Aufbaugesetz (DDR) 1950
über den Aufbau der Städte in der Deutschen Demokratischen Republik
und der Hauptstadt Deutschlands, Berlin
(Aufbaugesetz).
Durch den verbrecherischen Hitlerkrieg, besonders durch den anglo-amerikanischen Bombenkrieg gegen Wohn- und Kulturstätten, haben viele Städte unseres Vaterlandes schwere Schäden erlitten. Im Gegensatz zur völkerrechtswidrigen Kriegführung der Amerikaner und Engländer hat die Sowjetunion unsere Wohn- und Kulturstätten geschont und hat nach Zerschlagung des Hitlerfaschismus dem deutschen Volke wirksame politische und wirtschaftliche Hilfe für den demokratischen Aufbau geleistet.
Durch die großen Anstrengungen und Leistungen des gesamten werktätigen Volkes, insbesondere der Aktivisten, der Techniker und Ingenieure, sind in der Deutschen Demokratischen Republik mit der vorfristigen Erfüllung des Zweijahrplanes die schlimmsten Kriegsfolgen aus eigener Kraft überwunden worden, während der Westen Deutschlands unter der Herrschaft der anglo-amerikanischen Imperialisten stark verschuldete. Der Fünfjahrplan sieht auch den planmäßigen Aufbau der zerstörten Städte in derlDeutschen Demokratischen Republik, insbesondere der Hauptstadt Deutschlands, Berlin, vor. Damit wird nicht nur die Lage der Bevölkerung in der Deutschen Demokratischen Republik und in Berlin weiterhin erleichtert, sondern die Verwirklichung dieses großen Aufbauplanes schafft das Beispiel für ein friedliches Leben in Wohlstand in ganz Deutschland.
Auf der Grundlage des Fünfjahrplanes wird durch die Initiative der Aktivisten, durch die Entfaltung der Wettbewerbsbewegung für die allseitige Verbesserung der Arbeit im Bauwesen, insbesondere zur Anwendung neuer fortschrittlicher Arbeitsmethoden, zur Senkung der Baukosten und der Einsparung von Baumaterial, der Aufbau unserer Städte unter Mithilfe breiter Bevölkerungskreise erfolgreich durchgeführt. Dieser Aufbau der Städte dient der Hebung des Wohlstandes der Bevölkerung und ist ein sichtbarer Ausdruck für den wirtschaftlichen und kulturellen Aufstieg in der Deutschen Demokratischen Republik.
Die Durchführung der Pläne für den Aufbau und die Neugestaltung unserer Städte kann nicht auf der Grundlage der überholten und rückständigen Prinzipien des Städtebaues erfolgen. Unsere antifaschistisch-demokratische Ordnung ermöglicht in der Deutschen Demokratischen Republik und in Berlin die Ver- [966] wirklichung der fortschrittlichen Erfahrungen im Städtebau zum Wohle der Bevölkerung. So werden künftig die Planung und der Aufbau unserer Städte nach den Grundsätzen des Städtebaues erfolgen, die von der Provisorischen Regierung der Deutschen Demokratischen Republik am 27. Juli 1950 beschlossen wurden. Um den Aufbau der Städte planmäßig und auf der Grundlage der fortschrittlichen Erfahrungen durchs führen zu können, beschließt die Provisorische Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik folgendes Gesetz:
I.
Planmäßiger Aufbau
[Bearbeiten]§ 1
[Bearbeiten]Der planmäßige Aufbau der Städte ist eine der vordringlichsten Aufgaben der Deutschen Demokratischen Republik. Der Aufbau wird im Rahmen des Volkswirtschaftsplanes durchgeführt.
§ 2
[Bearbeiten]Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik wird beauftragt, für den planmäßigen Aufbau der im Volkswirtschaftsplan vorgesehenen zerstörten Städte der Republik, in erster Linie der Hauptstadt Deutschlands, Berlin, und der wichtigsten Industriezentren der Republik, Dresden, Leipzig, Magdeburg, Chemnitz, Dessau, Rostock, Wismar, Nordhausen und weiterer von der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik zu bestimmender Städte zu sorgen.
