Beschreibung des Oberamts Böblingen/Kapitel B 11
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Den großen Zehenten bezieht größtentheils der Staat, welcher ihn von der Bebenhauser Pflege, Weil im Schönbuch, von der geistlichen Verwaltung Böblingen und von der Tübingenschen Pflege Sindelfingen übernommen hat. Von einem kleinen Distrikt muß er mit der Pfarrei Altdorf, welcher zugleich von einem andern Distrikt der große Zehente allein zusteht, getheilt werden; einige wenige Äcker sind zehentfrei. Die jährlichen Grundgefälle an Geld, welche die Stiftungspflegen Dagersheim, Altdorf, Ehningen, Weil im Schönbuch, Breitenstein, Böblingen, Schönaich, Holzgerlingen, sowie die Pfarrei Altdorf und der Besitzer der Burg Kalteneck, im Ort zu beziehen hatten, wurden 1819/20 im 20fachen Capitalwerth abgelöst, in neuerer Zeit werden nur noch Fruchtgefälle von den Stiftungspflegen Böblingen, Holzgerlingen, Weil im Schönbuch und der Gemeindepflege Holzgerlingen bezogen.
Das Gemeindevermögen besteht gegenwärtig außer den namhaften Einnahmen aus Wald und Weide in 6000 fl. Capital; das Vermögen der Stiftungspflege beträgt 3000 fl. An Stiftungen sind zur Anschaffung für Brod und Schulbücher etwa 400 fl. vorhanden. Im Aichthale westlich vom Ort liegen:
b) die obere Mühle, c) die mittlere Mühle, d) die untere Mühle, die politisch und kirchlich nach Holzgerlingen| gehören. Jede derselben enthält 1 Mahl- und 1 Gerbgang, die übrigens öfters wegen Wassermangel stille stehen.In Sattlers Topogr. Geschichte wird Seite 324 angeführt, daß man vor 80 Jahren in Mauren kaum die Spitze des Kirchthurms zu Holzgerlingen habe sehen können, jetzt aber erblicke man mehr als die Hälfte von dem hohen Dache dieses Thurmes.
Wie schon im allgemeinen Theil gezeigt wurde, hat eine römische Heerstraße durch den Ort geführt und zwar nach den noch vorhandenen Spuren, gerade an dem Ursprung der Aich vorüber; es läßt sich daher mit ziemlicher Gewißheit annehmen, daß die Römer sich dieser Quelle wegen hier wohnlich niederließen, um so mehr, als der Punkt wegen seiner hohen, dominirenden Lage ihnen für eine Niederlassung ganz geeignet erscheinen mochte. Die Burg Kalteneck mit ihrem künstlich angelegten Wassergraben wird wohl ursprünglich eine römische Verschanzung gewesen seyn, die dann später zu einer Burg benutzt wurde. Das nur 1/4 Stunde nördlich vom Ort auf dem sogenannten Schützenbühl entdeckte, räthselhafte Steinbild (s. den allg. Theil) gibt einen sichern Beweis, daß diese Gegend schon in den frühesten Zeiten bewohnt war. Unweit des Fundorts liegt der „Böbelsberg,“ wo nach der Sage früher Alterthümer gefunden wurden und eine Burg gestanden seyn soll. Etwa 1/2 Stunde westlich von Holzgerlingen heißt ein Ackerdistrikt das „Ritterbuch“ und ein daran stoßender „in den Steinmauren,“ wo die Volkssage ein abgegangenes Schloß wissen will.
Holzgerlingen war Reichsgut, welches wohl mit dem Besitze des Forstes Schönbuch zusammenhing K. Heinrich II. schenkte 1007, November 7., zu dem Bisthum Bamberg, welches er gerade gründete, locum proprietatis suae Holzgerninga in pago Glehuntra in comitatu Hugonis (von Tübingen). Mon. Boic. 28, 379. Vom Reiche kam die Hoheit über Holzgerlingen an die Pfalzgrafen von Tübingen, welche hier noch einzelne Erwerbungen machten; 1369 kaufte Pfalzgraf Conrad Leibeigene in Holzgerlingen von Osterbronn von Rohr, 1370 von Dietrich und Friz von Altdorf.
