Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen/Einleitung
« [[Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen/|]] | Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen | [[Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen/|]] » | |||
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
| |||||
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|
Auf die nachstehend veröffentlichten mit wenigen Ausnahmen durchgehends zum ersten Male herausgegebenen Briefe von und an Hildebrand Veckinchusen bin ich durch die Regestensammlung von Eduard Papst und Gotthard Hansen in den Beiträgen zur Kunde Est-, Liv- und Kurlands, Band 2, S. 174 ff. (1874) aufmerksam geworden. Von Dorpat aus, wo ich seit Anfang des Jahres 1878 Professor war, konnte ich Reval bequem erreichen und nahm in dieser schönen altehrwürdigen Hansestadt im Sommer 1879, als die Ferien begannen, einen längeren Aufenthalt. Er war Studien im Revaler Stadtarchiv gewidmet. Herr Bürgermeister Greiffenhagen und Herr Stadtarchivar Hansen unterstützten und förderten mich bei meinem Vorhaben in gütigster Weise. Ein glücklicher Zufall ließ mich eines Tages im Archiv eine Holzschachtel entdecken, die unter einer dicken Schicht Pfeffer eine große Anzahl Briefe, ebenfalls von und an Hildebrand Veckinchusen, barg, viel mehr als bisher an der genannten Stelle verzeichnet worden waren. Einen großen Teil der gefundenen Briefe konnte ich sofort abschreiben, der ansehnliche Rest wurde mir später nach Dorpat, ja sogar nach Rostock zur Benutzung übermittelt. Beiden genannten Herren, die längst der kühle Rasen deckt, sei über ihr Grab hinaus heute dankbarst gedacht. Auch der Nachfolger Hansens im Amte eines Archivars der Stadt Reval, der Professor Geheimrat Theodor Schiemann, leider vor einigen Monaten gestorben, hat mich freundlichst, als ich im Jahre 1885 vorübergehend in Reval weilte, bei meinen Veckinchusen-Studien unterstützt, wofür ich ihm herzlichen Dank schulde.
Außer den Briefen fanden sich im Revaler Stadtarchiv auch die Handelsbücher des Hildebrand Veckinchusen. Sie sind vermutlich wie die Briefe durch die verwandtschaftlichen Beziehungen des Genannten zu Personen in Riga und Dorpat, in das Baltikum gelangt. Auch diese Bücher habe ich im Laufe der Jahre sämtlich abgeschrieben. Es wurden immer wieder neue bisher noch nicht eingesehene im Archiv aufgefunden und man hat sie mir nach und nach alle freundlichst zur Verfügung gestellt. Ich habe während ich in Rostock lebte mit ihrer Abschrift zu tun gehabt und selbst noch in Leipzig hat mich die Abschrift der zuletzt entdeckten beschäftigt. Eine Vervollständigung hat dieses an sich reichhaltige Material durch einige Inskriptionen des Niederstadtbuchs von Lübeck im Staatsarchiv daselbst gefunden. Bei deren Kopie hatte ich mich der gütigsten Unterstützung des damaligen Herrn Staatsarchivars Dr. Wehrmann zu erfreuen, eines [VI] Mannes von seltenem Entgegenkommen und größter Herzlichkeit, dem wohl jeder, der einmal gelegentlich oder häufiger im Lübecker Staatsarchiv gearbeitet hat, für alle Zeiten ein dankbares Andenken bewahrt. Endlich ist mir ein Stück (Nr. 111) aus Köln von dem damaligen Herrn Stadtarchivar Dr. Höhlbaum, dem nachherigen Professor in Gießen zugegangen.
Lange, viel zu lange für meine Wünsche, hat dieses in manchen Jahren gesammelte Material gelegen, ehe ich zu seiner Veröffentlichung schreiten konnte. Die Ursachen der Verzögerung liegen teils in persönlichen Verhältnissen, teils in dem Umstande, daß es nicht gelingen wollte, für die umfangreiche Veranstaltung einen Verleger zu finden. Als mir nach Jahren durch gütige Fürsprache Gustav Schmollers von der Akademie der Wissenschaften in Berlin ein namhafter Druckzuschuß zugesagt worden war, konnte ich bei zeitweilig getrübter Arbeitskraft und schwer auf mich drückenden amtlichen Verpflichtungen in der vorgesehenen Zeit das Manuskript nicht zur Drucklegung fertig machen und verlor daher die Bewilligung. So konnte ich erst wieder an die Herausgabe denken, als mir die Sächsische Akademie der Wissenschaften, deren Mitglied ich unterdessen geworden war, aus der Mende-Stiftung einen ausreichenden Druckzuschuß bewilligte. Jedoch wieder waltete ein Unstern über der Veröffentlichung. Ich plante damals die Herausgabe eines zweibändigen Werkes, dessen erster Band die Briefe, der zweite die Handelsbücher bringen sollte. Erst nach Druck der letzteren sollte eine eingehende Würdigung der kaufmännischen Tätigkeit des Hildebrand Veckinchusen den Beschluß bilden. Der Druck begann als niemand an die schrecklichen Verwicklungen denken konnte, die seither über unser armes Vaterland hereingebrochen sind. Infolge des Mangels an geeignetem Personal während des Krieges schritt der Druck langsam fort, dann überstürzten sich die Ereignisse derart, daß auch meine Arbeitsfähigkeit und Arbeitslust gehemmt wurden, und ich nicht von der Stelle rückte. Darüber gerieten wir in die lähmende Preissteigerung, die es ausgeschlossen sein läßt, das Werk in dem beabsichtigten Umfang erscheinen zu lassen. Der bewilligte Druckzuschuß reicht jetzt nicht einmal für die Kostendeckung des einen Bandes hin und nur dem nicht verzagenden Entgegenkommen der Verlagshandlung ist es zu danken, daß der Band überhaupt hat fertig gestellt werden können. So muß zunächst auf die Veröffentlichung der Handelsbücher verzichtet werden und ich bin dankbar, daß ich heute wenigstens die Briefe an den Tag bringen kann. Es mag auf sich beruhen bleiben, ob ein freundliches Geschick mich die Drucklegung auch der Handelsbücher bei veränderten Zeiten erleben lassen wird.
Der Briefsammlung sind ein Orts-, Personen- und Sachverzeichnis angeschlossen, um dem Benutzer es bequemer zu machen, sich in dem tatsachenreichen Material zurechtzufinden. Das Sachregister soll kein erschöpfendes sein und es ist auch nicht gelungen alle vorkommenden Ausdrücke und Sachbezeichnungen zu erklären. Bei den Tuchen, dem Pelzwerk, den Münzen und Maßen bleibt manches trotz der großen Fortschritte, die die Erforschung der hansischen Geschichte in den letzten Jahrzehnten gemacht hat, im Dunkeln.
[VII] Die nach Venedig reichenden Beziehungen unseres Kaufmannes habe ich in der Festschrift der Universität Rostock zur zweiten Säkularfeier der Universität Halle: Hansisch-Venetianische Handelsbeziehungen im 15. Jahrhundert (Rostock 1894), S. 37 u. ffg., das Geldgeschäft, in das er mit Kaiser Sigismund verwickelt war in den Hansischen Geschichtsblättern — ein Geldgeschäft Kaiser Sigismunds (Jahrg. 1887, S. 63 ffg.) behandelt. Auf die an jenen Stellen abgedruckten Stücke und Darstellungen ist hier nicht mehr Rücksicht genommen worden.
Eine eingehende Verwertung des reichen Stoffes hat ebenfalls zurzeit noch zurückgestellt werden müssen. Ich muß mich heute damit begnügen, eine allgemeine Charakteristik der beiden führenden Persönlichkeiten Hildebrand und Sivert Veckinchusen zu geben, wie sie zum Verständnis der Briefe nötig zu sein scheint. Erst das in den Handelsbüchern vorhandene detaillierte handelsgeschichtlich wertvolle Material wird erlauben, die verschiedenen Geschäfte und Waren in ihrer eigentlichen Bedeutung zu erfassen.
Eine Handelskorrespondenz, wie sie nachstehend ans Tageslicht gezogen wird, ist aus so früher Zeit und in solchem Umfange noch nicht veröffentlicht. Ob sich ein ähnlicher Reichtum aus der gleichen oder gar früheren Zeit irgendwo in einem Archive noch ungehoben verbirgt, entzieht sich meiner Kenntnis. Offenbar sind Stücke, die über den Geschäftsverkehr der Kaufleute untereinander oder mit ihren Familienangehörigen derartig intime Auskunft geben, wie sie hier geboten wird, eine Seltenheit. Abgesehen von Privatbriefen, die sich in Urkundenbüchern und Zeitschriften gelegentlich abgedruckt finden, sind bis jetzt größere zusammenhängende Sammlungen nicht ans Tageslicht gezogen worden. Die mir bekannt gewordenen sind weiter unten in dem die Handelsbriefe darstellenden Abschnitte nachgewiesen.
Unter solchen Umständen wird eine Sammlung von zahlreichen Privatbriefen, wenn sie auch zum Teil undatiert sind und der geschäftigen Phantasie viel Spielraum gewährt ist, Anspruch auf Beachtung erheben dürfen. Ich hoffe, daß Denkmäler von solcher Seltenheit, wie die nachstehend zum Abdruck gebrachten, die soviele eigenartige Einblicke in die Gefühls- und Gedankenwelt der Vorfahren gewähren, auf Aufmerksamkeit rechnen können.
Indes nicht ohne Sorge übergebe ich mein Buch der Öffentlichkeit. Ich bin im Zweifel darüber, ob ich als Volkswirt und Statistiker den Schwierigkeiten, die sich bei der Herausgabe solcher Dokumente in den Weg stellen, in vollem Umfang gewachsen war. Zwar habe ich als Privatdozent in Straßburg mich an den seminaristischen Übungen von Professor Weizsäcker über Editionslehre eifrig beteiligt und konnte bei der Herausgabe des Tucherbuchs von Straßburg mich des kundigen Rats von Wilhelm Scherer sowie in Rostock bei Betätigung hansischer Studien der sachverständigen allezeit bereitwilligen Belehrung von Karl Koppmann erfreuen. Ob ich dadurch genügend beglaubigt bin, müssen andere beurteilen. Ich kann nur meine Arbeit, für deren tunlichste Vervollkommnung ich es an Eifer und Sorgfalt nicht habe fehlen lassen, der Nachsicht der Sprachforscher und Historiker empfehlen. Die Veröffentlichung ist für [VIII] den Volkswirt vom Standpunkte der Handelsgeschichte aus, nicht für sprachliche Zwecke bewirkt worden.
An dem Texte habe ich so wenig wie möglich geändert und mich jeder Verbesserung in Schreibweise, Buchstaben- oder Sinnesverschiedenheit enthalten. Selbst wenn Bedenken über die Konstruktion der Sätze, grammatische Abwandelung oder auffällige Schreibweise aufstießen, habe ich gleichwohl den Text unverändert gelassen. Es scheint mir nicht unmöglich, daß Männer, die oft genug die mühsame Kunst des Schreibens nur unvollkommen beherrschten oder durch berufsmäßig aber immerhin unzureichend gebildete Schreiber ihre Niederschriften bewirkten, sich Fehler und Irrtümer in mehrfacher Hinsicht zu Schulden kommen ließen. Ich hätte geglaubt die Unmittelbarkeit der Eindrücke zu verwischen, wenn ich in solchen Fällen die verbessernde Hand angelegt hätte.
Im Interesse eines besseren Verständnisses habe ich daher notgedrungen nur folgende Veränderungen vorgenommen:
- 1. Alle Abkürzungen sind aufgelöst.
- 2. Alle Eigennamen, wenn auch in der Schreibweise der Originale belassen, sind mit großen Anfangsbuchstaben wiedergegeben. Die Entstellung in der Schreibweise von Eigennamen, so Ort wie Personenname, ist sehr häufig[WS 1]. Im Personenverzeichnis habe ich bei einigen Namen die verschiedenen Lesarten für den Namen derselben Person zusammengestellt.
- 3. Die Interpunktion ist in modernem Sinne durchgeführt und nach einem Punkte der neue Satz mit einem großen Buchstaben begonnen worden.
- 4. Die Gottesbezeichnung ist jedesmal mit einem großen Buchstaben wiedergegeben worden, obwohl dies im Original nicht immer geschieht.
- 5. Geringfügige Ergänzungen, Ersatz ausgefallener oder auf dem Papier vergilbter Buchstaben und Worte sind in Klammern gestellt worden. Leider habe ich dabei zwischen eckigen und runden Klammern nicht konsequent unterschieden.
- 6. In der Reinigung des Textes hatte ich zuerst im Auge alle unnötigen Verdoppelungen von Konsonanten sowie den Buchstaben h, wo er nur Dehnungszeichen scheint, fortzulassen. Also etwa bei yssterment, hanpp, eintusschen mit nur einem der betreffenden Konsonanten mich zu begnügen oder in Worten wie ilghen, jeghen, weghen, utgedhan usw. das h zu beseitigen. Indes bin ich zu meinem Bedauern dabei nicht konsequent vorgegangen, vielmehr habe ich in sehr vielen Fällen diese Streichungen nicht vorgenommen, sondern mich streng an die Vorlage gehalten. Nachträglich glaube ich auch, daß diese Methode die zuverlässigste und sicherste ist. Bei der Entlegenheit des Revaler Archivs konnte ich nicht daran denken, das, was ich in jahrelanger Arbeit etwa versehen haben mochte, durch nochmalige Vergleichung meiner Abschriften mit den Originalen sicher zu stellen. Daß ein Teil der Briefe, wenn auch nur ein geringer, auf der Bugra in Leipzig ausgestellt war und sich zurzeit noch in Deutschland befindet, ist mir zu spät in Erfahrung gekommen, um davon noch für den Abdruck Vorteil ziehen zu können. So muß meine Arbeit, so unvollkommen sie immer ausgefallen sein mag, in ihrer vorliegenden Gestalt hinaus. Ich wünsche ihr nachsichtige Benutzer und Leser.
[IX]
Über den Ursprung der Familie, der der Mann angehörte, dessen Briefe nachstehend veröffentlicht sind, läßt sich das Dunkel nicht lüften. Der Name Veckinchusen — er wird sehr verschieden geschrieben — ist während des 14. und 15. Jahrhunderts nicht gerade selten, aber doch nicht in dem Maße häufig, daß die Vermutung einer Verwandtschaft seiner Träger untereinander abgewiesen werden müßte. Urkundlich kann allerdings der Zusammenhang zwischen den einzelnen Vertretern nicht immer erbracht werden. Wie lange sich das Geschlecht erhalten hat, läßt sich ebenfalls nicht bestimmen. Bis in unsere Tage hinein scheint der Name nicht nachgewiesen werden zu können.
Veckinchusens trifft man in den hauptsächlichsten Städten des Hansebundes, im Osten, im Norden, im Westen; in Brügge, in Lübeck, in Riga, in Reval, in Dorpat. Sehr früh erschienen sie in den livländischen Städten, in deren Ratslisten und auf Pfundzollquittungen, teils als bereits ansässige, teils als angereiste Kaufleute, die ihren dauernden Wohnsitz an einem anderen Orte hatten. Jedenfalls werden die Veckinchusens, wo man auf sie in Livland stößt, Zweige eines über das Meer gekommenen deutschen Geschlechts sein. Wie in jenen Tagen so häufig, hatten einzelne Mitglieder zahlreicher Familien, durch die Aussicht auf Handelsgewinn gelockt, den Kampf mit dem Ungewissen aufgenommen und ihr Glück in der Fremde gesucht. Erzielten sie Erfolge, so blieben sie in der neuen Heimat und zogen andere Angehörige nach sich. Der Rest wartete dann die Entwicklung seines Schicksals im Stammlande ab.
Das Ursprungsland der Veckinchusens scheint Westfalen zu sein. Es gibt im westfälschen Kreise Hamm im Regierungsbezirk Arnsberg ein Dorf Vöckinghausen und im Kreise Meschede eine Kolonie und ein Dorf desselben Namens. Als Bürger von Soest lassen sich nachweisen 1306 ein Henricus, 1313 ein Winandus, 1318 ein Fredericus und 1345 abermals ein Hinricus Vockinchusen[1]. Wenn auch daraus nicht mit Sicherheit geschlossen werden darf, daß in Westfalen oder in den genannten Dörfern der Ausgangspunkt unserer Familie zu erblicken ist, denn in der Provinz Hannover kennt man diesen Dorfnamen gleichfalls, so deuten noch andere Hinweise auf den erwähnten Zusammenhang. So wenn einer der livländischen Veckinchusens im Jahre 1397 auf ein ihm in Soest zugefallenes und streitig gemachtes Erbe Ansprüche geltend macht oder wenn Hildebrand Veckinchusen in eines seiner Handelsbücher gelegentlich hineinschreibt, daß er im Anfang des Jahres 1377 in Dortmund den Kaiser gesehen hätte, zu einer Zeit, als er noch im Schellenkleide herumhüpfte, d. h. als er noch ein Kind war, und im Sommer des folgenden Jahres Westfalen verlassen hätte.
In Livland ist der erste Träger dieses Namens Bertoldus Vickynchusen in Reval, in den Jahren 1342–1353 erst Ratsherr, dann Bürgermeister daselbst[2]. Im Jahre 1369 wird einem Konrad Wickinchuzen vom Rate [X] zu Reval über die für eine Ausfuhr von Butter im Werte von 66 Mark Rigisch fällige und geleistete Zahlung des Pfundzolles Quittung erteilt[3]. Daraus zu folgern, daß der letztgenannte in Reval ansässig war, möchte voreilig sein. Gleichwohl hatten Träger dieses Namens immerhin in jenen damals kürzlich gegründeten Kolonien festen Fuß gefaßt. Ein Ratsherr Zeries van Voyckinchusen aus Dorpat vertritt diese Stadt auf einer Versammlung in Pernau[4], und auf einer Revalschen Pfundzollrechnung von 1383 ist ein Rotger Veckinchusen genannt[5]. In Riga aber war Caesar Vockinchuzen oder Vockinghusen seit 1385 Ratsherr, von 1402–1408 Bürgermeister und als Vertreter Rigas auf der Versammlung zu Dorpat im Jahre 1402 anwesend[6]. Einen Hermann Vockynhues lernen wir auf der Versammlung in Marienburg im Jahre 1397 kennen, wo er seine bereits erwähnten Ansprüche auf eine Erbschaft in Westfalen geltend macht und ein Hans Vockinchusen kommt in dem Schreiben eines Johann Stultevut an den Rat zu Reval vom Jahre 1394 vor. In diesem Briefe ist von einem den livländischen Städten durch die Mecklenburger zugefügten Schaden die Rede. Es war bei Gothland ein Schiff genommen worden, das unter anderem eine erhebliche Menge Salz, für 60 Pf. vläm. eben jenes Veckinchusen enthielt[7]. Dieser Hans Vockinchusen mag vielleicht identisch sein mit dem auf dem Städtetage zu Walk 1405 als Vertreter der Stadt Wenden erscheinenden Johann Vorkinchusen[8].
Auf die Familie unseres Hildebrand weist die Erbteilung in Radevormwalde im Jahre 1395. Gotschalk van Vockinchusen bekundet vor dem Rate der genannten Stadt, daß er sich mit seinen Brüdern Hans, Hildebrand, Sivert, Herrn Ludwig van Voickinchusen und drei Schwestern wegen aller beweglichen und unbeweglichen Habe völlig verglichen habe[9]. Fünf Jahre vorher hat dann Hildebrand selbst schon von sich reden gemacht, indem er als Hansekaufmann auf dem Stapel zu Dordrecht ordnungsmäßig zwei Terlinc Tuch und 12 Bote Wein gekauft hat und zu verschiffen gedenkt[10] Und im Jahre 1393 ist, doch offenbar derselbe Hildebrand Veckinchusen, Ältermann der Hanse in Brügge. Er ist mit anderen Vertrauensmännern anwesend, als in dem dortigen Minoritenkloster der Schrein geöffnet wird, in dem die Gewichte der Kaufmannswage aufbewahrt wurden[11]. Sein Bruder Sivert bezeugt am 31. August 1395, daß der vierte Teil seiner drei Häuser im Kurzen Genthof in Brügge dem Johann van dem Broke, Heinrich Rathus und deren Gesellschaft gehöre[12]. Derselbe Sivert beglaubigt zwei Jahre darnach eine Schuld seines Oheims Konrad uter Olpe in Höhe von 861/4 englischen Nobeln[13]. Er sowohl wie sein Bruder Hildebrand sind später [XI] Älterleute für Gothland und Livland, Hildebrand im Jahre 1398, Sivert im Jahre 1399[14]. In seiner Eigenschaft als Ältermann des deutschen Kaufmanns quittiert Hildebrand mit seinen Kollegen zusammen der Stadt Brügge und deren Schatzmeister über 50 Pf. gr. Torn., die einer der Hanseaten erhalten hat[15].
Die Hingehörigkeit aller dieser Genannten läßt sich mit Ausnahme von Hildebrand und Sivert, die als Bürger von Lübeck nachgewiesen sind, nicht sicher bestimmen, wenn man sie nicht als Bürger gerade der Stadt ansehen will, innerhalb deren Mauern sie sich im Augenblick des Geschäfts, das von ihnen Kunde gibt, aufhalten. Und es ist auch unmöglich ihre Verwandtschaft untereinander festhalten zu wollen. Augenscheinlich kehrt der gleiche Vornamen bei Oheim, Vetter und Neffen wieder, sodaß die Gefahr einer Verwechslung droht. Nur das scheint über allen Zweifel erhaben, daß derjenige Hildebrand Veckinchusen, der in den Urkunden von 1390 an genannt wird, eben derjenige ist, von dem die Briefe herrühren oder an den sie gerichtet sind, die den Gegenstand der vorliegenden Ausgabe bilden.
Noch zahlreicher werden Veckinchusens in der ersten Mitte des 15. Jahrhunderts urkundlich genannt. Hier wird man gut tun, um die Übersicht nicht zu verlieren, die verschiedenen Träger des gleichen Familiennamens nach Städten gruppiert, zusammenzustellen.
In Lübeck sind von 1400–1450 nachgewiesen, außer den schon erwähnten Sivert und Hildebrand[16], ein Kornelius in den Jahren 1428 und 1435, im ersteren Jahre zeitweilig in Venedig abwesend, ein Sohn unverkennbar des Sivert[17], ein Engelbrecht als Mitglied der Leichnamsbrüderschaft und Mitbesitzer an einer Saline im Jahre 1436 und 1437[18] und die Klosterjungfrau Rixe im Jahre 1449, vermutlich eine Schwester von Sivert und Hildebrand[19]. In Riga wird 1405 der schon angeführte Caesar Veckinchusen genannt, der durch ein im Verein mit zwei Ratskollegen gemeinsam an zwei Ratsherren in Reval gerichtetes Schreiben auf die Nachwelt gekommen ist[20]. In Dorpat kommt 1431–1443 ein Ratsherr Hildebrand Fockenkusen zum Vorschein, der seine Stadt auf den Städtetagen in Riga und Pernau vertritt[21], sowie ein Peter Fekinkhusen, der 1434 sich als Besitzer eines Schiffsanteils geltend macht[22]. Ich wage nicht zu behaupten, daß dieser Peter derselbe ist, der in Reval als städtischer Bürger und als Exporteur von Flachs und Wachs, als Importeur von Rheinweinen 1437–1440 sich betätigt[23]. In Brügge lassen dann 1422 und 1431 Engelbrecht und Alf Veckinchusen von sich hören. Der erstere ist Überbringer eines Briefes des Lübecker Rats, in dem die Bürgerschaft seines Oheims Hildebrand in Lübeck bezeugt wird. Beide sind Eigentümer des achten Teils einiger Gebäude in Brügge[24]. Irre ich nicht, so haben wir es in ihnen mit den Söhnen von Sivert Veckinchusen, den Neffen des Hildebrand zu tun.
[XII] Bemüht man sich, in diese bei so verschiedenen Gelegenheiten erwähnten Mitglieder der Familie Veckinchusen einen verwandtschaftlichen Zusammenhang zu bringen, so erscheinen jedenfalls als eine Gruppe von Brüdern diejenigen Veckinchusens, die sich in Radevormwalde über ihre Erbschaft einigen. Es sind Gotschalk, Hans, Sivert, Ludwig und Hildebrand, zu denen drei Schwestern gehören, von denen indes keine namentlich angeführt wird. Gottschalk, von dem uns weiter nicht berichtet wird, hatte vermutlich in jener Stadt, in der heutigen Rheinprovinz an der Lennep belegen, seinen Wohnsitz oder vielleicht war diese Stadt der Wohnsitz der Eltern aller der Genannten. Zwei dieser Brüder, nämlich Sivert und Ludwig, haben Testamente aus dem Jahre 1406 hinterlassen[25], in denen einige Verwandte genannt und bedacht werden. Es lebten aus dieser Gruppe im Jahre 1406 noch Hildebrand, Johannes, Sivert und Ludwig. Von den Schwestern bedenkt Sivert seine Schwester Dedeken, verheiratet an van den Bokel und Ludwig wiederum wendet seiner Schwester Gertrud (Drude) die an Vyncke verheiratet war, etwas zu. Wie es zu erklären ist, daß jeder Bruder nur eine Schwester bedenkt, und zwar jeder eine andere, entzieht sich der Erklärung. Noch sonderbarer ist, daß Sivert von der Klosterfrau Rixe Vockinghusen spricht, ohne sie als seine Mutter zu bezeichnen, während Ludwig in seinem Testamente die „modder“ Ryxe und die „modder“ Talle beschenkt. Es könnte der Vater Veckinchusen aller der Brüder etwa zwei Frauen gehabt haben oder von den drei Schwestern, deren die Schlichtung im Jahre 1395 gedenkt, könnten bis zum Jahre 1406, der Zeit der Abfassung beider letztwilligen Verfügungen, zwei schon gestorben gewesen sein. Wenn später Sivert der Klosterinsassin Rixe gedenkt, so wird das Verwandtschaftsverhältnis zu ihr niemals näher bezeichnet. Mir scheint die Annahme nahe zu liegen, daß Rixe die unverheiratet gebliebene und daher ins Kloster gegangene dritte Schwester gewesen wäre. Doch scheint dem die Bezeichnung als „modder“ in Ludwig Veckinchusen’s Testament zu widersprechen. Möglicherweise ist unter der Bezeichnung „modder“ nicht nur Mutter zu verstehen.
