Beschreibung des Oberamts Spaichingen/Kapitel B 1
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in alphabetischer Reihe der den Oberamtsbezirk bildenden 21 Gemeinden oder Schultheißereien, jedoch unter Vorausstellung der Oberamtsstadt. Die am Schluß beigefügten Tabellen gewähren übersichtliche Zusammenstellungen: I. der Bevölkerung, der Gebäude und des Viehstandes, II. des Flächenmaßes nach den verschiedenen Bestandtheilen und III. des Steuerkatasters, des Gemeinde- und Stiftungshaushaltes.
Die Stadt Spaichingen liegt 27 geom. Stunden südwestlich von Stuttgart unterm 26° 24′ 11,33″ östlicher Länge und 48° 4′ 21,81″ nördlicher Breite (Stadtkirchthurm). Die Erhebung über das Mittelmeer beträgt 659,2 m. = 2301 w. F. (Erdfl. am Kirchthurm).
Als Oberamtsstadt ist sie der Sitz des Oberamtsgerichts mit dem Gerichtsnotariat, des Oberamts mit dem Oberamtsphysikat und der Oberamtspflege, des Kameralamts, (das katholische Dekanat bekleidet der Zeit der Pfarrer in Denkingen), eines Postamts mit Telegraphenstation und eines Revieramts. Überdieß wohnen in der Stadt 2 Rechtskonsulenten, der Oberamtswundarzt, der Oberamts-Thierarzt und der Oberamts-Geometer. Auch befindet sich daselbst eine Apotheke.
| Das Wappen der Stadt enthält einen durch einen rothen Querbalken getheilten silbernen Schild; im unteren Feld ist ein halbes schwarzes Rad mit fünf Speichen, das obere Feld ist leer (s. auch Württemb. Jahrbücher 1854. Heft II. S. 177 und oben S. 173, 178, 188).Die Stadt liegt im Südosten des Königreichs, zwischen dem Schwarzwald und der Alb, lang hingestreckt in dem breiten, von hohen waldigen Bergen umgrenzten Primthale und nimmt mit dem nur durch einige Obstgärten von ihr getrennten Weiler Hofen eine Länge von mehr als einer halben Stunde ein; sie besteht eigentlich nur aus einer sehr breiten Hauptstraße, die sich etwas gewunden von Südosten nach Nordwesten hinzieht und von der einige kurze mit Häusern besetzte Nebenstraßen abzweigen. Die Straßen sind freundlich und reinlich, chaussirt und gekandelt, und die Häuser haben ein sauberes, städtisch-ländliches Aussehen.
Rings um die Stadt liegen wohlgepflegte Obst-, Blumen- und Gemüsegärten und man kann auf anmuthigen Fußwegen, von denen aus immer der Anblick der großartigen Albberge sich darbietet, die ganze Stadt umwandeln. Auch die nahen Wälder gestatten schöne Spaziergänge und von jeder Höhe herab öffnet sich eine entzückende Aussicht, namentlich ist auch der Blick in das Thal hinab, mit der vielbethürmten Bergstadt Rottweil im Hintergrund, höchst überraschend. Grandios aber weitet sich die Ferne, wenn man den Dreifaltigkeitsberg, zu dem ein steiler Stationenweg hinaufführt, besteigt. Schon auf der Hälfte des Weges erscheinen, wenn man das herrliche Thal gegen Tuttlingen hinaufsieht, in der dortigen von den niedrigern Gebirgen gelassenen Lücke bei heiterem Himmel die kolossalen schneeglänzenden, eisgepanzerten Gestalten der Hochalpen; – und vollends, wenn man oben aus dem kühlen, reich mit seltenen Blumen geschmückten Buchenwald heraustritt, liegt vor uns in unermeßlicher Ausdehnung, fast ein Dritttheil des Gesichtskreises einnehmend, die ganze Kette der Hochalpen, vom Karwendelstein bis an die Jungfrau, ja selbst bis an den Montblanc aufgeschlossen. Aber bis zu den Alpen welch’ ein weites, fernes, reiches Gebiet, voll von Städten, Dörfern, Klöstern, Schlössern, Höfen und düsteren Wäldern. Den unumschränktesten Blick hat man auf der Plattform des Thurmes der Dreifaltigkeitskirche. Nach Norden und Osten sieht man die stille Hochfläche des Heuberges mit ihren Weiden, Tannenkuppen und weitverstreuten Dörfern, zuweilen unterbrochen| von graulichen Felsköpfen, welche die tief einbrechenden Thäler der Lippach, Beera und Donau markiren; am Nordrande taucht noch der schöngeformte Gipfel des Oberhohenberges hervor.Gegen Süden steigen sodann die einsamen Häupter der Basaltberge des Hegäus, aber nur noch mit den Stirnen, herauf, – ferner im Mittelgrunde und von seltener Schönheit, das breite, weichgebuchtete, wiesen- und waldgrüne Thal der Prim, das sich an Spaichingen vorbeizieht, und hier (südwestlich) steigt über die Thalwand der kahle, hohenstaufenähnliche Hohenkarpfen, weiter hinten der breitere bewaldete Hohenlupfen empor. Mehr nach Westen, über das saftgrüne Acker- und Waldland hin, die fernen Hochzüge des Schwarzwaldes mit ihren größten Anschwellungen, dem Feldberg und der langgezogenen Hornisgrinde. Weiterhin schaut man tief ins Unterland hinein bis gegen Stuttgart. Besonders des Abends, wenn die Sonne hinter die hohen Schwarzwaldrücken hinabsinkt, glänzt es dort in verklärtem Goldlicht, aber wunderbarer noch wird das Auge betroffen, wenn es sich gegen die Alpen hinwendet, wo unzählige Riesenhäupter im Feuer stehen und herüberschimmern, wie aus einer höheren, uns plötzlich durch einen Zauber nahe gerückten Welt.
Mit bloßem Auge schon, aber noch deutlicher mit dem auf dem Thurm der Dreifaltigkeitskirche aufgestellten Fernrohr, erkennt man genau so manchen jener hochberühmten Alpenberge. Hier seien nach Angabe des genauesten Kenners, Professors Oskar Hölder in Rottweil, nur die bekanntesten genannt (s. auch dessen Aufsatz über den Dreifaltigkeitsberg im Schwäb. Merkur vom 13. August 1874). Von Westen beginnend mit den bayerischen Alpen zwischen Lech und Loisach, von der hohen Bleich bis zum Säuling, erscheinen bei ganz klarem Himmel sogar einige Spitzen des Karwendelsteins. Dann in schöner Schwingung die Linien der Zugspitze, an sie reihen sich die Allgäuer Alpen. Hinüber über den Thaleinschnitt bei Immenstadt und bald ragt steil und großartig der Hochvogel empor. Rechts vom Gebhardsberg bei Bregenz sieht man tief hinein in das Montafun mit dem Rätikon; und bald treten neben die feinen Spitzen der Scesa Plana Sentis und Altmann breit in den Vordergrund, unter ihm in der Tiefe die drei Schlösser auf Arenenberg. Von dort streift der Blick über das gesamte Toggenburg bis zu den Churfirsten, dann hebt sich am Eingang in das Linththal der Glärnisch, kühn und gewaltig, die bedeutendste der hier sichtbaren Berggestalten; weiter der Tödi und gerade über dem hohen Höwen, schroff und| dunkel, die Mythen und Urirothstock am Vierwaldstättersee. Dann aber nach einem bunten Felsengewirre der Urner und Unterwaldner Berge beginnt der entzückendste Theil der ganzen Rundschau. Hoch über Rigi und Pilatus stehen hier, in der unvergänglichen Schönheit ihrer Formen, die Berner Alpen: Finsteraarhorn, die Schreckhörner, die drei Wetterhörner, der Eigner und die Jungfrau. Endlich vorüber an immer neuen Zacken und Zinken bis zum Aletschhorn, zum großen Nesthorn und dem riesenhaften Matterhorn; ja man will sogar schon, noch weiter im Westen, gegen den Lupfen hin, den König der Alpen, den Montblanc, gesehen haben.Kehren wir nun wieder Stadt zurück, um ihre wichtigsten Gebäude zu betrachten.
