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Fig. 1. Die Kirche Gross St. Martin vom Rhein aus gesehen.


Die Kirchen Gross St. Martin und St. Aposteln in Köln
von
Max Hasak.


DIE romanische Kunst hat heutzutage die Auf­merksamkeit weiter Kreise auf sich gezogen, aller Orten erheben sich neue Kirchen in ihrem Formenkleide, man betrachtet sie als die eigentlich deutsche Kunst, und da sie bei uns in Deutschland im Anfang des XIII. Jahrhunderts plötzlich zu Gunsten der Gotik verlassen worden ist, ohne sich anscheinend ausgelebt zu haben, so erhofft man von ihrer Wiederaufnahme die Möglichkeit ihrer Weiterentwickelung — gar einen neuen deutschen Stil.

     Es lohnt daher der Mühe, eine Charakteristik dieser Kunst in kurzen Zügen zu geben, einige ihrer vorzüglichsten Meisterwerke eingehender zu betrachten, die Gründe zu untersuchen, welche in Frankreich aus ihr die Gotik entwickelt und welche die Deutschen veranlasst haben, sie nach dem Jahre 1200 plötzlich aufzugeben und sich begeistert der französischen Frühgotik zuzuwenden.

     Als Anfänge der romanischen Kunst können wir in den Kulturländern des Occidents diejenigen Bauten betrachten, welche nach den Stürmen der Völker­wanderung und in dem ausserrheinischen Deutschland nach seiner Bekehrung zum Christentum entstanden sind.

     Je nach der Art der Bauten, welche nach den verheerenden Kämpfen der Völkerwanderung in jenen Ländern noch aufrecht standen, entwickelte sich die junge Kunst in Anlehnung an das Vor­handene verschieden: Selbstverständlich trugen auch

 

der Charakter, die Sitten und das Können der ein­gewanderten Stämme das ihre dazu bei, den bau­lichen Schöpfungen ganz besondere Eigentümlich­keiten aufzuprägen. Denn dass die alten Deutschen durchaus nicht mit rohen Bärenhäuten bekleidete und nur von der Jagd lebende Wilde waren, wie sie sich uns von Jugend auf durch einseitige Geschichtsschilderungen in unserer Vorstellung einnisten, das beweisen vor allem die Funde in den Grabstätten, das beweisen auch Nachrichten selbst römischer Schriftsteller.

     Doch sind vor dem Jahre 1000 so wenige Denk­mäler erhalten, dass man erst für die Zeit nach dem­selben von einer eigentlich romanischen Kunst sprechen kann.

     Die Bezeichnung romanische Kunst hat sich nach dem Vorgange der Sprachwissenschaft gebildet, welche diejenigen Sprachen, die aus dem Lateinischen nach dem Eindringen der deutschen Völkerschaften in das alte römische Reich entstanden sind, als romanische bezeichnet.

     Gleich wie nun diese romanischen Sprachen sich in den einzelnen Ländern verschieden ausgestaltet hatten, so auch die Baukunst.

     In Frankreich hatte die späte Römerherrschaft — das bas empire, wie sie die Franzosen nennen — eine provinziale, meistens ziemlich verrohte Kunst hinterlassen. Je dichter diese spätrömischen Denk­mäler gestanden hatten, wie in der Provence, im

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Max Hasak: Die Baukunst, 11. Heft. , 1899, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Baukunst_-_11._Heft_-_01.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)