§ 3
[Bearbeiten](1) Der Aufbau Berlins als der Hauptstadt Deutschlands ist Aufgabe der Deutschen Demokratischen Republik; er erfordert die Anteilnahme der Bevölkerung ganz Deutschlands, insbesondere aller Bauschaffenden.
(2) Das Ministerium für Aufbau wird beauftragt, gemeinsam mit dem Magistrat von Groß-Berlin den Aufbau Berlins zu planen und zu lenken.
§ 4
[Bearbeiten]Das Ministerium für Aufbau hat in Übereinstimmung mit dem Volkswirtschaftsplan und im Zusammenwirken mit den Fachministerien
a) die Planungen der Städte anzuleiten, zu lenken und die Durchführung zu überwachen,
b) die Entwicklung neuer Baustoffe sowie die Anwendung fortschrittlicher Arbeitsweisen und Bauverfahren in Verbindung mit der Bauindustrie zu fördern,
c) für die Beschleunigung, Verbilligung und Verbesserung des Bauens Normen und Typen mit dem Ziel fortschreitender Mechanisierung und Industrialisierung in Verbindung mit der Bauindustrie zu entwickeln.
§ 5
[Bearbeiten]Zur Erhöhung der Arbeitsproduktivität und zur Senkung der Selbstkosten hat das Ministerium für Aufbau im Einvernehmen mit dem Ministerium für Industrie die volkseigenen Baubetriebe und den Freien Deutschen Gewerkschaftsbund bei der Auswertung der Erfahrungen und bei der Entwicklung der Aktivisten- und Wettbewerbsbewegung zu unterstützen.
§ 6
[Bearbeiten](1) Zur Entwicklung und Ausbildung von Bauingenieuren und Architekten hat das Ministerium für Aufbau an den ihm zugeordneten Bauingenieurschulen und an der Hochschule für Architektur in Weimar die Ausbildung so zu gestalten, daß die durch den Volkswirtschaftsplan geforderte Bereitstellung von Fachkräften gedeckt wird.
(2) Die Qualifizierung der aus Arbeiter- und Bauernkreisen kommenden Studenten sowie der Aktivisten des Bauwesens ist sicherzustellen. Die bei der Hochschule für Architektur in Weimar gebildete Arbeiter- und Bauernfakultät ist beschleunigt auf- und auszubauen.
II.
Planung und Bestätigung
[Bearbeiten]§ 7
[Bearbeiten]Für die Planung und den Aufbau der Städte sind die vom Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik am 27. Juli 1950 beschlossenen „Grundsätze des Städtebaues“[1] zugrunde zu legen.
§ 8
[Bearbeiten](1) Die städtebildenden Faktoren (Industrie, Verwaltungsorgane und Kulturstätten von überörtlicher Bedeutung) sowie die aus ihnen folgende Bevölkerungszahl und Größe des Stadtgebietes werden auf gemeinsamen Vorschlag der Ministerien für Planung und für Aufbau von der Regierung der Deutschen Demokratischen Regierung beschlossen.
(2) Die Ministerien für Planung und für Aufbau haben zuvor die Fachministerien, die Landesregierung und den Rat der Stadt oder des Kreises zu hören und, falls eine Übereinstimmung mit diesen nicht erreicht wird, deren Stellungnahme der Vorlage beizufügen.
§ 9
[Bearbeiten]Nach Festlegung der städtebildenden Faktoren und unter Zugrundelegung der Grundsätze des Städtebaues entwickelt der Rat der Stadt folgende Pläne:
1. den Flächennutzungsplan, der als Perspektivplan in großen Umrissen die Abgrenzung des Stadtzentrums, der historisch gewordenen Bezirke und der städtischen Bebauung, die Verteilung der Wohn- und Industriegebiete und der Grünflächen sowie die allgemeine Anlage des Versorgungs- und Verkehrsnetzes bestimmt;
2. den Stadtbebauungsplan, der auf Grund des Flächennutzungsplanes die wichtigen Plätze und Straßen, die wichtigsten Gebäude und die Versorgungs- und Verkehrsanlagen festlegt;
3. den Aufbauplan, der die einzelnen Bauvorhaben der Volkswirtschaftspläne und jedes Jahresabschnittes enthält;
4. die Teilbebauungspläne.
