Zum Inhalt springen

ADB:Zimmermann, Dominikus

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Zimmermann, Dominikus“ von Paul Beck in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 45 (1900), S. 254–256, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Zimmermann,_Dominikus&oldid=- (Version vom 9. November 2024, 15:26 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 45 (1900), S. 254–256 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Dominikus Zimmermann in der Wikipedia
Dominikus Zimmermann in Wikidata
GND-Nummer 118636928
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|45|254|256|Zimmermann, Dominikus|Paul Beck|ADB:Zimmermann, Dominikus}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118636928}}    

Zimmermann: Dominikus Z., geboren am 28. Juni 1685 zu Gaispoint, Pfarrei Wessobrunn in Baiern, † am 16. November 1766 in Wies, Pfarrei Steingaden, Stuccator und Baumeister, machte in der „Wessobrunner Stuccatorenschule“ alle Stufen des Kunsthandwerks durch, verzog im J. 1716 nach dem für seine Kunstausübung gelegeneren Landsberg a. L., woselbst er von 1749–1753 Bürgermeister war. Seine früheste selbständige nachweisbare Arbeit von Bedeutung ist der Hochaltar mit einem Madonnenbild in Gipsmosaik am Antependium in der Pfarrkirche von Birkland aus dem Jahre 1715. In seiner zweiten Heimath Landsberg hat er in den Jahren 1718–1720 die Stuccaturen im 2. Stockwerk und an der sehr ansprechend und wirkungsvoll verzierten Façade des Rathhauses geschaffen, sowie im Chor der Pfarrkirche einen Credenzaltar aus Gipsmarmor. Diese Stuccaturen im oberen Rathhaussaal gehören zu den allerbesten derartigen Arbeiten aus jener Zeit; augenscheinlich wollte der Künstler in ihnen ein hervorragendes Meisterstück liefern, um seinen Landsleuten eine Probe seiner hohen Kunstfertigkeit zu geben. Voll und ganz lernt man indeß die Eigenart dieses nicht gewöhnlichen Künstlers kennen in dessen Kirchenbauten. Fast gleichzeitig baute er zwei Kirchen im jetzigen württembergischen Oberschwaben, in den Jahren 1726–1733 die des Dominicanerinnenklosters Siessen b. Saulgau, einen einschiffigen flachgewölbten mit seltsam geformten Oberfenstern und sehr geschmackvollen Stuccaturen ausgestatteten Bau mit querschiff-flügelartig vortretenden Capellen und einem eingezogenen, halbrund geschlossenen Chor im ausgeprägten Frührococo (Pilaster mit sehr reichen Capitellen), und in den Jahren 1728–1731 die zum Prämonstratenserreichsstift Schussenried gehörige Pfarr- und Wallfahrtskirche von Steinhausen am Federbach, eine große ovale außen rechteckig ummantelte Ellipse oder Rotunde, welcher sich östlich ein innen hufeisenförmiger, außen rechteckiger Chor, westlich eine dem Chor an Ausdehnung entsprechende rechteckige Vorhalle mit übergebautem Thurm vorlegt. In den ovalen Hauptraum dieses originellen, ganz aparten Baues sind in gleichen Abständen 10 quadratische Pfeiler eingestellt, welche auf jeder Seite Pilastervorlagen zeigen, unter sich und mit der Umfassungswand (mit dieser in tieferer Kämpferhöhe) durch Bögen verbunden sind [255] und eine flache aus Backstein gemauerte Kuppel tragen, wodurch ein Umgang um den Hauptraum hergestellt wird. Im östlichsten Theile dieses Umganges hebt eine am ganzen Chor sich hinziehende Galerie an. Nicht minder ist das Innere mit außerordentlich reichen, eleganten Stuccaturen aus Band-, Blatt- und Blumenwerk ausgeschmückt. Diese Kirche, in welcher der Meister seinem exquisiten decorativen Talente und seiner Phantasie so recht freien Lauf lassen konnte, übertrifft noch die von Siessen; insbesondere ist in Steinhausen die zu Siessen in der unteren Hälfte der Fensterhöhe liegende Ausbauchung der lebendig