Die Gartenlaube (1854)/Heft 22

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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Entstehungsdatum: 1854
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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No. 22. 1854.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redakteur Ferdinand Stolle.
Wöchentlich 11/2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 121/2 Ngr. zu beziehen.

Das Haus am Meeresstrande.
Eine pommersche Geschichte von Oswald Tiedemann.
(Fortsetzung.)

„Ist der Freiherr so schlimm, Vater?“ rief Katharina, als sie mit ihrem Vater wieder allein war. „Ein stattlicher Mann und gar nicht so böse, wie Ihr immer ausschreit. Es ist dies das erste Mal, daß ich ihn gesprochen.“

„Eben weil es das erste Mal ist,“ erwiederte dieser mürrisch, „kennst Du ihn nicht. Laß Dir nur einfallen, öfter auf’s Schloß zu gehen, dann wirst Du schon andere Glocken läuten hören. Du bist eine unwissende Dirne, damit gut!“ – Er legte sich auf eine Bank, streckte sich aus und that, als ob er schliefe. –

Es war Abend geworden. Wie der Sturm, so hatte auch der Regen aufgehört, die schwarzen Wolken waren verflogen. Klar und heiter blickte der Himmel herab, ein Purpurstreif umsäumte den Horizont, die letzten Strahlen der glührothen Sonne zitterten über das Meer. Dieses lag ruhig, in Spiegelglätte, still, als lausche es der werdenden Nacht. Hie und da nur zitterte es auf, von dem leisen Schlag eines Fisches getroffen. Die hohen Tannen am Ufer regten sich nicht. Sie hatten die Schauer des Sturmes abgeschüttelt und harrten ermüdet des Schlummers. … Es war wie eine Feier in der Natur, lebendig Alles und doch ohne Leben. Der laute Hall der Luft, des Waldes und des Wassers war verstummt, wie verzaubert durch Verklärung lag Alles in träumerischer Stille. –

Katharina trat hinaus vor die Hütte. Ihr Blick schweifte durch das Dunkel des Waldes, über das Meer, sie suchte den Horizont. Es sehnte sie nach etwas Unnennbarem, nach etwas, wofür sie keine Worte finden konnte. Lange stand sie so in sinnender Betrachtung, ohne doch, in Folge ihrer dürftigen Erziehung, auch nur eine Auflösung zu finden für die vielen Räthsel, die sich in ihrer Seele drängten …

Sie war in diesem Augenblick vollendet schön. Die frische Seeluft färbte ihre Wangen mit einem höheren Roth, das Auge glänzte, als faßte es all’ die Verklärung auf, die sich über die Natur ausgebreitet hatte …

Ein junger, schwarzgekleideter Mann, der von dem Walde herüberkam, bemerkte sie und blieb am Saume desselben stehen. So schön hatte er sie nie gefunden. Langsam, immer das Auge auf sie geheftet, kam er näher. Sie hörte ihn nicht, ganz im Anschauen des Meeres versunken, bis er sie anredete:

„Woran denkst Du, Katharina?“

Sie wandte sich rasch um. „An Dich denke ich, Rudolf,“ sprach sie lebhaft, „überall sah ich Deinen Namen. Tausendfach auf dem Meere, an dem Himmel, aus den Sternen strahlte er. Ich weiß mir das nicht zu erklären. Es ist traurig, daß ich so wenig gelernt habe, nur eine Dirne bin, die Tochter eines armen Soldaten, der auf seine alten Tage Fischer geworden ist –, ich würde Dir dann in andern Worten sagen können, was ich Alles gedacht habe. Es war so viel und doch weiß ich nichts Rechtes. Mein bischen Wissen ist doch auch gar zu armselig; ich dürfte Dir nicht einmal einen Brief schreiben, ich habe das Schreiben nur eben gelernt, wie es der Schulmeister im Dorfe wußte und wie der Vater nachgeholfen. Meine Mutter hat es besser verstanden. Das soll eine kluge Frau gewesen sein. Nun, ich meine immer – sie sah ihm dabei mit treuherziger Besorgniß in die Augen – wenn Du erst in der Stadt bist, dann hast Du auch die arme Katharina vergessen, und es ist unnütz, daß ich mich mit Gedanken abquäle, die einer Bauerndirne nicht ziemen.“ –

