Geschichte des Illuminaten-Ordens/Die Ordensbegründung nach der Darstellung von F. X. v. Zwackh

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Die Gründung des Ordens Geschichte des Illuminaten-Ordens (1906) von Leopold Engel
Die Ordensbegründung nach der Darstellung von F. X. v. Zwackh
Das System des Illuminatenordens bis zum Jahre 1781


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Die Ordensbegründung nach der Darstellung von F. X. v. Zwackh.

Wir haben Franz Xaver von Zwackh bereits als Schüler und Freund W.'s, sowie Ordensmitbegründer kennen gelernt. In letzter Eigenschaft muss eine Darstellung jener ersten Epoche ganz besonders interessieren, wenn man den Charakter dieses Mannes ins Auge fasst, der sich ganz anders darstellt, als ein Einblick in die veröffentlichten, konfiszierten Schriften vermuten lässt. — Zwackh war ein ehrlich denkender, offener Charakter, dessen Schilderung Graf Du Moulin Eckart in den Forschungen zur Kultur- und Literaturgeschichte Bayerns, drittes Buch 1895, bis auf einige Irrtümer vortrefflich gelungen ist. Genannter Forscher erzählt daselbst, dass ihm der Nachlass des Zwackh durch seinen Sohn zugänglich gemacht wurde und dass er aus diesen Dokumenten ein klares Bild der Lebensschicksale dieses Mannes aufbauen konnte. — Von dem Enkel (der Sohn ist inzwischen verstorben) wurden diese Nachlasspapiere entäussert, sie befinden sich daher im Besitz des Autors. Die Papiere enthalten eine Darstellung der Ordensbegründung, die bisher gänzlich unbekannt geblieben ist, weil sie niemals veröffentlicht wurde. Das interessante Aktenstück ist etwa Anfang 1787 geschrieben, war zwar für die Veröffentlichung bestimmt, ist jedoch, wie gesagt, nie veröffentlicht worden. Zwackh hat den Inhalt öfters verbessert und scheint in späteren Jahren, wie die verschiedene Tinte vermuten lässt, eine Revision vorgenommen zu haben. [80] Jedenfalls ist das Aktenstück inhaltlich völlig glaubwürdig, es entbehrt jeder Beschönigung, da es namentlich die Gebrechen des Ordens rücksichtslos aufdeckt. Betitelt ist es:

Beurkundete Geschichte des Illuminaten-Ordens von seiner Entstehung biss auf gegenwärtige Zeiten, mit ernstlichen Bemerkungen über die Gebrechen dieser Gesellschaft, über die Beschuldigungen, welche man in Bayern dem Orden und einzelnen Mitgliedern gemacht hat und über das Verfahren des Münchener Kabinets in dieser Sache.

Soweit der Inhalt an diese Stelle gehört, lautet derselbe:

§ 1.

Weishaupt, vorhin Professor auf der Hohen Schule zu Ingolstadt, nun herzöglich Sachssen-Gothaischer Hofrath, ein Mann, dessen Philosophische Schriften, seine in Bayern erlittene Verfolgungen und die von ihm verfasste Apologie der Illuminaten hinlänglich Beweisse seines durchdringenden Verstandes und edlen Herzens geben, war der Stifter des Ordens. Er wurde zu München in die Loge des Grafen Larossée, welche sich zu den reformirten Maurer System bekannten, aufgenohmen, fand aber bald darin, dass er dasjenige Ideal, welches er sich von geheimen Verbindungen seit mehreren Jahren aufgestellet hatte, nicht antreffen würde, und da er die Uneinigkeiten, das Missvergnügen einiger seiner Brüder, auch die Absicht am Ende zu einem Tempel Ritter eingeweiht zu werden, nach und nach entdeckte, um eben diese Zeit auch ein Deputirter von der Unionisten Loge zu Burghausen in Ingolstadt erschien, welcher die Grade dieser Maurerischen Klasse austheillte und bekannt machte, so entschloss er sich diese Gelegenheit, wo da unter seinen Mitbürgern der Hang zu geheimen Gessellschaften erweckt war, zu benützen, und seinen längst durchdachten Plan zu entwerfen. Dieser Mann war ein Gelehrter, der sich in sein Studierzimmer einsteckte und die Welt wie Viele andere nur aus Büchern kannte und der auf das heftigste von Jesuiten und ihrem Anhange verfolgt würde als Lehrer des Natur Rechtes und der Practischen Philosofie. Er empfand durch die beständigen verdriesslichen Auftritte, wie schädlich und gefährlich es vor den denkenden, wahrheitsliebenden Manne seyn, diesse Wissenschaften nach ihrem Umfang öfentlich zu lehren, man kann daher vor richtig nehmen, dass in seinem ersten Ordensplan [81] nichts anderes einfliessen konnte, als was er sich biss zur selbigen Zeit in wissenschaftlichen Fächern erworben hatte, dass er daraus vorzüglich dasjenige wählte, woran er am meisten Antheill nahm, um dessen Bekanntmachung er eine Menge Hindernisse fand und von welchem ihm sein Schicksal zeigte, dass sich andere geheime Gessellschaften entweder damit gar nicht beschäftigen, oder nicht im Stande waren ihre Absichten zu erreichen, und ihren Anhängern darüber hinlänglichen Schutz zu gewehren.

