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Bekanntmachung, betreffend die Geschäftsbedingungen der Produktenbörse zu Berlin für den Zeithandel in Getreide und Mehl

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Gesetzestext
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Titel: Bekanntmachung, betreffend die Geschäftsbedingungen der Produktenbörse zu Berlin für den Zeithandel in Getreide und Mehl.
Abkürzung:
Art:
Geltungsbereich:
Rechtsmaterie:
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1908, Nr. 28, Seite 240 - 244
Fassung vom: 29. Mai 1908
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 30. Mai 1908
Inkrafttreten:
Anmerkungen:
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Quelle: Commons
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(Nr. 3476.) Bekanntmachung, betreffend die Geschäftsbedingungen der Produktenbörse zu Berlin für den Zeithandel in Getreide und Mehl. Vom 29. Mai 1908.

Auf Grund des § 67 des Börsengesetzes (Reichs-Gesetzbl. S. 215) hat der Bundesrat beschlossen, die nachstehenden Geschäftsbedingungen der Produktenbörse zu Berlin für den Kauf oder die sonstige Anschaffung von Weizen, Roggen, Hafer oder Mais in Mengen von 50 Tonnen oder einem Vielfachen davon – die Tonne zu 1000 Kilogramm – oder von Roggenmehl in Mengen von 300 Sack oder einem Vielfachen davon – der Sack zu 100 Kilogramm brutto – mit der Maßgabe zu genehmigen, daß es den Vertragschließenden gestattet ist, Vereinbarungen über die in diesen Bedingungen nicht geregelten Punkte zu treffen:

I. Zu liefern ist:
1. bei Weizen: gesunder, trockener und für Müllereizwecke gut verwendbarer Weizen, mit einem Normalgewichte von 755 Gramm für das Liter. Von der Lieferung ausgeschlossen sind: Rauhweizen, Kubanka und andere ausländische Hart- (Gries-) Weizen, ferner künstliche Mischungen von weißem und rotem (gelbem) Weizen;
2. bei Roggen: guter, gesunder, trockener Roggen, frei von Darrgeruch mit einem Normalgewichte von 712 Gramm für das Liter;
3. bei Hafer: guter, gesunder, trockener Hafer, frei von Darrgeruch mit einem Normalgewichte von 450 Gramm für das Liter;
4. bei Mais: guter, gesunder Mais;
5. bei Roggenmehl: gutes, gesundes Roggenmehl Nr. 0 und Nr. I getrennt, nach den von Sachverständigen, welche für Mehl von der Handelskammer zu Berlin öffentlich angestellt und beeidigt sind, festgestellten Typen. Das Mehl ist in guten, dichten, ungezeichneten Säcken, die 74 bis 80 Zentimeter breit und 116 bis 125 Zentimeter lang sind, zu liefern. Die Säcke sind mit Plomben zu versehen, auf denen die Bezeichnung der Art und Nummer deutlich ausgeprägt ist.
II. Die Lieferung hat innerhalb des von den Parteien vereinbarten Monats nach Wahl des Verkäufers zu erfolgen.
III. Erfüllungsort ist Berlin. Der Verkäufer kann auch von Speichern liefern, die
1. Ladegerechtigkeit haben und an folgenden schiffbaren Wasserläufen belegen sind: a) am Spandauer Schiffahrtskanal bis zur Plötzensee-Schleuse (Nord- und Südufer), b) am Verbindungskanal von der Plötzensee-Schleuse bis zur Spree, c) am Landwehrkanal-Salzufer und Charlottenburger Ufer, d) an der Unterspree bis zur Charlottenburger Schleuse, e) am Teltowkanal zwischen der Berlin-Tempelhofer Chaussee und der Rudower Straße, f) am Landwehrkanal von der Oberspree bis zum Rixdorfer Stichkanal, g) am Rixdorfer Stichkanal bis zur Stadt- und Ringbahn, h) an der Oberspree bis zum Beginne des [241] Treptower Parkes, i) am Rummelsburger See, von der Stadt- und Ringbahn an gerechnet auf der rechten Seite bis einschließlich der früheren Rengertschen Fabrik und auf der linken Seite bis einschließlich des Geländes der Norddeutschen Eiswerke, oder
2. durch Beschluß des Börsenvorstandes, Abteilung Produktenbörse, zu Berlin als geeignet bezeichnet sind, sofern seit Bekanntmachung des Beschlusses ein Zeitraum von mindestens 6 Monaten verflossen ist.
Weizen, Roggen, Hafer oder Mais können auch aus Kähnen geliefert werden, die außerhalb der Weichbildgrenze Berlins auf einem der zu 1 bezeichneten Wasserläufe an einem Speicher liegen.