Der Gemeinde gehören: die dem h. Petrus und Paulus geweihte Pfarrkirche; sie steht so ziemlich in der Mitte der Stadt, etwas erhöht, wenn man die Bahnhofstraße herein kommt zur Linken, und soll in den nächsten Jahren durch einen prächtigen gothischen Neubau, nach dem Entwurf des Professors R. Reinhardt in Stuttgart, ersetzt werden.
An der jetzigen, außen ziemlich unscheinbaren Kirche stammt nur der nördlich am Chor stehende 40,3 m hohe Thurm aus alter Zeit, während die Kirche selbst um das Jahr 1723 (diese Jahreszahl steht über dem Portal der ganz kahlen Westseite) in schlichtem Rococostil mit vieleckig schließendem, von schwachen Strebepfeilern besetztem Chor errichtet wurde. Das Innere dagegen ist reich und ansprechend verziert und mit drei großen, im spätesten Renaissancestil gehaltenen Altären ausgestattet. Die Decke des Schiffes ist flach, der Chor mit Gratgewölben überspannt, die auf Engelchen aufruhen. Im Hochaltar sieht man das große Ölbild gemalt von dem berühmten Maler J. Fr. Dietrich aus Biberach (1787–1846): Christus übergibt dem Petrus die Schlüssel. Die Seitenaltäre besitzen von Dietrich übermalte Ölbilder und sind, gleichwie der Hochaltar, in reichen Renaissance-Ornamenten gefaßt, ebenso die Kanzel und die auf hoher, von gedrehten Holzsäulen getragener Empore ruhende Orgel; denselben Stil haben die Chorstühle und die Kirchenbänke. Über dem nördlichen Eingang des Schiffes hängt in üppiger Rococofassung ein schönes altes Madonnenbild (Gemälde). In den fünfstöckigen Thurm führt durch die Nordwand des Chores eine frühgothische Pforte, der einzige Überrest der ursprünglichen Kirche. Der Thurm selbst, im untersten Geschosse tonnengewölbt, wurde| im Jahre 1500 begonnen und im Jahre 1507 vollendet; die erstere Zahl steht groß an einem Eckstein des untersten, die letztere auf einem Schildchen des obersten Stockwerks. Dieses, gleichwie die beiden darauf sitzenden Staffelgiebel, wird von schön gefüllten spätgothischen Spitzbogenfenstern belebt. In der Ecke zwischen Thurm und Kirchenschiff erhebt sich durch zwei Stockwerke ein rundes steinernes Treppenthürmchen. Auf dem Thurm, der einen reizenden Blick durch das furchtbare, wiesenreiche Primthal hinab gerade an die thurmreiche Stadt Rottweil gewährt, hängen vier Glocken, darunter die größte mit der Umschrift:Auf der zweitgrößten Glocke steht: Refusa Scafhusia. 1779. Die dritte ist uralt, schriftlos und soll von Schweinen beim Verenakloster aus dem Boden gewühlt worden sein. Auf der vierten Glocke liest man: Gegossen in Reutlingen von Kurtz. 1844.
Die Unterhaltung der Kirche ruht auf der Stiftungspflege; der Staat hat seine Baupflicht mit 45.000 fl. abgelöst.
Das hübsche Kaplanatshaus, Stadtpfarrhaus (mit Scheune) steht südöstlich bei der Kirche, wurde im Jahre 1823 vom Staat erworben und um ein Stockwerk erhöht; seine Unterhaltung hat der letztere.
Der ausgedehnte Friedhof, ummauert und an der Eingangsseite von einer hohen Pappelreihe beschattet, wurde im Jahre 1834 südlich von der Stadt neu angelegt und enthält neben schönen Steindenkmälern eine große Auswahl von den so zierlich gearbeiteten Schmiedeisenkreuzen (s. auch die Oberamtsbeschreibung von Rottweil S. 195), die hier wieder eigene, von den in Rottweil gefertigten Kreuzen abweichende Formen zeigen.
Westlich bei der Kirche steht das Rathhaus, ein schlichtes dreistockiges Gebäude, das im Erdgeschoß die Fruchtschranne, im zweiten Stockwerk die Rathsgelasse, im dritten zwei Lehrzimmer und ein Zeichnungszimmer enthält.
Das ebenfalls dreistockige Schulgebäude, westlich bei der Kirche, ist alt und ziemlich verwahrlost und enthält je ein Zimmer für die deutsche Schule, die Real-, Latein- und Industrie-Schule; auch wohnen der Präceptor und ein Schulmeister im Haus. Es unterrichten im Ganzen (Hofen mit eingerechnet) ein Präceptor, ein Reallehrer, drei Schulmeister, ein Unterlehrer, ein Lehrgehilfe und zwei Arbeitslehrerinnen. In Hofen besteht ein besonderes Schulhaus mit zwei Schulzimmern und der Wohnung für den Schulmeister und den Lehrgehilfen. Auch besteht daselbst eine| Industrieschule mit einer Lehrerin. An das Schulhaus ist ein Armenhaus und ein Spritzenhaus angebaut; auch ein eigenes Gemeindewaschhaus ist vorhanden. Ferner bestehen in der Stadt ein Armen- und Krankenhaus, ein Spritzenhaus, ein Farrenstall mit Beschälplatte, eine alte Zehentscheuer, als Geräthschaftsmagazin benützt, eine Pfechtanstalt, früheres Backhaus, und zwei Waschhäuser.Dem Staat gehören außer dem schon oben genannten Stadtpfarrhaus folgende Gebäude:
Die 1683 erbaute Oberamtei, mit Hof und Garten; sie liegt an der Hauptstraße, nicht weit von der Kirche, war früher die vorderösterreichische Obervogtei, ist ein dreistockiges, ganz aus Stein mit starken Mauern aufgeführtes Gebäude und wird auch das „Schloß“ geheißen.
Gegenüber steht, von zwei Akazienbäumen beschattet, das hübsche zweistockige, im Jahre 1827 erbaute Oberamtsgericht, auch mit schönem Garten an der Rückseite.
Das Kameralamt, ein schloßartiges zweistockiges Gebäude mit hohem Mansardendach, errichtet am Schlusse des vorigen Jahrhunderts und Anfangs der Vierziger Jahre vom Staate angekauft, liegt angenehm am südöstlichen Ende der Stadt, links an der Straße nach Balgheim, und wird von zwei herrlichen über drei Morgen großen Obstgärten begrenzt.
Der Bahnhof, südlich an der Stadt, wurde in ansprechendem Rundbogenstil, ganz von Stein (Tuff- und Sandstein) erbaut; sein dreistockiger Mittelbau öffnet sich mit einer dreibogigen Halle gegen die Stadt hin.
Die Revierförsterswohnung neben der alten Post, und endlich das Oberamtsgerichtsgefängniß.