Der Bruder Ludwig Veckinchusen war Geistlicher und scheint zur Zeit der Abfassung seines Testaments in Riga oder Dorpat gewohnt zu haben. Darauf deuten die verschiedenen Vermächtnisse an die livländischen Veckinchusens und die Bestimmung, daß sein Grab auf dem Domfriedhofe sein solle und mit einem Stein zu zieren wäre. Nun hat ja Lübeck ebenfalls eine Domkirche, aber da der Erblasser seines dort eventuell stattfindenden Begräbnisses besonders gedenkt: ys dat sake, dat ik to Lubeke sterve …, so muß bei dem Domfriedhofe, den er sich zur letzten Ruhestätte ausgesucht hatte, an eine andere Stadt gedacht werden. Dorpat wie Riga haben Domkirchen. Es mag auf sich beruhen bleiben, welche Stadt gemeint ist. Der geistliche Stand des Erblassers ist kaum in Zweifel zu ziehen. Nicht nur die vielen Gebetbücher und anderen Schriften geistlichen Inhalts, die in seiner letztwilligen Aufzeichnung erwähnt werden, sprechen dafür. Er erwähnt [XIII] auch seine Kapelle in Dorpat und sein Bruder Sivert hatte ihm 20 Mark Rente ausgesetzt, die nach seinem Tode einer anderen Vikarie zufallen sollte. Herr Ludwig hatte bei Lebzeiten selbst darüber zu bestimmen. Ob der Bruder Johannes, dem Ludwig zwei Bücher vermacht, während er bei Sivert leer ausgeht, mit dem schon früher genannten Vertreter der Stadt Wenden in Livland identisch ist, kann nicht entschieden werden. Ihm wird ein Sohn Caesar (Sergus) zugewiesen und einen Caesar (Zories) Veckinchusen in Riga nennt Siverts Testament, indem es dessen Kindern 30 Mark Lüb. zuwendet. Mit einem Caesar Veckinchusen (Serghes) macht Hildebrand nach seinem Handlungsbuch von 1409 und 1410 wiederholt Geschäfte, ohne seinen Verwandtschaftsgrad zu berühren. Er führt ihn an einer anderen Stelle als 1416 gestorben auf. Man könnte somit an zwei Persönlichkeiten mit dem Namen Caesar denken. Der ältere kann ursprünglich in Dorpat, dann in Riga im Rate gesessen haben. Seinen Kindern vermachte Sivert die genannte Summe. Der jüngere Caesar, der Sohn des Johannes Veckinchusen, ein Neffe mithin von Sivert und Hildebrand, wird dann derjenige gewesen sein, mit dem unser Hildebrand nach seinen Büchern geschäftliche Verbindung gepflegt hat. Er schickt ihm Tuch und empfängt Pelzwerk von ihm. Nach dem Briefe Engelbrecht Witte’s aus Riga vom 6. Oktober 1404 an Hildebrand Veckinchusen ließe sich Caesar Veckinchusen als ein älterer Bruder des Hildebrand ansprechen[26]. Er ist zwar nicht als solcher bezeichnet, aber die Wendung: „de heb ic vor des sittendes stoles des rades ghehad, dar ju broder teghenwerdicht sat“, scheint auf Caesar Veckinchusen bezogen werden zu dürfen. In der Erbteilung von 1395 kommt ein Caesar freilich nicht vor und man sollte glauben, daß der Brief des Caesar Veckinchusen und Kurt Visch an Hildebrand vom 1. Juli 1398, in dem ihm die Braut Margarethe Witte angetragen wird, eine andere Anrede aufgewiesen haben müßte[27]. Aber dieser Brief schließt, obwohl er mit keiner Silbe andeutet, daß zwischen Absender und Empfänger ein brüderliches Verhältnis vorwaltet, mit den Worten: „so bevel myn dingh Syverde unsen broder“. Demnach kommt man aus den Zweifeln und Bedenken nicht heraus und muß die Aufhellung dieser Verwandtschaften weiteren Forschungen überlassen.
Als Vetter von Hildebrand erscheint Thomas Veckinchusen, den man aus einigen Briefen der Jahre 1412–1415 kennen lernt[28]. Er ist in Lübeck zu Hause, schickt indessen seine Briefe aus Preußen oder einer livländischen Stadt. Sein Bruder ist ein Johannes Veckinchusen. Er ist verheiratet, hat Kinder und steht im Begriffe, seine Tochter Fieke zu verheiraten. Dazu fehlt ihm das Geld für die Ausstattung.
Aus der jüngeren Generation lassen sich Adolf (Alf) und Georg Veckinchusen nicht mit den Veckinchusens der Brüdergruppe in Zusammenhang bringen. Adolf teilt sich 1434 mit seinen Brüdern Engelbrecht und Hildebrand[29], Georg zwei Jahre später ebenfalls mit seinen Brüdern Engelbrecht und Hildebrand[30]. Demnach hat man es mit ihnen wohl mit vier Brüdern [XIV] in Lübeck zu tun, aber den zu ihnen gehörenden Vater vermag ich unter den sonst bekannten Veckinchusens nicht herauszufinden. Vielleicht waren es Nachkommen des Thomas Veckinchusen. Auch die Testamente, das eine von Engelbrecht Veckinchusen aus dem Jahre 1434[31], das andere von Hildebrand Veckinchusen[32], lassen sich zur Aufklärung der Verwandtschaftsverhältnisse nicht benutzen. Zeitweilig scheinen auf diese Weise vier Hildebrand Veckinchusens nebeneinander gelebt zu haben. Der älteste ist der 1395 bei der Erbschaftsteilung genannte Hildebrand (I), von dem die Briefe und Bücher herrühren, der zweite ist sein Sohn (II), der dritte (III) sein Neffe, ein Sohn des Sivert Veckinchusen und der vierte (IV) derjenige, der mit seinen Brüdern Georg, Adolf und Engelbrecht 1434 und 1436 eine Erbschaft teilt. Damals war indes der älteste Hildebrand nicht mehr am Leben, so daß die obige Bemerkung eine Einschränkung erfahren muß.
Die Familie Veckinchusen hat hiernach eine weitverzweigte Gruppe von Kaufleuten gebildet, deren auf Blutsbande gegründete Verbindungen sich von Lübeck aus weit nach Osten und Westen erstreckt haben. In Dorpat, Riga, Reval, Brügge, Gent, Köln und noch an manchem anderen Ort hat das Geschlecht zeitweilig oder dauernd seine Vertreter und der Kaufmann seine Geschäftsfreunde. Alle stehen sie miteinander in Verbindung, gedenken in ihren letztwilligen Verfügungen einander, treiben auf gemeinsame Rechnung und Gefahr den Handel, in der Hauptsache, wie es den Anschein hat, mit gutem Erfolge. Die Testamente Siverts und Engelbrechts belegen eine nicht zu leugnende Wohlhabenheit, die doch wohl aus dem Betriebe des Handels herrührt. Und nicht nur tüchtige Kaufleute gingen aus dieser Familie hervor, einzelne ihrer Vertreter gehen in den geistlichen Stand über, gereichen diesem zur Zierde, ohne doch es in ihm zu besonders hervorragenden Stellungen zu bringen. Einzelne erlangen unter ihren Berufsgenossen besonderes Ansehen. Gern hört man auf ihren weisen Spruch. Sie werden Älterleute der deutschen Hanse, Mitglieder des Rats, selbst Bürgermeister in ihren Wohnsitzen. Mag auch keiner von ihnen eine hervorragend politische Rolle im Schicksal der betreffenden Stadt oder Körperschaft gespielt haben, keiner von ihnen zu den Gefeierten gehört haben, deren Name lange nach ihrem Hinscheiden mit Staunen und Bewunderung genannt wird, überall tritt uns doch eine ehrenfest bürgerliche Familie entgegen, die in redlichem Bemühen sich ihren Lebensunterhalt erwirbt, die dem Handel mit Vorliebe und Geschick obliegt, die indes über dem Sinnen und Trachten nach Erwerb die Ausübung ihrer Bürgerpflichten nicht vergißt. Es wird Zufall sein, daß von einem der zu dieser Familie Gehörenden, dem ältesten Hildebrand sich Handlungsbücher und ein Teil seines Briefwechsels erhalten haben. Man hat alle Ursache diesem Zufall dankbar zu sein, da er uns viele Einblicke in für gewöhnlich verschlossen bleibende Verhältnisse gewährt.
[XV]
Handelsbriefe, wie die nachstehend abgedruckten von und an Hildebrand Veckinchusen gehören aus dieser Zeit zu den Seltenheiten. Wenigstens sind bis jetzt nur wenige derartige Stücke ans Tageslicht gekommen, abgesehen von dem reichen Urkundenmaterial, das in den Bänden des Hansischen Urkundenbuches sich findet, in dem wohl auch der eine oder andere Privatbrief Aufnahme gefunden haben mag. Soweit mir bekannt geworden, sind 17 Briefe aus den Jahren 1426–45 von Männern in den Städten Wismar, Lübeck, Bergen und Bremen in den Hansischen Geschichtsblättern veröffentlicht[33], 8 Briefe Rigascher Kaufleute aus dem Jahre 1458, die im Stadtarchiv zu Danzig aufbewahrt worden waren, in den Jahrbüchern für Nationalökonomie und Statistik[34], 12 Briefe anderer Rigascher Kaufleute aus demselben Jahre unter nochmaligem Abdruck der bereits bekannt gewordenen in den Hansischen Geschichtsblättern[35], endlich 7 Briefe Königsberger Kaufleute aus dem Jahre 1461, ebenfalls in den Hansischen Geschichtsblättern zum Abdrucke gelangt[36]. 3 Briefe aus dem 15. Jahrhundert, einer aus dem Jahre 1455, den Archiven in Danzig und Lübeck entstammend, stehen in der Zeitschrift für Lübeckische Geschichte[37]. Aus der gleichen Quelle, die die Veckinchusen-Briefe gespendet hat, nämlich dem Stadtarchiv in Reval, sind 31 Briefe aus den Jahren 1411–1429 in den Hansisch-Venetianischen Handelsbeziehungen im 15. Jahrhundert[38] und 4 Briefe aus den Jahren 1421–1426 in den Hansischen Geschichtsblättern[39] mitgeteilt worden. Aus dem 16. Jahrhundert, nämlich vom Jahre 1523, sind die 28 Briefe des Lübecker Kaufmanns Matthias Mulich, die durch eine dankenswerte Mitteilung Wehrmann’s zu unserer Kenntnis gelangt sind[40]. Aus den ersten Jahrzehnten desselben Jahrhunderts harren noch der Herausgabe 119 kaufmännische Briefe des Hans Selhorst aus den Jahren 1505–1525. im Stadtarchiv zu Reval[41]. Wahrscheinlich haben sich solche Briefe auch noch im Danziger Archiv erhalten, da Theodor Hirsch in seiner Danziger Handelsgeschichte[42] mehrfach auf sie hinweist. Er hat freilich keinen einzigen zum Abdruck gebracht.
Der Briefwechsel, den ich nachstehend vorlegen kann, gipfelt im wesentlichen in Brügge. Von dort aus, wo Hildebrand in dieser Zeit seinen Aufenthalt hatte, hat er die meisten der Briefe geschickt. Dort haben ihn die meisten Schreiben, die an ihn gerichtet sind, aufgesucht. Der erste für ihn bestimmte vom 1. Juli 1398, den ihm wohlwollende Freunde senden, die ihm sein Eheglück aufrichten helfen wollen, weiß ihn in Brügge[43]. Der letzte, von seinem Neffen Kornelius am 6. Juli 1426 ihm zugesandte, trifft ihn in Lübeck, wohin Hildebrand nach der langen Leidenszeit in Brügge endlich heimgekehrt war[44]. Er enthält wesentlich Familiennachrichten und keine [XVI] durchweg guten, insofern dem Vater über seinen Sohn Jost, dessen ungeberdiges Wesen ihm manchen Kummer bereitet haben dürfte, Mitteilungen gemacht werden.
Außer den geschäftlichen Mitteilungen enthalten die Briefe, die sich wohl im wesentlichen als Handels- und Geschäftsbriefe bezeichnen lassen, viele Personalnotizen. Auf die ersteren wird es hauptsächlich angekommen sein, die letzteren befinden sich meist gegen Schluß der Schreiben. Wahrscheinlich, wenn der Schreiber noch auf dem Papier Platz hatte oder die Zeit nicht zum Ende drängte, werden persönliche Beziehungen berührt. Die Politik wird selten in den Bereich der Auseinandersetzungen gezogen. Die Männer, die in diesen Briefen miteinander verkehren, waren offenbar einfache Kaufleute, die unbekümmert um den hohen Flug der Gedanken der Leiter dieser Politik oder um den Wettbewerb der Städte um die Hegemonie im Hansebunde, hauptsächlich ihre persönlichen Interessen wahrzunehmen sich bemühten. Nur gelegentlich stößt eine Mitteilung auf, daß Feindseligkeiten bevorständen, daß es dort oder hier gäre und unruhig werde, daß der Krieg den Geschäften verhängnisvoll werde. Weitere Betrachtungen werden an solche Mitteilungen nicht geknüpft. Auch Bemerkungen über die Heilsamkeit dieser oder jener handelspolitischen Maßregel, etwa eines neuen Zolls, einer veränderten Münze, oder über das entgegenkommende Verhalten eines Landesherrn sucht man vergeblich in diesen in der Regel kurz gehaltenen Briefen. Man lebt in den schnell aufeinander folgenden Ereignissen, die man indes häufig spät erfährt, deren soweit Herr zu werden, um vorteilhaft einkaufen und mit dem wünschenswerten Gewinn wieder verkaufen zu können, die größte Mühe bereitet.
Bei dem langsamen Nachrichtenverkehr, der überdies vermutlich viele Briefe verloren gehen ließ, wird oft ein Ereignis erst in Erfahrung gebracht, wenn es seine handelspolitische Bedeutung beinahe eingebüßt hat. Und so benutzen die Handelsherren jener Tage ihre ihnen in der Regel kurz zugemessene Zeit dazu, dieselben Nachrichten in mehrfachen Briefen an einen Geschäftsfreund zu wiederholen, die dann verschiedenen Schiffern oder Läufern gleichzeitig zur Besorgung anvertraut wurden, statt sich in weitläuftige Reflexionen einzulassen.
Bei alledem ist es erstaunlich, wie gut man in den Städten über die gegenseitigen Handelsverhältnisse unterrichtet war, nicht nur in den rheinischen oder westfälischen Städten über die Zustände in Lübeck oder Augsburg, sondern auch über die Lage im Auslande, in Brügge oder gar jenseits der Alpen, in Venedig. Beständig eilten die Läufer zwischen den einzelnen Städten hin und her und obgleich es ein gutes Stück Geld gekostet haben mag, diesen Verkehr zu pflegen, so scheint hierbei nicht gespart worden zu sein. Abgesehen von der Wichtigkeit der Nachrichten selbst war es auch ein Ehrenpunkt für die Kaufleute, recht häufig Briefe zu empfangen, wodurch das Ansehen stieg. Wer an vielen Orten Verbindungen hatte, galt als ein angesehener Mann. Sivert rühmt sich, in Köln viele Briefe aus Venedig und Augsburg erhalten zu haben, und mahnt seinen Bruder in Brügge, mit Briefen an einen Geschäftsfreund in Venedig nicht karg zu sein. Mit allen [XVII] Läufern, die von Brügge nach Venedig reisen, soll er Nachrichten mitschicken „van crude und wercke und van allerleye kopenscap und van allerleye nye tydynge und gude“. Dem Peter Karbow, der Teilhaber an der venetianischen Handelsgesellschaft war, sei es ein „grot ere, dat hey ummer by allen lopern breyve hedde lyk andern luden“[45]. So verlangt er später von seinem Sohne Kornelius, der zeitweilig in Venedig in Geschäftsangelegenheiten anwesend ist, daß er häufig von dort Bescheid erteile[46].
Stilistisch sind alle Schreiben auf den gleichen Ton gestimmt. Sie beginnen mit freundlichen Grüßen an den Empfänger und der Bereitwilligkeit der Erklärung ihm zu Diensten sein zu wollen und sie schließen mit Grüßen an Verwandte und Freunde, indem sie den Empfänger der Gnade Gottes empfehlen, ihm gute Gesundheit wünschen. Es hat demnach ein vollständiges Schema der anzuwendenden Höflichkeit gegeben, das gewissenhaft eingehalten werden mußte. Die Sprache ist in fast allen das Niederdeutsche, das Idiom der Ostseeküste oder das rheinische Platt, wie in den Briefen Noiltgins aus Köln. Einzelne Briefe, so die des Jakob Schottelers sind holländisch niedergeschrieben. Die Frage, ob die Kaufleute selbst des Schreibens und Lesens kundig waren, also die Briefschreiber ihre Anliegen selbst zu Papier gebracht haben, nicht etwa diktierten, glaube ich bejahen zu sollen. Bei Männern wie Hildebrand und Sivert Veckinchusen versteht es sich ja von selbst, daß sie der Elementarkenntnisse nicht entbehrten. Doch auch die Mehrzahl der anderen Briefsteller wird sich wohl auf ihre eigene Hand verlassen haben. Wenn Kornelius von seinem Vetter Jost dem Vater Hildebrand schreibt, daß er keinen Brief lesen könne[47], so spricht sich darin doch wohl das Erstaunen über den Mangel der sonst allgemein verbreiteten Kenntnis bei Geschäftsleuten seines Schlages aus. Anders verhält es sich mit der Kenntnis des Schreibwerks bei den weiblichen Personen. Sie scheinen die schwierige Kunst des Schreibens nicht beherrscht zu haben oder nur in geringerem Umfange als die Männer. Margarete Veckinchusen spricht es einmal ihrem Manne gegenüber unverhohlen aus, als er ihr über ihr längeres Stillschweigen Vorwürfe zu machen geneigt ist[48]. Lesen war wohl einfacher, obgleich selbst hier, wenn auch die Briefe von berufsmäßigen Schreibern herrührten, mitunter rechte Schwierigkeiten bei geringer Lesbarkeit zu überwinden waren.
Indes schuf die neuere Zeit hierin einen Wandel. Denn Hildebrands Tochter Gertrud beherrschte die Kunst des Schreibens. Sie war es, die ihrer Mutter im Briefwechsel mit dem Vater helfen konnte. Als sie einmal Gäste im Hause hatte und der Mutter nicht zu Diensten sein konnte, mußte diese sich in ihrer Verlegenheit an Tideman Brekelvelde wenden, der dann nach Brügge die erwarteten Nachrichten sandte[49]. Das Schreiben der Frau Gertrud Moyelik an ihren Vater, als dieser schon im Gefängnis schmachtete, in dem sie sich liebevoll nach seinen Wünschen erkundigt, ist demnach ihrer eigenen Schreibfertigkeit zu danken[50].
[XVIII] Mitunter, wenn auch nicht regelmäßig, hat der Empfänger auf der Rückseite des Briefes ein Datum vermerkt. In vielen Fällen scheint dieser Vermerk einen Termin zu bedeuten, an dem für den Empfänger eine Zahlungsverbindlichkeit erwuchs[51]. In anderen Fällen war mit ihm der Tag verzeichnet, an dem der Brief in die Hände des Empfängers gelangte. Man käme bei dieser Annahme, indem der Tag, an dem der Brief geschrieben wurde, nicht in Anrechnung für die Beförderung gesetzt würde, zu folgender Darstellung.
Es wurden befördert die Briefe:
- vom 7. Oktober 1404 bis 19. Dezember 1404, d. h. in 73 Tagen,
- vom 23. Mai 1406 bis 1. Juli 1406, d. h. in 39 Tagen,
- vom 25. April 1415 bis 16. Juni 1415, d. h. in 52 Tagen,
- vom 30. April 1415 bis 16. Juni 1415, d. h. in 47 Tagen,
- vom 24. Februar bis 13. April 1416, d. h. in 48 Tagen;
- vom 14. April 1409 bis 17. April 1409, d. h. in 3 Tagen,
- vom 8. Juli 1410 bis 23. Juli 1410, d. h. in 15 Tagen,
- vom 19. August 1410 bis 27. August 1410, d. h. in 8 Tagen,
- vom 10. August 1411 bis 16. August 1411, d. h. in 6 Tagen,
- vom 29. Mai 1412 bis 4. Juni 1412, d. h. in 6 Tagen,
- vom 21. Oktober 1412 bis 28. Oktober 1412, d. h. in 7 Tagen,
- vom 2. Juni 1416 bis 12. Juli 1416, d. h. in 40 Tagen;
- vom 30. Juni 1411 bis 2. August 1411, d. h. in 33 Tagen,
- vom 27. Januar 1417 bis 1. März 1417, d. h. in 33 Tagen,
- vom 23. April 1417 bis 18. Mai 1417, d. h. in 25 Tagen,
- vom 20. Mai 1417 bis 30. Mai 1417, d. h. in 10 Tagen,
- vom 15. Juni 1417 bis 2. Juli 1417, d. h. in 17 Tagen,
- vom 27. Juli 1417 bis 2. September 1417, d. h. in 37 Tagen;
- vom 28. Oktober 1411 bis 15. Dezember 1411, d. h. in 48 Tagen,
- vom 20. Juli 1415 bis 31. Juli 1415, d. h. in 11 Tagen,
- vom 2. Februar 1417 bis 21. Februar 1417, d. h. in 19 Tagen,
- vom 26. September 1417 bis 29. September 1417, d. h. in 3 Tagen,
- von London am 4. Juni 1418 bis Brügge am 15. Juni 1418, d. h. in 11 Tagen,
- von Augsburg am 15. Aug. 1412 bis Brügge am 15. Sept. 1412, d. h. in 31 Tagen.
Andere Schlüsse als die auf große Gemächlichkeit im Verkehr darf man wohl kaum aus den vorstehenden Zusammenstellungen schließen. [XIX] Trifft die gemachte Voraussetzung zu, so hat doch im übrigen jede Beförderung eines Briefes unter besonderen Verhältnissen gestanden, ist von der Jahreszeit, der Witterung, der benutzten Gelegenheit, kurz von besonderen Umständen abhängig, die jedes Mal wechselten. Nicht einmal das läßt sich mit Sicherheit bestimmen, ob der Landweg oder der Seeweg eingeschlagen wurde. Wenn ein Brief im Jahre 1404 77 Tage brauchte, um von Riga nach Brügge zu gelangen, so war er wohl zu Lande befördert worden. Aber auch die Frühjahrs- und Sommerbriefe zwischen beiden Städten in den Jahren 1415 und 1416 brauchten 38—52 Tage zu ihrer Ankunft. Zwischen den Hansestädten und den livländischen Städten war der Verkehr doch nicht in dem gleichen Maße auf die Probe gestellt. Als Margarete Veckinchusen ihren Sohn Hanseken im Jahre 1424 nach Reval reisen läßt, kommt der Junge in 6 Tagen wohlbehalten an das Ziel der Reise[52]. Wunderlich ist die Langsamkeit der Beförderung zwischen Köln und Brügge, die doch räumlich nicht so weit auseinanderlagen. Der Normalfall scheint für diese 6—8 Tage gewesen zu sein. Ungewöhnliche Verzögerungen zeigten sich wohl, wenn der Brief 15—17 Tage brauchte, um anzukommen. Und es dürfte eine Rekordleistung zu verzeichnen sein, falls wirklich der Brief in 3 Tagen von Köln nach Brügge gelangte.