IV. Es darf nur eine Ware geliefert werden, die vor der Erklärung der Lieferungsbereitschaft (Andienung), frühestens aber an dem der Andienung vorhergehenden Werktage von drei von der Handelskammer zu Berlin für die in Frage kommenden Waren öffentlich angestellten und beeidigten Sachverständigen untersucht und als lieferbar befunden worden ist.
Bei der Untersuchung der Ware und Festsetzung eines Mehr- oder Minderwerts sind bei Weizen, Roggen, Hafer oder Mais Beschaffenheit und Naturalgewicht, bei Roggenmehl Beschaffenheit des Mehles und Beschaffenheit der Säcke zu berücksichtigen.
Ergibt sich bei Weizen, Roggen, Hafer oder Mais auf Grund dieser Untersuchung ein Mehr- oder Minderwert bis zu 2 Mark für die Tonne, so ist der Käufer zur Abnahme unter Vergütung des Mehrwerts oder Abzug des Minderwerts verpflichtet. Ein Mehrwert über 2 Mark für die Tonne ist nicht zu vergüten. Bei einem Minderwerte von mehr als 2 Mark für die Tonne ist die Ware nicht lieferbar.
Ergibt sich bei Roggenmehl auf Grund dieser Untersuchungen ein Mehr- oder Minderwert bis zu durchschnittlich 25 Pfennig für 100 Kilogramm Mehl, so ist der Käufer zur Abnahme unter Vergütung des Mehrwerts oder Abzug des Minderwerts verpflichtet. Ein Mehrwert über 25 Pfennig für 100 Kilogramm Mehl ist nicht zu vergüten. Bei einem Minderwerte von mehr als 25 Pfennig für 100 Kilogramm Mehl ist die Ware nicht lieferbar. Ergibt sich durch die Untersuchung ein Minderwert der Säcke bis zu durchschnittlich 10 Pfennig für das Stück, so ist der Käufer zur Abnahme unter Abzug des Minderwerts verpflichtet. Bei einem höheren Minderwerte der Säcke ist die Ware nicht lieferbar.
V. Bei Weizen, Roggen, Hafer oder Mais hat die Andienung in Posten von je 50 Tonnen schriftlich unter Beifügung einer Bescheinigung über die Lieferbarkeit zu erfolgen und muß dem Käufer an einem Werktage bis 12 Uhr mittags zugestellt sein. Endet die Lieferzeit an einem Sonn- oder Feiertage, so muß die Andienung spätestens an dem vorhergehenden Werktag erfolgen. Die Andienung kann an Dritte weitergegeben werden. Die [242] Weitergabe muß unverzüglich erfolgen. Die Umlaufszeit der Andienung endet am Andienungstage nachmittags 5 Uhr.
Der Verkäufer ist berechtigt, jeden einzelnen Posten von zwei verschiedenen Stellen zu liefern. Die Ware ist innerhalb von 6 Tagen, einschließlich des Tages der Andienung, Zug um Zug gegen Zahlung abzunehmen. Endet die Frist an einem Sonn- oder Feiertage, so muß die Abnahme spätestens am vorhergehenden Werktag erfolgen.
Das Andienungsschreiben und die Bescheinigung der Sachverständigen müssen enthalten:
bei Lieferungen vom Kahn:
1. das Datum;
2. den Namen des Schiffers, die Nummer des Kahnes und den Ort der Abladung;
3. den Standort des Kahnes, vorbehaltlich einer Änderung bei polizeilicher Anordnung;
bei Lieferungen vom Speicher:
1. das Datum;
2. die genaue Bezeichnung des Postens nach Lagerraum und Menge.
Erfolgt die Lieferung von einem nicht am schiffbaren Wasser belegenen Speicher, so ist die Ware kostenfrei auf den Wagen zu liefern; im übrigen hat der Empfänger die Kosten der Übergabe und Abnahme der Ware zu tragen, insoweit sie die angemessenen Sätze nicht überschreiten. Etwaige Mehrkosten fallen dem Verkäufer zur Last. Über die Angemessenheit entscheidet in Streitfällen der Börsenvorstand, Abteilung Produktenbörse, zu Berlin.
Der Verkäufer hat das Recht, 5 Prozent mehr oder weniger zu liefern. Ergibt sich bei einem Posten ein Fehlgewicht von mehr als 5 Prozent, so kann die Abnahme abgelehnt werden. Die Ablehnung muß jedoch innerhalb der vertragsmäßigen Abnahmefrist erklärt werden. Ein Mehr- oder Mindergewicht wird zum Preise des Abnahmetags, falls jedoch die Abnahme nach Ablauf der vertragsmäßigen Frist von 6 Tagen erfolgt, zum Preise des letzten Tages der Abnahmefrist berechnet.