Er bestimmte also dem neuen Orden den einzigen Zweck: Sammlung und geheimen Unterricht in wissenschaftlichen Kenntnissen, dass er eine geheime Weisheitsschule seyn solle, in welcher der Stifter nur junge Akademiker aufnehmen und diesen ungestört dasjenige lehren wolle, was Dummheit und Pfaffen-Eigennutz von den öffentlichen Katheder verbannt hatte. Diesen Plan teilte W. seinen vertrautesten Freunden, die dortmals auf der Universitat studierten, dem dermalligen bayr. Hofkammer Rath v. Massenhausen, dem Kayss: Königl. legations Sekretair zur Kopenhagen von Merz, und dem fürstl. Freysingischen Hofrath Hohenaicher mit. Diese ermunterten ihn zu weiterer Ausführung desselben, und übernahmen es der neuen Gessellschaft Mitglieder zu verschaffen.

§ 2.

Von nun an war diesser Orden die Lieblingsbeschäftigung seines Stifters und seiner Mitarbeiter, alle Erhollungs Stunden wurden diessem gewidmet, jeder dachte, lass und samelte Materialien zu dem Gebäude, die er dem ersten vorlegte, um daraus zu ordnen, zu entnehmen, oder zu verwerfen. Es benutzte jeder seine Bekanntschaften, und suchte seine Freunde in eine Gessellschaft einzuführen, welche bald als ein Klubb von Gelehrten, bald als diejenige, welche die wahren Geheimnisse der Massonerie aufbewahrten, geschildert wurde, und so waren in kurzer Zeit schon Viele Mitglieder in Schwaben, in Franken, und in Bayern angeworben, unter denen sich auch der bayr. Hofrath Zwackh und der bayr. revisions Rath Berger befanden.

Weil man aber den Mitgliedern noch nichts von Ordensschriften geben konnte, so wurden sie mit gewissen vorgeschriebenen Büchern und dem Auftrag, daraus Auszüge zu machen, beschäftigt, sie mussten über bestimmte Aufgaben Abhandlungen verfertigen, und andere taugliche Mitglieder der [82] Gesellschaft zuführen, jeder von den ersten Anwerbern behandelte seine Zöglinge nach der Arth, wodurch er am meisten Eindruck auf ihn zu machen hoffen konnte. Man bediente sich, um der Sache den Schein von Wichtigkeit zu geben, verschiedener geheimer Schreibarten unter selbst erdachten Buchstaben, biss endlich W. ein Aufsatz der allgemeinen Ordensstatuten zu Stande brachte.

Man würde sich irren, wenn man glaubte, dass diesse dortmals schon so entworfen waren, wie sie dermallen gedruckt erscheinen. Es wurden nach der Zeit noch viele Verbesserungen darin vorgenohmen, deren Nothwendigkeit schon damals die Urheber der Gessellschaft einsahen, sich aber begnügten, biss die Anzahl derjenigen vergrössert werden könnte, welche mit den Absichten des Ganzen bekannter, auch desto vortheilhafter vor solches arbeiten würden. Die nächsten, welchen W. das Geheimniss der Neuheit eröffnete, waren der oben genannte von Zwackh und Berger.