Für das Bestehen einer regelmäßigen offiziellen postalischen Verbindung bieten die Briefe keinen Anhaltspunkt. Botenordnungen einzelner deutscher Städte haben sich wohl frühestens aus dem 15. Jahrhundert erhalten. Von Lübeck ist eine solche überhaupt nicht bekannt. Der Verkehr wurde unterhalten durch die Läufer oder Boten, die ich mir als Privatpersonen vorstelle, von denen bekannt war, daß sie sich den Kaufleuten zur Verfügung hielten. Auf sie griff der Kaufmann zurück. Vielleicht hielten sie jedoch schon bestimmte Abgangstage ein, obwohl davon keinmal in den Schreiben die Rede ist. Die Namen einzelner dieser Boten: Unruhe, der Läufer oder Hund, der Läufer, sind bezeichnend für den Beruf, den die wahrscheinlich meist jüngeren Leute gewählt hatten. Ich nehme an, daß sie durchweg beritten waren, niemals die Wege zu Fuß zurücklegten. Bei Seereisen übernahm der Schiffer die Beförderung der Schreiben und da mochte dann manchesmal eine Kombination Platz greifen, indem der Schiffer, falls er nicht im Hafen der Bestimmung der Briefe selbst landete, diese einem Boten zur weiteren Beförderung übergab. Sonst wird er natürlich dem Kaufmann, für den er etwa eine Ladung oder ein Frachtstück mitbrachte, bei der Ladung auch seine Briefe direkt ausgehändigt haben.
Bei seinem erstmaligen Auftreten erscheint Hildebrand Veckinchusen als Kaufmann, der sich gleich seinen Berufsgenossen den vorschriftsmäßigen Einkauf seiner Ware auf dem Stapel zu Dordrecht bescheinigen läßt. Er hat zwölf Bote Wein gekauft, vermutlich französischen oder spanischen, den er dem Schiffer Gobel Rosing anvertraut, der vermutlich ihn nach [XX] Osten zu verbringen sich verpflichtete. Am 9. April 1390 läßt er sich die Rechtmäßigkeit des Einkaufs bescheinigen, damit er die Ware ausführen darf[53]. Wenn wir ihn dann wenige Jahre darauf bei der Besichtigung der Wage im Minoritenkloster in Brügge mit tätig sehen, so gewinnt man die Vorstellung, daß er wohl einer der angeseheneren Geschäftsleute, die gewohnheitsmäßig nach Flandern handelten, gewesen sein muß. Vierundzwanzig Gewichte in verschiedener Größe, von einem halben Pfund bis zu 30 Pfunden, von einer viertel Wage und einer halben Wage, von einem Hundert, einem Nagel usw. sowie eine Reihe kleinerer Silbergewichte von einem Lot bis zu 50 Mark, wurden in Gegenwart der Bürgermeister, zweier Schöppen, zweier Zolleinnehmer, des Eichmeisters und eines Wägers auf ihre Zuverlässigkeit geprüft. Hildebrand vertritt dabei mit 5 Landsleuten von der Hanse die deutschen Interessen[54]. In derselben Vertrauensstellung als Ältermann, und zwar für Gotland und Livland erscheint er einige Jahre später. Mit ihm Johannes Holste, der auch zu seinen Korrespondenten gehört, während das lübische und das westfälisch-preußische Drittel durch je zwei andere Hanseaten vertreten sind[55].
Ein westfälisches Kind, ist es nicht auffallend, daß Hildebrand sich zunächst auf dem benachbarten flandrischen Handelsgebiete, das den damaligen Handel beherrschte, niedergelassen hatte. Vermutlich war er seinem Bruder Sivert gefolgt, der ebenfalls in Brügge ansässig geworden war. Sivert verkauft[56] den ihm gehörenden Anteil an einem Hause in Brügge im Jahre 1395. So entsteht die Vermutung, daß er vor Hildebrand dort Handel trieb. Man kann sich vorstellen, daß beide Brüder zusammen dem Geschäfte glaubten wirkungsvoller und nachhaltiger vorstehen zu können, als wenn jeder für sich allein Handel treiben würde. In einer Zeit, in der der Kaufmann seine Ware gern in Person zu begleiten pflegte, mochte es in der Tat hoffnungsvoller sein, wenn sie beide auf den nicht zu umgehenden Reisen abwechselten oder eine Art Arbeitsteilung einführten, indem der eine zu Hause blieb, wenn der andere auf Reisen ging. Über das Alter von Hildebrand Veckinchusen in dem Augenblicke, in dem er in die Erscheinung tritt, lassen sich nur Vermutungen aufstellen. Sollte man glauben, daß er, um die Vertrauensstellung eines Ältermanns der deutschen Hanse bekleiden zu können, über die Jünglingsjahre hinaus sein mußte, so spricht für ein jugendliches Alter die Tatsache, daß er 1398 noch unverheiratet war. In Brügge erreichte ihn zu dieser Zeit ein Brief des Ratsherrn Caesar Veckinchusen und des Kurt Visch in Riga die ihm eine Braut antrugen[57]. Die für ihn als passend erachtete war die Tochter eines wohlhabenden Kaufmanns in Riga, Engelbrecht Witte, mit Namen Margarethe, 15 Jahre alt, „ene suverlike juncvrowe“, also ein feines zierliches Mädchen. Die äußeren Bedingungen waren ansprechend, denn die Braut sollte 200 Pfund Gr. mitbekommen sowie eine angemessene Aussteuer an Hausgerät und Kleinodien, „als men ener juncvrowen pleghed mede to ghevende“. Außerdem waren der Begehrenswerten noch 100 Mark Rig. [XXI] als „Spielpfennige“, d. h. als Nadelgeld neben der Mitgift zugedacht. Ausdrücklich wird in dem Schreiben bemerkt, daß diese hundert Mark nicht in dem vorher angegebenen Betrage enthalten sein sollen, doch behielt sich Vater Witte freilich vor, diese Summe sofort herauszuzahlen oder nicht. Mit ihnen wollte man den in weiter Ferne Weilenden gewinnen, ohne sich doch endgültig die Hände gebunden zu haben. Unklar bleibt in dem Briefe nur die Wendung „unde kost unde cleder“. Sollte Hildebrand nach Riga übersiedeln und im Hause der Schwiegereltern freien Aufenthalt genießen? Oder sollte der Tochter eine gewisse, die Kost und Bekleidung darstellende Summe jährlich zugewandt werden? Die beiden Rigaschen Herren fanden diese Bedingungen in hohem Grade annehmbar und forderten den jungen Mann auf, den Fall genau zu überlegen. Sie meinten, „dat dit gude weghe sin“. Hildebrand muß dasselbe gedacht haben, denn er entschloß sich dem Vorschlage zu folgen und die junge ihm so angepriesene Jungfrau heimzuführen. Er hat es offenbar nie zu bereuen gehabt, denn die Frau, obwohl sie es später schwer hatte, hielt treu zu ihm und ließ sich von seiner Seite, obwohl ihre Verwandten vieles getan zu haben scheinen, sie ihm zu entfremden, nicht entfernen.
Wielange Hildebrand in Riga sich aufhielt, ob er dort im Geschäfte seines Schwiegervaters tätig war oder bald nach Brügge oder Lübeck übersiedelte, läßt sich nicht mehr feststellen. Schon im Jahre 1403 ist er wieder in Brügge. Damals wandte der Rat zu Riga sich an den gemeinen Kaufmann der deutschen Hanse in Brügge mit der Bitte, seinem Mitbürger Engelbrecht Witte in einer Streitsache mit einem anderen Kaufmann Heinrich Snoye beizustehen. Hildebrand Veckinchusen zusammen mit Tideman Röder wurden dazu ausersehen, die Rechenschaft, die Snoye schuldig geblieben war, in Empfang zu nehmen[58]. Konnte Hildebrand hierbei seinem Schwiegervater behilflich sein, worüber diesen dankend quittierte, so war die Freundschaft mit ihm doch bald zu Ende. Und zwar wie es scheint wegen der 100 Mark Spielpfennige, die Witte zu zahlen versprochen hatte. Hildebrand berief sich darauf, daß dieser Betrag ihm zugesagt worden war, während der Schwiegervater nichts mehr von diesem Versprechen wissen wollte. Als Hildebrand sich auf das Zeugnis des Ratsherrn Visch berief, meinte Witte spöttisch „Wenner ghy der hundert marc nicht untberen wolden, so solde he se utgheven“. Witte berief sich darauf, daß alles, was er dem Schwiegersohne zugesagt hätte, in das Stadtbuch eingetragen worden wäre. Caesar Veckinchusen hätte seine Ausführungen wohl mißverstanden. Jedenfalls lege Hildebrand viel zu großes Gewicht auf den Empfang dieser Summe. Im übrigen blieben sie beide trotz dieser verschiedenen Auffassung in gutem Einvernehmen. Witte unternahm mit Hilfe seines Schwiegersohnes verschiedene Geschäfte und schickte gelegentlich einen Kasten mit Fleisch nach Brügge zum Zeichen seiner Dankbarkeit[59].
Hildebrand aber wurde Zeit seines Lebens den Verdacht nicht los, daß er von seinem Schwiegervater mit den 100 Mark hintergangen worden war. [XXII] Als seine Schwiegermutter das Zeitliche gesegnet hatte, scheint er an ihrem Nachlaß den Anspruch auf die 100 Mark geltend gemacht zu haben. Sein Schwager Engelbrecht Witte der Jüngere machte damals eine Gegenrechung, nach der die Firma von Hildebrand wohl an die 900 Nobel als Reste aus früheren Geschäften zu fordern hätte. Damit glaubte er die Forderung langst ausgeglichen zu haben. In undatierten Briefen an seine Schwäger Visch und Nyenlo beteuert dagegen Hildebrand, daß er zu kurz gekommen wäre[60]. Sein Schwager Engelbrecht Witte war von versöhnlichster Stimmung[61], forderte ihn auf nach Riga zu kommen, um dort alle Uneinigkeiten beizulegen. Hildebrand wollte von allen diesen Begütigungsbestrebungen nichts wissen. Er zeichnete vielmehr ganz genau auf, worin er und seine Frau verkürzt worden waren[62].
Die 100 Mark waren nach seiner Annahme in dem Augenblick seiner Verheiratung 127 Englische Nobel wert gewesen. Innerhalb 15 Jahren hätte von diesem Betrage ein Zins von 112½ Nobeln sich ergeben können. Indem er nun den Zinseszins ebenfalls in Anschlag und davon 22½ Nobel in Abzug brachte, gelangte er zu der Summe von 262 Nobeln oder 92 Pfund 15 Sl. 10 gr, die man ihm schuldig sei. Einen Anspruch in dieser Höhe meinte er gegenüber den Erben seines Schwiegervaters festhalten zu sollen[63].
In seiner Frau Margarete hatte Hildebrand jedenfalls eine treue, an ihm unverbrüchlich hängende Lebensgefährtin gefunden, die willig Entbehrungen und Mangel aller Art auf sich nahm, als es ihm geschäftlich schlecht ging. Die Briefe, die sie ihm in der Zeit seiner Haft nach Brügge schickte, sind geradezu rührend. Willig opferte sie Kleidungsstücke, Schmuck, ihre Bequemlichkeit im eigenen Hause, nur um ihn aus dem Schuldgefängnis zu befreien. Auch gegenüber den an sie von ihrer Verwandtschaft in Riga herantretenden Versuchungen, ihre Kinder nach Livland zu schicken, bleibt sie standhaft[64]. Sie läßt keinen der Ihrigen einem nach ihrer Ansicht ungewissen Schicksale entgegenziehen, sondern übt treue Mutterpflicht an ihnen aus. Bloß den Sohn Hans kann sie nicht zurückhalten. Er will in jugendlichem Ungestüm sich nicht länger zu Hause zurückhalten lassen und fährt eines Tages nach Reval ab[65]. Eine kühne Tat, die ihm indes gut bekommen zu sein scheint. Auch den ältesten Sohn Jost, der zuerst in Flandern weilte und dort seinem Vater durch Unbotmäßigkeit und geringe Ausdauer Sorge bereitete, trifft man später in Riga, von wo er Lockrufe an seine Geschwister im Auftrage der dortigen Verwandten ergehen läßt[66].
Eine größere Anzahl von Kindern entsproß der Verbindung. Es lassen sich nachweisen: 4 Söhne, Jost, Johannes, Engelbrecht und Hildebrand, sowie 3 Töchter Gertrud, Margarethe und Anna. Von den letzteren ist nachweislich nur die erstere verheiratet gewesen. Sie wurde etwa 1418 mit dem Mitgliede des Neuen Rats in Lübeck Everd Moyelik vermählt, der in erster Ehe mit Gheseke Bussow vermählt gewesen war, die im Jahre 1415 starb[67]. Seit 1408 erscheint er als Ratsherr, dürfte indes nach Wiedereinsetzung [XXIII] des alten Rats seine Stellung wohl wieder eingebüßt haben[68]. Sein Wohnhaus befand sich in der Königsstraße. In seinem Testament vermachte er es seiner Frau: „Drudeken myner leven husvrowen geve ik myn hues“ usw.[69]. Als Bürger in Lübeck und Mitglied der dortigen Antonius-Brüderschaft wurde er 1436 mit anderen zusammen von dem Konvent des Dominikanerklosters zur Burg in seine Gemeinschaft aufgenommen[70].
In Brügge hatte also Hildebrand sein Standquartier und von hier aus spinnen sich die Fäden seines Handelsverkehrs teils nach Norden, teils nach Süden. Hamburg und Lübeck einerseits, Riga, Dorpat, Reval andererseits sind Orte, zu denen er lebhafte Handelsbeziehungen unterhält. Im Süden wiederum ist es Venedig, das ihn durch seinen Reichtum und Glanz anzieht. Außerdem steht er im Verkehr mit einer großen Anzahl holländischer, flandrischer, deutscher, französischer und englischer Städte. Amsterdam, Antwerpen, Herenthal, Utrecht, Gent, Delft auf der einen Seite, im südlichen Deutschland Nürnberg, Straßburg, Frankfurt a. M., Konstanz; im Westen Aachen und Köln, im Norden Lüneburg, Wismar, Stettin sind die Handelsstädte, zu denen mehr oder minder lebhafte Beziehungen aufrecht erhalten wurden. Selbst italienische, französische und englische Städte fehlen nicht: Lucca, Toul, Amiens, St. Thomas, La Rochelle, Rouen, London und Boston. Es haben sich nicht aus allen genannten Städten Briefe erhalten, aber mit Persönlichkeiten, die ihnen entstammen, schließt er Verträge; steht zu ihnen in Geld- oder Warengeschäften — kurz, er steht inmitten eines ausgedehnten Handelskreises, den man sich wohl größer als die Briefe ihn begrenzen, vorstellen kann, da offenbar nur der kleinere Teil seines Briefwechsels auf uns gekommen ist.
Wann Hildebrand sein Geschäft in Brügge begonnen hat, läßt sich nach den vorliegenden Briefen nicht genau bestimmen. Im Jahre 1409 wird ihm vom deutschen Kaufmann in Brügge bestätigt, daß er 7½ Jahre nicht in Lübeck gewesen wäre. Und im Jahre 1403 wird er von Riga aus dem deutschen Kaufmann in Brügge genannt als einer der Bevollmächtigten des Kaufmanns Engelbrecht Witte, seines Schwiegervaters[71]. So wäre wohl anzunehmen, daß er unmittelbar nach seiner Hochzeit von Riga aus sich wieder westwärts gewandt und in Brügge den Schauplatz seiner Tätigkeit aufgeschlagen hätte. Er ist jedoch niemals in der fremden Stadt Bürger geworden, sondern hat an seinem Lübischen Bürgerrecht festgehalten. Wahrscheinlich sind mit dem großen Aufschwung, den der Handel nach Flandern mit dem Ausgange des 14. Jahrhunderts nahm, beide Brüder, Sivert und Hildebrand, nach Brügge gekommen, der eine den anderen nach sich ziehend. Während Sivert unbestimmt wann nach Lübeck übersiedelte, um von dort aus den Betrieb fortzusetzen, blieb Hildebrand in der Fremde. Doch hatte auch Hildebrand in Lübeck ein eigenes Haus, in dem seine Frau beständig wohnte und erfreute sich dort der Beziehungen zu zahlreichen Freunden und Berufsgenossen. Beide Brüder werden sich in die Hände gearbeitet haben [WS: zwei Fußnoten sind im Text dieser Seite nicht auffindbar.[WS 2]] [XXIV] Weittragende Geschäfte von der Art, wie sie aus den Briefen erhellen, wurden gewiß leichter erledigt, wenn Bande des Bluts die Teilnehmer zusammenhielten, als wenn Fremde zusammentraten. Sivert war übrigens ebenfalls viel unterwegs, längere Zeit infolge der politischen Verhältnisse aus Lübeck abwesend, so daß mithin die wechselnden Konjunkturen bald den einen, bald den anderen Bruder in die Fremde geführt haben werden. Von 1398 an bis 1416 läßt sich Hildebrand beständig in Brügge nachweisen. Dann lautet einmal die Adresse auf Lübeck, aber der Briefschreiber setzt vorsichtig hinzu: „off wor he is“, also dürfte hier ein Irrtum des Briefschreibers angenommen werden, denn die folgenden Briefe mit Ausnahme wieder eines Schreibens von Gerwin Marschede, der „Brügge oder Lübeck“ adressiert, das ganze Jahr 1417 hindurch lauten auf Brügge. Erst ein Brief vom Ende des Jahres[72], von seinen Freunden in Brügge selbst versandt, die darüber unterrichtet sein mußten, daß er nicht in Brügge war, nimmt an, daß er zeitweilig in Lübeck sich aufhielte. Aber schon der April 1418 sieht ihn wieder in Brügge, und wenn sein Bruder Sivert im Juni des Jahres es zweifelhaft läßt, wo er seinen Bruder zu suchen hat, ob in Lübeck oder in Brügge[73], so weiß ein Lübecker Angestellter oder Freund es besser und schickt im Juli 1418 einen Brief nach Brügge[74]. Dann aber muß er einige Monate in Lübeck bei den Seinigen Aufenthalt genommen haben, denn bis zum Mai 1419 erreichen ihn seine Briefe unter der Lübecker Adresse. Vom Mai 1419 ist er also wieder in Brügge, während sein Bruder ihn im Juni noch in Lübeck wähnt[75]. Indes nur kurze Zeit hält es ihn in Brügge fest. Im September 1419 rechnet er mit zweien seiner Geschäftsfreunde in Lübeck ab[76], das er jedoch im Oktober oder November wieder verlassen hat. Dann ist er ununterbrochen in Brügge geblieben, wo ihn sein Schicksal ja auch ereilte. Wenn zwei Rigenser 1420 ihn in Lübeck glauben[77], so dürfte darin ein bei den wechselnden Verhältnissen begreiflicher Irrtum zutage treten. Dagegen konnte Jan Ostermann, als er aus Brügge am 23. Juni 1421 an Hildebrand schrieb, wohl wissen, wo er sein mußte oder wohin er sich begeben hatte. Man erwartete ihn in Lübeck noch nicht[78], wie das Schreiben des Ludeke Stenhorst erkennen läßt. Er ist dann im Laufe des Jahres 1421 in Lübeck wie in Köln vermutlich vorübergehend gewesen, etwa um seine geschäftliche Lage zu besprechen oder Wege zu ihrer Verbesserung ausfindig zu machen, bis er dann wieder am 1. November von Brügge aus an seine Frau in Lübeck schreibt[79]. In Brügge hat er wohl die längste Zeit seines Lebens zugebracht und dort war es, wo ihn das tragische Geschick ereilte, wegen Schulden ins Gefängnis wandern zu müssen, aus dem er erst 1426 befreit worden ist. Ein Brief des Neffen Kornelius aus Köln vom 16. Juli 1426 weiß ihn in Lübeck[80].
Hildebrand Veckinchusen zeigt hiernach den deutschen Kaufmann in Brügge in etwas anderer Beleuchtung, als die bisherige Forschung ihn aufwies. Nach der Auffassung von Sartorius war Brügge gewissermaßen die [XXV] hohe Schule für jüngere Kaufleute. Die Deutschen hielten sich hier meist nur wenige Jahre auf, um die Kommissionsaufträge ihrer Prinzipale in den Hansestädten zu vollziehen, Hildebrand dagegen zeigt uns den selbständig disponierenden Großkaufmann, der eine Reihe weitreichender Handelsunternehmungen — nach damaliger Sitte stets in Verbindung mit anderen — eingeht. Er bewohnt ein ganzes Haus, das er im Jahre 1402 von einem Bürger Brügges zunächst auf 5 Jahre gegen einen Mietzins von 4 Pfund Groten, halbjährlich zu zahlen, mietet. In ihm hat er sein Kontor, seine Wohnkammern und seinen Warenkeller. Nicht ohne Grund wird Brügge zum dauernden Aufenthaltsorte gewählt worden sein. Brügge war damals der allgemein besuchteste Marktplatz von ganz Europa und die vornehmste Niederlage der Hansen im Westen. Hierher brachten sie die Erzeugnisse des Nordens und Ostens und erhielten im Austausch diejenigen Gegenstände wieder, deren sie zur Beherrschung des Nordens und Ostens bedurften[81]. Einen solchen Handel konnte einer allein, auch wenn er sich besoldeter Hilfskräfte bediente, kaum betreiben. Selbst in eigener Person an entferntesten Orten Waren einzukaufen, sie auf weite Strecken hin zu begleiten und an den Bestimmungsort zu lenken, an dem man sich mit neuen Waren belud, um nunmehr den Rückweg mit ähnlichen Gewinnhoffnungen anzutreten, konnte ausnahmsweise vorkommen. Für gewöhnlich war solches Vorgehen untunlich, und schloß sich eine baldige Wiederholung einer einmal ausgeführten Reise aus. Es gab ja in der Regel nicht einen einzigen Absatzort für die Ware. Hildebrand Veckinchusen sendet z. B. seinen Stockfisch nach Köln und als er dort nicht genügenden Absatz findet, ihn weiter nach Straßburg, Speier und Mainz[82]. Feigen, die in Hamburg nicht recht von der Hand wollten, werden nach Lüneburg und Lübeck geschickt. Ähnlich in anderen Fällen. Wäre es in solchen Wendungen Zeitverlust gewesen, überallhin wie ein Hausierer seine Ware zu begleiten so war es noch weniger möglich, wenn es sich um eine Wachssendung von Dorpat oder eine Pelzwerksendung nach Venedig handelte. Die Einbusse an Zeit und das geschäftliche Risiko wären zu bedeutend gewesen. Daher geht aller Handel in Gesellschaften (selschop) vor sich. Mehrere Kaufleute, die ihren Wohnsitz in verschiedenen Städten oder Ländern dauernd haben oder ihn jeweilig nehmen, tun sich zusammen und unternehmen das betreffende Geschäft gemeinschaftlich. Während der eine die Verpackung, Versendung usw. der Ware etwa in Riga in die Hand nimmt, besorgt der andere den Verkauf der glücklich eintreffenden Gegenstände in Lübeck oder Brügge und ersteht dafür andere Waren, die er wieder gen Riga sendet, worauf dann dem ersten die Rolle des Verkäufers zufällt. Wenn bestimmte Warenmengen oder der gesamte Vorrat abgesetzt ist, wird Rechenschaft gehalten, der Gewinn in barem Gelde ausgezahlt oder zu neuen Unternehmungen [XXVI] benutzt. Im ersteren Falle folgen schon damals die Wechsel oder Anweisungen zur Begleichung der Verbindlichkeiten hin und her[83].
Für Abwicklung derartiger Geschäfte war nicht nur Brügge ein sehr geeigneter Ort, sondern offenbar Hildebrand Veckinchusen auch eine sehr geeignete Persönlichkeit. Seine verwandtschaftlichen Beziehungen erleichterten ihm die Durchführung der erwähnten Geschäfte in hohem Maße. In Riga lebten ihm der Schwiegervater, ein Schwager und sein Bruder, in Dorpat ebenfalls ein Schwager, in Lübeck und abwechselnd in Köln ein Bruder. Zwei seiner Neffen dienten ihm zu zeitweiligen Fahrten nach Venedig und Livland. Vielleicht war es gerade die kaufmännisch vorsorgliche und berechnende Art des Bruders Sivert, die ihn in Brügge festhielt. Denn natürlich konnte unter Brüdern manches Geschäft bequemer sich abspielen als unter einander ferner stehenden Geschäftsfreunden, die jeder ihren eigenen Vorteil suchten. Später beschuldigt Hildebrand, als es ihm schlecht geht, seinen Bruder mehrfach, ihn zu den betreffenden Unternehmungen angeregt zu haben, was freilich jener nie wahr haben wollte.