umrissenen dreitheiligen Oberfenster in die obere Hälfte verlegt; auch haben die Capitäle der gekuppelten, den Außenbau gliedernden Pilaster noch reichere, üppigere Formen wie in Siessen. Der ganze, auf einem freien Platze sich erhebende Tempel mit seinem frei und luftig in den Aether aufsteigenden, weithin über den Wäldern sichtbaren Thurm macht von außen und innen einen imponirenden, vornehmlich im Innern einen heiteren, festlichen, ja geradezu bestrickenden Eindruck, und glaubt man sich beim Eintritt im ersten Moment fast unwillkürlich in ein Opernhaus versetzt. Später hat Z. dann auch ein Modell zum beabsichtigten Klosterneubau in Schussenried, in welchem ein Sohn von ihm, der im J. 1753 gestorbene P. Judas Thaddäus Z., seit 1734 als Conventuale sich befand, gefertigt und sich um die Bauoberaufsicht beworben, welchem Gesuche indeß nicht entsprochen wurde. Ebensowenig wurden seine um das Jahr 1732 entworfenen Risse für den Neubau der Klosterkirche in Ottobeuren ausgeführt. Mit dem Steinhauser Kirchengebäu wetteifert in Anlage und Ausbau die von ihm in den Jahren 1746–53 im Auftrage des Prämonstratenserklosters Steingaden ausgeführte herrliche Wallfahrtskirche von Wies (s. über diese Hager, Die Bau- und Kunstdenkmale des Klosters Steingaden, im Oberbair. Archiv, 47. Bd., S. 173 ff.); namentlich übertrifft letztere den Steinhauser Bau durch die reiche Chorgestaltung und leichteren luftigen Aufbau, während die Stuckdecoration des letzteren trotz allem in Wies nicht erreicht wird. Außerdem soll Z. das Dominicanerinnenkloster zu Ober-Medlingen, auch Maria-M. genannt, das Jesuitenkloster in Landsberg, und an einer Kirche in Günzburg gebaut haben. Auch will ihm aus stilistischen Gründen noch der Bau der Johanniskirche in Landsberg zugewiesen werden. Z. ist der größte Baumeister, der aus der „Wessobrunner Schule“ hervorgegangen und[WS 1] zählt zu den genialsten und virtuosesten Rococoarchitekten Süddeutschlands. „So wie er hat keiner es verstanden, die schweren Massen in leichte, luftige Gebilde aufzulösen; nichts ist ihm zu kühn, er durchbricht Gewölbeansätze und Uebermauerungen von Bögen, um den Beschauer durch ungeahnte Durchblicke zu überraschen: er ist Stucco-Architekt und überträgt so zu sagen die flüssige Behandlungsweise des alle beliebigen Formen leicht annehmenden Stucks auf das massive Baumaterial … Seine Kirchen-Innenräume sind von einer reich gestaltenden Phantasie durchglüht, welche die durch das Baumaterial und das Gesetz der Schwere gezogenen Schranken gewissermaßen zu sprengen sucht.“ Im Bilde ist der Meister mit seinem Sohne Franz auf einem in der Capelle von Wies befindlichen Votivgemälde verewigt. Z. hatte noch einen älteren, ihm als Künstler ebenbürtigen, als Maler und Stuccator bedeutenden (am 3. Januar 1680 zu Gaispoint geborenen, am 26. Februar 1758 als kurfürstlicher Hofmaler und Stuccateur in München gestorbenen) Bruder Johannes Z., welcher namentlich in dem Klosterneubau zu Ottobeuren, in den kurfürstlichen Residenzschlössern zu Schleißheim, Nymphenburg und München, sowie in zahlreichen Kirchen Kurbaierus (so zu Weyern, Andechs, Scheftlarn, Tegernsee u. s. w.) eine ungemein reiche Thätigkeit entfaltete und auch den malerischen Theil bei den durch seinen Bruder ausgeführten Kirchenbauten von Siessen, Steinhausen und Wies besorgte.

[256] Dr. Gg. Hager, Die Bauthätigkeit und Kunstpflege im Kloster Wessobrunn etc. im Oberbair. Arch. f. vaterländ. Gesch., 48. Bd. (1894), S. 397 bis 418. – Beck, Die Wallfahrtskirche zu Steinhausen, im Diöcesanarch. v. Schwaben, XI. Jahrg. (1893), Nr. 2 S. 7/8 und Nr. 6 S. 23 und XIII. Jahrg. (1895), S. 100.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: und und