§ 3.

Durch den Beytritt dieser Mitwissenden wurde nun der Orden desto rühriger verbreitet und weil man vor vortheilhafter erachtete, wenn die Kenntnisse in Wissenschaften, die Anleitungen und Lehren dazu durch Zeremonien und Grade vorgetragen, mehreren Reiz gewinnen möchten, beschäftigte man sich die bisshero gesammelte Materialien in Stufen einzutheilen und von den Massonerie Zeremonien zu entlehnen, welche letztere Gattung aber bei W. damals noch keinen Beyfall fande, sondern er übernahm es neue zu entwerfen, und da er eben die Werke des Zendavesta lass, so verfiel er auf den Gedanken, das neue Ordens System in die Zeremonie der Parsen einzukleiden. Um diese Zeit wurde auch dem Orden der Titel, Minerva Orden geschöpft, aus welchem sich die Symbolischen Worthe der ersten Grade, Licht, Augen, Blendung, so anders die Verschiedenheit der Lampen bey den Initiationen, die Insignien und das Wappen erklären lassen.

Die Anzahl der schon dortmals vorhandenen Mitglieder zeigte den ersten Vorstehern der neuen Gessellschaft, dass Viele davon gar nicht brauchbar waren, und erforderte alsso die Klugheit mit mehrerer Sorgfalt solche in Zukunft zu erwählen. Damit dieses möchte befolget werden, so entwarfen sie vor jeden, der andere anwerben wollte, eigene Vorschriften, nach [83] welchen man diesse beobachten, prüfen und bilden sollte um nun überzeugt zu seyn, dass die Untergebenen darnach handeln, so behändigten sie ihnen die Formularien der Tabellen und Diarien, welche monathlich sollten eingeschickt werden und gaben ihnen die Instructionen, Insinuationen, Partikularien, Statuten. Man kann sich leicht vorstellen, wieviele Verwirrung, Widersprüche und Wiederhollungen darin vorgekommen sind, indem die sogenannten Mitwissenden von Ingolstadt hinwegzogen, in verschiedenen Orthen indessen bedienstet worden, und in keinem genauen Zusammenhang weiter unter der Aufsicht ihres Stifters gestanden sind.

§ 4.

Sie fühlten freilich diesse Unvollkommenheiten selbst, allein die Veranlassungen dazu, welche einzig in der zu schnellen Verbreitung des Ordens lagen, muss ihnen nicht aufgefallen seyn, und anstatt diese einzustellen, dachten sie dem Übel damit abzuhelfen, wenn sie noch mehrere mit ihrer Stiftung bekannt machen, und auch deren Beystand haben würden.

Es wurde also Kanonikus Hertel und Prof. Bader, dann Baron Bassus aus Graubünden als ehmalliger Mitschüler des Hofrath W. von der Sache vollkommen unterrichtet. In Eichstett geschahe das nehmliche mit dem Regierungsrath Freyherrn von Schreckenstein, und dem Dompropsten Grafen Kobenzln, und nun schien die Sache eine andere Gestalt zu bekommen.

Es zeigte sich, dass man eine grosse Menge der Mitglieder sehr hohe Begriffe von dem Orden beygebracht habe, dass dann ihre Ideen und Erwartungen zu hoch gespannt worden, als man je im Stande seyn würde, sie zu befriedigen, es war jedes nach einem besonderen Zweck aufmerksam, jedes nach dem Eigendünkel seines Obern gebildet, sie hatten viele willkürliche, unnütze, selbst lächerliche Anleitungen und Vorschriften unter dem legalen Vorwand als Ordens Satzungen erhalten, so dass W. seinen ersten Plan gar nicht mehr kannte. Dieses bewog nun die sämmtlichen Stifter diesser Gesellschaft, welche den Namen areopagiten sich beylegten, nachstehenden gemeinschaftlichen Schluss festzusetzen, welchen ich seiner Kürze wegen hier sogleich ganz einrücke.