Der Amtscorporation gehören:
Das Gewerbemuseum. Dasselbe wurde in den Jahren 1875 und 76 aus Mitteln des hiesigen Gewerbevereins, des Staats und der Amtscorporation in einer Länge von 25 m und einer Breite von 15 m erbaut, kostete ca. 75.000 Mark und befindet sich links an der von der Stadt nach dem Bahnhof führenden Straße. Es ist nach den Entwürfen des Bauinspektors Sauter in Stuttgart in edlem Renaissancestil ganz aus Stein erbaut und verdient, das schönste nichtkirchliche Gebäude im Oberamtsbezirk genannt zu werden. Den Eingang schmücken ein Säulenportikus, den Hauptstock fünf große rundbogige Pfeilerarkaden, und gegen die Ecken ist je eine Nische zur Aufnahme von| allegorischen Figuren (Gewerbe und Handel darstellend) bestimmt. Das Erdgeschoß enthält einerseits die Bibliothek, ein Lesezimmer und ein Conferenzzimmer, andererseits mehrere Lehrzimmer, das erste Stockwerk den Ausstellungssaal. Zu beiden Seiten schließen sich an ihn zwei größere Zeichensäle an, mit dem Hauptsaal eine Hufeisenform bildend und unter sich durch einen 3 m breiten Gang verbunden, damit man bei den von Zeit zu Zeit beabsichtigten größeren Ausstellungen sämtliche drei Gelasse verwenden kann. Die beiden seitlichen Säle haben nicht die ganze Höhe des Hauptsaales, so daß über ihnen einerseits eine Dienerswohnung mit drei Zimmern etc., andererseits geräumige Lagerräume sich anordnen ließen. Hinter dem wirklich schönen und sehr stattlichen Gebäude, dessen Aufrichtung namentlich der Thätigkeit und Ausdauer des Gewerbevereinsausschusses und seines Vorstandes, Ant. Kupferschmid, zu danken ist, dehnt sich ein geschmackvoll angelegter Gesellschaftsgarten aus. Die Einweihung geschah am 11. Sept. 1876.Das Oberamtsgefängniß und ein weiteres Krankenhaus.
Das Schafhaus (Berghof) liegt eine Stunde nordöstlich von der Stadt auf dem Heuberg.
Die Stadt ist mit gutem Trinkwasser hinreichend versehen; es bestehen außer verschiedenen Privatbrunnen 19 laufende Brunnen, die von der Stadt zu unterhalten sind. Von den meist hübschen Brunnen wird zu 10 das Wasser zwischen hier und Balgheim in Sickerdohlen gesammelt und in irdenen Röhren in die Stadt, in gußeisernen durch dieselbe geleitet; das Wasser zu den übrigen kommt aus Quellen südlich und östlich bei der Stadt. Die bedeutendsten Quellen sind die in den Farrenwiesen, der Hauptbrunnen, der Sandbrunnen und der Rautebrunnen. Außer der Prim, die mitten durch die Stadt fließt und bei starkem Regenwetter austritt, laufen über die Markung einige minder kräftige Bäche, die in heißen Sommern austrocknen, wie der Schlüsselgraben, der Röhrenthalbach, der Leidengraben etc.; dann der Arbach und der Lothbach an der nördlichen Markungsgrenze. Für Feuersgefahr ist eine Wette angelegt; früher lag am südöstlichen Ende der Stadt ein Weiher.
Von Verkehrswegen sind zu nennen: die an der Südseite der Stadt hinziehende Eisenbahn von Rottweil nach Tuttlingen, oder weiterhin von Stuttgart nach Schaffhausen; dann die Poststraße, alte Schweizerstraße, welche der Länge nach die Stadt durchzieht und wieder Rottweil mit Tuttlingen verbindet. Vicinalstraßen gehen nach Schura, Hausen ob Verena und Denkingen.
| Von Brücken bestehen auf der Markung 16 steinerne und einige hölzerne, ferner ist in der Stadt selbst die Prim bis auf wenige Unterbrechungen überwölbt. Außer einer Brücke in Hofen, die der Staat unterhält, sind alle übrigen von der Stadtgemeinde zu unterhalten.Die Haupterwerbsmittel der fleißigen, ordnungsliebenden und sehr betriebsamen Einwohner bestehen im Feldbau, Viehzucht und Gewerben; letztere sind namentlich sehr zahlreich vertreten, indem die meisten Einwohner neben der Landwirthschaft auch noch irgend ein Handwerk treiben. Überdieß bestehen: eine Cigarrenfabrik mit 50 Arbeitern, eine Klavierfabrik, vier Orgelfabriken, zwei Buchdruckereien, zehn Uhrmacherwerkstätten, in denen zumeist sog. Schwarzwälder-Uhren verfertigt werden, elf Gerbereien, sodann mehrere Mühlen in und außerhalb der Stadt und zwar: die Kassiersmühle mit 4 Mahlgängen, 2 Gerbgängen, einer Hanfreibe, einer Gipsmühle, einem Ölgang und einer Säge, die mittlere Mühle mit 3 Mahlgängen, einem Gerbgang, einer Hanfreibe und einer Säge, die obere Mühle mit 2 Mahlgängen, einem Gerbgang und einer Säge, eine Mühle in der Stadt mit 2 Mahlgängen und einem Gerbgang, die Verena-Mühle mit einem Mahlgang und einem Gerbgang, eine Pferdemühle mit 2 Gängen und endlich eine Ölmühle und Rohstampfe. Schildwirthschaften sind 14 vorhanden, von denen 9 mit Bierbrauereien verbunden sind, welche ihr Fabrikat meistens auf der Achse in Württemberg und Baden absetzen. Nach dem neuesten Stand zählt die Stadt folgende mechanische Künstler und Handwerker:
Meist. | Geh. | Meist. | Geh. | |||
Bäcker | 12 | 1 | Hafner | 2 | 2 | |
Bierbrauer | 9 | 10 | Hutmacher | 2 | – | |
Barbiere | 2 | – | Klaviermacher | 1 | 6 | |
Bürstenbinder | 2 | 1 | Kaminfeger | 1 | – | |
Buchbinder | 2 | 1 | Korbmacher | 1 | – | |
Buchdrucker | 2 | 10 | Küfer | 6 | 2 | |
Drechsler | 1 | – | Kunst- u. Handelsgärtner | 2 | – | |
Färber | 1 | – | Kupferschmiede | 1 | 2 | |
Flaschner | 1 | 1 | Lumpensammler | 2 | – | |
Feilenhauer | 2 | 2 | Mechaniker | 1 | – | |
Gerber | 11 | 3 | Maurer | 15 | 3 | |
Glaser | 7 | – |
Meist. | Geh. | Meist. | Geh. | |||
Messerschmied | 1 | 1 | Schreiner | 20 | 8 | |
Mezger | 5 | – | Schuster | 15 | – | |
Musiker | 8 | – | Steinhauer | 2 | 3 | |
Nagelschmied | 1 | – | Seiler | 5 | – | |
Nätherinnen u. Putzmacherinnen | 14 | – | Seifensieder | 1 | – | |
Orgelbauer | 4 | 12 | Tuchmacher | 1 | – | |
Sattler | 4 | – | Uhrmacher | 10 | 4 | |
Schäfer | 1 | – | Wagner | 7 | – | |
Schlosser | 9 | 2 | Weber | 12 | – | |
Schmiede und Hufschmiede | 6 | – | Zimmermeister | 12 | 4 | |
Schneider | 8 | – | Zimmermaler | 3 | – | |
Zuckerbäcker | 2 | 2 |
Kaufleute | 10 | Gehilfen 1 | Fruchthändler | 3 | Gehilfen – | |
Krämer | 11 | – | Weinhändler | 2 | 1 | |
Hausirer | 6 | – | Landfuhrleute | 3 | – | |
Holzhändler | 7 | – |
Die Vermögensverhältnisse der Einwohner sind im allgemeinen gut; die wohlhabendste Klasse hat 50 Morgen Feld und 4 Morgen Wald, die mittlere 12–15 M. Feld und zum Theil noch etwas Wald und die minder bemittelte 1/2 M. Feld neben einem Allmandtheil. Überdieß befinden sich in der Stadt noch ziemlich viele Kapitalisten. Unterstützung von Seiten der Gemeinde erhalten gegenwärtig 22 Personen.
Die sehr große Markung bildet, soweit sie für den Feldbau benützt wird, ein flachwelliges, größtentheils leicht zu bebauendes Land, das sich auf beiden Seiten der Prim weit ausdehnt und einerseits von den bewaldeten Steilabhängen des Heubergs (Dreifaltigkeitsberg und Burghalde), andererseits von den waldreichen steilen Bergen Zundelberg, Weite, Stauffenberg etc. begrenzt wird und sich nur im Norden und Nordwesten an flaches Ackerland anlehnt.