„Aber Käthchen,“ entgegnete der junge Mann, indem er ihre Hand erfaßte, „hab’ ich Dir denn nicht oft genug gesagt, daß Du ein thörichtes Kind bist mit Deinen Befürchtungen? In Dir steckt Verstand gerade so viel, als Du brauchst, um in einem Jahre alle Frauen der Residenz in der Bildung zu erreichen. Dir Fleiß einzupredigen, werde ich nie nöthig haben, das weiß ich.“

„Ist es denn wirklich Dein Wille, Rudolf, mich nach Berlin mitzunehmen? Ich kann es immer noch nicht recht glauben. Wenn ich so manchmal an die Möglichkeit dieses Glückes denke, dann ist mir immer, als empfände ich einen Druck auf das Herz, der mir alles Blut stocken macht; als käme irgend etwas dazwischen, daß es nicht werde. Ich bin deshalb auch so still, und sonst war ich wild und ausgelassen, so wild zuweilen, Rudolf, daß der Vater lachte und ausrief: „das Mädel ist ein Junge! Jetzt ärgert mich das fast, wie ich mich mit mir überhaupt nicht zurecht finden kann. Sieh’, Rudolf, ich will Dir nichts verhehlen. Komm, dort auf die Bank wollen wir uns setzen. So. Ja, sieh, Rudolf, manchmal hab’ ich Dich so lieb, ach, daß ich es gar nicht sagen kann! Ich möchte durch den Wald jagen, hinein in’s Dorf, bis ich Dich finde. Das andere Mal – Du mußt aber nicht böse sein, Rudolf – das andre Mal, da fürcht’ ich mich vor Dir, da möcht’ ich es nicht gern haben, daß Du mir begegnest. Ich habe darüber schon manche Nacht gewacht und mir den Kopf zerbrochen, wie das wohl kommen mag. Ich find’s nicht heraus. Mag’s nun wohl sein, daß Du ein Stadtherr bist und Ich eine ungelehrige Dirne, ich weiß halt nicht, und nimmer werd’ ich’s halt wissen!“ –

Sie hatte die rechte Hand auf seine Schulter gelegt und blickte ihm fragend in’s Auge. Er war während ihrer Rede ernster geworden, es zuckte um seinen Mund, und fast schmerzlich [250] sagte er: „Du liebst mich nicht recht, Kathi. Sieh’, wenn Du es thätest, so würdest Du darüber Alles vergessen, Dich nicht so viel mit Wenn und Aber beschäftigen; Du würdest die Zeit kaum erwarten können, wenn ich kommen soll, kurz, Du würdest nur an mich denken.“

„Das thu’ ich, Rudolf, gewiß und wahrhaftig!“ fiel sie rasch ein, indem sie ihre Hand betheuernd auf das Herz legte. –

„Ja. aber nicht auf die rechte Art,“ erwiederte er kopfschüttelnd. „Das läßt sich so eigentlich gar nicht erklären, das muß man fühlen. Du redest Dir ein, Du liebst mich, und wenn ich da bin, da magst Du’s auch gern bestätigen, um mich nicht zu kränken, denn hast Du ein gutes Herz, Kathi, aber innerlich wahr ist es nicht. Mit mir ist das ganz anders. Sieh’, ich kam hierher, weil ich gern das Pommerland und die Küsten der Ostsee kennen lernen wollte. Bei Deinem ersten Anblick zuckt’ es mir im Herzen, ich liebte Dich. Das ist so geblieben. Ich bin nicht reich, Kathi, auch nicht von vornehmen Aeltern, mein Talent ist auch kein so bedeutendes, daß ich mich zu den Künstlern erster Größe zählen könnte, aber ich habe zu leben, kann eine Frau ernähren, und habe nicht zu fürchten, daß ich darüber mit meiner Familie zerfalle, wenn ich Dich dazu mache. Muß ich Dir denn das immer wiederholen? Was Du zu lernen nothwendig hast, um mit den Städterinnen umzugehen, das wirst Du lernen. Dafür hab’ ich keine Besorgniß, meine Besorgniß ist nur, daß Du mich nicht liebst.“ –

Es drängte sie, ihm um den Hals zu fallen, so aufrichtig sprach er, aber wieder hielt sie etwas zurück, und sie drückte ihm nur herzlich die Hand, während sie sagte: „Nun, hab’ nur Geduld mit mir, Rudolf, ich werde mir Mühe geben, nur an Dich zu denken, und wenn es wieder geschieht, daß mich etwas abhalten will, dann ruf ich Deinen Namen in Einemfort laut aus, hintereinander, bis Du wieder da bist. Blick’ nicht so böse. Sei gut, schilt mich, aber sei nicht so häßlich.“ –