Vasallen von diesen Tübinger Pfalzgrafen und deren Rechtsnachfolgern, den Grafen von Württemberg, waren die Herren und Vögte von Holzgerlingen, welche mit den Herren von Gerlingen (Oberamts Leonberg) stammverwandt waren, und ein und dasselbe Wappen (zwei Halbmonde) führten, wie solches auch die Herren von Altdorf und Breitenstein hatten. In dieser Familie blühten im Jahre 1283 und folg. Albert und Werner (Gerbert Hist. nigr. silv. 3, 206), im Jahre 1289 und folg. Heinrich. Später vorkommende Namen sind: Dieterich, Reinhard, Conrad, Hans, Fritz, Georg; ein Georg von Holzgerlingen erscheint noch 1466. Von diesen Herren| machte Württemberg zu verschiedenen Zeiten einzelne Erwerbungen.Von benachbarten Adeligen waren hier begütert: die von Gerlingen, von Thailfingen (1369 Wolf von Thailfingen zu Holzgerlingen gesessen, 1383 Berthold von Thailfingen erhielt von Graf Rudolf von Hohenberg einen Hof zu Holzgerlingen zu Lehen), von Tachenhausen etc.
Im Jahre 1363, April 4., verkaufte Catharina, Gemahlin Graf Ulrichs von Württemberg, geborene Gräfin von Helfenstein, ihren Theil des Dorfes Holzgerlingen, worauf sie ohne Zweifel bewidemt war, für 500 Pfund Heller ihrer Schwägerin Elisabeth, Gattin Graf Eberhards des Greiners, geb. Gräfin von Henneberg, welche auch 1367, November 29., von Hans, Conrads des Vogts seligen Sohn von Holzgerlingen und dessen Schwester einen Theil an der Vogtei von Holzgerlingen, und noch 1381, September 30., von demselben Hans, dessen übrigen Antheil an dieser Vogtei erkaufte.
Als Lehen von Württemberg besaß Georg Zimmerer in Holzgerlingen Haus, Hof, Scheune und zwei Gärten, welche nach seinem Tode 1483 Graf Eberhard von Württemberg einzog und seinem außerehelichen Sohne, Georg Württemberger verlieh (Steinhofer 3, 386). Leibeigene, Güter und Einkünfte besaß hier das Kloster Bebenhausen; einzelne Bezüge hatte auch das Spital in Eßlingen.
Der Kirchensatz gehörte den Herren von Holzgerlingen (z. B. im Jahre 1338), später gelangte er an die Herren von Tachenhausen, sodann an Württemberg. Wolf von Tachenhausen vertrug sich 1478 mit der Pfarrei wegen eines Viertel des Zehenten und gab solches 1489 für 448 fl. dem Stift Tübingen zu lösen (Gabelk).
Im Jahre 1487, Mai 7., überließ Graf Eberhard dem ebengenannten Stifte das Patronat zu Holzgerlingen, behielt sich aber seinen Zehentantheil vor (Sattler Gr. 3 Nr. 107). Im Jahre 1557 erscheint der erste Pfarrer (Binder 883), früher bestellten die Tübinger Stiftsherren bloß einen Vicarius. Noch jetzt steht das Nominationsrecht der Universität Tübingen zu.
Bei Holzgerlingen steht die Burg Kalteneck, auf welcher die Herren von Holzgerlingen saßen; schon im Landbuch von 1623 erscheint solche als alter Burgstall. Ulrich Mayer von Wasseneck erhielt von Württemberg im Jahre 1412 die Burg pfandweise und kaufte solche 1420, November 18., von der Gräfin Henriette von Württemberg als Vormünderin ihrer beiden Söhne Ludwig und Ulrich, jedoch mit Vorbehalt der Losung (Steinhofer 2, 708). Als er ohne lehensfähige Erben starb, verlieh sie Württemberg an Wilhelm Zimmerer 1441 (Steinhofer 2, 823), von ihn gelangte| sie 1467 an Georg Zimmerer und nach dessen Tode verkaufte Graf Eberhard von Württemberg Kalteneck mit dem Wassergraben, Scheunen, zwei Gärten und dem Beholzungsrecht im Schönbuch an Claus Steinmarn von Jesingen, damals zu Holzgerlingen gesessen, für 100 fl. rhein. (Steinhofer 3, 493).Gegen die Mitte des vorigen Jahrhunderts gehörte das, damals allen bürgerlichen Lasten unterworfene Schloß dem Oberstlieutenant von Mitschevall, welcher es 1744 an Bauern verkaufte. Ende desselben Jahrhunderts war Eigenthümer Hauptmann von Milkau, dessen Wittwe es 1802 an Christoph Künkele verkaufte. Die weitere Reihe der Besitzer ist: 1804 Gottfried von Stolterfoth, 1806 Ernst Carl Adolf von Kechler, 1816 Victor Heinrich Jäger, 1818 Georg Ferd. Aug. Gfrörer, 1821 Carl von Bühler, 1826 die Gemeinde, 1826 Hans Carl Gothelf von Könneritz, 1840 Eberh. Jonathan Knapp, 1845 Jak. Binder, 1849 dessen Sohn.