An Hilfspersonen standen Hildebrand einerseits Läufer, Fuhrleute, Schiffer, andererseits jüngere Männer als Handlungsdiener oder ‑knechte zur Verfügung. Von den Läufern war schon bei Erörterung der Briefe die Rede. Kamen sie für die Vermittlung von Nachrichten in Frage, so die anderen für die Beförderung der Waren. Kärrner, Fuhrleute, Schiffer sind in den Briefen oft genannte Persönlichkeiten. Die Handlungsgehilfen, für die eine besondere Bezeichnung noch nicht üblich gewesen zu sein scheint, begleiteten seine Waren von Brügge aus nach Köln, Mainz, Koblenz usw. Sie standen teils in einem festen Verhältnis zu ihm oder der Gesellschaft oder wurden wohl für jedes Geschäft eigens angestellt. Einmal ist in den Briefen[84] von einer Art Lehrlingsverhältnis die Rede, aus dem etwa auf die sonst übliche Sitte geschlossen werden könnte. Sivert und Hildebrand Veckinchusen nehmen einen jungen Mann, namens Sasse, in ihre Gesellschaft auf unter folgenden Bedingungen: Hildebrand verabfolgt ihm freien Unterhalt zwei Jahre lang, wogegen Sasse sich verpflichtet, 5 Jahre lang bei den Brüdern zu bleiben und gleichfalls Geld zu ihren Unternehmungen einzuschießen. Außer an ihrer Unternehmung darf er an keiner anderen beteiligt sein. Gefiel der junge Mann ihnen auf die Dauer nicht, so stand es ihnen zu, ihn zu entlassen. Im übrigen versprechen sie ihm alles Gute, und stellen ihm in Aussicht, ihn mit der Zeit zum „Gesellen“ machen zu wollen, damit er teils in Lübeck teils in Frankfurt sein oder zur See ausziehen könnte um zu „vordreven unse dync“. Hiernach wären die Handlungsgehilfen dazu verwandt worden, Warensendungen vom Sitze des Handelsgeschäfts in fremde Städte oder Länder, sogar über See zu begleiten. Ob bei dem leicht mangelnden Interesse des Sendlings und bei den höheren Unterhaltskosten dieser Ausweg allgemein üblich war, muß dahingestellt bleiben. Wenn einmal [XXVII] [85] Philipp Sporenmaker auf den 10ten Pfennig gestellt wird, so bleibt es zweifelhaft, ob hiermit ein Sender-Verhältnis oder eine zur Beseitigung des mangelnden Interesses eingeführte Tantieme gemeint ist. Bisweilen wurden die Gehilfen in festes Engagement genommen, wobei alsdann der Gehalt teils in barem Gelde, teils in Kleidungsstücken ausbedungen wurde. Die Beköstigung verstand sich von selbst. Die Gehilfen ihrerseits mußten einen oder zwei Bürgen stellen, entweder als allgemeine Gewähr für ihre Rechtschaffenheit oder weil ihnen größere Geldbeträge durch die Finger liefen. So nimmt Hildebrand 1403 einen jungen Mann aus Kampen in seinen Dienst gegen einen Lohn von 16 Schillingen und zwei Anzüge jährlich[86]. Um Johannis 1404 macht er sich sogar einen Gehilfen gegen 12 Schillinge und zwei Kleider pflichtig. In einem dritten Falle bewilligte er im Jahre 1409 ebenfalls nur 12 Schillinge und nur einen Anzug im Jahr, dessen Wert von vornherein auf 15 Schillinge festgesetzt wird[86]. Selbst bei der Annahme, daß das Geld vor 500 Jahren eine ganz andere Kaufkraft hatte als heute, erscheinen solche Lohnsätze doch als sehr geringe[87].
Eine bedeutende Rolle spielen in dem kaufmännischen Leben jener Tage und also auch bei Hildebrand Veckinchusen die Makler. Wiederholt werden Ausgaben für Maklergebühren erwähnt und in seinen Handelsbüchern sind ganze Abschnitte den Abrechnungen mit diesen Persönlichkeiten gewidmet. Wie man aus den Bürgersprachen und Kaufmannsordnungen Lübecks und anderer Städte weiß[88], waren die Makler obrigkeitlich verordnete Vermittler in Handelsgeschäften, die sich den angereisten fremden Kaufleuten zur Verfügung hielten, ja von diesen beim Abschluß ihrer Geschäfte nicht umgangen werden durften. Ursprünglich waren die Fremden, die sogenannten Gäste, überall gewissen Beschränkungen ausgesetzt, durften nicht unter sich handeln, nur en gros verkaufen, erst nach den Bürgern einkaufen, kurz, waren mancherlei Beschränkungen ausgesetzt. Außerdem durften sie nur bei bestimmten vertrauenswürdigen Persönlichkeiten Herberge gewinnen, die ihrerseits nicht jeden angekommenen Kaufmann aufzunehmen verpflichtet waren, „also dat de werd des gastes nicht unghelde“. Für den einmal in ihre Räume Einquartierten übernahmen die Gastwirte dann eine gewisse Garantie. Diese Männer, bei denen die Fremden Zuflucht fanden, wurden mit der Zeit Gastwirte oder waren es vielleicht von vornherein neben ihrer Maklerei. Viel mit Auswärtigen in Berührung, sind sie es, die fremde Sprachen beherrschen, die als Dolmetscher dienen. So werden sie als Vermittler der Ankömmlinge bei der sprachlichen Verständigung gleichzeitig die Vermittler beim Abschluß von Handelsgeschäften. Aus einer doppelten Wurzel offenbar, der Beherbergung und dem Dolmetschertum, hat sich die Maklerei entwickelt, die in Brügge in besonderer Blüte stand. Das Verhältnis zwischen Gastwirten und Gast beruhte auf besonderem Vertrauen, und eben deshalb empfand Hildebrand, als er später in Not [XXVIII] geriet, das Vorgehen seines Wirts Jakob Schotteler gegen ihn als einen Rechtsbruch besonders schmerzlich. Klagen der Hanseaten über ihre „hostiliers“ gehörten übrigens nicht zu den Seltenheiten[89].
In den Gegenständen, mit denen Hildebrand Handel trieb, offenbart er eine große Mannigfaltigkeit. Er ist durchaus nicht ein moderner Spezialist, der sich darauf beschränkt einige Artikel zu führen, über deren Herkunftsbedingungen und Absatzmöglichkeiten er sich vorher genau unterrichtet hat, und bei denen er dann den Markt mit vollkommener Sicherheit beherrscht. Vielmehr treibt er mit den verschiedensten Gegenständen Kaufmannschaft und spekuliert dabei. Er weiß wohl ungefähr, wo er den Absatz suchen soll, aber er täuscht sich mitunter in der Beurteilung der Chancen. Er muß die Ware hin und her schicken, auf diese oder jene Messen, an diesen oder jenen Ort, weil er sie nicht seinen Hoffnungen gemäß rasch an den Mann hat bringen können. Der Verkauf erfolgt dabei ebenso oft an Wiederverkäufer als an Privatkunden, Handwerker, die Rohstoffe verarbeiten, einzelne Frauen, die Seide erstehen oder zu direktem Konsum wie bei den Feigen.
Nahrungsmittel und Kleiderstoffe, feine Gewürze und Seife, Getreide und Haushaltungsgegenstände scheinen ihm zu dem Versuche geeignet, ob sich beim Einkauf und Verkauf ein Gewinn erzielen ließe. Butter und Wachs, Salz und Feigen, Mandeln, Rosinen, Haselnüsse, Muskatblüte, Ingwer, Pfeffer einerseits, Pelzwerk und Tuche, Seide und Kupfer, Roggen und Stockfisch, Eisen und Blei, Paternosterkränze und Korallen anderseits sind häufig genannte Waren. Sie kommen ihm teils zu Wasser, teils zu Lande zu. Meist ist das Schiff das Fahrzeug, dessen man sich zur Beförderung bedient. Aus vielen Briefen leuchtet die Besorgnis hervor, daß das Schiff unterwegs einem Unfall unterworfen sein könnte. Gott gebe gute Reise, ist ein frommer, häufig, wenn nicht immer wiederkehrender Wunsch. Nachrichten, daß ein Schiffer unterwegs geblieben, werden immer mit den Worten begleitet: „dem Gott gnädig sei“ und mit unverhohlener Teilnahme über vorgekommene Unfälle berichtet. Die Verteilung des Risikos, indem eine an einen Ort bestimmte Ladung nicht einem einzigen Schiffe anvertraut wird sondern auf mehreren Schiffen verstaut wird, tritt häufig entgegen.
In den ersten Jahren des Beginns seiner Geschäfte dürfte Hildebrand zu Klagen keine Veranlassung gehabt haben. Der Handel entwickelte sich zu seiner Zufriedenheit und wenn auch nicht gerade alle Tage umfangreiche Warensendungen eintrafen oder abgingen, so verzeichnen die Handelsbücher doch beständig recht ansehnliche Posten und in den Briefen treten imponierende Umsätze entgegen. Zu Jahresbeträgen die vorhandenen Ziffern zusammenzählen zu wollen, wäre ein vergebliches und fruchtloses Bemühen. Soviel man durch Vergleich der Briefe mit den Handelsbüchern ermitteln kann, sind nicht alle Sendungen eingetragen und bei den verzeichneten fehlt nur zu oft die Wertangabe und das Datum.
Durch seinen Warenhandel ziehen sich die Wechselgeschäfte. Mehrfach ist er in der Lage Wechsel bezahlen zu müssen, die Mitglieder der verschiedenen Handelsgesellschaften, denen er angehörte, auf ihn gekauft haben. [XXIX] Umgekehrt ersuchen ihn seine Handelsfreunde, keine Beträge oder keine zu großen Beträge auf sie zu verkaufen, da der Absatz der Ware nicht in erwünschtem Umfange sich vollzogen hat und sie deswegen in Verlegenheit zu geraten drohen. In seinen Büchern sind Beträge von 20, 85, selbst 100 und 200 Pfund vlämisch nachgewiesen, in den Briefen 150, 300, 400 Rheinischen Gulden oder 400 Kronen[90].
Seinerseits nimmt Hildebrand von Kaufleuten, die von Brügge aus nach Lübeck, Danzig, Köln, London usw. reisen oder dorthin zurückkehren, Geld entgegen im Betrage von 60, 45, 30, 24 Pfund vlämisch, für die er ihnen dann Briefe an seine Freunde in den genannten Städten gibt. Der für sie gebrauchte Ausdruck ist „breve“ und „wisselbreve“ auch „overkop“. Mit dem „Überkauf“ erkaufte man in der Verschreibung das Anrecht auf eine an dem fremden Orte zu erhebende Geldsumme. Ihrer Form nach sind sie teils domizilierte Eigenwechsel mit 2 bis 3 Personen, teils Anweisungen[91].
Dieser Wechselverkehr, der zu Beginn des 15. Jahrhunderts bereits sehr großen Umfang angenommen hat, bot mehrfachen Vorteil. Man vermied die Gefahr, die in jenen Tagen mit der Versendung baren Geldes verbunden war. Man hatte immer die landesübliche Geldmünze zur Verfügung und die Annehmlichkeit in einer Zeit, wo die Geldklemme eine chronische zu sein pflegte, wo oft über den Mangel an hartem Gelde geklagt wurde, einige Zeit hindurch seiner entraten zu können. Der Vorrat an hartem Gelde war zu dieser Zeit in allen europäischen Ländern ein geringer. Beständig wird darüber geklagt, daß nicht genug Umlaufsmittel vorhanden sind. Man empfindet es als einen Vorzug, daß man bei Mangel an ihnen die Zahlung um einige Wochen hinausschieben konnte.
Trotz aller Geschäftsgewandtheit, die Hildebrand offenbar auszeichnete, und obgleich er die Lage des Weltmarktes sorgfältig erwogen haben wird, ehe er sich an einer Unternehmung beteiligte, blieben ihm gewisse Verlegenheiten nicht erspart. Seine Kühnheit oder sein feuriges Temperament verführten ihn dazu, sich in weitschichtige Geschäfte einzulassen. Wiederholt ermahnt Sivert Veckinchusen in Lübeck den Bruder zur Besonnenheit. „Ic hebbe ju lange beden, dat gy ju nicht to hoge beslogen“, heißt es in einem dieser Briefe. Von Lübeck aus wird er mehrfach aufgefordert, Brügge gänzlich aufzugeben und nach Lübeck zurückzukehren. „Hirumme dot wol und komet to hus, so gy erst mogen, daz is not.“ Auch die livländischen Verwandten scheinen Brügge auf die Dauer nicht als einen passenden Aufenthaltsort angesehen zu haben, denn sie fordern ihn auf nach Riga überzusiedeln, wo sich gerade gute Gelegenheit zum Ankaufe eines Hauses bot. Indes Hildebrands Tatendrang ließ alle solche gutgemeinten Ratschläge unbeachtet. Sei es, daß der angenehme Wohnsitz in Brügge, die heitere jovialische Umgebung, die milden [XXX] und üppigen Sitten, die größere Wohlhabenheit ihn fesselten, sei es, daß er erst genügend erworben haben wollte, um nachher in Lübeck seiner Frau und den Kindern ein behaglicheres Leben bereiten zu können, sei es, daß er schon zu sehr in seine Geschäfte verstrickt war und sich nicht ohne weiteres lösen konnte, genug, er blieb in Brügge und ließ sich in neue, leider wie der Erfolg ihn zu spät belehrte, gewagte Spekulationen ein. Wie es einem anfangs vom Glücke begünstigten Kaufmann gehen kann, unternahm er auf einmal zu viel.
Zu diesen ihm viel Sorge und wenig Freude bereitenden Geschäften gehörte der Handel nach Venedig[92]. Daß die Hansen um diese Zeit auf eigenen Schiffen nach dem Mittelmeere fuhren, ist nicht bekannt. In der Regel versorgten sie sich in Brügge bei den dort stets sehr zahlreichen Italienern, insbesondere Venetianern, mit den Waren, die jene aus der Levante geholt hatten. Hildebrand scheint einer von denen gewesen zu sein, die diese Abhängigkeit von den vielfach wucherisch gesinnten Lombarden empfand und sich von ihr frei zu machen bestrebt war. Mit seinem Bruder Sivert und einigen Freunden bemüht er sich direkt nach Venedig zu handeln. Seinen Neffen Kornelius schickt er für längere Zeit nach der berühmten Lagunenstadt, um dort den Vertrieb der Waren zu überwachen. Die Gegenstände, die er von dorther bezieht, sind die üblichen Spezereien, aber auch schon Hutzucker, Mehlzucker, Brasilienholz, Allaun, Weihrauch u. a. Dagegen lieferte er dahin Paternosterkränze aus Lübeck, Pelzwerk, Tuche verschiedener Herkunft. Unter diesen erscheint namentlich eine Sendung von 400 Sarken oder Sardoken im Jahre 1417 für mehrere tausend Dukaten erwähnenswert. Die Sardoke waren ein Wollstoff, in Brügge nach Ausweis dortiger Stadtrechnungen zu Anfertigung von Standarten und Bannern benutzt. In Deutschland, wesentlich in Ulm und Augsburg hergestellt, scheinen sie eine andere Art von Gewebe gebildet zu haben, ein dünnes Zeug von Baumwolle (oder Wolle?) und Leinen, das zu Unterkleidern der Frauenwelt verwandt wurde[93]. Sivert kann in seinen Briefen nicht Worte genug finden, diese venetianischen Geschäfte zu tadeln, aber freilich, nachdem er sich zuerst auch an ihnen beteiligt hat. Wenigstens schreibt er ihm 1418: „ic wolde, dat ic myn schult inhedde und dat ic nummer to Venedyen handelynge hebben solde“[94] und rät seinem Bruder die Beziehungen nach Venedig abzubrechen. Flandern, Preußen, Livland, das seien die „guden olden neringe“, bei denen sich etwas verdienen ließe. Besonders über den Handel mit den Sardoken, an dem sich zu beteiligen Hildebrand offenbar den Bruder aufgefordert hatte, war Sivert sehr unglücklich. „Ic segedet ju tovoren, dat et neyn profyt werde to Venedyen to senden dey sarke unde gy boden my, dat ic dat eventuere half staen wolde, doe segede ic neyn“[95]. Und weiter unten in demselben Briefe „were profyt an sarken, dey Noremberger unde ander lude solden er ghenoech voren“.
Verliefen somit diese venetianischen Geschäfte nicht in erwünschter Weise, so ist Hildebrand gleichwohl durch einen Mißerfolg keineswegs entmutigt. [XXXI] Kaum erholt von den schweren Verlegenheiten, die ihm die Abwicklung jener Geschäfte bereitet hatten, plante sein unruhiger Geist schon eine andere Unternehmung, dieses Mal im Osten. Er hatte wohl gehört, daß im laufenden Jahre 1420 kein Salz aus der Baye nach Livland verschifft werden würde. So faßte er den Plan, sämtliche in Livland vorhandenen Salzvorräte aufkaufen zu lassen und schickte Hals über Kopf mit einer derartigen Weisung an seine Geschäftsfreunde in Dorpat und Riga einen Läufer von Brügge. Am 14. Januar 1420 war Philipp Sporenmaker von Brügge ausgeritten und wartete in Köln auf nähere Botschaft. Dann ging es, nachdem diese eingetroffen war, über Dortmund, das er am 24. Januar verließ, nach Danzig, wo er am 8. Februar vormittags 11 Uhr wohlbehalten ankam. Von hier ritt er über Königsberg nach Dorpat und Riga. Wann er dort anlangte, wissen wir leider nicht, aber sein Ziel hat er jedenfalls erreicht. Überall, wo er Station macht, wird er von den Geschäftsfreunden in Empfang genommen und mit Schwert, Sporen, einem guten Pferde, Kleidern und Taschengeld ausgerüstet. In Danzig nimmt er sich ein frisches Pferd, in Dorpat läßt er sich neue Kleider machen. Die Zehrkosten betragen auf dem Hinritt von Brügge nach Dorpat 19 Rheinische Gulden, auf der Rückreise 17½ Gulden und einige Rigasche Ore[96].
Aus den Briefen erhellt nicht, ob Hildebrand seinen Zweck erreichte. Aus einigen geht hervor, daß der Ankauf in der Tat eingeleitet wurde. Aus Dorpat schreibt ihm Hildebrand van dem Bokel, daß in Reval und Narva zu der Zeit nicht eine Last Salz zum Verkaufe stand. In Dorpat hat er 100 Lasten für 800 Mark aufgekauft, sowie 50 Lasten, die zu Johannis nach Reval hatten geliefert werden sollen. In Riga kaufte Thomas Veckinchusen 30 Lasten auf. Aus Preußen, wo Gerwin Marschede das Salz aufkaufen sollte, war die Zufuhr an andere Firmen als ihre Kompagnie so gut wie abgeschnitten und so schien die Unternehmung im besten Gange. Aber andere Kaufleute hatten ebenfalls die Konjunktur begriffen. Hinter Sporenmaker, der freilich einen Vorsprung von 4 Tagen hatte, ritt ein anderer Läufer mit gleichen Aufträgen. Diesem Mitbewerber gelang es in Riga 60 Lasten zu erstehen, bevor Hildebrands Beauftragter zur Ausführung seiner Aufträge hatte schreiten können. So darf bezweifelt werden, ob dem Hildebrand seine Spekulation gelang[97].
Jedenfalls hatten auch zu dieser Unternehmung wieder ansehnliche Geldmittel gehört und es mochte in ihr eine neue Zersplitterung seiner materiellen wie ideellen Kräfte liegen. Diese aber mußte um so mehr ins Gewicht fallen, als von den gewöhnlichen Schicksalsschlägen, die den Kaufmann treffen können, Hildebrand nicht verschont blieb. Von einer Sendung Feigen, die nach Hamburg bestimmt ist, wird ein Teil unterwegs naß, und man ist genötigt sie billiger abzugeben. In Tuche, die Hildebrand in Livland stehen hatte, kam der Wurm, sodaß niemand sie kaufen wollte[98]. Bei einer Sendung Reis, die von Brügge nach Danzig kam, hatten zwei nicht völlig dichte Fässer Wasser angezogen, sodaß sechs Steine Reis verdorben waren[99]. Dazu fallen gelegentlich die Waren nicht nach Wunsch der Abnehmer [XXXII] aus. Die Seide, die er nach Lübeck gesandt hatte, findet wegen ihrer geringen Feinheit keinen Anklang. Öl, das er nach Danzig verschifft[WS 3] hatte, sagt den Abnehmern nicht zu. Feigen, die von Brügge nach Danzig verschifft werden, stellen sich bei der Ankunft als „tomale snode gueet“ heraus, sodaß sich keine Abnehmer finden[100]. Eine Korallensendung nach Bergen op Zoom kommt zurück, weil der Empfänger, der sie bestellt hatte, nunmehr keine Verwendung für sie hat. Dazu kommt, daß am Ende des zweiten Jahrzehnts des 15. Jahrhunderts die Kauflust im Gebiet der Hanse zeitweilig nachgelassen zu haben scheint. Wenigstens wird von verschiedenen Seiten die Überfüllung des Marktes beklagt und die Waren wollen nicht von der Hand. In Livland ist 1416 „harde kopenschop“. Wachs steht hoch im Preise, während in Reval und Nowgorod Feigen und Gewürze unverkauft liegen[101]. In Danzig ist 1418 und 1419 an Tuchen sowie an Rosinen, Mandeln und dergleichen Spezereien genug vorhanden[100]. In Lübeck wollte man von diesen Artikeln ebenfalls nichts wissen. Nach Alaun „en vroget ok nement noch ter tyd“ wird 1418 gemeldet[102]. In Venedig waren der Paternoster (Rosenkränze) unterdessen auch zu viel geworden. Im Deutschen Hause lagen 2000 Pfund unverkauft und im Juni 1420 traf eine neue Sendung ein[103]. Auch Frankfurt a. M. und Köln waren damals zeitweilig schlechte Plätze, auf denen 1418 nur mit Verlust Fisch und Wachs sich veräußern ließ.
Diese Klagen sind um so auffallender als 1416 der alte Rat in Lübeck wieder eingeführt worden war und damit die bisher gefährdeten Kaufleute größere Sicherheit genossen. Auch konnten die 1418 endgültig beschlossenen Satzungen der Hanse nur dazu beitragen, dem Bunde und also den zu ihm gehörenden Kaufleuten eine festere Grundlage für ihre Geschäfte zu verschaffen[104]. Wenn Lübeck dann auf der Versammlung vom 24. Juni bis August 1418 von den anderen Städten ersucht wurde „der stede unde copmannes beste to provende“, wogegen sie versprachen in allen kaufmännischen Angelegenheiten ihm treu und beständig zur Seite stehen zu wollen, so konnte solche Erklärung doch nur beruhigend wirken[105]. Die von Kaiser Sigismund seit 1417 verhängten Handelssperren über Venedig haben nachweislich immer nur kurze Zeit tatsächliche Berücksichtigung gefunden[106]. So können also nur lähmend eingewirkt haben der Streit König Erichs von Dänemark mit den Holstenherren um das Herzogtum Schleswig, in den die Städte immerhin hineingezogen waren[107] und die gänzlich ungerechtfertigte Wegnahme von 40 hansischen Schiffen durch König Johann von Kastilien im Jahre 1420, die Schrecken genug einflößte[108]. Sie werden, da die Hanse überhaupt nach 1416 nicht so schnell in der Lage war eine energische Auslandspolitik wieder aufzunehmen, die Lage des Handels und der Kaufleute auf den Meeren und Märkten nachteilig beeinflußt haben[109]. Es ist bemerkenswert, festzustellen, wie diese allgemeinen Ereignisse und Wendungen das Schicksal des Einzelnen beeinträchtigten.
[XXXIII] So erklärt es sich, daß Hildebrand in Brügge in immer größere Verlegenheiten geriet. Während der Monate Januar bis Oktober 1417 allein kauft er für 466 Pfund vläm. und 900 Rhein. Guld. Wechsel, die seine Freunde in Hamburg, Lübeck, Danzig und London bezahlen sollen. Seinem Bruder Sivert klagt er wiederholt seine Not, der ihn jedoch kühl zurückweist und nicht müde wird zu versichern, daß er ihm ebenfalls nicht helfen könne. Wie arg die Bedrängnis Hildebrands gewesen sein mag, belegt wohl der Umstand, daß vom 1. Mai bis 30. Dezember 1418 aus Siverts Händen nicht weniger als 18 meist verhältnismäßig umfangreiche Briefe vorliegen, die als Antworten auf die an ihn herantretenden Wünsche des Bruders anzusehen sind. Immer beteuert Sivert dasselbe, daß ihm nämlich kein Geld zur Verfügung stände, um den Bruder zu retten.
In dieser Not nimmt Hildebrand seine Zuflucht zu den berufsmäßigen Geldverleihern in Brügge, zu den Lombarden, mit denen der Kaufmann ja überhaupt zu verkehren angewiesen gewesen zu sein scheint, ohne deren Hilfe er bei Überweisungen vielleicht nicht bestehen konnte. In den Hansestädten wurden sie nicht geduldet, in Frankreich und England während des Ende des 13. und zu Beginn des 14. Jahrhunderts auch nicht immer glimpflich behandelt. Bald verjagt, bald zurückberufen, fristen sie ein Dasein, das täglich aufs neue erschüttert war. In Brügge hatten sie sich seit geraumer Zeit Anerkennung zu verschaffen, seit 1281 die Erlaubnis zu dauerndem Aufenthalte zu erringen gewußt. Sie zahlten gewisse Abgaben und hatten das Recht, Leihbänke aufzuschlagen. Wohl unterschieden von den Wechslern oder wisselaers, die Geld und fremde Münzsorten umwechselten, hießen sie woukeraers und pflegten einen Zins von 2 Groten für das Pfund vläm. pro Woche zu nehmen[110]. In den hans.-venetianischen Handelsbeziehungen sind einige Namen von Trägern dieser Geldgeschäfte genannt. In den Briefen werden namentlich Mitglieder der Familie Spinghel genannt. Als zu ihr gehörende Geldleute erscheinen: Aron, den man heyt Hardement, Arnd, Benno, Joris, Nikolaus, Paul und namentlich Rafael. In den geschäftlichen Aufzeichnungen Hildebrands aus verschiedenen Zeiten, sämtlich undatiert, sind mehrfach Namen von solchen Persönlichkeiten aufgezeichnet, die wohl ebenfalls in die Kategorie dieser „dunkelen Ehrenmänner“ hineingehören[111].