„Wie kann ich das, Kathi?“ sagte er, indem er ihre Hand leise von der Stirn nahm, als sie ihn mit derselben streicheln wollte. „Wenn Du Dich erst zwingen mußt, mir anzugehören, so hast Du auch bald damit geendigt. Dein Vater ist eben so. Der ist aber alt und besorgt um sein einziges Kind, da kann ich ihm nur Recht geben; mit Dir ist das was anderes. Eine Geliebte weiß sehr rasch, was sie zu glauben hat oder nicht. Ich will, damit Du siehst, wie ich es meine, noch heute mit Deinem Vater reden und, giebt er sein Jawort, so kann der Pfarrer schon nächsten Sonntag das Aufgebot halten. Sag’, Kathi, ob Du das willst.“

„Nein, Rudolf,“ entgegnete sie zögernd und mit gesenktem Blick, „laß das heute. Der Vater ist übelgelaunt und hat sich zum Schlafen hingelegt. Morgen sprechen wir zusammen mit ihm, dann wissen wir gleich alle Drei, wie’s steht; Keiner soll ein Hehl vor dem Andern haben. Willst Du, Rudolf?“

„Nun ja,“ erwiederte er etwas gepreßt, „ich mag Dir nicht widersprechen. Es mag auch gut sein, daß eine Nacht dazwischen liegt; überleg’ es Dir recht, Kathi, hörst Du?“ –

„O ich weiß schon, wie’s ausfallen wird,“ lachte sie, über seine Zustimmung erfreut und nicht fähig, ihr Gefühl zu verbergen. „Da wird der Vater von Hochzeit sprechen, von Kuchen und Wein und einer großen Gesellschaft, die er gebeten haben will. Ich weiß das schon im voraus. Da wird nichts fehlen dürfen, was zu einem großen Staat gehört. Und weißt Du wohl, Rudolf, daß der alte Freiherr von Riedd mir auch schon eine Aussteuer versprochen hat? Er war vorhin hier, um seinen Sohn abzuholen, den man im Walde von einer Kugel durchbohrt gefunden.“

„Was?“ fiel Rudolf erschrocken ein. „Erschossen? Den Junker von Riedd?“

„Nein, nicht erschossen, nur verwundet. Man hatte ihn in unser Haus, oder in unsere Barake, wie der Vater zu sagen pflegt, gebracht. Wie’s zugegangen, weiß noch Niemand. Der alte Freiherr wird aber gewiß schwere Strafen für den Thäter verlangen, und nicht ruhen, bis er ihn entdeckt. Du kennst ihn ja, Rudolf, den Schloßherrn?“

„Gewiß, bin oben auf seinem Schlosse gewesen,“ erwiederte Rudolf sinnend und wie mit einem Gedanken kämpfend. „Er hat mir auch zwei Bilder abgekauft. Aber, Kathi, das ist ein großes Verbrechen, das Du da erzählst. Ich hab’ davon noch nichts im Klosterdorfe Riedd gehört. Wie ich jedoch durch den Wald gehe, ich wäre schon früher gekommen, aber das abscheuliche Wetter hielt mich ab; – ja, im Walde unter einem Eichbaum da fand ich den großen Hund des jungen Freiherrn erschlagen. Ich wußte gar nicht, was ich davon denken sollte. Sind denn hier Wilddiebe vielleicht?“

„Ei, wo denkst Du hin, Rudolf! Ueberall sind Wächter aufgestellt und nur bei dem Unwetter mögen sie zu Hause geblieben sein. Seid Jahr und Tag, seid ich denken mag, sind hier keine Wilddiebe gewesen. Nein, nein, da ist etwas geschehen, was nicht sein sollte. Hätte der gnädige Junker doch auch nur ein Wörtchen reden können, dann hätten wir vielleicht was erfahren; aber behüte, daß er sprach! Nur einmal schlug er die Augen auf, ein einziges Mal, das war Alles. Er wird doch gewiß wissen, wie es zugegangen.“

„Sicher, Katharina, wird er das wissen; aber ob er auch nur mit dem Leben davonkommt? Was hat denn der Doctor gesagt?“

„Die Wunde ist nicht gefährlich, des Junkers kräftige Natur wird das bald überwinden. Nun laß aber die Geschichte, Rudolf, und sag’ mir, was Du heute gethan bei dem gräulichen Unwetter. Das war ja, als ob der Gottseibeiuns durch die Lüfte gefahren wäre!“

„Hast Du Dich gefürchtet, Kathi?“ lächelte der Maler.

