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ADB:Werthern, Ernst Friedrich Karl Aemilius Freiherr von

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Artikel „Werthern, Ernst Friedrich Karl Aemilius Freiherr von“ von Woldemar Lippert in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 42 (1897), S. 122–125, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Werthern,_Ernst_Friedrich_Karl_Aemilius_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 17. November 2024, 04:23 Uhr UTC)
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Werthern: Ernst Friedrich Karl Aemilius Freiherr von W., königl. sächsischer Consistorialdirector, Kanzler und Conferenzminister, entstammt der Wiehe’schen Linie des Werthern’schen Geschlechts, die von des unten beschriebenen kursächsischen Geheimen Raths Georg v. W. († 1636) jüngstem Bruder Hans Heinrich (geb. 1597, † 1658) gestiftet wurde. Er wurde am 27. Febr. 1774 zu Gotha als Sohn des sachsen-gothaischen Kammerherrn und Oberstlieutenants Christian Karl Frhrn. v. W. (geb. zu Wiehe am 19. April 1734, † zu Wiehe am 8. Juni 1795) und der Friederike Luise Charlotte v. Wangenheim (geb. 1754, † 1815) geboren. Im elterlichen Hause durch Hauslehrer vorgebildet, studirte er zu Jena und Leipzig. Nach Vollendung seiner akademischen Studien wurde ihm 1795 der Acceß bei der Stiftsregierung zu Merseburg bewilligt, wo er als Auditor thätig war; im December 1796 trat er als Supernumerarassessor auf der adligen Seite am Oberhofgericht zu Leipzig an, erst 1805 rückte er hier zu einer ordentlichen Beisitzerstelle auf. Im Juni 1797 wurde er auch zum Supernumerarregierungsrath der Merseburger Stiftsregierung ernannt, wofür ihm aber erst durch kurfürstliches Rescript vom 20. December 1800 eine geringe Interimsbesoldung gewährt wurde. Als Ersatz hatte er zunächst eine Pfründe beim Domstift Naumburg erhalten, bald darauf erfolgte sein Einrücken in ein wirkliches Kanonikat des Stifts Merseburg, und so erscheint er als Domcapitular in den Staatskalendern seit 1799, dann seit 1802 als Capitular und Aedil des Stifts, seit 1805 als Scholasticus, seit 1810 wieder einfach als Domherr bis an seinen Tod. Als am 29. März 1807 der Director des Leipziger Consistoriums, Domdechant Adolf August v. Berbisdorf starb, meldete sich unter anderen Bewerbern am 22. April auch W., der dieses Directorium zugleich mit der schon vorher erbetenen Stelle eines Viceoberhofrichters zu verbinden wünschte und sich bereit erklärte, dann seinen ständigen Aufenthalt in Leipzig zu nehmen. Am 14. Mai 1807 schlug das Geheime Consilium W. vor, und am 4. Juli vollzog König Friedrich August zu Pillnitz das Ernennungsdecret zum Consistorialdirector mit besonderem Hinweis auf seine vorzüglichen Eigenschaften und die in seinen bisherigen Functionen bewährte Einsicht und Dienstbeflissenheit, mit der Verpflichtung des Wohnsitzes zu Leipzig und Entlassung von der Merseburger Regierungsrathsstelle; am 18. erfolgte durch den Dresdner Oberconsistorialpräsidenten v. Nostitz und Jänkendorf seine Einführung in das Amt. Im selben Jahre starb am 3. October der Oberhofrichter zu Leipzig, v. Ende, und am 27. Februar 1808 suchte W., der, wie erwähnt, schon früher die Viceoberhofrichterstelle erstrebt hatte, um Verleihung jener Stelle nach; trotz mehrerer stark in Frage kommender Mitbewerber übertrug der König zu Warschau am 8. Jan. 1809 in einem Rescript an das Geheime Consilium ihm dasselbe, am 23. Febr. fand zu Dresden seine Verpflichtung, am 13. März zu Leipzig seine Einweisung in das Amt statt, das bereits mehrere Werthern vor ihm bekleidet hatten, so Georg v. W. († 1636, s. unten), Friedrich v. W. († 1686 vor Antritt des Amtes, der Vater des ersten Grafen Georg, s. u. S. 127), beide aus der Beichlingenschen Linie, ferner Hans Adolf Erdmann Frhr. v. W., aus der Wiehe’schen Linie (geboren am 10. Jan. 1721, 1770 Viceoberhofrichter, 1772 Oberhofrichter, † am 18. Jan. 1803); auch unseres Karl Aemilius’ Schwiegervater, Ludwig Adam v. Wuthenau († 1805), hatte diese Stelle bekleidet; Viceoberhofrichter war Georg’s († 1636) Enkel Gottlob v. W. (geb. 1641, † 1682) seit 1668 gewesen.