e) Der Schaichhof, eine 430 Morgen große königl. Hofdomaine mit 9 Einwohnern, liegt 1/2 Stunde von seinem Mutterort Holzgerlingen an der Böblingen–Tübinger Vicinalstraße. Das im modernen Styl erbaute, schön eingerichtete, zweistockige Wohnhaus mit einem Zwerghaus, auf dem ein Thürmchen sitzt, schließt im Verein mit 4 ansehnlichen Ökonomie- und Stall-Gebäuden den reinlich gepflasterten Hofraum ein und bildet mit den angrenzenden Gärten und Baumgütern, den freundlichen, auf dem Liasplateau hoch gelegenen Wohnsitz, von dem man eine ausgedehnte, liebliche Aussicht genießt. Laufende Brunnen fehlen und werden durch einen Pumpbrunnen, der im Hofraum steht, ersetzt. Ein kleiner Weiher liegt zunächst des Hofs und ein zweiter namhaft größerer etwa 100 Schritte östlich davon an der Straße nach Weil im Schönbuch. Die Feldgüter sind, mit Ausnahme einiger Gehänge gegen das Schaichthälchen, ziemlich eben und haben einen bald mehr, bald weniger mit Sand gemischten Thonboden, der von einem dichten Lehm (Letten) oder von Liaskalk unterlagert wird; im Allgemeinen gehört er zu den mittelguten Fruchtböden, demungeachtet wird durch zweckmäßige Bewirthschaftung der Ertrag der Felder sehr gesteigert. Das Gut wird nach dem System der Fruchtwechselwirthschaft, zu welchem Behuf das Feld in neun Schläge abgetheilt ist, von den Pächtern, Gebrüder Geyer, gemeinschaftlich bewirthschaftet. Von den Cerealien werden vorzugsweise Dinkel, Gerste, Hafer und Roggen gebaut und durchschnittlich 7 Scheffel Dinkel, 31/2 Scheffel Gerste und 41/2 Scheffel Hafer pr. Morgen eingeheimst. Etwa der sechste Theil des Ackerfeldes bleibt reine Brache, im übrigen Theile zieht man Flachs, Hanf, Kartoffeln, Runkeln, Kraut, Klee, Ackerbohnen, Erbsen,| Linsen und Wicken. In neuester Zeit sind Versuche mit frühem Welschkorn und Mohn gelungen; etwa 20 Morgen werden jährlich mit Kohlreps angeblümt. Die Wiesen sind mit geringer Ausnahme gut, die im Schaichthal gelegenen können bewässert werden; das Wässerungsrecht ist jedoch durch eine Mühle beschränkt. Die Ufer der Schaich sind mit Erlen besetzt, die in einem 20jährigen Umtrieb jährlich 8–10 Klafter Holz abwerfen. Was die Obstzucht betrifft, so befinden sich etwa 1000 Kern- und 400 Steinobst-Bäume auf dem Gute, von denen erstere im Jahre 1847 5000 Simri ertrugen. In neuester Zeit wurde von den Pächtern eine Baumschule angelegt. Mit Einschluß von 3 Fohlen werden gegenwärtig 10 Pferde und 75 Stück Rindvieh gehalten; die Pferde gehören dem besseren Landschlage an, das Rindvieh besteht aus einer Kreuzung von der Rigi, Allgäuer und Simmenthaler Race und nähert sich allmählig der letzteren. Man sieht mehr auf Milchnutzung als auf die Mastung, doch wird auch älteres Vieh, sowie solches, das zur Milchnutzung nicht taugt, gemästet und zum Verkauf gebracht. Aus der Milch von ungefähr 40 Kühen wird, so weit sie nicht für den Hausbedarf erforderlich ist, Käse bereitet und theils in der auf dem Hofe betriebenen Gastwirthschaft verwendet, theils bei lebhafter Nachfrage in der Umgegend abgesetzt. Etwa 150–200 Stück Schafe werden gehalten und auf dem Hof überwintert.Der Schaichhof war Ende des vorigen und Anfangs dieses Jahrhunderts Eigenthum der Familie Eisenbach, später kam er an den Rechtsconsulenten Dr. Klotz und wurde von diesem 1824 an die königl. Hofdomainenkammer verkauft.