Die Spinghels gehören zu einer aus Genua nach Flandern gekommenen Kaufmannsfamilie. In den Hanse-Rezessen und hansischen Urkundenbüchern aus der für uns in Frage stehenden Zeit sucht man Vertreter ihres Namens vergeblich. Wohl aber lassen sie sich von 1369 bis 1456 in Brügge nachweisen. Der Name wird ähnlich wie in den uns vorliegenden Briefen ganz verschieden geschrieben: Spinola, Spinghele, Spinula, Spinulli, Spinelli, Spingheel. Es ist indes kaum einem Zweifel unterworfen, daß man ihnen immer wieder Vertreter derselben Familie, die sehr weitverzweigt und zahlreich gewesen sein dürfte, vor sich hat. Um 1420 wird ein Jasper Spinula als „facteur du connestable de Castille“ bei Gelegenheit der Wegnahme [XXXIV] flandrischer Schiffe vor La Rochelle durch kastilianische Seeräuber genannt[112], und 1440 werden die Spinulas, die überhaupt als Genueser Kaufleute mehrfach bezeichnet sind, als „coopleden van Jeneven, wonachtich ter tyd van nu binnen der vorseide stede von Brugge“ charakterisiert[113]. In dem Zeitraum von 1369 bis 1450 sind in Brügge nicht weniger als 9 Repräsentanten tätig gewesen: Aselin, Benedikt, Franziscus, Jaspar, Jean, Jacques, Linel, Balthsar, Anton, Markus. Ja, ich glaube, daß man den 1456 auftauchenden Michel de Spinghelare ebenfalls der genannten Familie wird zuschreiben dürfen. Sie erscheinen als Waren-, Geld- und Wechselhändler, nicht immer in rühmlicher Weise betätigt. Balthasar Spinelli z. B. ist im Jahre 1369 beim Ankauf einer Partie Mandeln beteiligt, von der er wußte, daß sie auf unrechtmäßige Weise in den Besitz des Verkäufers gelangt war. Gleichwohl suchte er sie mit Gewinn für sich in Brügge abzusetzen. Olivier de la Marche rühmt 1468 bei Gelegenheit der Beschreibung der Hochzeitsfeierlichkeiten Karls des Kühnen mit Margarete von York den Eifer und den Glanz der genuesischen Handelsgesellschaften, von denen er die der Spinola als die Nebenbuhler der Fugger und der Weiser bezeichnet[114]. Tatsache ist, daß sie in den späteren Zeiten immer angesehener und gesuchter als Geldgeber wurden. Ein Spinula leiht 1572 den vier Gliedern von Flandern 100 000 Florins[115] und man weiß, daß sie in den Jahren 1573/75 die wichtigsten Geldleiher der spanischen Krone geworden waren[116].
In die Hände dieser schlauen Genuesen war Hildebrand geraten. Der „Gennefoster“ wird in einem seiner Briefe als derjenige bezeichnet, der ihn hatte ins Gefängnis setzen lassen.
Wie weit sich Hildebrand mit diesen Biedermännern eingelassen hatte, läßt sich ziffermäßig nicht zusammenrechnen. Nicht nur mit den Spinghels, sondern auch mit anderen Geldleuten stand er in geschäftlichen Beziehungen und es fragt sich immer, inwieweit die erhaltenen Nachrichten eine Beurteilung seiner wirklichen Lage erlauben. Aus seinen Handelsbüchern ergeben sich Geldgeschäfte, von denen in den Briefen nicht die Rede ist. Zweimal leiht er von Johann Fylyppe je 400 overländische Gulden, zu welchem Zins wird nicht mitgeteilt. In den Briefen tritt dieser Johann Fylyppe mehrfach hervor, im Jahre 1418 als Käufer eines von Hildebrand ausgestellten Wechsels auf London[117]. Später ohne Angabe des Jahres als Gläubiger Hildebrands mit dem Betrage von 73 Pf. 6 sl. 8 gr.[118]. Bei einer anderen Gelegenheit nahm Hildebrand auf die Dauer von drei Monaten 300 Dukaten auf, die er, wenn ich richtig gerechnet habe, mit 20% zu verzinsen hatte.
Genug, ohne in der Lage zu sein, zahlenmäßig seine Verpflichtungen feststellen zu können, unterliegt es keinem Zweifel, daß Hildebrand immer mehr in die Abhängigkeit von diesen Geldverleihern geriet. Ein Briefchen an „Sir Rafael Spinghel“, augenscheinlich aus der Zeit der größten Not, [XXXV] leider undatiert, atmet einen Ton tiefer Unterwürfigkeit und Demut, wie ihn eben nur der zur Schau zu tragen pflegt, dem das Messer an der Kehle sitzt[119]. Nach seinen Aufzeichnungen schuldete er dem Rafael 80 Pf. 9 sl.[120].
Alle die Jahre hindurch war Hildebrand längere Zeit offenbar nicht in Lübeck gewesen, wenigstens nach seinen Briefen zu urteilen. Nur für kürzere Zeit hatte er sich von Brügge entfernt, um die niederländischen oder vlämischen Städte Gent, Sluys, vor allem die Messe zu Antwerpen zu besuchen. Einmal war er im Auftrage des gemeinen Kaufmannes beim Kaiser Sigismund gewesen, eine Berührung, die ihm indes kein Glück brachte, obwohl er zu ihr vielleicht gerade deshalb ausersehen worden war, weil der König Ruprecht ihn im Jahre 1409 aus unbekannter Veranlassung mit einem Schutzbriefe begnadigt hatte[121].
Der hansische Kaufmann sandte 6 Vertreter an den römischen König, wie es den Anschein hatte, um ihm zum Regierungsantritt zu huldigen, „myt einen prosente eme to brengen“ und die ebenso geldbedürftige als unwirtschaftliche und verarmte Majestät benutzte die bequeme Gelegenheit, den sechs erschienenen Hanseaten ein Darlehen von 3000 Kronen abzunehmen. Allerdings versprach der gemeine Kaufmann den nach Brügge zurückgekehrten sehr wider ihren Willen zu kaiserlichen Gläubigern gewordenen Genossen, sie zu entlasten und die Schuld auf sich zu nehmen. Doch hatte es dabei sein Bewenden und Hildebrand hat die größte Mühe gehabt, seinen Anteil wieder zu erhalten. In den Briefen ist viel davon die Rede. Bis 1421 war ihm das nicht gelungen und möglicherweise lag auch in diesem Geschäft eine der Ursachen zu seinem Untergange.
Während er nun wahrscheinlich alle diese Jahre Lübeck nicht oder nur flüchtig gesehen hatte, jetzt, wo ihm die Wucherer auf den Fersen waren, entschloß er sich dahin zu reisen, vielleicht in der Hoffnung persönlich für Verbesserung seiner Lage tätig sein zu können. Von Tag zu Tag den Ritt aufschiebend, wie aus den Briefen an seine Frau erhellt, traf er endlich im September 1419 in Lübeck ein. Mit seinen Geschäftsfreunden Dietrich Borgher und Tidemann Brekelvelde hält er sofort Abrechnung, die ihm indes wohl über die Schwierigkeit seiner Lage die Augen öffnen mochte. Lange hielt er sich denn auch nicht in Lübeck auf. Er fand augenscheinlich bestätigt, was Sivert ihm oft genug geschrieben, daß man auf seine Freunde sich nicht verlassen könne, daß in Lübeck bare Mittel nicht vorhanden seien und dergleichen beängstigende Tatsachen mehr, die ihm schon bekannt geworden waren. Auch war ja die erste Zeit nach der Wiedereinsetzung des Rats in Lübeck dem Handel, wie oben schon auseinandergesetzt wurde nicht sehr günstig. Somit fand Hildebrand den Boden von Lübeck für seine Bestrebungen nicht geeignet und kehrte nach wenigen Wochen nach Brügge zurück. Hier hatte sich unterdessen die Lage für ihn nicht gebessert. Geld hatte er nicht mitgebracht. Täglich machten sich neue Forderungen geltend. In dieser Not dachte er an einen Ausweg, den schon mancher Schuldner vor ihm ergriffen hatte: er sann auf Flucht. Sorgsam bereitet er alles zu [XXXVI] ihr vor. Durch einen Läufer schickt er an seinen Freund Bokel in Köln ein Packen Kleidungsstücke, „umme my to vorwarende“, wie er naiv in seinem Handelsbuche bemerkt und läßt andere Kleider und Hausgerät durch einen Vertrauten verkaufen. Seine Absicht war, in der Pfingstmesse, die im Jahre 1421 auf den 11. Mai fiel, wie alljährlich nach Antwerpen zu gehen und von dort aus auszurücken.
Man darf ob dieser Absicht über Hildebrand nicht zu streng urteilen. Denn die Absicht war nicht, sich dauernd seinen Verpflichtungen zu entziehen, sondern nur ferne von den Zugriffen seiner Gläubiger in Ruhe die Schulden abwickeln zu können. Die Flucht eines Bankerotteurs mochte in jener Zeit um so weniger schlimm angesehen werden, als er im fremden Lande saß, wo wenige ihn kannten, wenige wußten, wo er eigentlich zu Hause war, und gegen ihn daher von Rechts wegen um so härter vorgegangen werden konnte, während er nichts anderes wollte als Zeit gewinnen, um seinen Verbindlichkeiten gerecht werden zu können. In jener Zeit war es, daß Sivert Veckinchusen an seinen Bruder über einen ähnlichen Vorfall berichtete: „Tydeman Swarte es myt kleyner ere van hyr und here havet syk wol to wachten, syne schuldenere hebben em naschycket und wellen 500 gulden vorteren eder en in venknisse to brengen“. Aber so entrüstet das klingt, so fügt der bedachtsame Mann hinzu, da er überlegt, daß Swarte möglicherweise mit Hildebrand, zu dem er doch Geschäftsverbindungen unterhielt, Rücksprache nehmen könnte: „darumme warnet en also gy best kunnen“. Bei Hildebrand kam hinzu, daß er, obwohl er ja seine Lage durch zu große Waghalsigkeit verschuldet hatte, durch die Beziehungen zu den Wucherern übermäßig hohe Verpflichtungen auf sich geladen haben mochte.
Zur Ausführung seines Plans kam es jedoch nicht. Sein Hauswirt in Brügge, Jakob Schotteler, wußte durch geschickte Überredung und Vorspiegelung falscher Freundschaft ihn von seinem Vorhaben abzubringen.
Die Schottelers oder Scuetelare, wie ihr Name vlämisch lautete, gehörten zu einer angesehenen Familie in Brügge. Ein Jacob de Scuetelare wird 1332/1333 als Schöffe in Brügge genannt und beinahe 100 Jahre später sind in der Zeit von 1403—1412 ein Lievin und ein Lubrecht als Schöffen und Bürgermeister erwähnt[122]. Ein Ratmann Jakob Schotelare wurde gegen 1379 von Brügge zu Verhandlungen mit dem Orden nach Preußen entsandt[123]. Über einen Lubbert Scoteler, der den von ihm beherbergten Kaufmann übervorteilt hatte, wird 1387 Klage geführt[124]. Ob nun der mit Hildebrand Veckinchusen geschäftlich verkehrende mit dieser Familie verwandt war, läßt sich freilich nicht nachweisen. Er hatte nach der Sitte der Zeit ihm und Engelbrecht Veckinchusen sein Haus als Herberge geöffnet und war damit verpflichtet, für etwaige Schulden seiner fremden Gäste die Verantwortung zu tragen. Genug, als er merkte, daß Hildebrand in geschäftliche Schwierigkeiten geraten war, und dieser sich nach seiner Gewohnheit zur Messe nach Antwerpen begeben hatte, schrieb er ihm, um ihn zur Rückkehr nach Brügge zu überreden. Seine Gläubiger wünschten sich [XXXVII] mündlich mit ihm besprechen zu können. Die nächste Veranlassung war ein Betrag von 9 Pfund 10 sl. gr., die ein Mann von Hildebrand zu fordern hatte, der nun in dessen Abwesenheit glaubte, sich an den Hausbesitzer und Herbergsvater Schotteler halten zu dürfen. Engelbrecht Veckinchusen, der mit Schotteler die Angelegenheit erörtert hatte, riet seinem Vetter davon ab, dem Drängen Schottelers nachzugeben. Er hielt ihn nicht für zuverlässig. „Wo et ju gynge, dar en solde he nicht vele umme geven“, schrieb er dem Vetter aus seiner vollen Kenntnis der Persönlichkeit ihres Wirts, bei dem sie längere Zeit gewohnt haben mochten. Engelbrecht, den Hildebrand ersucht hatte, den verhältnismäßig geringen Betrag von 9 Pfund für ihn zu bezahlen, lehnte dies ab mit der Begründung, daß diese Schuld ja nicht die einzige wäre, die auf Hildebrand lastete. Daher wäre es zweckmäßiger, wenn Hildebrand seine Gläubiger einlüde nach Antwerpen zu kommen, um sich dort mit ihnen über einen tunlichst weit anzusetzenden Zahlungstermin aller Verbindlichkeiten zu einigen[125].
Leider schenkte Hildebrand diesen gutgemeinten Vorstellungen kein Gehör, sondern folgte den einschmeichelnden und dringlichen Vorstellungen des ungetreuen Vlamen. Schotteler bat und drohte. In beweglichen Worten bat er, ihn nicht für die von Hildebrand kontrahierten Schulden büßen zu lassen. Hildebrand hätte an ihm stets einen guten Hauswirten gehabt. Er erinnerte den Abwesenden an die Freundschaft, „die ic hu hier in ghedaen hebbe“. Er habe den Gast in seinen Händen gehalten und doch ziehen lassen, weil er sich einer solchen Handlungsweise, nämlich den Wirten für ihn zahlen zu lassen, von ihm nicht versehen hätte. Er müsse alle Tage auf die Schöffenkammer „om huver scult wille, niet om de miene“[126].
Waren es diese drangsalierenden und den Empfänger beunruhigenden Briefe, die an seiner Redlichkeit Zweifel zu hegen schienen, oder ein gleichzeitig an ihn aus Lübeck gelangendes Schreiben, in dem ein Freund ihm riet, sich mit seinen Gläubigern in Brügge gütlich auseinanderzusetzen — genug, Hildebrand gab seinen Plan auf und ließ sich dazu bewegen nach Brügge zurückzukehren. In der Herberge „zur Gans“ in Antwerpen, derjenigen, die am Kornmarkt lag, schloß er in Anwesenheit verschiedener Freunde, Johannes Visch, Johannes Bokel, Erwin van Espen, Engelbrecht Veckinchusen, Evert vam Schide und des Klerks des gemeinen Kaufmanns in Brügge, Heinrich vam Hope, der wahrscheinlich als offizielle Persönlichkeit mit zugezogen war, einen Vertrag, laut dem Schotteler ihm die persönliche Sicherheit gewährleistete. Der Vlame verlangte die Rückkehr Hildebrands nach Brügge behufs mündlicher Auseinandersetzung mit seinen Gläubigern. Er sagte ihm zu: „he solde ongelettet blyven van eme unde he enwolde nicht arghes an eme keren noch syn verreder syn“. In seinem Garten (heester), den er ihm zur Verfügung stellte, könnte er sich frei vor den Nachstellungen seiner Gläubiger aufhalten. Auch auf der „Freiheit“ beim Propste und im Kloster könnte er die gleiche Sicherheit genießen und Schotteler riet sogar, den letzteren Aufenthalt zu wählen. Er stellte ferner in Aussicht, ihm bei der Abwicklung der Geschäfte behilflich sein zu [XXXVIII] wollen und, falls dies nicht gelänge, ihm aus dem Lande zu helfen. „Dat he wolde Hildebrand behulpelich wesen to degedingen met zijnen schuldenars, mochte he sick met en voreffenen wol int goede; konde he niet, he wolde eme bystendich zijn ut den lande to komene“[127].
Auf diese Abmachungen gestützt und im vollen Vertrauen auf die Zuverlässigkeit des ihm seit geraumer Zeit bekannten Mannes kehrt Hildebrand nach Brügge zurück. Hoffnungsvoll schrieb er seiner Frau im November 1421, daß er auf einen guten Ausgang rechne, wenn er auch zur Zeit noch nichts mit Sicherheit melden könne: „dat stet noch al op ein pas … ick hebbe es 1 einde, God mote my das gunen unde men doyt my al umme nicht fel“[128]. Indes der nächste Brief, 6 Wochen später, vom 13. Dezember klingt weniger zuversichtlich. Er bittet seine Frau, sich in allem darnach zu richten, wie er ihr geschrieben, „wante ick kan dy noch nicht scryven, wan ick myn einde hir hebben kan“. Aber wenn er dann weiter Bestimmungen über seine Kinder trifft, der Frau ans Herz legt, sie ordentlich zu halten, „dat see doghet unde ere leren“, und ihr empfiehlt, sich mit allen Freunden gut zu stellen, so ruft das den Eindruck hervor, als ob er an dem guten Ausgang seiner Angelegenheit zu zweifeln begänne. „Ick moyt myne sake wysseliken beleyden met vrende rade; des mogte my de almechtige God gunen, dey moyte uns troes sin in allen unsen saken, amen.“[129] Dem gegenüber verlor Frau Margarethe zunächst den Mut nicht[130]. Allerdings ist auch sie weinerlich gestimmt, klagt darüber, daß die Freunde ihr nicht helfen wollen und sie sich kümmerlich durchschlagen müsse. In ihrer Herzensangst ruft sie die Hilfe des Herrn an, „de gekomen is to enem troste hemmel unde erden, de mote uns trosten, also syn ewighe wille is unde helpe uns all unses lidendes to enem saligen ende.“ Aber sie denkt doch so wenig auf einen ungünstigen Abschluß, daß sie den Gatten am Ende des Briefes um Zusendung von zwei Riechäpfeln (2 appel, dar men plecht to rukende) bittet und sogar einen Auftrag für Schotteler hat, indem sie von ihm Augenwasser wünscht. Der Zusatz „des behove ik wol“ läßt auf ihre Traurigkeit schließen, die sie zu vielen Tränen veranlaßt.
Es kam denn auch anders, als Hildebrand und seine Freunde beim Abschluß des Vertrages angenommen hatten. Die erwarteten Gelder trafen nicht ein. Die Abwicklung der Geschäfte ließ sich nicht in dem Maße bewerkstelligen, als es für die Bezahlung der Schulden erforderlich war — kurz, die Gläubiger entschlossen sich, den säumigen Zahler ins Gefängnis, den sogenannten Stein, setzen zu lassen. Dieses Schuldgefängnis bestand aus einem oberen Stockwerk und einer Dunkelkammer, deren besondere Bestimmung nicht ersichtlich ist. Das obere Stockwerk wies eine Reihe kleiner Gemächer (camerkins) auf, die nur durch einen Vorhang verschlossen waren, damit die Eingesperrten jederzeit ohne Zwang beaufsichtigt werden konnten. Hier befand sich auch eine Kapelle und vermutlich ein oder mehrere größere Räume. Der Gefangene konnte sich als Schlafraum entweder eins der Kämmerchen mieten gegen einen wöchentlichen Zins von 5 Groschen [XXXIX] oder im allgemeinen Wohnraum sein Nachtlager aufschlagen. Wenn er im letzteren Falle sein eigenes Bett mitbrachte, hatte er für dessen Aufstellung nichts zu entrichten. Er konnte auch ein Bett mieten. Die Verpflegung der Gefangenen geschah auf deren Kosten. Der Steinwärter mußte für gute Beschaffenheit der Speisen Sorge tragen: gutes Brot, gutes Bier, Suppe und eine Schüssel je nach der Jahreszeit in genügender Menge. Im übrigen war die Hausordnung streng. Würfel und „andere odieuse spelen“ waren den Insassen nicht erlaubt. Nur um das Getränk bei Tisch durfte gespielt werden. Zu den drei großen Festen des Jahres konnten die Inhaftierten durch Gnade des Fürsten und des Magistrats zeitweilig herausgelassen werden[131].
In diesem Kerker schmachtete Hildebrand vier Jahre. Das erste der in ihm abgefaßten Schreiben stammt vom 1. Februar 1422, datiert „Brugghe op den sten“. Ein aufrechter Mann, wie er war, ließ er sich durch sein Schicksal zunächst nicht niederdrücken. „Hebbe guden moyt unde lat uns Gode dancken van al“ schreibt er seiner Frau. „Mach my ghelyk unde recht scheyn, so wel ick met der hulpe Godes noch doent also utrychten, also dat ick vor Gode unde der meynen werlt wel bekant sin.“ Gelassen prüft er die Sachlage, inwieweit die Freunde ihm werden helfen können, Godeke Vasan, Ratsherr in Thorn, der an dem Geldgeschäft mit Kaiser Sigismund beteiligt war, handelte an ihm unrecht, insofern er von dem zurückerhaltenen Gelde den anderen nichts zukommen ließ. Hildebrand behauptete, noch größere Summen (grot ghelt) beanspruchen zu dürfen. Vor allen Dingen beschwert er sich bitter über die Haltung seines Bruders Sivert, der ihm hätte helfen können, aber vorgezogen habe, ihn seinem Schicksale zu überlassen. Indes er will doch nichts gegen ihn unternehmen, denn Uneinigkeit zwischen Brüdern und Freunden tauge nicht. „Darumme so moyten wy lyden so wy best moghen, my dunket dat et wol anders mochte sin met velle saken, alle man kommet nicht met den besten hirto. God vorgheve al mysdat[132]“.
Über Jakob Schottelers Haltung war er nachgerade ins klare gekommen. „Woy dat my Jacop Scotteler handelt hevet“ vertraut er seiner Frau an, „dat sal dy wol bet to weten werden dan du noch weten maghest“. Auch bei den Geschäftsfreunden fand das Vorgehen des rücksichtslosen Vlamen keine Zustimmung, „wie uch Jacop Schotteler also jaemerlichen vorkauft unde vorraeden haet“ schrieb ihm sein Neffe, Kornelius Veckinchusen, aus Köln am 31. Januar 1423[133], „daz ir noch gheiner van unsserme slecht nyee umme em vordient haet, doch daz ist my trouwelich leit.“ Wie ingrimmig Hildebrand selbst über Schotteler dachte, erhellt aus einer undatierten Aufzeichnung über einen Besuch, den ihm dieser im Gefängnis machte[134]. Die Meinung, daß ihm von Seiten Schottelers Unrecht geschehen sei, wurde [XL] von anderer Seite geteilt. Die Stadt Lübeck verwandte sich in Brügge für ihren Mitbürger[135]. Hildebrand selbst machte ebenfalls Eingaben, um seine Freilassung zu erwirken[136]. Es war alles vergeblich. Der Unglückliche mußte seine Zeit aushalten. Darüber stieg seine Erbitterung immer mehr, und in zornigen Briefen an seine Frau ließ er sich namentlich über seinen Bruder, indes auch über die anderen Freunde aus. In sanften Worten verweist ihm noch am 21. Februar 1426 in dem, wie es scheint, letzten Briefe, den sie an den armen Mann im Gefängnis richtete, seine Frau solches Tun. „Ome Godes wyllen en scryvet nycht mer so klactlike breve over jowen broder unde over ander wrende mede, want gy maket vrunde to vynande.“ Sie lobt auch den Schwager, ohne den sie in die größte Bedrängnis geraten wäre. Er hätte ihr für sich und die Kinder den nötigen Unterhalt ausgeworfen[137]. Endlich schlug die Erlösungsstunde. Nach einer Rechenschaft, die Engelbrecht Veckinchusen im Jahre 1428 über die Ausgaben aufstellte, die er im Interesse Hildebrands während seiner Haft gemacht hatte[138], würde er am 16. April 1425 die Freiheit erlangt haben. Wenigstens hat Engelbrecht am 15. April mit dem Gefängniswärter Johann Rok über die durch die Verpflegung entstandenen Unkosten abgerechnet. Wäre Hildebrand damals noch im Kerker geblieben, so hätten mehr Verpflegungskosten gezahlt werden müssen. Darauf deutet auch die Bemerkung der Frau Margarethe in ihrem Briefe vom 21. Februar 1426: „hedde yck et geweten, dat gy nycht wolden to hus gekommen hebben“. Augenscheinlich ist Hildebrand nach erlangter Freiheit nicht sofort von Brügge abgereist, sondern hat sich zu weiterem Aufenthalte entschlossen, sei es, daß ihm bare Mittel fehlten, sei es, daß er meinte, die Abwicklung seiner laufenden Geschäfte von Brügge aus besser in die Wege leiten zu können. Die beiden Briefe Siverts vom 24. Juli und 7. September 1425 reden ebenfalls zu, Brügge aufzugeben und nach Lübeck zu kommen. Nirgends sei zur Zeit Hildebrand besser aufgehoben als in Lübeck[139]. Einige Zeit widerstand Hildebrand diesem Drängen, ob in verbissenem Grolle und aus Abneigung, alle die wiederzusehen, die sich nach seiner Ansicht unfreundlich und häßlich gegen ihn bezeugt hatten, ob in bewußter Überwindung der Sehnsucht nach seiner Familie behufs nachhaltigerer Wahrnehmung seiner Geschäfte, muß unentschieden bleiben. Am 1. Mai 1426 begab er sich endlich nach Sluys, und von dort sollte er nach Lübeck heimwärts segeln. Wie es kam, daß er solange im Kerker bleiben mußte, vom Januar 1422 bis April 1425, lassen die Briefe nicht erkennen. Daß die Freunde ihm nicht helfen wollten, halte ich für ausgeschlossen. Sie waren nicht in der Lage dazu. Obgleich er sich nach vielen Seiten hinwandte, hier mahnte, dort an eine längst vergessene Schuld erinnerte, oder um Unterstützung bat … immer wieder trafen ablehnende Antworten ein. Auf die livländischen Verwandten wie auf Sivert war Hildebrand nicht gut zu sprechen. Sie waren nach seiner Auffassung in der Lage zu helfen und taten es doch nicht. „Wat hebben sey“, schreibt er seiner Frau von den livländischen Verwandten, [XLI] „uns to vrentschoppen don in unsen noden, alsolde ick van hunger sterven unde du darmyt unsen, sey solden uns nicht vel doget doen“. Wodurch dann schließlich die Befreiung bewirkt wurde, geht aus den Briefen ebenfalls nicht hervor. Man kann nur glauben, daß die Gläubiger sich von der Uneintreibbarkeit ihrer Forderungen schließlich überzeugt haben werden und ihn dann laufen ließen, in der sicheren Erwartung, daß er, dem freien Leben und seiner Tätigkeit zurückgegeben, eher in die Lage kommen würde, seinen Verpflichtungen zu genügen. Die Verwendungsschreiben aus Lübeck, die schon auf das Jahr 1422 zurückführen, sind offenbar ohne Wirkung geblieben.