„I behüte! Ich und fürchten? Da muß es anders kommen. Nun sag’ schnell, was Du gemacht! Ich muß bald wieder hinein in’s Haus; wenn der Vater aufwacht und mich nicht find’t, so poltert er wieder eine Stunde. Ich möcht’ auch nicht, daß er uns beisammen sieht, bis wir nicht morgen ordentlich mit ihm gered’t haben. Er traut einmal den Stadtleuten nicht.“

„Mißtrauisches Volk,“ lächelte Rudolf. „Was ich heute gemacht habe? In meiner Stube habe ich gesessen und habe den Sturm abgemalt, den Blitz und die Wolken. Schade, daß ich den Donner nicht mit habe abmalen können; und gedacht habe ich an Dich.“

„Das ist recht schön von Dir. – Wohnst Du noch bei dem schwarzen Kreuzwirth?“

„Ja wohl, Kathi, in demselben Zimmer, wo Rosi gestorben ist, des Kreuzwirths Tochter. Der Vater hat mir einmal die Geschichte erzählt.“

„Und Du fürcht’st Dich nicht, Rudolf?“

„Vor was denn?“ lachte der Maler.

„Nun, es ist doch ein eigen Ding, in einem Zimmer zu wohnen und zu schlafen, wo Jemand gestorben ist. Da finden sich gar seltsame, wunderliche Gedanken ein. Ich war einmal da oben in der Stub’. Da war mir’s immer, als gukte aus jeder Eck’, aus jedem Winkel das blasse Gesicht der Rosi. Ich konnte gar nirgends hinschauen, da stand sie vor mir. Es war recht graulich; ich hätt’ nicht geglaubt, daß die Gespenster so nah zu den Menschen kommen. Nimm Dich in Acht, Rudolf, thu’ mir die Lieb’ und sei behutsam. Wenn man grade denkt, es passirt Einem nichts, da geschieht es just.“

Der Maler umschlang sie und flüsterte: „Wenn Du mir nur gut bleibst, Kathi, dann hab’ ich von Niemand was zu fürchten, auch von den Gespenstern nicht. Es giebt keine. Die Gespenster sind die Bilder unserer Unruhe, wenn wir gepeinigt sind von irgend einem trüben Gedanken. Mach’ mir nie solche, hörst Du, Kathi? Das wäre mein Tod! Und nun, gute Nacht, mein Schatz! Es ist spät geworden, der Mond blitzt durch die Tannen, ich habe noch einen weiten Weg.“

„Gute Nacht, Rudolf!“ gab sie zurück und duldete es still, aber ohne Erwiederung, daß er ihr einen Kuß zum Abschied auf den Mund drückte! –

Sie verweilte noch einige Minuten auf dem Platze und blickte Rudolf nach, bis er im Waldesdunkel verschwunden war. Ein leiser Seufzer begleitete sein Verschwinden, dann stand sie auf, warf noch einmal einen Blick dahin, und ging langsam in die Hütte. –

Rudolf hatte sich am Waldessaum noch einmal umgesehen. In der Dämmerung verschwamm die Gestalt seiner Geliebten, aber er winkte doch hinüber mit der Hand; es war ihm, als begegnete er ihrem Auge, dem schönen träumerischen Auge. In Gedanken versunken, von der Pracht der milden Nacht angezogen, schritt er durch den Wald anfangs am Meere hin, das in Spiegelklarheit sein weites Becken öffnete, um die tausend, tausend [251] Sterne in seinem Schoße aufzufangen, die von dem Himmel herabschimmerten. In seiner Tiefe schlummerte manche Blume mit sehnsüchtigem Verlangen, magisch zog es die Sterne herab … es suchten einander Blumen und Sterne; in dem Traum des einen lebte der andere … Der Mond übergoß mit seinem vollen Licht den Wald; ruhig standen die Tannen. Von den Zweigen nur fiel hie und da ein glänzender Tropfen, eine traumhafte Thräne des schlummernden Baumes. Still war es, einsam still in dem Walde. Von fern her nur erschallte der Gesang eines Vogels, in klagenden Tönen, wie ein Lied der Wehmuth, die, eine Tochter des Abends, den hellen Morgen flieht und mit der Nacht verhaucht. –