§ 5.
Erstens. Solle dem areopagus die gemeinschaftliche Einsicht und Direction über den ganzen Orden zustehen.
[84]
Zweitens, sollen diesse nun an dem ersten Plan des Prof. W. welcher biss auf einige Abänderungen ganz angenohmen wurde, mit vereinigten Kräften arbeiten.
Drittens, was jeder hierin samelt soll eben diessem noch ferner zugesendet werden, der es nach seinem Gutbefinden annehmen oder verwerfen könne.
Viertens. Das ganze System solle man in eigene Zeremonien und Grade stellen.
Fünftens. Der Zweck wissenschaftliche Kenntnisse zu erwerben, solche dem Untergebenen zu lehren, soll noch beygegeben werden, Verbreitung dieser Kenntnisse auch vor Profane, und thätige Unterstützung nicht nur der Ordensbrüder, sondern eines jeden rechtschaffenen Mannes.
Sechstens. Ersucht man den Prof. Weishaupt nun ohne Verzug die ersten Stufen des Ordens aus den vorhandenen Materialien auszuarbeiten, und solchen den übrigen um ihrer Erinnerungen mitzutheilen, damit man doch deren schon lange Zeit in Geduld stehenden Mitgliedern etwas begnügliches mittheilen könnte.
Siebendens, übernimmt es Prof. Bader die bisshero ausgetheilten allgemeinen und besonderen Ordens-Satzungen zu verbessern. Vorzüglich diejenigen Stellen, welche, obschon wider die Absicht der ersten Verfasser, darein eingeflossen sind und bedenklich scheinen möchten, auszustreichen. Darunter gehören vorzüglich die lächerlichen Aufträge von Aufnahme der Post-Sekretairs, der Apotheker, Handwerker pp. Die Sammlung medizinischer Rezepten, Kymischer[1] Processe, und der Gebrauch so verschiedener, Mysteriösen Ordens-Schriften, unter welchen nur jene des Weishaupts mit Ziffern noch könne beybehalten werden.
Achtens, in den areopagus wäre in Zukunft keiner ohne Einstimmung aller aufzunehmen.

Nach diesser Vereinigung erschien auch bald der erste Minervalgrad und in mehreren Orten wurden nun diesse Verhandlungen gehalten.

§ 6.

Die Areopagiten arbeiteten zwar mit vielem Eyfer an dem Hauptplan des Ordens, allein einige wollten nur gewisse Wissenschaften [85] gelehrt wissen und dem Orden eine eigene Philosophie geben, andere forderten Unterricht in allen Wissenschaften und Künsten, jener bestand darauf man sollte das Kristenthum, wie es bey seinen ersten Zeiten gewesen ist, einzuführen trachten, diesser glaubte das grosse Geheimniss solle die Geschichte und Einsicht allein anderer Verbindungen seyn, indessen sich auch ein Theil mit Verbreitung einer guten Moral, mit inniger Freundschaft und wechselseitiger Unterstützung der Brüder allein begnügten, und auf diesse Arth kann man behaupten, dass jeder aus diessem hohen Rath ein eigenes Ordenssystem entwarf und um seine Lieblingsmeinung geltend zu machen die andere bestritt, welches um so heftiger wurde, als die gemeinschaftliche Direction ebenfalls vielen unnützen, verdriesslichen Arbeiten bisshero unterworfen war. Es wollte jeder gleiche Rechte darin ausüben, kein entscheidende Stimme eines andern gelten lassen und um auch diessen Punkt vor der Zukunft festzusetzen, so wurde die Frage aufgeworfen, welche Regierungsform dem Orden am angenehmsten wäre, worüber sich die Meinungen eben so durchkreuzten, wie über die Erweiterung des Ordens, Zweck. Eine Partei nahm hierin die Hierarchie der Katholischen Kirche die andere den Jesuiten Orden zum Modell, und Weishaupt war gewiss am übelsten daran, aus diessen verschiedenen Vorschlägen musste er die Aufsätze machen, sollte alle begnügen und behielt daher gezwungener weisse von jedem etwas bey, welches man auch aus den gedruckten Graden nicht missverstehen wird, denn sie zeigen klar, dass daran nicht ein Mann den Ton angegeben habe, und dass man sie aus vielerley Entwürfen zusammenstopelte, welchem auch die Verschiedenheit der directions Eintheillungen und dabey gebrauchten Nahmen zuzuschreiben ist. Zum Beyspiel: Kirchen, Hochwürdig, Erlauchter, Provinzial, Nazional, assistenten, general und die quibus licet, welche aus den Marianischen Jesuiter Kongregationen der Studenten entlehnt sind, wo man alle Monath verschlossen die bona opera übergeben musste.