Lange hat Hildebrand sich der wiedergewonnenen Freiheit nicht mehr erfreut. Als ein gebrochener Mann verließ er das Gefängnis, in das er ohne unmittelbare Schuld gekommen war. Die Rechenschaftsablegung des Engelbrecht Veckinchusen vom 2. Februar 1428 spricht von ihm als einem Gestorbenen[140]. Ob er Lübeck noch erreicht hat, ob er auf der Reise unterging, ob sein durch die lange Haft geschwächter Körper den Anstrengungen ferneren Lebens nicht mehr gewachsen war, wir wissen es nicht und können darüber keine Klarheit verschaffen.
Engelbrecht hatte für ihn während der Haft im ganzen den Betrag von 53 Pfund 18 sl. 6 gr. ausgelegt, aber nur etwas mehr als die Hälfte, im ganzen 36 Pfund wieder erhalten. Ein Teil des Betrags hatte dadurch aufgebracht werden können, daß Hildebrands Kleider verkauft werden konnten, die nur leider, weil sie schlecht aufbewahrt, gelitten hatten und verdorben waren, nicht viel mehr einbrachten. Den Rest zu tilgen bittet Engelbrecht den Vetter Sivert. Er solle die Schwägerin dazu anhalten, daß sie ihm die Schuld berichtige. Ob die schwer geprüfte Frau dazu in der Lage gewesen ist, entzieht sich unserer Kenntnis.
Über die Schicksale der Nachkommenschaft Hildebrands verlautet nichts. Inwieweit die noch mitgeteilten testamentarischen Nachrichten herangezogen werden können, wurde schon eingangs hervorgehoben. Frau Margarethe Veckinchusen lebte im Jahre 1433 noch. Ihre pekuniären Verhältnisse scheinen nicht befriedigende gewesen zu sein. Immer noch beschäftigten jene hundert Mark ihrer Morgengabe, die angeblich nie entrichtet worden waren, die Gemüter. Sie scheint den Bruder um die Berichtigung der Summe gebeten zu haben, der dann hoch und teuer erklärte, daß er nicht in der Lage sei, etwas herzugeben, und außerdem die Angelegenheit längst geregelt wäre[141].
Es ist die Lebensgeschichte eines gewöhnlichen Kaufmanns, die wir an der Hand seiner Briefe verfolgen konnten, nicht die einer geschichtlichen Persönlichkeit. Und doch verleiht die lange Schuldgefangenschaft seinem Schicksal einen über das Alltägliche hinausgreifenden Anstrich, einen beinahe tragischen Charakter. Der ganze Zuschnitt seiner Person ist ein größerer als man ihn bei Alltagsmenschen erwartet. Er wollte höher hinaus als andere, er strebte weiter und blickte schärfer als seine Umgebung. [XLII] Daß er unterliegen mußte, fallen im unrühmlichen Kampfe gegen die gemeine Not des täglichen Lebens, sichert ihm unser Mitgefühl auch noch 500 Jahre nach seinem Tode. Viele derartige Männer, die so wie er die Bezeichnung eines Großkaufmanns verdienen, wird die Hanse schwerlich hervorgebracht haben.
Unter den Korrespondenten des Hildebrand Veckinchusen ragt sein Bruder Sivert hervor. Von ihm allein rühren mehr als hundert Briefe, die er in den Jahren 1410—1425 verfaßt hat, wohl alle selbst geschrieben, da in allen die gleiche Hand wiederkehrt. In der Hauptsache sind auch seine Schreiben Geschäftsbriefe, die über den Empfang und die Absendung von Waren, ihre Preise, den mehr oder weniger günstigen Absatz und dergleichen mehr berichten. In sehr ausführlicher Weise legt er Rechenschaft ab über den Stand der gemeinsam mit dem Bruder oder mit anderen in Angriff genommenen und durchgeführten Geschäfte, bespricht die Marktverhältnisse, erörtert die Konjunkturen, die hier zum Versuche mit einem Artikel raten, dort von ihm absehen lassen. Die Politik wird nur gestreift. Sofern Kriegsunruhen die an und für sich geringe Sicherheit der Land- und Seestraßen noch mehr zu beeinträchtigen drohen, oder sofern, wie es in Lübeck 1409—16 der Fall war, der Wechsel im Stadtregiment den gedeihlichen Fortgang des Handels hemmte, ist die allgemeine Lage berührt. Betrachtungen über die Heilsamkeit dieser oder jener handelspolitischen Maßregel, eines neuen Zolls, einer veränderten Münze sind selten. Übrigens enthalten Siverts Briefe nicht nur Handelsnachrichten. Die Vorkommnisse im Verwandten- und Freundes-Kreise, die Gesundheit der Angehörigen, eine Verlobung, ein ungeratener Sohn bieten Stoff zu Mitteilungen, wenngleich diese an Raum hinter den anderen weit zurückstehen. Ausführlich wird er in diesen Privaterlebnissen nur einmal, als er eine zweite Ehe eingehen will und in einer vertraulichen Auseinandersetzung, deren Geheimhaltung er dem Bruder dringend ans Herz legt, die ihm vorgeschlagenen Bräute Revue passieren läßt. Vermögen und einflußreiche Verwandtschaft geben bei der Wahl den Ausschlag[142].
Sivert Veckinchusen macht zuerst im Jahre 1395 von sich reden. Er erscheint in Brügge als Miteigentümer derjenigen Baulichkeiten, die später in den Besitz der Hanseaten übergingen und an deren Stelle um die Mitte des 15. Jahrhunderts das Osterlingehaus errichtet wurde[143]. Es handelte sich um drei Häuser, die von Joris van Rüssel gekauft worden waren im Kurzen Ghenthof bei der St. Gillisbrücke, von deren Wert der vierte Teil auf seinen Namen eingetragen war. Er übertrug nun seinen Anteil auf die Gesellschaft des Johannes van dem Broke und Heinrich Rathaus[144]. Indes war damit keineswegs sein Fortgang aus Brügge verbunden. Vielmehr ist er auch noch vier Jahre später, im Jahre 1399, in dieser Stadt nachweisbar [XLIII] in einer Vertrauensstellung als Ältermann[145]. In Lübeck erscheint er zu Beginn des 15. Jahrhunderts und entwickelt alsbald eine rege Tätigkeit, die den gewandten und unternehmenden Kaufmann kennzeichnet. Ihre ersten Spuren begegnen in Anerkenntnissen von Schuldverbindlichkeiten, die er mit anderen, also wohl in einer Handelsgesellschaft, auf sich genommen hatte[146]. Von Lübeck aus spinnen sich dann die Fäden seines Verkehrs nach Osten, in die livländischen Städte und bis Nowgorod sowie nach Westen bis Brügge. Als 1407 ein Hansetag in Lübeck abgehalten wurde, auf dem als Vertreter Rigas Tidemann van Nyenlo erscheint, ging diesem zwar nicht sein Reisegeld aus, aber Livland wurde zugemutet, sich an den Kosten für die Ausrüstung der Friedensschiffe zu beteiligen, und solchen Betrag führte er nicht mit sich. Livland sollte 300 Mark Lüb. bezahlen, und da dieses Geld bar entrichtet werden mußte, war Sivert Veckinchusen der freundliche Helfer in der Not. Von ihm liehen die livländischen Gesandten 200 Mark Rig., die in Dorpat für ihn bezahlt werden sollten[147]. Zeigt sich schon hierin eine nicht gering zu schätzende Ausdehnung seines Geschäfts, so wird sein bedeutender Umfang erst recht klar aus der Rechenschaft, die Hartwig Stenhus in Riga ihm am 20. Dezember 1407 ablegt[148].
Wir wissen schon, wie der Handel jener Tage sich zu vollziehen pflegte. Heute handelt jeder Kaufmann auf eigene Rechnung und Gefahr. Bei Versendung der Ware zu Schiff oder auf der Eisenbahn schützt man sich gegen drohende Verluste durch Versicherung. Und um bei Konsignationen oder Sendungen auf Bestellung nichts einzubüßen, läßt man sich nur mit solchen Personen ein, über deren Kreditwürdigkeit Zuverlässiges bekannt ist. Anders damals. Wenn auch zu Beginn des 15. Jahrhunderts jene Periode, in der der Kaufmann die Ware in Person begleitete, fast überwunden war, weil der lebhafte Austausch der Erzeugnisse zwischen westlichen und östlichen, nördlichen und südlichen Ländern es untunlich machte, überall anwesend sein zu wollen, so hatte dafür der Gesellschaftshandel sich eingestellt. An ihm ist Sivert in großem Umfange beteiligt.
Im März des Jahres 1399[149] war Hildebrand Veckinchusen vorübergehend in Nowgorod und empfing dort 13 Ypersche Laken, die er gegen Pelzwerk — je zwei Stück für eintausend Schönwerk — verkaufte. Das Pelzwerk wurde, sorgsam in eine Tonne verpackt, an einen Geschäftsfreund in Reval, Johannes Stoltevot, geschickt, der es zu Schiff an Sivert’s Adresse in Lübeck beförderte. Dafür sandte Sivert im nächsten Jahre nach Livland 4 Terlinge und ein Stück Tuch im Werte von 132 Pf. vl. Diese Tuchsendung wurde, da mittlerweile Hildebrand nach Brügge übergesiedelt war, an einen Schwager der beiden Brüder, Hildebrand van den Bokel in Dorpat adressiert, der wieder für den Erlös am genannten Orte 15 000 Schönwerk erstand und es Hildebrand nach Brügge zusandte. So waren vier Kaufleute in Lübeck, Nowgorod, Dorpat und Brügge miteinander in Verbindung gewesen.
Solche Geschäfte wurden, je nachdem die Mittel es erlaubten, mehrfach gleichzeitig unternommen. Im Jahre 1400 hatte Sivert Veckinchusen [XLIV] einen Kaufmann in Brügge, Bodo van Stochem, mit der Summe von 2800 Mark „widerlegt“, d. h. zu einem Geschäft, dessen Gegenstand leider nicht angegeben ist, diesen Betrag eingeschossen. Der Gewinn war bei solchen Geschäften häufig ein beträchtlicher, so wenn Sivert im April 1401 640 Mark für sich und einen Bruder zu einer Unternehmung beisteuert und bei der Abrechnung 800 Mark zurück erhält.
Am lebhaftesten betrieb er zu dieser Zeit den Handel nach Livland, wobei indes stets der Anschluß nach Flandern im Auge behalten wird, vermutlich, weil der deutsche Markt nicht zur Aufnahme der livländisch-russischen Waren ausreichte oder wenigstens nicht zu den Preisen, wie unsere Kaufleute sie wünschten oder erwarteten. Am 20. Dezember 1407[150] übersandte der erwähnte Geschäftsfreund, Hartwych Stenhus, aus Riga einen Bericht über den Stand ihrer Angelegenheiten. „Vruntlike grote myd Gode Sivert, leve vrunt“, so beginnt das Schreiben, „dy genoghe tho weten, dat ich dy hyrna rekenscap scrive, wes ich ontfaen unde weder gesand hebbe van unser zelscap vegen.“ Und nun folgt die Aufzählung der einzelnen Gegenstände. In Riga waren eingetroffen Tuche aus Hildesheim, Schwerin und Wismar, aus St Omer, aus Kampen und verschiedenen flandrischen Orten, die bis nach Pleskau vertrieben werden mußten, Leinwand, Messing, Salpeter, Schwefel und Zucker. Von Riga wurden ausgeführt: Wachs, Roggen, Wagenschoß, d. h. bestimmte Stücke astfreien Eichenholzes von gewisser Länge und Dicke, Kabelgarn, Pelzwerk. Der Wert der einzelnen Warenpartien ist recht ansehnlich. Siebzehn Last Roggen stellen ohne Fracht, aber mit sonstigen Unkosten einen Wert von 59½ Mark Rig., vierzehn andere Lasten einen solchen von 45½ Mark Rig. dar[151]. Im ganzen repräsentiert der in Riga eingekaufte Roggen mit allen Unkosten bis ins Schiff den Wert von etwas mehr als 109 Mark Rig. Eine Tonne Schönwerk hat einen Wert von 183 Mark Rig. Zwanzig Stücke Thomassche Laken kosten 185½ Mark Rig. Man darf bei diesen Beträgen nicht übersehen, daß die Kaufkraft des Geldes damals erheblich größer war, als in Deutschland 500 Jahre später vor dem Kriege.
Zur Begleichung der hierbei entstehenden Verbindlichkeiten bedient sich Sivert ebenso wie sein Bruder Hildebrand der Wechsel, Schuldscheine, Tratten oder sogenannten Überkaufe. So weist Sivert von Frankfurt a. M. aus am 20. März 1420 seinen Bruder Hildebrand in Brügge an, eine Summe von 400 Rheinischen Gulden, die er von Johann Pot genommen hatte, einem gewissen Everd van Megen in Brügge zu bezahlen[152]. Und gleichfalls von Frankfurt a. M. aus bittet er am 8. April 1411 seinen Bruder Hildebrand in Brügge dem Peter Kuper von Antwerpen, der ihm 400 französische Kronen gegeben hatte, diesen Betrag aushändigen zu wollen[153]. Peter Kuper wiederum erhielt von Sivert Veckinchusen und Heinrich Slyper zusammen die Bescheinigung, daß sie von ihm 400 Kronen erhalten hatten, die in der kommenden Herbstmesse in Brügge bezahlt werden sollten[154]. Ein Fremder, der für die beiden Schuldner die genannte Summe bezahlen [XLV] sollte, ist in der Schuldverschreibung nicht genannt. Die Ausdehnung seiner Geschäfte nötigt ihn dabei, sich nach fremdem Leihkapital umzusehen. Seinen Geschäftsfreund in Riga beauftragte er, dort für ihn 300 bis 400 Mark „up rente“ aufzunehmen, d. h. zu leihen. Leider war aber in Livland die Zeit ungünstig und der Geldmarkt nicht flüssig. „Dat gelt is hyr binnen einem jare so leyf geworden und dure, dat du des nicht enloves“, mußte ihm der Rigenser antworten.
Der Mangel an barer Münze hat gewiß dabei mitgewirkt, wenn der Verkauf der Waren nur zu oft auf Borg erfolgte, wobei nicht selten auffallend lange Termine zugestanden wurden. Anfang Dezember 1409 in Lübeck verkaufte zwei Terlinge Tuch sollen in drei Terminen bezahlt werden: zu Weihnachten des laufenden Jahres, zu Fastnacht des folgenden (8. Februar 1410) und zu Pfingsten (am 11. Mai)[155]. Um ähnlich ausgedehnte Termine handelt es sich bei dem Feigengeschäft in den Jahren 1420—25, bei dem 17 Personen angeführt werden, die zusammen 50 Körbe Feigen schuldig geblieben waren, aber mittlerweile verstorben oder verarmt waren[156]. Für Tuche, Reis und Kümmel, die an einen Kaufmann in Stockholm verkauft worden waren, hatte das Geld zu Michaelis, spätestens zu Martini 1407 in den Händen Gerwin Marschedes sein sollen, war jedoch bis zum 17. Dezember noch nicht an ihn gelangt[157]. Auf der Fastnachts-Messe in Frankfurt a. M. 1412 klagt Sivert, daß er das ihm aus Brügge zugesandte Brasilienholz zum geringsten Teile gegen bares Geld absetzen könne[158]. Von einer Messe wurde meist bis zur anderen kreditiert, sehr oft an Leute, die ihren Wohnsitz außerhalb des Meßortes hatten und deren Wiedererscheinen zu dem neuen Termine mitunter Zweifeln begegnen mochte. Im Oktober 1417 berichtet Sivert seinem Bruder, daß er zweitausend Schönwerk bis zur nächsten Fasten-Messe auf Borg abgegeben hätte[159]. Unser Kaufmann war von sich aus selbstverständlich nicht in der Lage hierin Wandel zu schaffen. Daß indes in solchem ungebührlich ausgedehnten Geschäftskredit etwas Ungesundes lag und man sich vor der Kreditgewährung tunlichst hüten mußte, hatte er richtig erkannt. Seinem Bruder Hildebrand schreibt er „wand ic wet wol, dat an den borchgude neyn wynnyge kan wesen und dey borch nemet dey bate eynwech“[160]. Gleichwohl vermochte er die gefährliche Klippe nicht immer selbst zu umschiffen, sondern mußte sich seines Kredits ebenfalls bedienen. Im Lübecker Niederstadtbuch kommt er in den Jahren 1401—1409 mehrfach als Schuldner vor und meist mit größeren Beträgen. Nur einmal zeichnet er allein als Schuldner. Gewöhnlich ist er Mitglied einer Gesellschaft von 2 oder 3 Kaufleuten, die die Schuld auf sich nimmt. Auf seine Vermögensverhältnisse braucht daraus kein ungünstiger Schluß gezogen zu werden. Denn er erscheint auch als der bereitwillig vorschießende Kapitalist, wie im Juni 1407 gegenüber den zur Tagfahrt nach Lübeck gekommenen livländischen Sendeboten[161].
Von Unglücksfällen, wie sie den Kaufmann gelegentlich heimsuchen, bleibt Sivert Veckinchusen nicht verschont. Doch haben diese seine Stellung [XLVI] in der Handelswelt nicht erschüttert. Er hatte im Jahre 1401 das Unglück, eines der von ihm und anderen Lübeckern beladenen Schiffe bei Bornholm scheitern zu sehen. Der Rat von Lübeck verwandte sich behufs Wiedererlangung der dabei geborgenen Güter für ihn beim Erzbischof von Lund[162]. Ein ähnliches Mißgeschick traf ihn einige Jahre später[WS 4] 1405[163]. Indes hat er diese materiellen Verluste sehr bald verschmerzt. Alles, was über ihn ermittelt werden kann, zeigt ihn in der behaglichen Stellung eines reichen und angesehenen Kaufmanns. Er wird in manchen Vertrauensstellungen angetroffen, wie sie nur dem zuteil zu werden pflegen, der über den Durchschnitt seiner Mitbürger hinausragt. Er wird genannt als Zeuge bei größeren Zahlungen eines Bischofs an die römische Kurie zu Händen des päpstlichen Gesandten[164]. Er erscheint als Testamentsvollstrecker in einem, als Vormund in einem anderen Falle[165]. Er gehört in Lübeck zu den 16 Bürgern, die die Finanzverwaltung der Stadt überwachen sollen[166]. Er ist endlich Mitglied der vornehmen Zirkelgesellschaft, aus der das Lübische Patriziat hervorging[167].
Deutet dies alles auf einen Mann, der in der Einwohnerschaft erfreuliches Ansehen genoß, so zeigt sein Testament, das er schon 1406, lange vor seinem Tode aufsetzen ließ[168], die erfreulichen[WS 5] Erfolge seiner beruflichen Arbeit. Nach dieser letztwilligen Verfügung, in der er außer seiner Frau und seinen Kindern verschiedene Verwandte und Freunde sowie die sämtlichen Kirchen und Klöster Lübecks und Dorpats bedachte, war er im Besitze eines beträchtlichen Vermögens. Dieses bestand zum Teil in barem Gelde, zum Teil in Renten, die er vom Rate und aus Privathäusern bezog. Rechnet man dazu sein Silbergeschirr, sein Hausgerät und den Wert des von ihm bewohnten Hauses, über welche Teile seiner Hinterlassenschaft keine Wertangaben vorliegen, obwohl sie im Testamente genannt sind, so wird man nicht umhin können, von der Behäbigkeit seiner Lage eine günstige Vorstellung zu gewinnen.
Doch es war unserem Kaufmanne nicht beschieden, in einer solchen bis an sein Lebensende ungestört zu beharren. Jahre tiefen Elendes, wenn auch vielleicht nicht so sehr in materieller Beziehung, die er im Exil zubringen mußte, brachen über ihn herein. Die Ursache dieses zeitweilig ihn schwer drückenden Unglücks war der Lübecker Aufstand in den Jahren 1408—16. Nach dem Vorgange anderer deutschen Städte begann es in Lübeck zum Beginn des 15. Jahrhunderts unter den Einwohnern zu gären. Bereits in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts treten, namentlich in Süddeutschland, die Zunftrevolutionen auf: die Versuche der Handwerker, eine Beteiligung an der Stadtverwaltung zu erringen. Man war mit der aristokratischen Geschäftsführung durch die Geschlechter unzufrieden, fühlte sich durch harten Steuerdruck beeinträchtigt, glaubte an Verschleuderung der städtischen Geldmittel. Durch Mord und Totschlag suchte man sich des verhaßten Rates zu entledigen und[WS 6] in der Verfassung [XLVII] diejenige Geltung zu erlangen, die man glaubte beanspruchen zu dürfen. So waren in Lübeck in den Jahren 1376 und 1380 Aufstände ausgebrochen, im Jahre 1384 der sogenannte Knochenhauer-Aufruhr, zu dessen Anstiftern mehrere Schlachter gehörten. Aber ohne sichtbaren Schaden für die Stadt waren diese Unruhen schnell wieder unterdrückt worden.
Im Jahre 1403 entstanden dann für den Rat finanzielle Schwierigkeiten. Es waren Schulden gemacht worden und zur Deckung der Fehlbeträge Vorschläge zur Vermehrung der städtischen Einkünfte laut geworden. Man trug sich mit dem Gedanken an die Einführung einer Abgabe von Eßwaren und einer neuen Biersteuer, erregte jedoch einen Sturm von Unwillen unter den Gewerbetreibenden mit diesen Plänen. Um sich deren Wünschen entgegenkommend zu zeigen, willigte der Rat zu Michaelis 1405 in die Ernennung eines Ausschusses von 60 Bürgern, der in den Stand der finanziellen Angelegenheiten genaueren Einblick nehmen sollte. Hatte der Rat gehofft, sich mit diesem Ausschuß leichter über das, was geschehen sollte, zu verständigen, als mit der Bürgerschaft, so wurde er seinen Irrtum bald gewahr. Der Ausschuß benutzte seine selbständige Stellung dazu, eine lange Reihe von Beschwerden über die Verwaltung, beinahe hundert Artikel, aufzusetzen. Man klagte über die Höhe der Brot- und Biertaxe, über die Vor- und Aufkäuferei, über die Eingriffe der Kaufleute in die gewerblichen Rechte der Handwerker u. a. m. Infolge dieses Vorgehens mußte der Rat es sich gefallen lassen, daß man in die einzelnen Verwaltungszweige Bürger als Beisitzer der Ratsherren wählte. Dabei ließ man es indes nicht bewenden. Man forderte auch das Recht zur Teilnahme an der Ratswahl. Ein neuer Rat von 24 Personen sollte gewählt und der alte nur noch in einigen wichtigen Dingen befragt werden. Längere Zeit verstrich, ohne daß man sich zu einigen vermochte. Man hielt stürmische Versammlungen ab und es kam so weit, daß, nachdem im Januar 1408 einige Ratsherren in aller Stille die Stadt verlassen hatten, die Bürgerschaft die ihr bisher verweigerte Beteiligung an der Ratswahl ertrotzte. Die Folge davon war, daß der größere Teil der Ratsmitglieder freiwillig Lübeck verließ und nur sieben zurückblieben, die die Erklärung abgaben, daß sie allein die Herrschaft nicht führen könnten. Daher trat ein neuer Rat von 24 Personen, zur Hälfte aus Kaufleuten, zur Hälfte aus Gewerbetreibenden bestehend, an die Stelle des alten[169].
