nicht geringen Bedeutung, insbesondere in Finanzkreisen, zu welchen W. mit dem nichtpublicistischen Theile seiner Persönlichkeit auch gehörte. Denn er war allezeit ein kühner und waghalsiger Börsenspeculant, dem, wie er selbst einmal sagte, das Spiel als solches geradezu Bedürfniß war, und der in dem Gewinn in erster Linie das willkommene Mittel sah, immer weiter zu spielen. Freilich versagte ihm auch oft genug dieser Gewinn. Im Laufe der zwei Decennien, während welcher er in Wien lebte, schwankte sein Vermögensstand mehrere Male zwischen Millionen und nichts oder weniger als nichts. Doch auch eine vollständige finanzielle Niederlage drückte ihn nicht nieder. Er acceptirte schlankweg und offen vor aller Welt die durch eine solche geschaffene neue Situation, um mit verdoppeltem Eifer sich neuerdings in den Strom der Börsengeschäfte zu werfen, bis es ihm wieder glückte, zu ansehnlicher Höhe emporzusteigen. Im J. 1872 starb er, als er gerade in einer sehr günstigen Speculation begriffen war, nach kurzem Krankenlager und hinterließ ein beträchtliches Vermögen. Wie aus dem Gesagten hervorgeht, gehörte W. zu jenen nach einer bestimmten Richtung hin hervorragend begabten Menschen, welche wegen Mangels eines festen Charakters von sittlichem Halt mit dieser Begabung objectiv Nützliches und Bleibendes nicht zu schaffen vermögen. Einstimmig war die Anerkennung seiner publicistischen Fähigkeit. „Warrens’ Feder war“, so hieß es in einem Nachruf, „wie man auch über die wechselvollen Dienste denken mag, die sie den verschiedensten Systemen geleistet, eine geniale; in welcher Richtung er auch immer schrieb, im [181] Angriff, wie in der Vertheidigung, immer schrieb er blendend und geistreich. Den vom Standpunkt der Bewunderung publicistischer Fähigkeit gespendeten Beifall hatte er immer für sich, und auch seine Gegner versagten ihm diesen nicht.“ Als Ergänzung hiezu sei eine Stelle aus einem anderen Nachrufe angeführt, welche lautet: „Es verschlug ihm nichts, auf die unrichtigsten, mit den Thatsachen im grellsten Contrast stehenden Voraussetzungen die excessivsten Schlüsse aufzubauen und Theorien nachzugehen, die jeder Laie als unhaltbar erkannte. Es war manchmal, als ob er ein Behagen daran fände, seinen Scharfsinn – und solchen besaß er in hohem Grade – dafür einzusetzen, um bewußt etwas Falsches als richtig darzustellen, wie seine Banktheorie beweist, die ihn in der letzten Zeit zum Dogma von der Zuverlässigkeit der endlosen Notenvermehrung verführte, so daß er jede metallische Notenbedeckung perhorrescirte. Natürlich wußte er dagegen oft genug in den verwickeltsten Fragen durch seine durchdringende Kritik zu frappiren und selbst die Gegner stutzig zu machen“. Obwol, wie nach dem Gesagten selbstverständlich ist, es auch bei seinen Lebzeiten niemandem einfiel, W. als politischen Charakter ernst zu nehmen, so nahm er doch auch im gesellschaftlichen Leben Wiens eine hervorragende Stellung ein, insbesondere in der Finanzwelt, wozu nicht wenig auch die ungemein angenehme und anregende Art des Verkehrs und der Gesprächsführung beitrug, welche ihn zu einem vielgesuchten und sehr geschätzten Festgenossen machte. Eine, wie es scheint, sehr zutreffende Wiedergabe seiner Individualität findet sich in Friedrich Uhl’s Roman „Das Haus Fragstein“, in welchem W. unter dem Namen „Dr. Hasting“ eine der wichtigsten Figuren bildet.