§ 7.

Über all diesse Umstände wäre es bald zu einer Trennung gekommen und W. musste vor die gute Sache in seinen Briefen die nachdrücklichsten Schutzreden schreiben und seine Mitgessellen widerum ermuntern, die sich endlich nach langer [86] Überredung und vielen Konkordenzen zu einem weiteren Entschluss vereinigten. Da diesser die eigentliche erste Grundstütze von der Illum. Gessellschaft ist, so lege ich ihn in der Beylage nach seinem ganzen Inhalt vor und begnüge mich mit der einzigen Erinnerung daraus, dass die zweite Ordens Stufe der kleine Illuminat dabey zu Stande kam. Damit schliesset sich auch die erste Epoche von der Stiftung dieses Ordens, welche sich mit dem Jahre 1775 anfanget und mit 1779 endiget.


Wir unterbrechen hier die Zwackhsche Darstellung, die wir sogleich wieder aufnehmen werden, um uns über den Geist der ersten Ordensjahre noch klarer zu werden.

Vor allen Dingen ersieht man deutlich aus Zwackh's Erklärungen, dass Weishaupt wohl die Grundidee gegeben, keineswegs aber der Ausarbeiter des Ordenssystems war, vielmehr haben viele daran gearbeitet. Er wollte schieben, ward aber selbst geschoben; wurde er jedoch zu stark bedrängt, sodass der Ordenswagen drohte, aus den gesollten Gleisen herausgedrückt zu werden, so gab es in der Zukunft stets Geschrei über Weishaupts Herrschsucht, wenn er den falschen Kurs nicht zulassen wollte. Von neueren Forschern ist oftmals die Herrschsucht Weishaupts betont worden, dass er keinesfalls das Regiment des Ordens aus den Händen geben wollte und nur als Ordensgeneral sich glücklich fühlte. Der Zwackhsche Bericht zeigt in dem bisherigen Wortlaute schon deutlich, dass Weishaupt um der Sache willen genötigt war, seine Autorität geltend zu machen. Es wiederholt sich hier ähnlich der Vorgang wie an der Universität. Übelstände duldet Weishaupt nicht und wird dafür kräftig angegriffen. Selbst mit Zwackh kam er öfters in Gegensatz, dieser fügte sich aber stets den einsichtigen Auseinandersetzungen seines Lehrers. Da wir in Zukunft öfters auf die Behauptung der Herrschsucht Weishaupt's stossen werden, so ist es angebracht die Gründe kennen zu lernen, die ihn in diesen Verdacht gebracht haben. Nachfolgender Brief des Spartacus (Ordensname für Weishaupt) an Cato (Ordensname von Zwackh) vom 13. November 1778 ist in dieser Beziehung lehrreich. (Originalschriften, S. 269.)


„Ihr letzter Brief ist nach langer Zeit der erste, der wieder in der Sprache und Ausdrücken unsers ersten Offenbarens geschrieben ist, und noch etliche solche Briefe sind im Stand, [87] das alte Vertrauen herzustellen. Sie werden sich erinnern, dass ich im Monat Februarius, Merz, April, und auch noch May dieses Jahrs alles Vertrauen in Sie gesetzt, und sie als meinen Grundstein betrachtet. Ich habe sie nach dem Fall des Ajax vor allen andern aus dem Dunkel und Räthselhaften herausgenommen, und zum Conscius gemacht. Diese Zeit her kann ich aber nicht bergen, dass sie mir durch die ewigen Zänkereyen, durch das dadurch verursachte Aufhalten der ganzen Sache, durch die sehr kurze, seltene, bissige, sogar durch fremde Hand geschriebene Briefe, durch das Zurückhalten der meinigen etc. ziemlich Misstrauen verursacht. — — —