Der Boden besteht in dem Flachlande größtentheils aus einem sehr fruchtbaren sandigen Lehm und ein nicht beträchtlicher Theil aus einer leichten schwarzen humusreichen Erde. Gegen die Steilgehänge hin und am Fuße derselben machen sich allmählig die etwas weniger fruchtbaren Zersetzungen des braunen Jura geltend; die eigentlichen Steilabhänge und die Anhöhen| über diesen bestehen alsdann aus den kalkreichen Verwitterungen des weißen Jura. Die Zersetzungen der oberen Schichten des schwarzen Jura treten in unbeträchtlicher Ausdehnung nur an den nächsten Gehängen des Primthals unterhalb Hofen auf. Steinbrüche sind angelegt im weißen Jurakalk und einer in dem gelblichen Sandstein des braunen Jura, überdieß bestehen Sand-, Lehm- und Kiesgruben.Die klimatischen Verhältnisse gehören zu den mildesten im diesseitigen Oberamtsbezirk und begünstigen noch den Obstbau und den Anbau von Gartengewächsen. Den Winter und das Frühjahr über ist es hier sehr rauh und schädliche Fröste schaden öfters der Vegetation, dagegen ist es im Sommer auffallend heiß. Auf den Anhöhen gleicht das Klima den übrigen rauhen Heuberggegenden. Hagelschlag und Gewitter kommen nicht selten vor und würden sich noch häufiger einstellen, wenn nicht der Lupfen eine Wetterscheide bildete, welche die Gewitter theils der Donau, theils dem Neckar zuleitet.
Die Landwirthschaft wird sehr gut und umsichtig betrieben, wozu der im Bezirk bestehende landwirthschaftliche Verein wesentlich beiträgt. Von Ackergeräthen kommen in Anwendung: verschiedene Pflüge und von diesen in neuerer Zeit vorzugsweise der verbesserte Hohenheimerpflug, ferner die eiserne Egge, die Feldwalze und die eiserne Dreschwalze. Die Düngerstätten sind beinahe durchgängig zweckmäßig angelegt und die Jauche wird sorglich gesammelt; außer den gewöhnlichen Düngungsmitteln und des Pferchs bedient man sich zur Besserung des Bodens noch des Kompostes, der Asche und des Gipses. Man baut Dinkel, Haber, Gerste, Mengfrüchte, weniger Weizen und Roggen, ferner sehr viel Kartoffeln und Futterkräuter (dreiblättrigen Klee, Luzerne und Esparsette); von Handelsgewächsen, Reps, Mohn, Flachs und Hanf, jedoch nur für den eigenen Bedarf. In neuerer Zeit werden auch auf fünf Morgen Hopfen gebaut, welche zum Verkauf kommen. Von den Getreidefrüchten wird mit Ausnahme eines Theils des Haberertrags nur wenig nach außen abgesetzt.
Der ausgedehnte Wiesenbau liefert ein gutes nahrhaftes Futter, das im Ort verbraucht und zu dem noch Futter von außen bezogen wird. Die Wiesen sind durchaus zweimähdig und haben keine Bewässerungseinrichtungen.
Auf die im Zunehmen begriffene Obstzucht wird viel Fleiß verwendet, der jedoch wegen der nicht selten vorkommenden| Frühfröste öfters nicht belohnt wird; man pflanzt Luiken, Goldparmäne, Reinetten, Lederäpfel, Taffetäpfel, Bratbirnen, Knausbirnen, Palmischbirnen, Junkersbirnen, Schweizerbirnen und überdieß auch feinere Kernobstsorten; von Steinobst Zwetschgen und Pflaumen. Die Jungstämme bezieht man theils aus der Gemeindebaumschule, theils aus der Baumschule eines in der Stadt ansäßigen Gärtners. Das Obst wird gemostet und gedörrt, auch grün verspeist und nur in günstigen Jahrgängen kommt ein kleiner Theil desselben zum Verkauf nach außen.Die Gemeinde besitzt 870 Morgen meist Nadel- und gemischte Waldungen, deren jährlicher in 630 Festmetern bestehender Ertrag zu Gunsten der Gemeindekasse um 4000–5000 fl. verkauft wird. Weitere Einnahmen bezieht die Gemeinde aus der 99 Morgen großen Schafweide auf dem Berghof (Schafhaus), nebst der Brach- und Stoppelweide, 501 fl., und aus den vorhandenen 950 Morgen Allmanden, von denen 534 Morgen an die Ortsbürger ausgetheilt sind, was der Gemeindekasse 534 fl. Allmandzins einträgt; die übrige Fläche ist zu Gunsten der Stiftung um jährlich 1300 fl. verpachtet. Der im Eigenthum der Gemeinde stehende Berghof, zu dem etwa 100 Morgen Wechselfelder gehören, wird von der Stadt um 500 fl. jährlich verpachtet.
Die Pferdezucht, wie auch die Pferdehaltung, ist von keiner Erheblichkeit, dagegen die Rindviehzucht in ganz gutem Zustande; man hält eine Kreuzung von Simmenthaler mit Landrace und hat zur Nachzucht 8 Farren von gleicher Race aufgestellt. Der Handel mit Vieh, insbesondere in die Schweiz und nach Baden, ist sehr namhaft, auch findet Milchverkauf in der Stadt selbst statt. Schafzucht treibt der Pächter des Berghofs, der 150 bis 200 Stück deutsche Schafe laufen läßt und sie auch im dortigen Schafhaus überwintert.
Von namhafter Bedeutung ist die Schweinezucht, die sich vorzugsweise mit der halbenglischen Race beschäftigt; über den eigenen Bedarf werden jährlich etwa 230 Stück Mastschweine nach Straßburg und Stuttgart ausgeführt und überdieß an Metzger in der Stadt selbst noch gegen 30 Stücke verkauft, wodurch ein Erlös von 10–11.000 fl. erzielt wird. Ziegen sind etwa 80 Stück in der Stadt.
Der Gemeindehaushalt ist geordnet (über das Gemeindevermögen s. Tabelle III); das Stiftungsvermögen mit Ausschluß| des Kirchenbaukapitals betrug im Jahre 1874 26.580 fl., das der Armenpflege 8294 fl. und das des Schulfonds 4918 fl.Von Anstalten bestehen außer der Volksschule eine Lateinschule mit einem Präceptor, eine Realschule mit einem Reallehrer, zwei Industrieschulen und eine Ortsarmenpflege; sodann ein Gewerbeverein mit einer Lesebibliothek.
Den Verkehr vermittelt hauptsächlich die Eisenbahn; es kursiren täglich 10 Züge, ferner kommt ein Eilwagen von Wehingen täglich zweimal in Spaichingen an und geht zweimal wieder nach Wehingen zurück. Ein Frachtfuhrmann fährt nach Freiburg im Breisgau und ein weiterer zwischen Rottweil und Tuttlingen.