Zu denen, die mit dieser Wendung der Dinge keineswegs zufrieden waren, gehörte Sivert Veckinchusen. Nach allem, was wir über ihn wissen, konnte er für den neuen Rat schwerlich Sympathie hegen. Allerdings hatte er sich ja früher bereit finden lassen, ihm angetragene städtische Vertrauensposten zu übernehmen, vielleicht in der Absicht, da er augenscheinlich dem alten System zugetan war, versöhnlich zu wirken. Als jetzt der Zwiespalt immer größer wurde, hielt er es für geboten, Farbe zu bekennen, und den Aufrührern entgegenzutreten. Im April 1409 ist er in Köln, vom 20. März 1410 ist ein kurzes Schreiben an den Bruder Hildebrand aus Frankfurt a. M. [XLVIII] datiert[170]. Dazwischen, August 1409, hatte er für sich selbst, seinen Bruder und vier andere Kaufleute aus Lübeck einen Schutz- und Geleitsbrief von König Ruprecht auszuwirken gewußt[171], möglicherweise im Hinblick auf die drohenden Gefahren. Was seiner wartete in Lübeck, war klar! Kurz vorher war die Friedloslegung sämtlicher ausgewanderten Ratsmitglieder und 8 anderer ihnen anhängender Personen und damit in Verbindung die Beschlagnahme ihrer Güter angeordnet worden. Auf eine ähnliche Behandlung mußte Sivert sich gefaßt machen und vermutlich hatte er eben deswegen den kaiserlichen Schutzbrief erbeten. Frau und Kinder blieben zunächst noch in Lübeck. Am 3. Dezember 1409 teilt Frau Elisabeth ihrem Schwager Hildebrand mit, daß sie auf Wunsch des Gatten demnächst nach Köln zu ihm übersiedeln werde[172]. Acht Tage vor Weihnachten vollzog sie den Umzug. Noch bevor die letzte Ladung des neuen Rates vor das Hofgericht zu Heidelberg in Lübeck eintraf, deren Nichtbefolgung die Acht über die unglückliche Stadt verhängte, hatte Sivert den entscheidenden Schritt getan, in seinem Lübecker Hause einen Geschäftsfreund zurückgelassen und seinen bisherigen Wohnort verlassen.
In der Fremde begann eine harte Periode seines Lebens. Seiner Geldmittel ziemlich entblößt, ohne Verwandte und Freunde, die sich seiner annahmen, vermochte er nicht sich an dem neuen Schauplatz seiner Tätigkeit schnell einzuleben, sondern schaute voller Sehnsucht nach Lübeck zurück. Anfangs überwog wohl das Gefühl der Zufriedenheit, den revolutionären Boden nicht mehr unter seinen Füssen zu haben. „My es leyf“, schreibt er am 1. August 1410 seinem Bruder, „dat ic ut Lubeke sy, wand ic hadde dar also vele unghemakes, dat my dar nicht weder vorlanget“[173]. Und als er aller Anstrengungen ungeachtet, ohne Rücksicht auf den kaiserlichen Schutzbrief des Seinigen nicht habhaft werden kann, bricht er unmutig in die Worte aus: „ic wolde dat ic dat myne van Lubeke hedde und dar nummer scholde wonen, Got voge al dync to den besten[174].“ Seine Bekannten in Lübeck, die ihm den Vorschlag machen, mit Hilfe seiner Freunde das von ihm aufgesagte Bürgerrecht aufs neue zu gewinnen, weist er ab. Er will nicht früher wieder in Lübeck einziehen, als bis die Streitigkeiten beendet sind.
Trotz dieser ablehnenden Haltung verfolgt er die Vorgänge in Lübeck mit angestrengtester Aufmerksamkeit und unterläßt nicht, seinen Bruder mit dem Laufe der Angelegenheiten bekannt zu machen. Es klingt doch wohl Bedauern heraus, wenn er im August 1410 schreibt, daß er vor einem oder zwei Jahren an die Rückkehr in Lübeck nicht denken wolle. „Umme Lubeke, dar wel ic nicht weder henne dencken bynnen 2 jarn“[175]. Er möchte dem Bruder, der die Bürgerschaft in Lübeck nicht aufgesagt hatte, sein Haus und eine dort zu erhebende Rente zuschreiben lassen[176]. Er beklagt den Tod des König Ruprecht und des Papstes Alexander, da ihm hierdurch die Wiederherstellung des Friedens verzögert erscheint. „Got hebbe er aller seylen. Dyt wel ok tegen dey olden Lubeschen sake sere wesen, ic [XLIX] vruchte dey olde rat solet nu to quat hebben, doch dat recht mot ghelyk wol vord gaen: al welt syk vortogern“[177]. Dann beschwert er sich darüber, daß er nicht in Lübeck bleiben und seinem Erwerbe nachgehen konnte, und verzweifelt an einer günstigen Gestaltung der Dinge: „Lubeke moet vorderven, er icht lanc, Got betert und voget bet dan et suene es, ic kan nicht weten, wo et to Lubeke also gud werden kunne by unsen dagen, dat et dar half also gud werden kunne also dat wesen es by unsen tyden; ju wy uns des ertrosten jo uns dat beter es[178].“ Er wünscht, daß die über Lübeck verhängte Acht weder in Flandern noch in Livland bekannt geworden wäre, offenbar, weil er für den Fortgang des Handels ungünstige Wirkungen befürchtet. Pessimistische Stoßseufzer wie „my dunket al truewe es in der werlt ute“ oder „dey lop der werlde es gemelyc nu aldus“, kann er nicht unterdrücken. Einmal stellt er eine erschütternde philosophische Betrachtung an „My duncket dey love und tr we sy ute; wey deme andern gud doet, dey doet eme nummer gud weder“[179].
Seine Lage war in der Tat kaum eine beneidenswerte. Er hatte sein Haus und seine Warenvorräte in Lübeck und erhebliche Beträge dort ausstehen, konnte jedoch weder diese Schulden noch seine Zinsen (Renten) einkassieren. Seine Frau konnte er nicht angemessen kleiden, da sie ihre Garderobe offenbar aus Lübeck nicht bekommen und er aus Mangel an Mitteln ihr keine neuen Kleider kaufen konnte. „Sey hevet ummer noch nicht men 2 rocke, dey nicht vele dogen“. Mit Neid sah er auf einen Geschäftsfreund, der sein Weib „int hogeste“ in der Kleidung hielt[180]. Die Zunft der Seidenwirker in Lübeck war ihm 1200 Mark Lub. schuldig. Er meinte, daß er froh sein würde, den dritten Teil dieses Betrages bekommen zu können[181]. Gerne wollte er in Köln ein eigenes Haus erwerben, aber die Mittel fehlten. Bis zum Januar 1411 hatte er sich mit dem neuen Aufenthalt derart ausgesöhnt, daß er der Ansicht Ausdruck verlieh, ein Wohnsitz in Köln würde ihm sein Leben um 10 Jahre verlängern. „Wy mochten hyr met vreden und sunder grot schot und beswarynge leven und mochten hyr under uns leven, woe wy wolden sunder grote kost: und hyr es gud kop huses to hurnen, dey lustich und wol belegen buten weges, wor men dey levest und best hebben wel“[182]. Er macht auch schon Pläne, wie er sich in Köln sein Geschäft einrichten würde. „Solde ic hyr wonen, so were my dey Venedyessche selscop best und handelynge in dessen landen und my duncket, gy hebben mest ghenochte to der see ward“[183]. Namentlich drückte ihn der Mangel an Betriebskapital, das man ihm, dem Fremden, wohl nicht ohne weiteres zur Verfügung stellen mochte, während er in Lübeck großen Kredit genoß. Leichter sei es in Lübeck 6000 Mark als in Köln 600 Gulden zu leihen, sagt er gelegentlich.
Sonst behagt es ihm in Köln auf die Dauer ganz gut, und der Gedanke, sich dort niederzulassen, schlägt je länger die Mißwirtschaft in Lübeck dauert, um so tiefer bei ihm Wurzel. Das Leben findet er in Köln wohlfeiler als in Lübeck. Die Steuern, der Schoß, die Belastung durch andere Abgaben [L] seien nicht drückend. Er berechnet, daß ein Einzelner zu seinem Lebensunterhalte nicht mehr als 200 Gulden jährlich brauche, ja, daß viele sogar mit 150 Gulden auskämen, freilich „sunder cledynge und grote gasteryge“. Dann kommt ihm wieder die Erkenntnis, daß nur für denjenigen der Aufenthalt in Köln behaglich wäre, der die nötigen Beziehungen hätte und über ausreichende Einkünfte verfügte. „Dat were hyr gud wonen“ heißt es in einem Briefe vom 16. Januar 1411 an den Bruder Hildebrand, „dey hyr nerynge kunde dat men syk mede bergen mochte, dat es hyr kostlyc und wy weten hyr neyne nerynge. Met cleynen gelde kan men syk hyr ovele bergen[184].“ Dabei die heimliche Sehnsucht nach dem aufgegebenen Lübeck, von dem er annimmt, daß es nur langsam wieder die gleichen Annehmlichkeiten zum Aufenthalte bieten werde wie in früheren Zeiten. „Ic vruochte dat wy lancsam to Lubeke weder met soller vromede wonen komen to Lubeke also dat vor wesen es“[185].
Wenn er trotzdem fast anderthalb Jahre verstreichen ließ, ehe er sich um das Bürgerrecht in Köln bewarb, so geschah dies vielleicht teils deshalb, um die Verhältnisse genauer kennen zu lernen, teils weil er die stille Hoffnung hegte, die Lübecker Angelegenheiten in ein ruhigeres Fahrwasser einlenken zu sehen. In der Mitte des Jahres 1411 ist er indes der Zwitterstellung müde und erwirbt das Bürgerrecht in Köln. Damit macht der tatkräftige Mann, der seine Zeit nicht in unnützen Klagen zu vergeuden gesonnen war, zugleich Pläne für die Zukunft. Von Köln aus mußten andere Handelswege eingeschlagen werden, als sie von Lübeck aus sich empfahlen. Es wurde schon hervorgehoben, daß er für den Fall seines dauernden Verbleibens in Köln sich dem italienischen Handel zuzuwenden gedachte. „Est dat ic hyr blyven wonen, so meyne ic myn handelynge mest in dessen landen to hebben und to Venedyen ward und van som selscop to scheden by der see, wand men vynd neyne truewe gheselscop wan eyn man dar nicht sulven vor ogen wesen mach“, so schrieb er am 10. August 1411 seinem Bruder Hildebrand[186]. In der Folge gedachte er nunmehr den Handel den Rhein aufwärts nach Mainz, Speier, Konstanz bis nach Frankfurt a. M. und Augsburg zu betreiben. Flandern wird dabei festgehalten. Der Weg von Mecheln nach Straßburg sei ein gefahrloser, auf dem viel Verkehr stattfinde. Weiter bleibt sein Augenmerk namentlich auf den Handel nach Venedig gerichtet. Eine Zeitlang ist dieser seine ganze Hoffnung. Alles Geld, das er in den livländischen und preußischen Unternehmungen stecken hat, beabsichtigt er herauszuziehen und mit diesen Beträgen, sowie den aus dem Lübecker Guthaben zu rettenden Resten den Handel nach Venedig mit allen Kräften aufzunehmen.
Wann dieser Handel nach Venedig begonnen hat, ihn in Anspruch zu nehmen, mag auf sich beruhen bleiben. Die Schicksale der Gesellschaft, an der er mit Hildebrand und anderen Kaufleuten beteiligt war, ist an anderer Stelle erzählt worden. Manches Licht fällt immerhin auch aus den [LI] vorliegenden Briefen auf jenes Geschäft, auf das indes hier nicht noch einmal eingegangen werden kann[187].
Der ungünstige Verlauf des venetianischen Handels brachte unangenehme pekuniäre Verlegenheiten. Die Lage verschlimmerte sich, als Heinrich Slyper, der mit den Waren umherzog, von Raubrittern, den Grafen von Segenhagen, überfallen, um 1700 Rhein. Gulden erleichtert und außerdem gefangen gesetzt wurde. Dazu kam, daß auf dem vermutlich zeitweilig überfüllten Markte die Waren nicht recht von der Hand wollten. Reis fand auf der Frankfurter Messe keine Abnehmer. Seide war nicht verkäuflich, Pelzwerk sank im Preise, Stockfisch ließ sich weder in Köln noch in Straßburg absetzen. Seine ausstehenden Guthaben gingen nicht ein. Nicht einmal soviel konnte er bekommen, schreibt er aus Lüneburg am 19. April 1413, als er unterwegs verzehrt[188]. Beständig unterwegs — im Jahre 1411 war er nicht 16 Wochen in seinem Heim — stürzt er sich aus einer Verbindlichkeit in die andere. Zur Frühjahrsmesse 1411 braucht Sivert einen erheblichen Betrag, und weiß nicht, wie er ihn beschaffen soll. Im Juli 1412 ist er in Augsburg in solcher Not, daß er einen Eilboten um Geld nach Brügge schickt, da er Gefahr läuft, sonst mit Schaden die Stadt verlassen zu müssen. Als er 1414 von Köln nach Speier reisen muß, sieht er sich genötigt, von einem Lombarden hundert Gulden zu leihen. Da wird es verständlich, daß er in einem seiner Briefe aufseufzt: „Ic was myn levedage ny also hoge bedrenget umme gelt … Got helpe uns al umme ut aller noet“[189].
In aller dieser Bedrängnis büßt er seine kaufmännische Kaltblütigkeit gleichwohl keinen Augenblick ein. Aufmerksam verfolgt er den Wechsel des Marktes. Keine Konjunktur, bei der sich eine Aussicht eröffnet, etwas verdienen zu können, entgeht ihm. Im Juli 1410 kauft man in Brügge Pelzwerk billig ein, vielleicht weil größere Sendungen aus Livland eingetroffen waren. Daher ermahnt er den Bruder zu schleunigem Ankaufe. Stets ist er darauf bedacht, in Livland ihre Geschäfte mit der gehörigen Sorgfalt zu pflegen. Sogar auf Gegenden, mit denen er sonst nachweislich in keinem Verkehre stand, richtet sich sein Sinn. Wie er denn im Januar 1411 dem Bruder meldet, daß man eben in Breslau große Gewinne realisieren könne. Diese Besonnenheit ist um so mehr anzuerkennen, als zu dem geschäftlichen Mißgeschick sich häusliches Leid gesellt. Seine Frau erkrankt und stirbt nach mehrmonatlichem Krankenlager, obwohl er es an bester Pflege nicht fehlen ließ. Etwas sonderbar für unsere heutige Anschauung nimmt sich dabei die Bemerkung aus „kostete grot gud und helpet cleyne“. Die erste Nachricht, daß die Gesundheit seiner Frau zu wünschen übrig ließ, stammt vom 4. Juli 1418. Sivert sprach seinem Bruder die Hoffnung aus, daß sie wieder so kräftig werden möge als sie früher in Lübeck war. Die Bestellung der Äpfel und Apfelsinen geschah wohl bereits seiner Frau zuliebe[190]. Schon 4 Wochen später meldet er: „ic vruochte Lysekens crancheyt welle [LII] nicht lange waren unde sorge, dat sey et nicht lange leiden konne“[191]. Bald darnach muß es mit ihr zu Ende gegangen sein, denn im Oktober 1418 sendet er seine beiden Töchter nach Lübeck an seinen Bruder Hildebrand, der damals vorübergehend in der Heimat weilte, mit der Bitte, die beiden Mädchen nach Zarrentin ins Kloster zu der Tante Rieke zu bringen[192]. Es war der Wunsch der sterbenden Frau gewesen, ihre Töchter im klösterlichen Zwange unter der Aufsicht der Tante zu wissen, von der sie sehr große Stücke gehalten zu haben scheint[193].
Ein Trost war ihm in dieser Zeit die Rückkehr des alten Rates nach Lübeck. Freudig bewegt schreibt er am 27. Juni 1416 seinem Bruder: „wetet dat ic ju nicht wares scryven kan van Lubeke, men dey olde rat sal weder inne seyn“. Sobald er genauere Nachrichten bekäme, wollte er sie dem Bruder gleich mitteilen. Es kam ihm gewiß aus innerster Überzeugung, wenn er hinzufügte: „Got geve uns altyt wol to doene und voge al dync to den besten“[194]. Wie es den Anschein hat, war Sivert auf diese Entwicklung vorbereitet gewesen. Wenigstens hatte er im August 1414 in Köln die Bürgerschaft wieder aufgesagt, und nur die Erkrankung seiner Frau oder ihr schwächlicher Gesundheitszustand mag Schuld daran gewesen sein, daß er die Rückkehr nach Lübeck nicht alsbald in Szene gesetzt hatte. Auch nachdem er seine Töchter zur Erziehung nach Zarrentin getan hatte, blieb er einstweilen noch in Köln, obwohl es ihn ebenfalls mächtig nach Hause drängte. „Kunde ic myn reyntte und vorseten reyntte to Lubeke van deme rade krygen und mit vreden dar woenen mochte, so were ic nergen leyver dan to Lubeke“, schrieb er in jenen Tagen dem Bruder[195]. Indes konnte er so schnell seine Geschäfte nicht regeln und den Verpflichtungen nachkommen, die ihm seine Handelsoperationen auferlegten.
Die Abwicklung dieser Geschäfte zog sich noch das ganze Jahr 1419 hindurch und erst im September 1420 erscheint er wieder in Lübeck im alten Geleise. Freundlich begrüßt man den bewährten Vertreter der Vergangenheit und betraut ihn sogleich mit einer öffentlichen Funktion. Bald darauf hat er sich dann zur zweiten Ehe entschlossen. Sein Auge fiel auf Mette van Lune in Lübeck, die ihm 1600 Mark Lüb. mitbrachte. Am 24. Februar 1421 bekennt er, die Mitgift von den Brüdern bekommen zu haben[196]. Der Gedanke der Wiederverheiratung hatte ihn schon in Köln beschäftigt, und er war nicht gerade leichten Herzens zu seiner Verwirklichung geschritten. Damals schon einige 50 Jahre alt und durch die trüben Ereignisse der letzten Jahre bedrückt, schien es ihm zweckmäßiger, ins Kloster zu gehen und weltlichem Treiben ganz zu entsagen. „Dat my vele tidiger und nutter wesen solde vor myn lyf und seyle dat ic eyn ander leve anneme Gode to deynen und dechte op den langen wech, wand ic hebbe al myn levedage vaste der werlde deynt und na titlyker nerynge ghestaen unde groten arbeyt ghedaen, dat were nu tyt Gode to deynen“[197]. Man muß es in dem Briefe vom 24. November 1418 selbst nachlesen, mit welcher Naivität er dem Bruder berichtet von den mehrfachen Anträgen, die ihm von verschiedenen [LIII] Seiten für seine Wiederverheiratung gemacht wurden. Die Rücksicht auf seine Kinder und die im Auge zu behaltende Verbesserung seiner materiellen Lage ließen ihn indes diese Schwächeanwandlung überwinden.
Der erneuerte Aufenthalt Siverts in Lübeck ist dann offenbar günstiger für ihn ausgeschlagen. Bald ist er in vollem Fahrwasser und führt seine Geschäfte, die wie von Köln aus nach Brügge und Venedig gehen, mit Erfolg. Im Jahre 1420 lohnt er zwei Söldner ab, die dem Rate, ihm und einigen anderen Privatpersonen Dienste geleistet haben, wahrscheinlich wohl seine Warenvorräte gegen drohende Übergriffe geschützt haben[198]. Einige Monate später bekundet Johannes Lammesheim aus Frankfurt, ihm zur nächsten Frankfurter Messe den Betrag von 358 Mark Lüb. und 11 Schill. schuldig zu sein. Zweihundert Mark soll er vorher behufs Verminderung der Schuld von der Verwaltung des Weinkellers in Wismar erhalten[199]. Auch außerdem treibt er Geschäfte mit glücklicher Hand. Mit seinen Schwägern Bertold und Arnold van Lune, den Söhnen eines gleich ihm im Jahre 1408 freiwillig fortgezogenen Mannes, beginnt er verschiedene Unternehmungen gemeinsam. Mehrfach erscheint er im Niederstadtbuch teils als Gläubiger, teils als Schuldner.
Insbesondere ein Geschäft aus dem Jahre 1424 erweist ihn als fernblickenden und unternehmungslustigen Geschäftsmann, der bestrebt ist, Verluste früherer Zeiten durch gewinnbringende Unternehmungen wieder auszugleichen. Im genannten Jahre schloß eine Gesellschaft von vier Kaufleuten in Lübeck, unter ihnen Sivert Veckinchusen, mit dem Amte der Paternostermacher einen Vertrag, laut dem dieses fast das ganze Produkt der beiden nächsten Jahre gegen vorher vereinbarten Preis … das Pfund zu 34 Schillingen … den Kaufleuten überließ. Die Bernsteindreher ihrerseits verpflichteten sich weder in Venedig noch in[WS 7] Nürnberg, Frankfurt a. M. oder Köln als Mitwerber der Kaufleute sich geltend zu machen. Die Kaufleute versprachen jedem Amtsmeister, deren es 12 gab, bis zu 80 Pfund jährlich abzunehmen. Die 960 Pfund Rosenkränze, die die Gesellschaft jährlich vertreiben wollte, bedeuteten einen Einkaufswert von 2040 Mark Lüb.[200].
Fielen von diesem Betrage auch auf jeden der vier Teilnehmer nicht mehr als 500 Mark Lüb., wenn auch zwei Jahre hindurch, so ist damit doch der Beweis geliefert, daß Sivert, sei es, daß ihm die beschlagnahmten Güter zurückgegeben, sei es, daß er sein Vermögen durch die Mitgift der zweiten Frau aufgebessert hatte, wieder in geordneten Verhältnissen sich betätigen konnte. Die gleiche Vermutung drängt sich auf, wenn man ihn im Jahre 1430, kurz vor seinem Tode, als Mitbesitzer der Saline zu Oldesloe genannt sieht. Wiederum eine Gesellschaft von 4 Geschäftsleuten übernimmt von den Herzögen von Schleswig die Verwaltung des Salzwerks und verspricht dabei das Beste tun zu wollen. Die Saline zu Oldesloe war damals in guter Blüte. Zehn große Pfannen und verschiedene kleinere waren im Betrieb [LIV] und so viel warf die Unternehmung ab, daß einer aus dieser Kompagnie kurze Zeit darauf drei Salzpfannen für einen Betrag von 1200 Mark Lüb. verkaufte[201].
Es bleibe dahingestellt, ob alle vier Kaufleute zu gleichen Teilen an der Ausbeutung der Saline interessiert waren. Immerhin ist das materielle Wohlergehen unseres Kaufmannes nicht in Zweifel zu ziehen.
In anderer Beziehung ging es ihm allmählich nicht mehr nach Wunsch. Allerdings hatte er die Freude, eine seiner Töchter verheiraten zu können, aber das kommende Alter machte ihm zu schaffen. Ein Augenleiden ergreift ihn, und so lang und ausführlich seine Briefe früher ausgefallen waren, jetzt schrumpfen sie mehr und mehr zu kleinen Zetteln zusammen, die nur das Notwendigste enthalten. Im April 1421 schildert er dem Bruder ein Leiden, das ihn befallen hat und neben einem Ausschlage (schorv) in Anschwellung der Drüsen bestand. Die ihn behandelnden Chirurgen waren sich in der Behandlung nicht einig. Der eine wollte die Drüse ausschneiden, der andere die Geschwulst zu vertreiben versuchen. Sivert selbst glaubte durch Benutzung eines Balsamtuches sich helfen zu können, um dessen Überlassung er den Bruder bat[202]. Im November 1422 fällt er einer schweren Krankheit zum Opfer, von der er sich nur langsam erholt. Nach einem Jahre klagt er, daß die Augen und sein Körper noch immer nicht gesund seien. „Ic hebbe ju vor desser tyt vele screven myn ogen unde al myn lyf es cranc unde kan nicht vele mer nuotte werden in desser werlt[203]. Myn lyf es nicht stark“, schreibt er am 26. Mai 1424 dem Bruder Hildebrand, „unde wan ic 3 dage stark sy, so moet ic 8 dage inne sytten unde ic vruochte dat welle nicht lange met my waren[202].“
Indes braucht man vielleicht diese Beteuerungen nicht so tragisch zu nehmen. Es lag in seinem Interesse, sich elender und schwächer hinzustellen als er tatsächlich war, um dem Bruder, der ihn wiederholt fast leidenschaftlich um Hülfe in seinen Angelegenheiten anging, ausweichen zu können. Denn in demselben Jahre, in dem er seine körperliche Schwäche beklagt, unternahm er das weitausschauende Geschäft mit den Rosenkränzen, und wenige Jahre später fühlte er sich kräftig genug, um auch noch die Bewirtschaftung des Salzwerks in Oldesloe mit zu überwachen. So lag der Gedanke an das Jenseits ihm vielleicht weniger nahe, als er dem Bruder glauben machen wollte. Erst 1430 oder 1431 hat er das Zeitliche gesegnet, nachdem ihm sein Bruder Hildebrand in die Ewigkeit vorausgegangen war.