— — Theuerster Cato! es ist wahr, ich herrsche, aber weil es so seyn muss, weil das Gebäude sonst nicht zu Stand kömmt, so lang meine Herrschsucht bloss fordert, was unser Gebäude und Zweck mit sich bringt, so kann sich niemand darüber beklagen; denn wenn ich es nicht thäte, so müsste es doch ein anderer thuen. Mein Herrschen also, so lang es unschädlich ist, die Maschin im Gang erhaltet, und bloss allein darauf gerichtet ist, kann niemand missbilligen. Wenn ich aber das Gebäud missbrauchen wollte, blos vor mich sorgen, um reich, angesehen und mächtig zu werden, dann wäre es übel. Wie können sie aber diess von mir vermuthen? Ich lebe zufrieden mit meinem Amt, verlange nicht weiter, und habe mein hinlängliches Auskommen, und begehre im bürgerlichen Leben nichts weiter zu seyn, als was ich bin. Ferners nöthigen mich meine ihnen bekannte Umstände, den meisten Mitgliedern, so lange ich lebe, verborgen zu seyn. Ich bin genöthigt, alles durch 5 oder 6 Personen zu thuen. Diese sind also die Herrschende, ich der Arbeiter, und ich verlange nur Versicherung, dass nach der Vorschrift gearbeitet werde. Dahin ziehen alle cautellen. Jeder ist frey in allen Handlungen, unabhängig von mir und von andern, nur in dem nicht, was ein Mittel zum Zweck des Ordens ist. Ist das nicht natürlich? folgt das nicht aus der Natur einer Gesellschaft? Wenn ich es auch nicht forderte, müsste es nicht ein anderer fordern? Soll ich nicht berechtigt seyn, das von meinem Nächsten zu fordern, was jeder von ihnen bey geschehener Verbreitung über 1000 und mehrere fordern kann?

Gefiel es ihnen, wenn ihre Untergebene, und diese wieder von den ihrigen eine gleiche Freyheit forderten? Könnte da etwas geschehen? Theuerster Cato! Merken sie sichs, der [88] Endzweck des Ordens ist, frey zu seyn, unabhängig von Auswärtigen. In Rücksicht des Ordens ist solcher allein Herr, wir alle sind die Diener unsers Zwecks, ich bin der erste Diener, denn ich arbeite für euch alle. Ich entwerfe, ihr bestättigt es, und führt es aus. Sie haben hier falsche Begriffe von Freyheit. Um auf einer Seite unabhängig zu seyn, bin ich auf der andern Knecht. Denken sie darüber, Cato! und sie werden finden, dass ich recht habe. — — —


Wir werden bei weiterem Vorschreiten noch öfter entdecken, dass Weishaupt seinen ursprünglichen Plan kaum wiedererkannte, wie Zwackh bereits andeutet, sobald er längere Zeit die Ordensentwickelung andern Händen überliess. Er zeigt sich stets konsequent in Beibehaltung seiner ersten Absichten und kommt dadurch wiederholt in Konflikte mit den anderen Ordensobern, die die Neigung aufweisen, die Grundidee zu missachten.

Wir kehren jetzt zu der Zwackhschen Ordensgeschichte zurück, welche von ihm in eine erste Periode von 1775—1779 eingeteilt ist. 1775 ist augenscheinlicher Irrtum, wenn Zwackh nicht die Vorbereitungen des Jahres 1775 mitrechnet, es muss 1776 heissen, wie Weishaupt selbst ja auch angibt. Mit dem Jahre 1779 endet er die erste Ordensperiode, weil sie bis dahin die alleinige Tätigkeit der Ordensmitglieder aus eigener Kraft umfasst, ohne Anlehnung an maurerische Kreise; wir bezeichnen jedoch als erste Periode die Zeit unter der alleinigen Führung Weishaupts, und rechnen die zweite von dem Eingreifen des Freiherrn v. Knigge an. Die Ereignisse werden am klarsten an der Hand der Zwackhschen Ordensgeschichte. Diese lautet weiter:

§ 8.