Bei der großen Jubelfeier der Universität Leipzig im December 1809 war [123] W. nebst dem Gouverneur Generallieutenant v. Zastrow mit der Vertretung des Königs betraut und schuf sich und seiner Familie ein ehrendes Andenken an der Hochschule durch Stiftung von 8 Stipendien. Am 9. December 1811 wurde ihm die Inspection der Fürstenschule zu Grimma übertragen, die er bis 1815 führte. Große Mühen und Sorgen brachte ihm das Jahr 1813. Als im Vertrauen auf den Waffenstillstand Lützow’s Freischaar in Leipzigs Nähe kam und der französische Gouverneur Arrighi, Herzog von Padua, ihren Parlamentär gefangen setzte und dann die bei dem verrätherischen Ueberfall zu Kitzen gefangenen Lützower am 18. Juni in die Stadt bringen ließ, entstanden belanglose Zusammenrottungen von Volkshaufen, besonders jungen Leuten, die der Gouverneur benutzte, den Belagerungszustand über Leipzig zu verhängen. Napoleon selbst trat schroff gegen städtische und akademische Rechte auf und König Friedrich August mußte am 3. Juli eine Untersuchungscommission unter Vorsitz des Conferenzministers v. Nostitz und Jänkendorf einsetzen, wobei auch W. in maßgebender Weise betheiligt war. Das trotz aller Mäßigung der Commission von Napoleon erzwungene Endergebniß war, daß der König am 17. Juli der Stadt die Polizeiverwaltung ganz entzog und ihre Oberleitung mit dem Titel eines Präsidenten des königlichen Polizeiamtes und Criminalgerichts W. übertrug, der zugleich am 18. Juli zum Geheimen Rathe ernannt wurde. Mit 500 Thlrn. Zulage brachte ihm dieses Amt zu seinen beibehaltenen beiden anderen Posten eine Fülle peinlicher Arbeit; seine Stellung zu den Stadtbehörden, die den Schlag gegen ihre Selbständigkeit auf das bitterste empfanden, war schwierig, obwol er, bei aller Festigkeit in seinem Vorgehen, doch voll redlicher Rücksichtnahme bemüht war, die Härten zu mildern und gemeinsam mit dem Stadtrath schon im August eine Aenderung vorschlug, die der Stadt einen Theil ihrer Polizeigewalt zurückgeben sollte; doch fand dieser Vorschlag keine Billigung. Als die Leipziger Schlacht den König gefangen in die Hände der Verbündeten gab und Sachsen durch das russische Generalgouvernement unter dem Fürsten Repnin verwaltet wurde, suchte W. am 14. November 1813 um Enthebung von der Präsidentenstelle nach, doch behielt ihn Repnin im Amte, das er bis 1815 in gutem Einvernehmen mit dem Rathe leitete. Widmete er somit seine Dienste, um sie in dieser schweren Zeit dem Vaterlande nicht zu entziehen, der fremden Regierung, so blieb er doch dabei ein treuer Unterthan seines Fürsten, und als im Frühjahr 1815 die sächsische Frage auf dem Wiener Congreß zur Entscheidung drängte, es für den König galt, entscheidende Entschlüsse über Sachsens Zukunft als selbständiger Staat und über das Schicksal der Dynastie zu fassen und er deshalb einige durch ihre Einsicht und Ergebenheit ausgezeichnete Staatsdiener zu sich berief, war unter diesen auch W. Alsbald nach des Königs Rückkehr wurde ihm der Lohn seiner Treue durch dienstliche Beförderung und Ehren zu theil. Doch ehe er von seinen Leipziger Aemtern schied, hatte er noch Gelegenheit, seinen Scharfblick für Reformen, die in der Verwaltung der geistlichen Angelegenheiten nöthig waren, zu zeigen. Am 27. Juni 1815 erstattete er an die Regierung einen langen Bericht über die Verhältnisse des Leipziger Consistoriums, seine bisherige Verfassung nebst Bemerkungen über zeitgemäße Aenderungen, wobei er mehrfach Anregungen gab, deren Verwirklichung erst späteren Zeiten gelungen ist; deshalb seien diese Darlegungen zur Charakterisirung Werthern’s hier etwas näher berührt. Mit praktischem Blick tritt er ein für die Vereinfachung des Geschäftsganges durch Aufhebung des vom Oberconsistorium vielfach abhängigen, nur eine Zwischeninstanz bildenden Leipziger Consistoriums; das Dresdner Oberconsistorium soll einheitlich für das ganze Land gelten und dafür sein Geschäftsbereich durch Abnahme untergeordneter Geschäfte entlastet werden. Der kirchliche Sinn soll durch Hebung des [124] Gottesdienstes belebt werden, wobei den Forderungen der neuen Zeit Rechnung zu tragen ist. W. geht da auf die Einzelheiten des Cultus ein mit Verständniß für das, was den religiösen Bedürfnissen angemessen und zuträglich ist, so hinsichtlich des Gottesdienstes und zwar des Gemeindegesangs (Wahl der Liedertexte, zeitliche Länge), der Ausscheidung weltlicher Bekanntmachungen aus der Reihenfolge der gottesdienstlichen Handlungen, der Textverlesung, der Kirchengebete, wie auch der Verbesserung der Gesangbücher, deren Revision mit zeitgemäßen Aenderungen und Nachträgen er wünscht; auch die in der alten Kirche üblichen Wechselgesänge sollen wieder eingeführt werden. Den Geistlichen soll bei der Wahl der Predigttexte größere Freiheit, besonders zur Bezugnahme auf zeitliche und örtliche Verhältnisse eingeräumt werden, die zu vielen Feiertage, desgleichen der Wochengottesdienst soll etwas eingeschränkt werden. Die jungen Theologen dürfen nach bestandener Prüfung nicht sofort in ein geistliches Amt eintreten, sondern müssen erst praktische Vorbereitungscurse bei tüchtigen Geistlichen durchmachen. Für die Aufbringung und Vertheilung der kirchlichen Gemeindelasten sollen gleichmäßige Grundsätze zur Anwendung kommen. Besonderer Neuregelung bedürfe auch die geistliche Gerichtsbarkeit der Consistorien in Ehesachen, wobei hinzuwirken sei auf eine Reform der Ehescheidungsgesetze, deren Handhabung mit festeren Gesetzesnormen auszustatten und minder der richterlichen Willkür zu überlassen sei, sodann auf Einschränkung des besonderen Gerichtsstandes der Geistlichen, ihrer Familienangehörigen und Dienstboten vor den Consistorien und Ueberweisung dieser Fälle vor die weltlichen Gerichte.

Werthern’s gleich darauf erfolgte Abberufung entzog ihn diesen Bestrebungen, am 17. Juli 1815 wurde ihm das durch des bisherigen Inhabers v. Hünerbein Ernennung zum Appellationsgerichtspräsidenten erledigte Kanzleramt mit 4000 Thalern festem Gehalt übertragen und mit seiner Einweisung am 25. Juli trat er somit an die Spitze der Landesregierung, um die er sich durch die Reorganisation ihrer Verfassung und ihres Geschäftsganges große Verdienste erwarb; besonders sind seine Bemühungen für die Justizreform und die Neuordnung des Medicinalwesens zu nennen. Als äußeres Ehrenzeichen wurde ihm als einem der Ersten das Großkreuz des Civilverdienstordens verliehen, den der König am 12. August 1815 zur Belohnung der Treue in der verflossenen trüben Zeit stiftete; auch war er seit 23. December 1815 Mitglied des Ordensrathes. Außerdem war W. Ritter des königlich preußischen Johanniterordens. Bei der neuen Einrichtung des Geheimen Rathes wurde er als Kanzler am 26. Juli 1817 zu dessen ständigem Mitglied ernannt und am 19. April 1820 ihm das Prädicat eines Wirklichen Geheimen Rathes mit dem Titel Excellenz verliehen; am 3. Februar 1827 erfolgte seine Ernennung zum Conferenzminister. Geschätzt wegen seines Diensteifers und seiner Pflichttreue, wie auch geachtet als Mensch wegen seines rechtschaffenen, bescheidenen Wesens starb er am 30. August 1829 zu Dresden. In der Gütertheilung mit seinem Bruder, dem großherzogl. sächs. Major Hans Karl Leopold Frhrn. v. W. (geb. 1790, † 1834) am 29. Juli 1820 waren ihm die thüringischen Lehngüter Bachra, Lossa, Rothenberga und Allerstedt, nebst der Erbadministration der Klosterschule Donndorf zugefallen, wozu noch das 1807 erkaufte Rittergut Oberau bei Meißen kam. Vermählt hatte er sich am 27. December 1805 zu Glesien b. Delitzsch mit der Tochter des kursächsischen Oberhofrichters und Obersteuereinnehmers Ludwig Adam v. Wuthenau, Henriette Luise Armgarde (geb. am 31. Januar 1785, † am 26. November 1866), welcher Ehe drei Töchter und ein Sohn Hans Traugott (geb. 1809, † 1861) entstammten.

Leipziger Zeitung Nr. 205 vom 1. Sept. 1829. – Neuer Nekrolog d. Deutschen 1829, II (Ilmenau 1831), Nr. 300, S. 635. – H. v. Werthern, [125] Stammtafeln. – Sächsische Hof- und Staatskalender. – Besonders aber Acten des Kgl. Sächs. Hauptstaatsarchivs zu Dresden.