Über das Verhältnis der beiden Brüder zueinander und über sein tatsächliches Unvermögen, dem in Bedrängnis geratenen Bruder Hildebrand helfen zu können, ist es selbst bei den ausführlichen Briefen unmöglich, ins klare zu kommen. Hildebrand hat stets an der Auffassung festgehalten, daß Sivert helfen konnte, aber nicht wollte, und diesem Gedanken mehrfach unverhohlen Ausdruck verliehen in den Briefen an seine Frau, in denen er sich wohl auch am rücksichtslosesten und unbefangensten gegeben haben dürfte. Mit am schärfsten ist der Brief vom 1. September 1420 gehalten, [LV] in dem er sich bitter beschwert, daß Sivert nie seine Bereitwilligkeit, der Schwägerin in der Zeit der Abwesenheit ihres Mannes mit Rat und Tat beistehen zu wollen, zum Ausdruck gebracht hätte. „Dat dunket my krancke broderschap sin, wel hey nicht anders don, dan hey noch ghedan hevet, so salt 1 dont werden, dat nicht gud sal sin, wante ick hebbe emen so velle segnet unde to kene gheven unde beden, al dat ick ghedan hebbe unde doy in den stucken …“ Gleichzeitig ist er bei allem Zorn ängstlich darauf bedacht, daß nichts von diesem Zwiste an die Öffentlichkeit dringt. Frau und Tochter werden beschworen, niemandem ein Sterbenswörtchen davon zu sagen. „Wat solden dey lude seggen, sind dey 2 broder es nicht eins, dat solde den enen leyf sin, den anderen leyt“[204]. Einige Monate später, als unterdessen Sivert in Lübeck wieder eingetroffen war, drückt Hildebrand seine Genugtuung darüber aus und hofft, daß seine Frau immerhin einigen Trost durch seine Anwesenheit haben würde. „Vorsuckest wat troestest du an emen maghest hebben, dat scryf my, darna mach ick my rychten unde du mede“[205]. Sehr hoffnungsvoll auf die brüderliche Liebe klingt das nicht, so wenig wie die Annahme, daß Sivert wegen angeblich kranker Augen ihm aus Lübeck noch nicht geschrieben hätte. „God beter sin oghen“, fügt er zweifelnd hinzu, „op dat hey ju in den saken do so seck dat ghebort“[206].
Dem gegenüber klagt Sivert über den Leichtsinn und die geringe Geschäftskenntnis oder Unvorsichtigkeit des Bruders, die ihn sich in Geschäfte verwickeln ließ, aus denen er später sich ohne Schaden nicht herauszufinden vermochte. Ohne Unterlaß wird er nicht müde zu behaupten, daß er außerstande sich sehe zu helfen. Schon Frau Elisabeth nahm 1414 dem Schwager gegenüber diesen Standpunkt ein. „Oc so wetet, dat is Syvert nicht bet in konde, wente wy syn hyr alto vele geltz schuldych“[207]. Sivert aber läßt sich vier Jahre später strafend dem Bruder gegenüber vernehmen: „ic hebbe ju lange beden, dat gy ju nicht to hoge beslogen unde were my ok gud ghewesen unde ic hebbe ju er seget, dat es beter eyn beholden dan 2 vordorven“[208]. Und im November 1418 hält er dem Bruder vor, daß dieser ihn bedrohe, weil er nicht nach seinen Wünschen sich richte. Aber meint Sivert: „Got weyt wol, dat ic mer ghedaen hebbe dan ic wol vormach, men dat es ju al nicht wol dank, Got betert al umme to ewycheyt“[209]. Also auch Undankbarkeit wirft er dem Bruder vor, der nicht genug Anerkennung für alle Opfer gezeigt haben soll, die Sivert gebracht haben will.
Wie soll man unter diesen Umständen das Richtige herausfinden? Auf mich machen die Hildebrandschen Briefe den Eindruck der größten Wahrhaftigkeit und Zuverlässigkeit. Es wird ihm ernst gewesen sein, wenn er in einem nicht erhaltenen Briefe, auf den sein Freund Tideman Brekelvelde anspielt[210], beteuert, er wolle alle seine Schulden bezahlen und dann meinetwegen mit Frau und Kindern betteln gehen, nur um die Ehrlichkeit seines Namens zu retten und auf sich und sein redliches Wollen keinen Schatten geworfen zu sehen. Der Empfänger des Schreibens hat keinen Zweifel daran geäußert, daß Hildebrand es mit solchen Auslassungen ehrlich meinte, denn [LVI] er bemerkt ihm treuherzig: „Ach, leve Hildebrant, dat were enbarmelich dont unde en hart dont. Got geve, dat et ju mit juwen wive unde kinderen dar nicht to enkeme“. Hildebrand hat also sicherlich die Dinge so beurteilt, wie er sie zu sehen glaubte, und den Gedanken auf die Hilfe des Bruders Siverts nicht fallen lassen. Es fragt sich nur, ob er richtig sah, und ob nicht vielleicht die Lage des Bruders Sivert derart war, daß er nicht helfen konnte. Seine andauernden Beteuerungen, daß er alles täte, was in seinen Kräften stände, und mit Rücksicht auf die Seinigen nicht mehr tun könne, machen kopfscheu. Man sieht auch nicht, daß er bar Geld gegeben oder der Schwägerin tatkräftig beigestanden hätte. So bleibt man mißtrauisch und hält es unwillkürlich mit dem vielleicht leichtherzigeren aber sympathischen Bruder Hildebrand, der seinen Mitmenschen zuviel Vertrauen schenkt und für solche Leichtgläubigkeit bitter genug bestraft wird.
Sivert Veckinchusen ist so wenig eine geschichtlich bedeutsame Persönlichkeit wie Hildebrand. Aber der Schilderung ihrer Lebensverhältnisse und Geschäftsunternehmungen wohnt zweifellos eine allgemeine Bedeutung inne. Das wechselvolle Leben, das auch Sivert zu führen genötigt war und in das er durch die Festigkeit seines Charakters, die mit den Aufrührern in Lübeck jede Gemeinschaft verschmähte, geraten war, ist dazu angetan, die Schwierigkeiten erkennen und würdigen zu lassen, mit denen der Handel jener Tage kämpfte. Langsamer Nachrichtenverkehr, unzureichende Kommunikationsverhältnisse, mangelnder Rechtsschutz, Kriege, politische Unruhen machen das kaufmännische Geschäft zu einem risikoreichen, den Gewinn häufig zu einem illusorischen.
Gleichwohl erscheint der deutsche Kaufmann in beiden Brüdern von einer bewunderungswürdigen Seite. Mit zäher Energie hält er an seinen Zielen fest. Kein Hindernis ist so schwer, daß er es nicht überwinden kann. Vorübergehendes Ungemach trägt nur dazu bei, seine Kraft zu stählen, und schließlich sieht er seine mühevolle Arbeit auch belohnt. Wenn Hildebrand nach seiner Befreiung aus der Gefangenschaft nicht wieder hochkommt wie Sivert nach seiner Rückkehr aus dem selbstgewählten Exil, so hat nur sein frühzeitiger Tod diesen tragischen Ausgang bewirkt. Er hätte die Fähigkeiten, die ihm und den Seinigen einen besseren Lebensabend beschieden hätten, sicher noch voll zur Geltung gebracht. Vorsichtige Erwägung bei der Inangriffnahme von Geschäften, weiter Blick über das zu Handelsoperationen geeignete Feld, genaue Rechnungsführung zeichnen beide Brüder aus. Ob alle Kaufleute jener Epoche mit gleichen vortrefflichen Eigenschaften ausgezeichnet waren, muß man natürlich dahingestellt sein lassen. Allein dieser Grundzug war ihnen wohl allen eigen: hervorragende persönliche Tüchtigkeit und unermüdete Arbeitskraft. Mit solchen Gaben verstanden sie, was das Zeitalter bot auszunutzen, und trugen damit zum Ruhme und Glanze des Vaterlandes bei. Damals stand der deutsche Kaufmann im Mittelpunkte des Welthandels und beherrschte ihn. Früher als andere Völker war das deutsche darauf gekommen, die reichere Bildung und Kultur vorgeschrittener Gegenden den zurückgebliebenen zugänglich machen zu wollen. Sonst hätte die Hanse nicht die Kontore in Nowgorod, die [LVII] deutsche Brücke in Bergen, die Niederlassungen in Riga und Reval begründen können. In Bergen hatte der Engländer, der vor dem Deutschen da war, gegen die Normannen nichts auszurichten vermocht. Nach Wisby, nach Livland und Gotland, an die preußische Küste strebten Engländer und Holländer erst, nachdem sie wahrgenommen hatten, welche Aussichten dort blühten, und was die Deutschen dort errungen hatten. Es blieb stets der Kummer der Engländer, daß sie im deutschen Ordenslande besonders in Danzig, nur vorübergehend festen Fuß fassen konnten. So haben die deutschen Kaufleute ihre kolonisatorische Kraft früh betätigt und dadurch zu ihrem Teile an der Zivilisation der gesamten Menschheit mitgearbeitet. Wenn im letzten großen Kriege alle diese vielhundertjährigen Beziehungen verloren gegangen sind, so soll uns das nicht entmutigen. Im Gegenteil muß man auf den Augenblick hoffen, wo die Taten unserer Vorfahren der gegenwärtigen Generation wieder deutlicher zum Bewußtsein kommen und damit eine neue Zeit beginnen wird. Dann wird man sich dankbar auch wieder der Gebrüder Veckinchusen erinnern, die sicher in ihrer Zeit mit dazu beigetragen haben, das deutsche Volk als das erste unter den damaligen handeltreibenden Nationen zur Geltung zu bringen.
[LVIII]
Seite | 19 | Zeile | 6 | v. o. | lies | helden | statt | heeden |
„ | 18 | „ | 4 | v. o. | „ | genaten | „ | genaken |
„ | 29 | „ | 9 | v. o. | „ | uns | „ | nns |
„ | 43 | „ | 4 | v. u. | „ | borgern | „ | bornger |
„ | 45 | „ | 10 | v. u. | „ | marc | „ | mare |
„ | 120 | „ | 2 | v. u. | „ | vate | „ | vote |
„ | 121 | „ | 4 | v. o. | „ | dat irste | „ | datir rste |
„ | 125 | „ | 16 | v. o. | „ | 66 | „ | 66 d. |
„ | 205 | „ | 4 | v. u. | „ | stucke | „ | sucke |
„ | 231 | „ | 3 | v. o. | „ | frd | „ | frp |
„ | 238 | „ | 23 | v. u. | „ | 6 d | „ | 6 h |
„ | 247 | „ | 19 | v. o. | „ | ny | „ | my |
„ | 249 | „ | 19 | v. o. | „ | my | „ | ny |
„ | 287 | „ | 7 | v. u. | „ | dach | „ | pach |
„ | 290 | „ | 6 | v. o. | „ | 9 loyt | „ | gloyt |
„ | 295 | „ | 20 | v. u.[WS 8] | „ | Eensedel | „ | Vensedel |
„ | 329 | „ | 4 | v. u. | „ | over | „ | orer |
„ | 331 | „ | 12 | v. u. | „ | suster | „ | nester |
„ | 370 | „ | 4 | v. o. | „ | des | „ | nes |
„ | 370 | „ | 5 | v. o. | „ | nicht | „ | dicht |
„ | 389 | „ | 10 | v. u. | „ | sondergen | „ | soudergen |
„ | 407 | „ | 3 | v. u. | „ | se segget | „ | sesegget |
„ | 412 | „ | 6 | v. u. | „ | eynde | „ | eyde |
„ | 425 | „ | 16 | v. u. | „ | wante | „ | Wante. |
Anmerkungen der Vorlage
- ↑ Hans. U. B. 3 S. 434.
- ↑ F. G. v. Bunge, Die Revaler Ratslinie, 1874, S. 138. — Beiträge z. Kunde Est-, Liv- u. Kurlands 2 (1874) S. 198 nr. 86 S. 205 Anm. 1.
- ↑ Wilh. Stieda, Revaler Zollbücher u. -quittungen, 1887 S. 9 nr.67.
- ↑ Liv-, Est- u. Kurl. U. B. 6 (1875) nr. 2895.
- ↑ K. Höhlbaum in Beitr. z. Kunde Est-, Liv- u. Kurlands 2 S. 503. Der dort als „Vriclinchusen“ gedruckte Name ist nach einer Mitteilung des Verf. ein Druckfehler für „Veckinchusen“.
- ↑ H. J. Böthführ, Die Rigaische Ratslinie 1887 S. 82 nr. 224. — H. R. Abt. I 5 S. 39 nr. 61. — Hans. U. B. 5 nr. 682. — Liv-, Est- u. Kurl. U. B. 5 nr. 2953, 2.
- ↑ H. R. Abt. I 4 nr. 640.
- ↑ H. R. Abt. I 5 nr. 238.
- ↑ Hans. U. B. 5 nr. 188 Anm. 1.
- ↑ Liv-, Est- u. Kurl. U. B. 3 nr. 1268. — Hans. U. B. 4 nr. 1008.
- ↑ Hans. U. B. 5 nr. 111.
- ↑ Hans. U. B. 4 nr. 201.
- ↑ Hans. U. B. 5 nr. 290.
- ↑ H. R. Abt. I 1 n. 201.
- ↑ Hans. U. B. 5 nr. 328.
- ↑ U. B. d. St. Lübeck 5, 6, 7, 8 Personenregister.
- ↑ U. B. d. St. Lübeck 6 nr. 633, 7 nr. 651.
- ↑ U. B. d. St. Lübeck 7 nr. 686, 741.
- ↑ U. B. d. St. Lübeck 8 nr. 603.
- ↑ Hans. U. B. 5 nr. 682.
- ↑ Est-, Liv- u. Kurl. U. B. 8 und 9 Personenverzeichnis.
- ↑ Est-, Liv- u. Kurl. U. B. 8 nr. 914.
- ↑ Est-, Liv- u. Kurl. U. B. 9 nr. 219, 221, 633.
- ↑ Hans. U. B. 6 nr. 467, 971.
- ↑ nr. 9 und 10.
- ↑ nr. 8.
- ↑ nr. 3.
- ↑ nr. 83, 87. 90 u. 108.
- ↑ nr. 417.
- ↑ nr. 419.
- ↑ nr. 416.
- ↑ nr. 424.
- ↑ 1874 S. 53ffg. Heinrich Smidt, Aus bremischen Familienpapieren.
- ↑ 3. Folge 13 S. 71–83 von Georg Steinhausen.
- ↑ 1898 S. 72–109 von W. Stein.
- ↑ Jahrg. 1898 s. 109–125.
- ↑ 6 S. 200ffg. Wilh. Stieda, Zur Charakteristik des kaufmännischen Privatverkehrs in Lübeck während des 15. Jahrhunderts.
- ↑ Rostock 1894 S. 121ffg
- ↑ Jahrg. 1887 S. 78ffg.
- ↑ Zeitschr. f. Lübeck. Gesch. 2 S. 296–347.
- ↑ Pabst u. Hansen a. a. 0.
- ↑ Danzigs Handels- und Gewerbegeschichte 1858.
- ↑ nr. 3.
- ↑ nr. 413.
- ↑ nr. 22. Genaueres darüber in den Hansisch-venetianischen Handelsbeziehungen S. 62ffg.
- ↑ nr. 184.
- ↑ nr. 413.
- ↑ nr. 385, 393.
- ↑ nr. 384.
- ↑ nr. 273.
- ↑ nr. 39, 41, 42, 44, 46, 54, 64, 68, 79.
- ↑ nr. 381.
- ↑ Hans. U. B. 4 nr. 1008.
- ↑ Hans. U. B. 5 nr. 111.
- ↑ H. R. Abt. I 1 nr. 201.
- ↑ nr. 2.
- ↑ nr. 3.
- ↑ nr. 8.
- ↑ nr. 11.
- ↑ nr. 476.
- ↑ nr. 494.
- ↑ nr. 498.
- ↑ nr. 498. Über den Streit zwischen Hildebrand Veckinchusen und den Witte’s um die Spielpfennige s. nr. 8, 11, 12, 415, 476, 488, 489, 490, 491.
- ↑ nr. 293.
- ↑ nr. 375.
- ↑ nr. 477.
- ↑ nr. 498.
- ↑ nr. 477.
- ↑ Paul Rehme, Das Lübecker Ober-Stadtbuch 1895 nr. 254 S. 345.
- ↑ U. B. d. Stadt Lübeck 5 nr. 207 u. Personenregister.
- ↑ P. Rehme a. a. O. nr. 260 S. 348.
- ↑ nr. 178.
- ↑ nr. 183, 184.
- ↑ nr. 185.
- ↑ nr. 213.
- ↑ nr. 219.
- ↑ nr. 247.
- ↑ nr. 275.
- ↑ nr. 303.
- ↑ nr. 413.
- ↑ Rudolf Häpke, Brügges Entwicklung zum mittelalterlichen Weltmarkt, 1908 und die dort auf den Seiten XIII—XX dankenswert zusammengestellten reichen Literaturnachweise.
- ↑ nr. 199, 202.
- ↑ K. Lehmann, Altnordische u. hanseatische Handelsgesellschaften in Ztsch. d. ges. Hndlsr. 62 (1908) S. 289. — Fr. Keutgen, Hansische Handelsgesellschaften in Viertelj. f. Soz. u. Wirtschaftsgesch. 4 (1906) S. 278. — W. Stieda, Hans.-Venetianische Handelsbez. S. 37—61. — P. Rehm in Ztschr. f. d. Hdlsrecht 42 S. 367ffg.
- ↑ nr. 201.
- ↑ nr. 227.
- ↑ a b Nach einem seiner Handelsbücher.
- ↑ K. Fr. Breug, D. Handlungsgehilfen d. hans. Kaufmanns 1707.
- ↑ Richard Ehrenberg, Hosteliers und Makler, in Ztschr. f. Hndlsr. 30 S. 408 ff. — Friedr. Techen, Die Bürgersprachen der Stadt Wismar, 1906 S. 180 ffg.
- ↑ H. R. I Abt. 2 nr. 343 § 45; 344 § 38; 345 § 33.
- ↑ nr. 24, 38, 40, 46, 54, 68, 94 usw. Das Pfund vlämisch ist gleich 4½ M. Lüb. rund anzusetzen. Die Krone und der Dukaten lassen sich zu 1 M. Lüb., der Rheinische Gulden zu der hier in Frage stehenden Zeit mit durchschnittlich 14 Schill. Lüb. beziffern. Näheres darüber in den Hans.-Venetianischen Handelsbez. S. 73ffg.
- ↑ n. 181. Näheres in den Hans.-Venetian. Handelsbez. S. 78ffg.
- ↑ Genaueres in meinen Hans.-Venetianischen Handelsbeziehungen 1894. S. 36ffg.
- ↑ Über die Sardoke s. genauere Angaben in den Hans.-Venetian. Handelsbeziehungen. S. 109—110.
- ↑ nr. 184.
- ↑ nr. 183.
- ↑ nr. 257, 258.
- ↑ nr. 233, 234, 244, 249.
- ↑ nr. 127.
- ↑ nr. 149.
- ↑ a b nr. 149, 164.
- ↑ nr. 117.
- ↑ nr. 185.
- ↑ W. Stieda in Mitteil. d. Ver. f. Lübeck. Gesch. (1888) S. 110. Hans.-Venet. Handelsbezieh. S. 153 nr 31.
- ↑ H. R. I. Abt. S. V und nr. 557.
- ↑ H. R. I. Abt. 6 nr. 556 § 87.
- ↑ Hans.-Venet. Handelsbezieh. S. 28.
- ↑ H. R. I. Abt. 7 S. V.
- ↑ H. R. I. Abt. 7 S. VI.
- ↑ Daenell, Die Blütezeit der deutschen Hanse 1905 1, S. 197.
- ↑ Hans.-Venet. Handelsbezieh. S. 82 ffg.
- ↑ nr. 499.
- ↑ Gilliodts van Severen, a. a. 0. I S. 541.
- ↑ Gilliodts van Severen, a. a. 0. I S. 630.
- ↑ L. Gilliodts van Severen, Cartulaire de l’ancienne Estaple de Bruges. 1904 I S. 290, 409, 432, 477, 497, 675, 676, 685, 694 usw.
- ↑ Gilliodts van Severen a. a. 0. Band 4 S. 357.
- ↑ R. Ehrenberg, D. Zeitalter der Fugger I S. 339, 344, 347, 351, 353 II S. 200.
- ↑ nr. 181.
- ↑ nr. 499 (3), 499 (4).
- ↑ nr. 470.
- ↑ nr. 499 (3), 499 (4).
- ↑ Siehe Näheres über diesen Vorgang Hans. Geschichtsbl. 1887. S. 63ffg. „Ein Geldgeschäft Kaiser Sigismunds“.
- ↑ Gilliodts van Severen, a. a. O. I S. 181, 428, 462, 466. Hans. U. B. 5 nr. 589, 899 Anmerk. 2, 1077.
- ↑ Hans. U. B. 4 nr. 661.
- ↑ H. R. I Abt. 2 nr. 343 § 45.
- ↑ nr. 272, 285.
- ↑ nr. 279, 289, 296, 297.
- ↑ nr. 310, 311.
- ↑ nr. 303.
- ↑ nr. 306.
- ↑ nr. 312.
- ↑ Gilliodts van Severen Inventaire de la ville des Bruges I S. 277 bietet das Reglement des Steins von 1299? — Derselbe, Coutumes des pays et comté de Flandre. Coutume de la ville de Bruges (1875) enthält I S. 148 die Ordnung des Steins aus dem Ende des 15. Jahrhunderts und bietet verschiedene bemerkenswerte Fälle von Einsperrungen.
- ↑ nr. 319.
- ↑ nr. 348.
- ↑ nr. 473.
- ↑ nr. 334, 335, 342.
- ↑ nr. 390, 391.
- ↑ nr. 412.
- ↑ nr. 414.
- ↑ nr. 404, 405.
- ↑ nr. 414.
- ↑ nr. 415.
- ↑ nr. 194.
- ↑ nr. 2.
- ↑ R. Häpke, D. deutsche Kaufmann in d. Niederlanden 1911 S. 35.
- ↑ H. R. I. Abt. I nr. 201.
- ↑ nr. 5 und 6.
- ↑ H. R. I. Abt. 5 nr. 406.
- ↑ nr. 15.
- ↑ Nach den Handelsbüchern Hildebrands.
- ↑ nr. 15.
- ↑ Die Mark Rig. 1407 gleich 25 Sch. Lüb. zu rechnen.
- ↑ nr. 24.
- ↑ nr. 54.
- ↑ nr. 53.
- ↑ nr. 23.
- ↑ nr. 396.
- ↑ nr. 177 S. 203.
- ↑ nr. 84.
- ↑ nr. 191.
- ↑ nr. 195 S. 219.
- ↑ H. R. I. Abt. 5 nr. 406.
- ↑ U. B. d. St. Lübeck 5 nr. 34.
- ↑ U. B. d. St. Lübeck 5 nr. 127.
- ↑ U. B. d. St. Lübeck 5 nr. 131.
- ↑ U. B. d. St. Lübeck 5 nr. 134.
- ↑ U. B. d. St. Lübeck 5 nr. 684.
- ↑ U. B. d. St. Lübeck 5 nr. 250.
- ↑ nr. 9.
- ↑ C. Wehrmann, Der Aufstand in Lübeck 1408—1416 in Hans. Geschbl. 1878 S. 103—158.
- ↑ nr. 19, 20.
- ↑ H. R. 1. Abt. 5 nr. 680.
- ↑ nr. 23.
- ↑ nr. 33. U. B. d. St. Lübeck 5 nr. 263 Anm.
- ↑ nr. 48.
- ↑ nr. 36 S. 48.
- ↑ nr. 36 S. 49.
- ↑ nr. 27.
- ↑ nr. 43 S. 58.
- ↑ nr. 43 S. 57.
- ↑ nr. 33.
- ↑ nr. 33 S. 43.
- ↑ nr. 51.
- ↑ nr. 59 S. 74.
- ↑ nr. 50.
- ↑ nr. 48, 50 S. 64.
- ↑ nr. 59 S. 74.
- ↑ Hans.-Venetianische Handelsbeziehungen im 15. Jahrhundert. Festschrift der Landesuniversität Rostock zur zweiten Säkularfeier der Universität Halle a. S. 1894.
- ↑ Hans.-Venet. Handelsbez. S. 145 Nr. 22.
- ↑ nr. 191.
- ↑ nr. 184.
- ↑ nr. 186.
- ↑ nr. 190.
- ↑ nr. 196.
- ↑ nr. 120.
- ↑ nr. 202 S. 228.
- ↑ nr. 261.
- ↑ nr. 194. S. 217.
- ↑ U. B. d. St. Lübeck 6 nr. 278.
- ↑ U. B. d. St. Lübeck 6 nr. 423.
- ↑ Lübische Bernsteindreher in Mitteil. d. Ver. d. Lübeck. Gesch. 1886 S. 108.
- ↑ U. B. d. St. Lübeck 7 nr. 410, 450, 650, 741.
- ↑ a b nr. 377.
- ↑ nr. 363.
- ↑ nr. 251.
- ↑ nr. 306.
- ↑ nr. 319 S. 338.
- ↑ nr. 98.
- ↑ nr. 180.
- ↑ nr. 193.
- ↑ nr. 293.