Die Stadt hat das Recht, in den Monaten Februar, März, Juni, August, Oktober und November Krämer- und Viehmärkte, und überdieß noch in den Monaten März, Mai und Juli besondere Viehmärkte abzuhalten.[1]
Was endlich die Spuren aus früher Vorzeit betrifft, so stand auf der südlichsten Spitze des Dreifaltigkeitsbergs die Burg Baldenberg; man sieht daselbst noch einen Graben, der quer über die Rückenspitze des Bergs zieht, und von diesem läuft oben an der östlichen Seite des steilen Bergabhangs ebenfalls ein Graben bis zu einem Quergraben nördlich von der Dreifaltigkeitskirche, so daß diese innerhalb der ehemaligen Befestigung steht; die eigentliche Burg stand schon auf Balgheimer Markung. Etwa 1/4 Stunde südlich von Spaichingen an der Straße von Hausen ob Verena wird eine Flur „Steinweiler“ genannt und ganz in der Nähe kommt der Flurname „Stockingen“ vor; beide Benennungen deuten auf abgegangene Wohnorte. Nach der Volkssage soll hier das Kloster Verena gestanden sein und die| Gegend wird heute noch der „Verena-Ösch“ genannt. Östlich dieser Stelle kommt die Benennung „Landweg“ vor, ohne Zweifel führte hier die von Rottweil über Aldingen herkommende Römerstraße (Hochsträß) vorüber gegen das jetzige Tuttlingen. Nach all diesen Merkmalen scheint bei „Steinweiler“ ursprünglich ein römischer Wohnplatz bestanden zu haben, der später noch benützt wurde und an dessen Stelle auch das Verenakloster gegründet wurde.Überdieß kommen noch einige Flurnamen auf der Markung vor, die von historischem Interesse sein könnten, wie: südwestlich von der Stadt „vornen in Wangen“, 1/4 Stunde östlich von Spaichingen „Drachenloch“, nördlich von Spaichingen „Heidengraben“, im Walde gegen Schura wird ein Fußweg „Schelmenweg“ genannt, in der Nähe der Dreifaltigkeitskirche kommt „Bruderholz“ vor etc.
Spaichingen wird in ältester Zeit Spaichingas, Speichinga, Speichingas, Speichingen, Speihingun, Spechingen u. s. w. geschrieben – ein Name, welcher nach Pfeiffer, Germania 13, 116 und Förstemann, Altdeutsches Namenbuch (2. Aufl.) Bd. 2 Sp. 1360 vielleicht von dem keltischen Personen-Namen Specius (colonus) abzuleiten ist. Es wird zuerst in Urkunden des Klosters St. Gallen genannt: solchen gemäß gaben den 15. November 791 ein gewisser Rihpert und seine Gemahlin Kebasinde Güter samt genannten Unfreien im Purihdingagau „in villa Dirboheim et in alia villa, qui dicitur Speichingas“ an obiges Kloster, übertrugen diesem den 16. Juni 802 „in villa publica qui dicitur Speichingas“ Erlobald seinen Besitz zu Aldingen und den 16. Juni 803 Ruading Güter und Leibeigene allhier, schenkte dahin K. Ludwig der Fromme den 4. Juni 817 wie an vielen Orten der Gegend, so auch „in ministerio Hruadharii comitis ... ad Speichingas“ früher von den Grafen bezogene Einkünfte, und vertauschte endlich den 10. Dezember 882 der Abt Hartmann von St. Gallen eine hiesige Hube gegen eine andere zu Wurmlingen (Wirt. Urkb. 1, 41. 57. 60. 90. 184).
Frühe erscheint hiesiger Ortsadel, welcher in Beziehung, Vasallenverhältniß, zu den Grafen von Hohenzollern und Hohenberg stand. Das älteste bekannte Glied dieser Familie ist Benno: er erscheint im J. 1084 mit mehreren Adeligen zu Irslingen als Zeuge bei einer Schenkung der Edlen Hezelo und Hermann an das Kloster St. Georgen (Mone Zeitschr. 9, 207),| den 25. Februar 1090 als Zeuge des Gr. Burkhard von Nellenburg (Mone, Anzeiger 1837 Sp. 7); bei der Gründung des am 16. Januar 1095 erstmals feierlich geweihten Klosters Alpirsbach ist er insoferne betheiligt, als die Stifter desselben, Rotman von Hausen, Adalbert von Zollern und Gr. Alwig von Sulz sich wiederholt seiner als Berathers bei diesem Akte (doctor testamenti) bedienten, wie denn auch Benno, Adalbert und Perikerus von Spaichingen Gebrüder in der über die Stiftung aufgesetzten Urkunde als Zeugen genannt werden (Wirt. Urkb. 1, 315. 317). Im J. 1100 werden Benno und Berker von Spaichingen als Zeugen bei einer wiederholten Schenkung Burkhards von Nellenburg an das Kl. Allerheiligen aufgeführt (Mone, Anzeiger 1837 Sp. 8., Kirchhofer, die ältesten Vergabungen an das Kloster Allerheiligen in Schaffhausen im Archiv für schweizerische Geschichte Bd. 7 S. 253). Endlich erscheint dieser Benno als vom Gr. Heinrich von Heiligenberg mit dem Gute Pfrungen belehnt; ein an diese Belehnung sich anschließender Streit Bennos mit Cuno von Pfrungen wurde gegen das Ende des 11. Jahrhunderts auf einer Synode zu Constanz entschieden (Chron. Petershus. lib. 4 § 5 in Mone Quellensamml. 1, 53). – Weiter sind zu erwähnen: Adalbert von Spaichingen den 6. April 1092 als Zeuge bei einem Tausche zwischen dem Edlen Hesso von First und dem Kloster St. Georgen (Mone, Zeitschr. 9, 212). „Berngerus nobilis vir de Speichingen“ als Erbe des Edlen Hermann von Markdorf und Vollzieher von Schenkungen des letzteren an das Kl. Salem in der nicht chronologisch gehaltenen Aufzählung des ältesten Güterbesitzes dieses Klosters (Mone, Zeitschr. 1, 347). Marquard von Spaichingen, mehrere Male Zeuge bei Schenkungen an das Kl. Allerheiligen zu Schaffhausen, so den 2. April 1102 Eberhards von Metzingen, den 26. März 1106 und 22. April 1112 Bertholds von Gmünd (Wirt. Urkb. 1, 333; Fickler Quellen und Forschungen 32, 35). Hermann von Spaichingen, wohl vor 1180 Zeuge des Abts Diethelm von Reichenau, Probst und Keller, im J. 1206, übrigens nur für 8 Monate, da er wegen Schwächlichkeit das Amt niederlegte, Abt der Reichenau (Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrheins 28, 177. Pertz, Mon. Germ. 2, 39. Mone, Quellensamml. 1, 308. Schönhuth Chronik des Kl. Reichenau S. 174, s. übrigens Crusius Annal. Suev. 1, 11 cp. 2 und G. Oheims Chronik von Reichenau in Bibl. des litterar. Vereins 84 S. 134, woselbst dieser Abt einem an der Enz gesessenen| Geschlecht dieses Namens zugetheilt wird); wohl derselbe Hermann im J. 1211 Zeuge in einer Kl. Salemer Urkunde (Mone a. a. O. 1, 347). Walther von Spaichingen den 14. März 1210 Zeuge des Abts Heinrich von Reichenau (Neugart Episc. Const. I, 2 pag. 614). Heinrich von Spaichingen den 15. Juni 1281 Zeuge der Gr. Albrecht und Burkhard von Hohenberg (Schmid, Urkb. 63); die Gebr. Hug und Heinrich von Spaichingen im J. 1302 als hohenbergische Lehensleute hinsichtlich eines Gutes zu Balgheim (Schmid Hohenb. 159); Heinrich im J. 1305, in welchem er unter entsprechendem Verzichte seines Lehensherren, des Ritters Haug von Wehingen, ein Gut allhier um 32 Pfd. an das Kl. Rottenmünster verkauft und auf alle Ansprüche an die Güter seines Bruders Hug zu Balgheim verzichtet. Vielleicht auch Berthold von Spaichingen, Schwager Konrads von Tannheim, Schreiber des Hofs zu Rottweil und Bürger zu Villingen, in den J. 1372 und 1373 Inhaber des Kirchensatzes und Widdumgartens sowie anderer Güter zu Mönchweiler (Bad. A. Villingen), welcher Besitz von ihm an das Kloster St. Georgen überging, und im J. 1373 der Vogt von dessen Töchtern: Pfaff Heinrich von Spaichingen (Martini Gesch. des Kl. St. Georgen S. 273). Endlich wohl Engelhard von Spaichingen im J. 1475 Hauptmann im Straßburger Fußvolk (Königshofen, Elsäßische Chronik S. 1108).In der Folge bildete der Ort einen Bestandtheil der (obern) Grafschaft Hohenberg, ohne daß jedoch über den Hohenberger Besitzerwerb allhier etwas urkundlich bekannt wäre. Das erste Mal wird solcher genannt, als den 15. Juni 1281 die Gebr. Grafen Albrecht (II.) und Burkhard (IV.) von H. dem Johanniterhause zu Rottweil 2 hiesige Güter schenkten: das eine Ulrichs von Tengen Gut genannt, das andere Wernhers des Müllers Gütlein, ein hohenbergisches Lehen der Herrn von Balgheim, welche es genanntem Wernher wieder als Afterlehen gegeben. Den 27. September 1338 verpfändete übrigens Gr. Hugo (I.) von H. seinem Vogte zu Rottenburg, Hermann von Owe, für 140 Pfd. Heller seinen eigenen Hof zu Spaichingen dem Dorfe, Hänlins-Hof genannt, sein Erbe von seinem Vater Gr. Rudolf (I.) von H. her, samt dem darein gehörigen Kirchensatze, und noch den 8. Dezember 1383 gab Gr. Rudolf (III.) von H., nachdem er den 26. Oktober 1381 mit der Grafschaft Hohenberg auch Spaichingen an den Herz. Leopold von Österreich verkauft hatte, seinem Schreiber Hainrice für den Fall, | daß Pfaff Hans von Ow, Kirchherr zu Spaichingen, mit Tod abgehe, „eine Wartung“ auf die hiesige Kirche und präsentirte solchen hiezu zum Voraus dem Bischof von Constanz (Schmid, Urkb. 62, 344. 684).