Bisshero war der Orden noch vor und unter sich allein bestanden, nun aber öffnet sich ein neuer Weg um ihm durch einen andern mehr Macht und Schutz zu verschaffen. Um diesse Zeit wurden von den areopagiten in München mehrere in die unionisten-Maurer Loge „Theodor zum gutten Rath, wo der Burgpfleger Radl den Hammer führte, aufgenohmen. Diesse Loge vergrösserte sich von Zeit zu Zeit durch viele ansehnliche Brüder und erwarb sich durch die Constitution der grossen Landesloge zu Berlin Royal York eine Menge von französischen Graden, welches so viel bewirkte, dass die reforme in Bayern [89] unthätig und beinahe ausseinander getretten war. Sehr viele von diessen äusserten den Wunsch sich an die des Radl anzuschmiegen, wenn nur noch einige mehrere Solidität darin hergestellt würde. Diesser Antrag schien den Stiftern des Illuminatenordens ein Gegenstand zu seyn, der all ihre Aufmerksamkeit verdiente, sie unterzogen sich also dem Geschäfte und brachten es dahin, dass Radl seinen Hammer niederlegte, der Prof. Bader zum Meister vom Stuhle gewählet und die ersten Logenämter mit ihren Anhängern besetzet wurden. Nachhero nahmen sie eine Verbesserung in den Logengesetzen vor, nahmen eine Auswahl und Minderung in den Maurerischen Graden und verbannten das überflüssige, geringfähige, vornehmlich an den Aufnahms Zeremonien. Durch diesse Einrichtung stand in kurzer Zeit diesse Loge in einen Kredit, den der Beytritt von vielen rechtschaffenen Brüdern aus der reforme und der ältern sogenannten Bögnernischen Unionisten Loge so sehr vermehrte, dass sie um diessen Glanz und Vorzug alle ihre ältern Schwestern beneiden mussten.

§ 9.

Indessen kam diesser neue Zuwachss dem Illum. Orden sehr zu guthe. Denn er war nun eines Theils in Bayern unter der tolerirten Massonerie mehr verborgen, andern Theils erwarben sich seine Oberen vollkommene Kenntnisse in den Maurer Systemen und durch den näheren Umgang mit diessen war man im Stande die besseren davon vor den Orden anzuwerben. Mit Graf Konstanzo wurde der anfang gemacht und da diesser auf Kosten der Loge eine maurerische Reisse[2] unternahm, um bey der Royal York zu Berlin sich von der jährlichen dahin zu bezahlenden Abgabe zu befreyen und auch mit anderen Systemen Vereinigung zu errichten, so konnten sich die Areopagiten von diesem Manne die Erfüllung ihrer Absichten, im Auslande ihren Orden zu verbreiten mit bestem Grunde versprechen. Sie gaben ihm zu diessem Ende alle bissher verfertigten Grade, Instructionen, Statuten und besondern Instructionen zur Errichtung ganzer Versammlungen, wie sie miteinander verbunden und untergeordnet und dirigirt werden sollten, verwilligten ihm auch aus ihrer Kasse einen Zuschuss und verschafften ihm Adressen von wichtigen Anempfehlungen [90] in jene Städte, wo er die Pflanzschulen errichten sollte. Diesse Mission erreichte auch vollkommen den Zweck. Seine Aufträge verschafften der Ordens-Gessellschaft der Illuminaten sehr viele würdige Männer, worunter einige in all andern Masson-Systemen sehr hoch graduirt waren und doch bekannten, keine Befriedigung darin gefunden zu haben. Unter diessen befand sich der Freyherr von Knigge, den man auch bald wegen seiner anerkannten Verdienste von der Aufsicht des Konstanzo hinwegnahm und jener des Weishaupt übergab, der ihn dem Areopagus einverleibte.


Wir sind jetzt am Ende der vordem bezeichneten Periode angelangt und müssen uns nunmehr umsehen, wie das bisher ausgearbeitete Ordenssystem aussah, damit der Leser später ein sicheres Urteil über die Gefährlichkeit oder Nichtgefährlichkeit desselben selbst abgeben kann.


  1. Chemischer
  2. Auf diese maurerische Reise des Konstanzo wird später noch ausführlich zurückgekommen werden.
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