Es war schon spät, als Rudolf in das schwarze Kreuz kam; die Dorfuhr schlug elf. In den Häusern schimmerte nur vereinzelt ein Licht; die meisten Bewohner hatten sich schlafen gelegt. Er ging an dem Kloster vorüber, das an einem freien Platze inmitten des Ortes liegt und jetzt unbewohnt, theilweise in Ruinen zusammengebrochen, in dem vollen Schein des Mondes riesenhaft emporragte. – Rudolf war es, als schimmerte ein Licht in diesen Räumen, es flackerte hin und her, kaum merklich, in weiter Ferne. Er meinte, es sei eine Täuschung und vielleicht ein Stern, der durch das Gemäuer blinkte. Er ging vorbei und mit beflügeltem Schritt nach Hause. Niemand mehr war wach; er stieg die Treppe hinauf und legte sich zur Ruhe. –

Er konnte lange nicht schlafen. Er dachte so mancherlei, an Katharina, an den Junker, an die Fügungen des Zufalls, die ihn hierhergeworfen, wo er seine lange Herzensruhe verlieren sollte. Mitunter durchliefen seine Gedanken gewaltige Mißtöne, er schwankte in seinem Vertrauen zu seiner Geliebten und sah sich mit einem großen Weh belastet, nach der Residenz zurückkehren; aber wie denn der Liebende tausendfach erfinderisch an Gegenvorstellungen ist, so verscheuchte er auch seine Sorgen und seine Augen schlossen sich.

Im Halbschlummer war es ihm, als höre er Jemand auf der bis dahin stillen Straße näher kommen, als würde die Hausthüre geöffnet, die er vorhin verschlossen, als träte Jemand in die Stube unter ihm; als ginge es noch einige Mal auf und nieder, wie der Fußtritt eines Mannes. … Endlich wurde es still.

Die seltsamsten Gerüchte verbreiteten sich in der Umgegend über den Vorfall mit dem jungen Freiherrn, oder, wie er von den Bauern allgemein genannt wurde, dem Junker von Riedd. Da und dort wollte man einen Mann gesehen haben, den Niemand kannte, aber der seines verwilderten Aussehens wegen der That wohl fähig sein konnte; Niemand wußte jedoch zu sagen, wo er hingekommen. Ein Dritter meinte, aus dem Dorfe Waldegg müßte es Jemand gewesen sein, denn die dortigen Bauern seien dem Schloßherrn von Riedd nichts weniger als hold. Ein Vierter endlich, und dieser erhielt den meisten Beifall, da sich durch mehrere Tage nichts ereignete, um einen bestimmten Verdacht zu äußern, dieser meinte, der Junker wäre wohl selbst ungeschickt mit dem Gewehre umgegangen und habe anstatt ein Wild, sich selbst getroffen. – Bei diesen Leuten kam aber gar nicht in Betracht, daß das Gewehr des Junkers nirgends aufgefunden werden konnte, und daß der große Hund desselben ersichtlich erschlagen worden war.

Was den jungen Freiherrn selbst betraf, der sich über Erwarten schnell erholte, so schwieg er über den Vorfall gänzlich, und selbst die ernstesten Ermahnungen seines Vaters konnten ihn nicht zum Sprechen bewegen. Er suchte Ausflüchte, erging sich in Muthmaßungen, und endlich blieb er bei dem Ausspruche stehen: der Schuß habe ihn aus der Entfernung getroffen, plötzlich, ohne daß er selbst gewußt, wie es geschehen. Bei der vorherrschenden Dunkelheit, dem Wüthen des Sturmes, und da er gleich niedergesunken sei, habe er Niemanden gewahr werden können.

Ueber den Verblieb seines Gewehres und über seinen Hund wußte er keine Auskunft zu geben. Gegen das Einschreiten der Gerichte hatte er nichts einzuwenden; doch mochte er diese Zustimmung wohl mehr aus Nachgiebigkeit gegen seinen Vater, als aus eigener Billigung dieses Schrittes geben.