Nach der hohenberg-österreichischen Erneuerung vom 10. Jan. 1583 war der Inhaber der hohenbergischen Herrschaft (Erzherz. Ferdinand von Österreich) wie an den andern Orten der Grafschaft so auch hier rechter einiger und regierender Herr und hatte soweit Zwing, Zehent und Bann gingen, allein den Stab, Forst, Geleit und alle Obrigkeit, Herrlichkeit, Gebot, Verbot, hohe und niedere Gerichte, Frevel, Strafen und Bußen; die Herrschaft hatte namentlich für Jagdzwecke gewisse gemeine Dienste und Frohnen, Frevel und Unrecht (in dieser Hinsicht war überhaupt die Frevel- und Strafordnung von 1551 maßgebend), Hauptrecht- und Fäll, Fastnachthennen, Maien- und Herbsthühner, großen und kleinen Zoll, Umgeld und Täfergeld, Steuern, Zinsen und Gülten; die österreichische Jurisdiktionstabelle vom J. 1804 führt Spaichingen als zum hiesigen Obervogteiamt gehörigen Marktflecken bezw. oberhohenbergischen Österreich eigenthümlich zugehörigen Cameralort auf und nennt Landeshoheit, Gesetzgebungsrecht, Steuer, Waffenrecht, Blutbann, Forst, große und kleine Jagdbarkeit, Zoll, niedere Gerichtsbarkeit österreichisch, nur hinsichtlich des Patronates der Pfarrei und der Kaplanei erwähnt sie die unten zu nennenden anderweitigen Rechte.
Unter der österreichischen Herrschaft, welche bis zum J. 1805 währte, wurde Spaichingen im J. 1688 an der Stelle Friedingens der Sitz eines dem Ober- und Kreisamt Rottenburg untergebenen Obervogteiamtes für die obere Grafschaft Hohenberg. Dasselbe bestand z. B. im J. 1785 aus einem Obervogt, welcher nach Abzug der Arrha jährlich an Geld 665 fl., die halbe Taxe gerechnet zu 200 fl., 16 Malter Vesen, 6 Malter Haber, 4 Malter Gerste bezog, und einem Rentmeister, welcher nach Abzug der Arrha an Geld 480 fl., die halbe Taxe gerechnet zu 200 fl., an Früchten dasselbe wie der Obervogt bezog; hiezu kamen noch der Amtsbote, 3 Kastenknechte zu Friedingen, Deilingen, Dürbheim, und 3 herrschaftliche Jäger. Der Obervogt wohnte im Amtshause, zu dessen Erbauung im J. 1708 alle oberhohenbergischen Orte frohnen mußten, der Rentmeister und der späterhin genannte Kanzleiverwalter hatten statt der Amtswohnung 50 und 20 fl. Hauszinsentschädigung. Das Obervogteiamt umfaßte die oben Seite 189 genannten, Ortschaften u. s. w.,| wozu in einem Berichte von 1785 noch Hausen am Thann gezählt wird), das Städtchen Friedingen und das herrschaftliche Gut Hohenberg; im J. 1785 belief sich die Seelenzahl auf 4323 männliche, 4398 weibliche, zusammen 8721 Seelen.Was unbedeutenderen Besitz am Orte betrifft, und zwar zunächst solchen weltlicher Herren, so werden in der hohenberg-österreichischen Periode u. a. als Lehensherren bezw. Lehensleute allhier genannt: im J. 1305 Haug von Wehingen, Lehensherr eines Gutes, das Heinrich von Spaichingen an das Kloster Rottenmünster verkauft (s. o.), im J. 1311 Heinrich von Lupfen als früherer Verkäufer „der Vogtei über ein eigen Gut zu Spaichingen, zu Niederhoven“ an den Rottweiler Bürger Konrad Bletz, der es hinwiederum an die Klause zu Hochmauern bei Rottweil überlassen; im J. 1350 Konrad Hagelstein, welcher von Gr. Hugo von H. ein bisher lehensweise innegehabtes Gut geeignet erhält, im J. 1397 die Rottweiler Bürger Hans und Konrad Bock als von Herzog Leopold von Österreich mit einem Hof und drei Schupossen belehnt (vergl. Schmid, Hohenb. 230, Urkb. 782). Dieser in dem oberen Dorf daselbst gelegene Hof, der Rappenhof genannt, kam später als österreichisches Lehen durch Kauf von Margarethe Lästin an die Dreifaltigkeitskirche und die Bruderschaft auf dem Baldenberg, welche den 8. Aug. 1483 erstmals mit ihm belehnt wurden und noch im J. 1683 in diesem Lehensbesitze vorkommen. Der sog. Ungemachszehente allhier erscheint seit dem 15. Jahrhundert als von den Gr. von Lupfen bezw. deren Rechtsnachfolgern, den Truchseßen von Pappenheim zu Lehen gehend (vergl. z. B. die Lehenbriefe vom 17. April 1438, vom 16. Jan. 1495, des Gr. Heinrich zu Lupfen vom 24. Okt. 1516 und des Truchseßen Maximilian von Pappenheim vom 16. Okt. 1629). – An den obengenannten St. Galler Besitz reihte sich schon frühe und im Verlaufe der Zeit noch mancher anderweitige geistliche Besitz: Das in der Mitte des 11. Jahrhunderts gegründete Kl. Allerheiligen in Schaffhausen erhielt schon bald durch einen gewissen Marcward 7 Mansen und eine Mühle in „Spechingen“ und Aldingen (Kirchhofer a. a. O. S. 243) und hatte noch im J. 1337 den oberen Hof allhier. – Das Kl. Beuron war um die Mitte des 13. Jahrhunderts überhaupt in der Gegend ziemlich stark begütert, denn in der Urkunde vom 12. April 1253, kraft deren Gr. Friedrich der Erlauchte von Zollern die Schirmvogtei über dieses Kloster übernahm, werden als im Besitze dieses letzteren | genannt: Leute und Güter überallhin im Thale Spaichingen, Leute und Güter in Telkoven, die „villa“ Kungshain mit Leuten, Gütern und Gericht, die „villa“ Bettingen mit Leuten, Gütern und Gericht, gen Winzeln (O.-A. Rottweil) gehörig, Aggenhausen mit Leuten, Gütern, Gericht und der Advokatie der Kirche, die „villa“ Mahlstetten mit Leuten, Gütern und Gericht, die „villa“ Alsbain (jetzt Allenspach) mit Leuten, Gütern und der Advokatie der Kirche, Leute und Güter in Dirbham. Mit der Herrschaft Mühlheim und der Vogtei über das Kloster wurde den 12. April 1383 auch dessen genannter Besitz von Gr. Friedrichs von Zollern gen. Merckenberg Wittwe Udelhild und deren Sohn Gr. Friedrich an das Bisthum Constanz verpfändet (Monum. Zoller. 1, 69. 112, vergl. auch Mone 6, 414 ff.). – Außerdem kommen mit hiesigem Besitze vor: das Kl. Rottenmünster seit dem J. 1305, die Klause zu Hochmauern seit 1311, das Kl. Alpirsbach seit 1330, mit erblichen Hof- und Lehengütern noch später, das Kl. St. Georgen, welches den 3. Mai 1382 von „Ritter Heinrich von Blumberg des Kalpfen ist“ die Vogtei auf dem St. Georger-Hof allda mit einem Vogtrechte von 30 Schill. Heller, 5 Viertel Haber u. s. w. um 20 Pfd. Heller kaufte und noch im Anfange des 18. Jahrhunderts zu Spaichingen und Hofen namentlich 3 Lehengüter hatte. – Endlich erwarb die Johanniterkommende zu Rottweil den 15. Juni 1281 von den Gebr. Gr. Albert (II.) und Burkhard (IV.) von Hohenberg einige hiesige Güter, Ulrichs des Tengen und Wernhers des Müllers Gut, den 5. März 1285 von Mya von Balgheim, Hagelsteins Tochter, und ihrem Sohne Konrad das Gut zu Spaichingen „des Hofstatt liegt zu Osterhofen“ und ein Gut zu Denkingen um 9 Mark, und den 14. November 1295 von Heinrich dem Jüngeren von Lupfen die Hube zu Spaichingen bei dem Mühlgraben und die zu Osterhofen um 40 M. Silbers, besaß auch noch in den folgenden Jahrhunderten Erblehen allhier.