- ↑ Die „Grundsätze des Städtebaues“ werden in Nr. 25 des Ministerialblattes der Deutschen Demokratischen Republik bekanntgemacht.
§ 10
[Bearbeiten]Die Aufbaupläne der Städte haben im Einklang mit dem Volkswirtschaftsplan und seinen Jahresabschnitten zu stehen.
§ 11
[Bearbeiten](1) Flächennutzungspläne und Stadtbebauungspläne werden über die Landesregierung dem Ministerium für Aufbau zur Begutachtung zugeleitet und von ihm der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik zur Bestätigung vorgelegt.
(2) Aufbaupläne werden über die Landesregierung dem Ministerium für Aufbau zur Bestätigung vorgelegt.
(3) Teilbebauungspläne werden von den Hauptabteilungen Aufbau der Länder dem Ministerium für Aufbau zur Bestätigung vorgelegt.
§ 12
[Bearbeiten](1) Für den Aufbau der Städte nach den fortschrittlichen Erkenntnissen der Wissenschaft, Technik und Kunst sind die besten Fachkräfte des Städtebaues und der Architektur heranzuziehen.
(2) Zur Entwicklung des Städtebaues und der Architektur werden das Institut für Städtebau und Hochbau beim Ministerium für Aufbau und das Institut für Bauwesen bei der Deutschen Akademie der Wissenschaften zur „Deutschen Bauakademie“ zusammengefaßt. Die Deutsche Bauakademie wird dem Minister für Aufbau unterstellt.
§ 13
[Bearbeiten]Beim Minister für Aufbau werden ein Beirat für Städtebau und ein Beirat für Architektur gebildet, deren Zusammensetzung auf Vorschlag des Ministers für Aufbau von der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik beschlossen wird.
III.
Aufbaugebiete
[Bearbeiten]§ 14
[Bearbeiten](1) Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik kann Städte, Kreise und Gemeinden oder Teile hiervon zu Aufbaugebieten erklären.
(2) Die Erklärung zum Aufbaugebiet bewirkt, daß in diesem Gebiet eine Inanspruchnahme von bebauten und unbebauten Grundstücken für den Aufbau und eine damit verbundene dauernde oder zeitweilige Beschränkung oder Entziehung des Eigentums und anderer Rechte erfolgen kann.
(3) Die Entschädigung erfolgt nach den zu erlassenden gesetzlichen Bestimmungen.
IV.
Schlußbestimmungen
[Bearbeiten]§ 15
[Bearbeiten]Das Ministerium für Aufbau wird beauftragt, im Einvernehmen mit dem Ministerium des Innern eine Verordnung über die staatliche Bauaufsicht und eine Bauordnung für das Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik auszuarbeiten und der Regierung zur Beschlußfassung vorzulegen.
§ 16
[Bearbeiten]Durchführungsbestimmungen erläßt das Ministerium für Aufbau im Einvernehmen mit dem Ministerium für Planung und den zuständigen Fachministerien.
§ 17
[Bearbeiten]Dieses Gesetz tritt mit dem Tage seiner Verkundüng in Kraft. Gleichzeitig treten alle diesem Gesetz entgegenstehenden Gesetze und Verordnungen außer Kraft.
Berlin, den 6. September 1950
Das vorstehende vom Präsidenten der Provisorischen Volkskammer unter dem neunten September neunzehnhundertundfünfzig ausgefertigte Gesetz wird hiermit verkündet.
Berlin, den vierzehnten September neunzehnhundertundfünfzig
der Deutschen Demokratischen Republik