Bekanntmachung, betreffend die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern in Glashütten
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(Nr. 2000.) Bekanntmachung, betreffend die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern in Glashütten. Vom 11. März 1892.
Auf Grund des §. 139a des Gesetzes, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung, vom 1. Juni 1891 (Reichs-Gesetzbl. S. 261) hat der Bundesrath nachstehende
- Bestimmungen über die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern in Glashütten
erlassen:
- I. Die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern in Glashütten unterliegt folgenden Beschränkungen:
- 1. In solchen Räumen, in denen vor dem Ofen (Schmelz-, Kühl-, Glüh-, Streckofen) gearbeitet wird, und in solchen Räumen, in denen eine außergewöhnlich hohe Wärme herrscht (Häfenkammern und dergleichen), darf Arbeiterinnen eine Beschäftigung nicht gewährt und der Aufenthalt nicht gestattet werden. Ausnahmen hiervon kann der Bundesrath zulassen.
- 2. Mit Schleifarbeiten dürfen jugendliche Arbeiter unter vierzehn Jahren (Knaben) und jugendliche Arbeiterinnen nicht beschäftigt werden. In Tafelglashütten dürfen Knaben vor dem Schmelz- oder Streckofen oder mit dem Tragen der Walzen nicht beschäftigt werden, wenn die Hütten Walzen von mehr als 5 Kilogramm Gewicht herstellen.
- 3. Jugendliche Arbeiter männlichen Geschlechts dürfen, soweit deren Beschäftigung in Glashütten nach diesen Bestimmungen zulässig ist, nur beschäftigt werden, wenn durch ein Zeugniß eines von der höheren Verwaltungsbehörde zur Ausstellung solcher Zeugnisse ermächtigten Arztes dargethan wird, daß die körperliche Entwickelung des Arbeiters eine Beschäftigung in der Hütte ohne Gefahr für die Gesundheit zuläßt. [318]
- Das ärztliche Zeugniß ist vor Beginn der Beschäftigung dem Arbeitgeber auszuhändigen, welcher damit wie mit dem Arbeitsbuche (§. 107 der Gewerbeordnung) zu verfahren hat.
- II. In Glashütten, in denen die Glasmasse gleichzeitig geschmolzen und verarbeitet wird, treten die Beschränkungen des §. 136 der Gewerbeordnung für jugendliche Arbeiter männlichen Geschlechts (Knaben und junge Leute) mit folgen den Maßgaben außer Anwendung:
- 1. Die Beschäftigung der Knaben darf innerhalb vierundzwanzig Stunden einschließlich der Pausen nicht länger als sechs Stunden dauern. Die Gesammtdauer der Beschäftigung darf innerhalb einer Woche einschließlich der Pausen sechsunddreißig Stunden nicht überschreiten.
- 2. Die Arbeitsschicht der jungen Leute darf einschließlich der Pausen nicht länger als zwölf Stunden, ausschließlich der Pausen nicht länger als zehn Stunden dauern.
- Die Gesammtdauer der Beschäftigung darf innerhalb einer Woche ausschließlich der Pausen sechszig Stunden nicht überschreiten.
- Unterbrechungen der Arbeit von weniger als einer Viertelstunde Dauer werden auf die Pausen nicht in Anrechnung gebracht; eine der Pausen muß mindestens eine halbe Stunde dauern.
- 3. Bei Tag- und Nachtbetrieb muß wöchentlich Schichtenwechsel eintreten. Diese Bestimmung findet auf diejenigen Glashütten keine Anwendung, in denen die Beschäftigung so geregelt ist, daß für die jugendlichen Arbeiter zwischen je zwei Arbeitsschichten eine Ruhezeit von mindestens vierundzwanzig Stunden liegt.
- Die Arbeit muß in jeder Schicht durch eine oder mehrere Pausen in der Gesammtdauer von mindestens einer Stunde unterbrochen sein.
- 4. Während der Pausen für die Erwachsenen dürfen jugendliche Arbeiter überhaupt nicht, während der Pausen für junge Leute dürfen Knaben nicht beschäftigt werden.
- 5. Zwischen zwei Arbeitsschichten muß eine Ruhezeit von mindestens zwölf Stunden liegen.
- 6. An Sonn- und Festtagen darf die Beschäftigung nicht in die Zeit von sechs Uhr Morgens bis sechs Uhr Abends fallen. Die Vorschrift findet, wenn mehrere Festtage auf einander folgen, nur auf den ersten Festtag Anwendung.