VI. Bei Roggenmehl hat die Andienung im Posten von je 150 Sack 0 und 150 Sack I schriftlich unter Beifügung einer Bescheinigung über die Lieferbarkeit zu erfolgen; sie muß dem Käufer an einem Werktage bis 12 Uhr mittags zugestellt sein. Endet die Lieferzeit an einem Sonn- oder Feiertage, so muß die Andienung spätestens an dem vorhergehenden Werktag erfolgen. Die Andienung kann an Dritte weitergegeben werden. Die Weitergabe muß unverzüglich erfolgen. Die Umlaufzeit der Andienung endet am Andienungstage nachmittags 5 Uhr. [243]
Der Verkäufer ist berechtigt, jeden einzelnen Posten von zwei verschiedenen Stellen zu liefern. Die Ware ist innerhalb 5 Werktagen einschließlich des Tages der Andienung, Zug um Zug gegen Zahlung abzunehmen. Endet die Frist an einem Sonn- oder Feiertage, so muß die Abnahme spätestens am vorhergehenden Werktag erfolgen.
Das Andienungsschreiben und die Bescheinigung der Sachverständigen müssen enthalten:
1. das Datum;
2. die genaue Bezeichnung des Postens nach Lagerraum und Menge.
Der Empfänger hat die Kosten der Übergabe und der Abnahme der Ware zu tragen, insoweit sie die angemessenen Sätze nicht überschreiten. Etwaige Mehrkosten fallen dem Verkäufer zur Last. Über die Angemessenheit entscheidet in Streitfällen der Börsenvorstand, Abteilung Produktenbörse, zu Berlin. Fehlen bei einem Posten von 300 Sack mehr als 4 Säcke oder befinden sich dabei mehr als 10 Säcke, welche unter 99 Kilogramm wiegen, so kann die Abnahme abgelehnt werden. Die Ablehnung muß jedoch innerhalb der vertragsmäßigen Frist erklärt werden. Ein Fehlgewicht wird zum Preise des Abnahmetags, falls jedoch die Abnahme nach Ablauf der vertragsmäßigen Frist von 5 Tagen erfolgt, zum Preise des letzten Tages der Abnahmefrist berechnet. Die Kosten der Verwiegung trägt der Verkäufer, wenn das Untergewicht mehr als ½ Prozent beträgt, sonst der Käufer. Übergewicht wird nicht vergütet.
VII. Im Falle des Verzugs darf der nicht säumige Teil die Annahme der Leistung nicht ablehnen, ohne dem säumigen Teile eine angemessene Frist zur Bewirkung der Leistung zu bestimmen.
VIII. Stellt der eine Teil seine Zahlungen ein, so hat der andere Teil, unabhängig von der bedungenen Lieferzeit, unverzüglich, spätestens aber einen Tag, nachdem er hiervon Kenntnis erhielt oder Kenntnis haben mußte, ohne vorherige Androhung die Zwangsregulierung vorzunehmen. Die Zwangsregulierung erfolgt nach seiner Wahl im ganzen oder in Teilen entweder durch Kauf oder Verkauf oder durch Verrechnung. Der Kauf oder Verkauf hat an der Börse zu Berlin für die bedungene Lieferzeit durch einen Kursmakler zu erfolgen. Die Verrechnung erfolgt auf Grund des am Tage der Zwangsregulierung für die bedungene Lieferzeit an der Börse zu Berlin amtlich festgestellten Preises oder, wenn mehrere Preise festgestellt sind, des Mittelpreises. Der bei der Zwangsregulierung sich ergebende Preisunterschied ist sofort fällig. An Zinsen sind vom Tage der Zwangsregulierung bis zum ersten Tage der vertragsmäßigen Lieferzeit 5 Prozent zu vergüten. Auch im Falle der Verrechnung sind die üblichen Maklergebühren und die sonstigen Unkosten zu vergüten, welche bei Kauf oder Verkauf entstanden sein würden. [244]
IX. Als Feiertage gelten die staatlich anerkannten allgemeinen Feiertage, die beiden jüdischen Neujahrstage und der Versöhnungstag, in bezug auf die Abnahmefrist jedoch nur die staatlich anerkannten allgemeinen Feiertage.
Berlin, den 29. Mai 1908.
Der Reichskanzler.

In Vertretung:
von Bethmann Hollweg.