Die kriegerischen Ereignisse, welche Spaichingen betrafen, sind schon oben S. 197 ff. genannt, so daß für seine allgemeine Geschichte nur weniges Erwähnenswerthe sich bietet. – Den 30. März 1582 vernichtete ein Brand in Zeit von einer Stunde 15 schöne Häuser, 21 Scheuern, viele Schweineställe, gegen 70 Stücke Rindvieh und 8 Pferde nebst vielen Ziegen und Schafen und vielem Hausgeräthe. – Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts waren allhier zwei Seidenspinnereien, eine Floretfaktorie des Joh. Jak. Thurneisen in Basel, welcher schon in den 60er Jahren dieses | Jahrhunderts allhier genannt wird und jährlich im Durchschnitt an Floretgarn 100 Centner spinnen ließ (deren Betrag warf nach einem Berichte des Faktors Schaflitzel vom 27. Juli 1790 6000 fl. an die Spinner ab, die auf einige Ortschaften im Oberhohenbergischen vertheilt waren), und eine Spinnerei des in die Bühlsche Compagnie zu Rottenburg aufgenommenen Kohler. – Im J. 1794 wurde hier die erste Apotheke für den Marktflecken und die dazu gehörige Landschaft errichtet. – Zwar ließ sich seiner Zeit für das Vorbringen der Gemeindevorsteher von Spaichingen, in den J. 1813–1815 sei dem Marktflecken das Prädikat „Stadt“ verliehen worden, ein aktenmäßiger Beleg nicht auffinden, allein auf Antrag des Ministeriums des Innern wurde durch höchste Entschließung vom 22. Aug. 1828 dem Wunsche obiger Vorsteher gemäß der Gemeinde die Beibehaltung des bisher gebrauchten Stadtprädikats gestattet.
Was die kirchlichen Verhältnisse, soweit dieselben nicht schon im Vorhergehenden berührt worden, betrifft, so wird bereits den 3. März 1222 ein hiesiger Pleban als Zeuge des Gr. Berthold von Sulz, im J. 1275 ein hiesiger Pfarr-Rektor, in den J. 1383 und 1392 Pfaff Hans von Ow als Kirchherr erwähnt (Wirt. Urkb. 3, 131 und oben S. 220). Die Pfarrei war früher hohenberg-österreichisch (vergl. oben die Urk. vom 27. Sept. 1338 und 8. Dez. 1383), den 7. Juli 1455 jedoch schenkten Erzherz. Albrecht VI. von Österreich und seine Gemahlin Mechthilde die Pfarrkirche und den Kirchensatz dem St. Moritzstift zu Ehingen, wofür das letztere am Freitag nach Aller Seelen die Jahreszeit der Schenkgeber zu begehen hatte, und den 8. Aug. d. J. inkorporirte der Bischof Heinrich von Konstanz die Kirche dem Stifte (vergl. Zeitschr. der Gesellsch. für Beförderung der Geschichtskunde von Freiburg 2, 203. 207). Im Anschluß an diese Schenkung besaß denn auch nach dem Hohenberger Lagerbuche von 1583 dieses Stift nicht nur die Kollatur und Lehensherrlichkeit, sondern auch neben dem Heiligen zu Balgheim und den Ehrnlin zu Rottweil den hiesigen großen Zehenten, während der kleine außerhalb etlicher Höfe, davon er den Ehrnlin zukam, vom Pfarrer bezogen wurde. Der hiesige Pfarrverweser Joh. Ludw. Kiebel kaufte jedoch im J. 1636 den früher dem Dr. Joh. Ulr. Erndtlin (Ehrnlin) zu Rottweil zugehörig gewesenen Zehenten in Spaichinger Zwing und Bann und verkaufte ihn wiederum den 5. Novbr. 1653 um 800 fl. an obiges Stift. – Mit der Säkularisation des letzteren kam das Patronat an Württemberg und | bei der am 9. März 1858 veröffentlichten Ausscheidung der katholischen Pfründen zwischen der Regierung und der Kirchengewalt wurde diese Pfründe der bischöflichen Kollatur zugeschieden (Reg.-Bl. von 1858 S. 30).
Neben der Pfarrei finden wir früher allhier eine Kaplanei, welche bereits in der Mitte des 15. Jahrhunderts bestanden zu haben scheint und zu welcher schon nach der genannten Hohenberger Erneuerung die Gemeinde das Nominations-, das genannte Stift das Präsentationsrecht hatte; die Wirksamkeit des Kaplans erstreckte sich nur auf die Dreifaltigkeitskirche, in der Pfarrkirche hatte er bloß an Sonntagen die Frühmesse zu lesen. In Folge der Ernennung des ersten Dekans und Stadtpfarrers zu Spaichingen im J. 1815 wurde die Kaplanei mit der Stadtpfarrstelle vereinigt, beziehungsweise in ein Vikariat umgewandelt.