Daß dem Junker indeß, trotz seiner Schweigsamkeit über den Vorfall, etwas auf der Seele brannte, verrieth nur gar zu leicht seine Ungeduld; er wollte durchaus jetzt schon aufstehen. Vergebens ermahnte ihn der Hausarzt, sich ruhig zu verhalten, vergebens waren seine Vorstellungen, daß er durch die Unruhe die Heilung selbst verzögern, daß die Wunde dadurch schlimmer werden würde; er ließ sich nichts einreden, wie er sorgte und strebte, sobald wie möglich aus dem Bette zu kommen. Ein jedesmaliger Zornausbruch seines Vaters allein konnte ihn zur Vernunft zurückbringen. Seine Jugendkraft überwand aber, wie gesagt, seinen mißlichen Zustand über Erwarten schnell. Noch nicht drei Wochen waren vergangen und er durfte in seinem Zimmer umhergehen. Seine erste Frage, mit der er bis dahin zurückgehalten, war jetzt, wo er sich denn eigentlich befunden habe, bevor man ihn in den Wagen gebracht. Als man ihm den alten Soldaten Claus Schilder und seine Tochter Katharina nannte, entgegnete er nichts; ein Lied summend, trat er an’s Fenster.

Ueber den Vorfall selbst fing er zu scherzen an, lachte, wenn davon die Rede war und meinte: „Ein Schiff sei von Schweden herübergekommen, darauf habe der Mörder gesessen; man solle ihn auf der Ostsee suchen.“ Dann fragte er aber doch auch wieder und nicht ohne Besorgniß: „Ob man nichts gefunden, was auf das Ereigniß Bezug habe? Ob man schon eine Spur entdeckt?“ So sehr aber die betreffende Behörde sich auch bemühte, über das Dunkel der auffallenden Begebenheit einiges Licht zu erhalten, es wollte ihr nicht gelingen, und fast drohte der ganzen Sache Vergessenheit, da überdies dem Junker selbst nicht viel an der Entdeckung des Thäters zu liegen schien. Sein Vater nahm ihn wohl wiederholt in ein scharfes Verhör, aber er sagte nicht mehr, als er bis dahin gethan.

Den ersten schönen Tag, der es erlaubte, benutzte der Junker zu einem Ausflug. Von allen Seiten nickten ihm die Bauern respektvoll zu, als er durch das Dorf schritt, aber keiner nahte sich ihm herzlich; hatte er es doch nie verstanden, sich ihre Liebe zu erwerben, eben so wenig wie sein Vater, der im Grunde von keinem schlimmen Charakter, doch zu sehr den aristokratischen Gesinnungen unterlag, von der allgemeinen Berechtigung der Menschen auf Gleichheit nichts wissen wollte und diese Gesinnungen auf seinen Sohn vererbt hatte.

Es nahte bereits der Herbst; August war vorüber. Die Blätter der Bäume färbten sich roth und gelb, der Wind schüttelte sie stark, und machte sie ärmer an ihrem schönen Schmuck. Die Vögel rüsteten sich im Walde zum Abzuge; in großen Schaaren versammelt, stimmten sie ein großes Geschrei an, erhoben sich in die Luft, senkten sich nochmals herab, als glaubten sie nicht recht, daß sie wandern müßten und als käme noch einmal der Frühling, schnell, um sie zurückzuhalten; sie hatten das Stückchen Erde lieb gewonnen, es war ihnen eine Heimath geworden; und wer hat Lust diese zu verlassen? So überall, in Wald und Feld lagerten und sammelten sich die Zugvögel.

Das Meer brauste auch wieder stärker auf. Die Wellen hoben und senkten sich; sie hatten keine rechte Freude mehr an der Sonne, sie war kalt und schied rascher wie sonst. Kaum hatten sie die Strahlen aufgefangen, die heißsüchtigen Wellen, da verschwand sie auch schon wieder, es zeigte sich keine rechte Liebe mehr bei der Sonne; im Frühling und Sommer war das so ganz anders, da waren sie verwöhnt worden, und jetzt sollten sie auf einmal entsagen. Das Meer hatte da wohl rechten Grund zum Grollen; es ist gar so trüb entsagen zu müssen, was man einmal lieb gewonnen.

Der Junker von Riedd, das Gewehr auf der Schulter, ganz wie sonst, ein Liedchen trällernd, dankte den vorübergehenden Bauern kaum, er empfand auch nichts von der wehmüthigen Klage in der Natur, die ahnungsvoll die Schauer des kommenden Winters verkündete; er dachte eben, die Blätter fallen von den Bäumen, gut; die Jagd ist vor der Thüre, wir kriegen Gesellschaft in’s Haus; der Herbst ist so übel nicht, und der Winter wird sich auch ertragen lassen. Wenn man reich ist und Geld hat, so kann man allezeit das Vergnügen erkaufen.