- III. In Glashütten, in denen die Schmelzschicht und die Verarbeitungsschicht mit einander wechseln, treten die Beschränkungen des §. 135 Absatz 2 und 3 und §. 136 der Gewerbeordnung für jugendliche Arbeiter männlichen Geschlechts (Knaben und junge Leute) mit folgenden Maßgaben außer Anwendung:
- 1. Die Arbeitsschicht der Knaben darf nicht länger als die halbe Arbeitsschicht der Erwachsenen dauern. Die Beschäftigung darf nicht länger als sechs Stunden dauern, wenn zwischen den Arbeitsstunden nicht [319] Pausen von zusammen mindestens einstündiger Dauer gewährt werden. Die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit darf sechsunddreißig Stunden nicht überschreiten. Innerhalb zweier Wochen darf von der Gesammtdauer der Beschäftigung in die Zeit von sechs Uhr Abends bis sechs Uhr Morgens nicht mehr als die Hälfte fallen.
- 2. Die Gesammtdauer der Beschäftigung darf für junge Leute innerhalb einer Woche ausschließlich der Pausen nicht mehr als sechszig Stunden betragen.
- Innerhalb zweier Wochen darf von der Gesammtdauer der Beschäftigung in die Zeit von sechs Uhr Abends bis sechs Uhr Morgens nicht mehr als die Hälfte fallen.
- Die Dauer der Pausen muß für Schichten von höchstens zehn Arbeitsstunden mindestens eine Stunde, für Schichten mit längerer Arbeitszeit mindestens eine und eine halbe Stunde betragen. Unterbrechungen der Arbeit von weniger als einer Viertelstunde Dauer werden auf die Pausen nicht in Anrechnung gebracht; eine der Pausen muß mindestens eine halbe Stunde dauern.
- 3. In der Zeit von sechs Uhr Abends bis sechs Uhr Morgens darf die Beschäftigung ausschließlich der Pausen die Dauer von zehn Stunden nicht überschreiten.
- 4. Während der Pausen für die Erwachsenen dürfen jugendliche Arbeiter überhaupt nicht, während der Pausen für junge Leute dürfen Knaben nicht beschäftigt sein.
- 5. Zwischen zwei Arbeitsschichten muß eine Ruhezeit liegen. Bei Knaben muß dieselbe mindestens die Dauer einer vollen Arbeitsschicht der Erwachsenen, bei jungen Leuten mindestens die Dauer der zuletzt beendigten Schicht erreichen. Innerhalb der Ruhezeit ist eine Beschäftigung mit Nebenarbeiten für Knaben nicht gestattet. Für junge Leute ist sie gestattet, wenn dieselben vor Beginn oder nach dem Ende dieser Beschäftigung noch für eine Zeit von der Dauer der zuletzt beendigten Schicht ohne jede Beschäftigung bleiben. Die Dauer der Beschäftigung mit Nebenarbeiten kommt auf die Gesammtdauer der wöchentlichen Arbeitszeit in Anrechnung.
- 6. An Sonntagen darf die Beschäftigung nur einmal innerhalb zweier Wochen in die Zeit von sechs Uhr Morgens bis sechs Uhr Abends fallen.
- IV. Für Glashütten, welche von den unter II und III nachgelassenen Ausnahmen Gebrauch machen, finden die Bestimmungen des §. 138 der Gewerbeordnung mit folgenden Maßgaben Anwendung:
- 1. Das in den Fabrikräumen auszuhängende Verzeichniß der jugendlichen Arbeiter ist getrennt für Knaben und für junge Leute in der Weise [320] aufzustellen, daß die in derselben Schicht Beschäftigten je eine Abtheilung bilden.
- 2. Das Verzeichniß braucht in Glashütten der unter III bezeichneten Art eine Angabe über die Arbeitstage, die Arbeitszeit und die Pausen nicht zu enthalten. Statt dessen ist dem Verzeichniß eine Tabelle nach dem anliegenden Muster beizufügen, in welche während oder unmittelbar nach jeder Arbeitsschicht die vorgesehenen Eintragungen bewirkt werden.
- Die Tabelle muß mindestens über die letzten vierzehn Verarbeitungsschichten Auskunft geben. Der Name desjenigen, welcher die Eintragungen bewirkt, muß daraus zu ersehen sein.
- 3. In Räumen, in welchen jugendliche Arbeiter beschäftigt werden, muß neben der nach §. 138 auszuhängenden Tafel eine zweite Tafel ausgehängt werden, welche in deutlicher Schrift, außer den Bestimmungen unter I, für Glashütten der unter II bezeichneten Art die Bestimmungen unter II, für Glashütten der unter III bezeichneten Art die Bestimmungen unter III wiedergiebt.
- V. Die vorstehenden Bestimmungen haben für zehn Jahre Gültigkeit.
- Dieselben treten vom 1. April 1892 ab an die Stelle der durch die Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 23. April 1879 (Centralbl. für das Deutsche Reich S. 304) verkündeten Bestimmungen, betreffend die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern in Glashütten, mit der Maßgabe, daß während der Uebergangszeit, während welcher auf Grund des Artikels 9 des Gesetzes, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung, vom 1. Juni 1891 schulpflichtige Kinder in Glashütten noch beschäftigt werden dürfen, auf diese die Bestimmungen unter Ziffer 12 der Bekanntmachung vom 23. April 1879 Anwendung finden.
- Berlin, den 11. März 1892.