Während von der Burg Baldenberg und ihren Besitzern weder die Sage noch die Geschichte etwas aufbewahrt hat, erzählen die „Statuta, Regul- und Satzungen der Lobwürdigen Bruderschafft der Allerheyligsten Dreyfaltigkeit … in der Wallfahrts-Capellen Auff dem Baldenberg …“ (12° öfters gedruckt z. B. Rottweil 1695 bei Joh. Mich. Mayer, ebenda 1730 bei Georg Kennerknecht) folgendes über die Entstehung der Wallfahrtskirche auf dem Baldenberg. Um das J. 1420 verlor ein armer Hirte, welcher auf dem Heuberg und in hiesiger Gegend das Vieh hütete, aus Unachtsamkeit einige Stücke von seiner Heerde, fand sie aber nach zweitägigem vergeblichen Suchen auf dem Platze der jetzigen Kirche gesund wieder. Aus Dankbarkeit für diese Wiederauffindung that er das Gelübde, die Personen der h. Dreifaltigkeit auszuschnitzen und hier in einem Bildstocke aufzustellen, fand jedoch alsbald in einem mit Moos und Gesträuch ganz überwachsenen Bildstock solche Bildnisse (die später auf dem Hochaltare aufgestellten). Er baute für dieselben zunächst eine Hütte oder Kapelle von Holz; als jedoch die Geschichte bekannt geworden und der Zulauf der dahin Wallfahrenden über Hand genommen, wurde aus den häufig fallenden Opfern eine größere Kapelle aus Stein- und Mauerwerk gebaut, mit neuen Bildern der h. Dreifaltigkeit geziert und den 19. Aug. 1415 durch den Constanzer Weihbischof Konrad mit einem Altar zu Ehren der h. Dreifaltigkeit geweiht. Um diesen Gottesdienst noch mehr emporzubringen, wurde mit Einwilligung der Erzherzogin Mechthilde von Österreich eine Bruderschaft allhier errichtet und dieselbe mit ihren Satzungen den 20. Mai 1461 vom Bischof Heinrich von| Constanz feierlichst bestätigt. Im J. 1592 wurde zwar die Kapelle erweitert, allein sie entsprach dem Andrang immer noch nicht, und nachdem deßhalb insbesondere der Obervogt zu Friedingen Christoph Kalt und seine Frau Barbara Kellmeyer 5000 fl. zum Baufond der Kirche gestiftet hatten, wurde den 26. Juli 1666 der Grundstein des neuen jetzigen Kirchengebäudes, das auf mehr als 9000 fl. zu stehen kam, gelegt, und dasselbe auch den 14. Mai 1673 durch den Constanzer Weihbischof Georg Sigmund eingeweiht. Die Bruderschaft erlosch in der Folge allerdings wieder, allein das ganze Jahr hindurch, besonders aber an den Wallfahrtstagen war früher der Zudrang sehr stark, so daß der Gottesdienst manchmal unter freiem Himmel gehalten werden mußte; an dem großen Opfer betheiligte sich insbesondere auch das Frauenkloster Amtenhausen (im großh. badischen Seekreis bei Engen) das jährlich einen gemästeten Stier hierher sandte. Nach einem oberamtlichen Berichte vom J. 1783 war die Wallfahrt auf die vorzüglicheren Bruderschaftsfeste, deren jährlich fünf waren, nicht nur von der ganzen umliegenden Nachbarschaft, sondern von 8–10 Stunden weit entlegenen Orten sehr stark besucht und konnten die jährlich fallenden Opfer auf 250 fl. im Jahre berechnet werden. Unter der Regierung K. Josephs II. wurde die Wallfahrt abgestellt und der Apparat samt den Glocken der Kirche sollte verkauft werden, doch kam dieser Plan nicht zur Ausführung. – Heutzutage findet während des Sommerhalbjahres bei günstiger Witterung je am Samstage stille Messe statt und wird außerdem am Feste des h. Joseph und Mariä Verkündigung, Geburt und Empfängniß, sowie am Dreifaltigkeitsmontag feierlicher Gottesdienst mit Hochamt und Predigt gehalten. An den Sommersonntagen finden häufig Wallfahrten, im Juli Bittgänge um Abwendung des Hagelschlags von Seite der nächstgelegenen Gemeinden statt (s. auch Birlinger, Volksthümliches aus Schwaben I, S. 292 ff.).Zu der Gemeinde gehören:
b. Berghof, liegt 1 Stunde nordöstlich von Spaichingen auf dem Heuberg.
c. Dreifaltigkeitskirche mit Meßnerhaus; auf einem von dem Heuberg sich weit vordrängenden schmalen Bergrücken liegt reizend, 1/2 Stunde nordöstlich von Spaichingen, die weithin sichtbare Dreifaltigkeitskirche mit dem daneben stehenden Meßnerhaus, eine Zierde der ganzen Umgegend bildend.
Die Dreifaltigkeitskirche, auch Bergkirche genannt, zu| der zahlreich gewallfahrtet wird, ist eine große, etwas baufällige, im lateinischen Kreuz gebaute Renaissancekirche mit weiter Kuppel über der Vierung. Man liest außen an der Kirche die Jahreszahl 1666 über dem südlichen, 1699 über dem westlichen Eingang, und 1763 am südlichen Querschiffarm. Die Kirche wurde, wie auch ihr Baustil beweist, im 17. Jahrhundert erbaut, im 18. vergrößert und erneuert (s. auch oben S. 225.) An der Westfront erhebt sich ein Thurm mit offener Vorhalle, geht gegen oben in’s Achteck über und trägt eine Plattform, von der aus man jene so wundervolle Fernsicht (s. oben S. 206) genießt und woselbst ein gutes Fernrohr aufgestellt ist. Der Westeingang der Kirche wird von einer hübsch geschnitzten Holzthüre verschlossen. Das Innere, mit Stuckaturen und Fresken im Stil des vorigen Jahrhunderts reich geschmückt, macht einen erhebenden Eindruck, namentlich auch durch seine weite, von vier stolzen Freisäulen gestützte, mit figurenreichen Malereien bedeckte Flachkuppel. – Die Unterhaltung der Kirche und des daneben stehenden alterthümlichen Meßnerhauses, in welchem Erfrischungen zu haben sind, ruht auf der Stiftungspflege. Zum Zweck der Restauration der Kirche hat sich im Juni 1874 der Dreifaltigkeitsberg-Verein gebildet, der gegenwärtig im Bezirk 1500 Mitglieder zählt, auch ist bereits mit der Herstellung der Kirche begonnen worden. Die zunächst gelegenen Güter und Weiden sind Eigenthum der Gemeinde Spaichingen, welche sie an den jeweiligen Meßner verpachtet.d. Hofen, ein sehr großer ansehnlicher Weiler, der nordwestlich von Spaichingen langgestreckt an die Rottweil-Tuttlinger Landstraße hingebaut, und nur durch einen etwa 200 Schritte langen nicht mit Häusern besetzten Raum von der Oberamtsstadt getrennt ist. Der aus freundlichen, zum Theil im städtischen Stil erbauten Häusern bestehende, mit hübschen Gärten versehene Ort bildet daher gleichsam die Vorstadt von Spaichingen, mit dem er auch alle Verhältnisse gemein hat.
e. Kassiersmühle, liegt 1/2 Stunde nordwestlich von der Oberamtsstadt im Primthal an der Rottweil-Tuttlinger Landstraße (s. oben). Sie wurde im J. 1732 von Mathias Hager, Kassier in Spaichingen, erbaut.
f. Die Verena-Mühle, erst neuerdings erbaut.
- ↑ Von ältern Zeiten her hatte Spaichingen das Recht, am Josephstag, Antons von Padua Tag, Mariä Geburtstag und Donnerstag vor Martini Jahrmärkte, sowie jeden Montag einen Wochenmarkt zu halten, in Folge der Kriegszeiten kamen jedoch diese Jahrmärkte längere Zeit wieder ab und am Josephstage 1741 fand wieder der erste statt. Nach einer den 12. Jan. 1789 aus Wien erhaltenen Erlaubniß wurde zu Spaichingen ein wöchentlicher Kornmarkt errichtet und das Kornhaus am 16. März eröffnet, auch der Zoll für das Malter Frucht von 4 auf 2 Kr. herabgesetzt; nachdem dieser Markt inzwischen eingeschlafen, wurde er den 3. Dezember 1821 wieder eröffnet und auf jeden Montag festgesetzt mit der Bestimmung, daß an Markt, Stand und Meßgeld für den Scheffel 4 Kr. zu zahlen seien (Schwäbische Chronik von 1789 S. 94, von 1821 S. 854).
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