Er ging auf die Hütte des alten Claus. Er sah Niemand vor der Thüre und lugte durch’s Fenster. Die papierenen Scheiben gewährten zwar einen schlechten Einblick, doch fuhr er mit verfinsterter Miene zurück. Hollah! dachte er, steht es so? Daß ist ja eine saubere Entdeckung. Wir wollen der Sache gleich auf den Grund kommen!

Er hatte keine Lust in die schmutzige Stube einzutreten und pochte an das Haus. Katharina trat auf die Schwelle. Beim Anblicke des Junkers wechselte sie die Farbe. Der Junker beobachtete sie scharf und kniff die Lippen zusammen; ein Ausruf der Bewunderung hätte ihm entschlüpfen wollen.

[252] „Wo ist der Vater, Katharina?’ fragte er mit unverwandtem Blicke.

„Auf die See hinaus zum Fischen, gnädiger Herr.“

„Und was machst Du während dieser Zeit? Du setzest Dich einem Manne auf den Schoß? Ich habe es durch das Fenster gesehen. Ist das wohl recht? Was wird der Vater sagen, wenn ich es ihm verrathe? Ich hätte das nicht von Dir gedacht, Katharina. Du giltst für eine sittsame Dirne, die Leute im Dorfe sagten’s mir, und nun erfahr’ ich das Gegentheil.“

„Ich thu’ nichts Unrechtes, Herr Junker, es müßte denn überhaupt die Liebe verboten sein. Den Mann, den Ihr gesehen habt, ist mein Verlobter.“ Sie hatte sich von ihrer Verwirrung erholt und blickte ihm jetzt fest in die Augen.

„Dein Verlobter?“ Der Junker schlug mit dem Gewehre auf, daß es dröhnte. „Da hat sich ja Vieles ereignet während meiner Krankheit. Ich wollte, ich wäre krank geblieben, denn das sag’ ich Dir unverholen, Katharina, daß ich in diesem Augenblicke ein größeres Weh empfinde, als während all’ der drei Wochen, die ich im Bette verzetteln mußte. Ich habe inzwischen gar oft an Dich gedacht und freute mich recht sehr, Dich wieder zu sehen. Mein erster Gang geschah zu Dir, und ich muß diese Dinge erfahren! Das schneidet in’s Herz, Katharina.“

„Es ist nicht zu ändern, gnädiger Herr!“ antwortete sie zitternd und mit einem ganz eigenthümlichen Blicke. Er verstand ihn; es lag in demselben eine Unsicherheit des Gefühls, von der sie selbst vielleicht nicht wissen mochte.

„Und wer ist Dein Verlobter?“ fragte er nach einer kurzen Pause.

„Ihr kennt ihn, gnädiger Herr. Doch da kommt er selbst!“ – In der That kam der Maler Rudolf Elmer aus dem Hause.

Das lange Ausbleiben Katharina’s veranlaßte ihn dazu und überdies hatte er den Junker durch das Fenster gesehen. Er grüßte denselben höflich, aber mit Zurückhaltung. Herr von Riedd schien ihn gar nicht zu bemerken und wandte sich wieder an Katharina: „Du willst Dich also verheirathen? Schade! Du hättest wohl eine bessere Partie gemacht. Daß doch die jungen Mädchen nicht hitzig genug in’s Ehebett gelangen können. Adieu!“

Er kehrte sich gegen den Wald und wollte gehen. Eine Zornader trat auf die Stirn des Malers, eine dunkle Röthe stieg ihm in’s Gesicht. Rasch hielt er den Junker auf: „Eine gemeine Denkungsart, Herr von Riedd, kann ich Jedem verzeihen, wenn er sie unter Seinesgleichen anwendet, ich aber dulde sie nicht!“

Der Junker biß sich auf die Lippen und wurde bleich. Er sagte: „Was meinen Sie damit? Sie vergessen sich!“

„O nein! Ich würde mich vergessen, zögerte ich auch nur einen Augenblick mit jenen Worten zurückzuhalten; nehmen Sie dieselben in der schlimmsten Bedeutung. Nicht Ihr Benehmen gegen mich hat mich beleidigt, Ihre Art kann ich ertragen; aber Ihre Rohheit gegen ein Mädchen, wenn sie auch nur dem niedrigsten Stande entsprossen, hat mich empört. Was würden Sie sagen, wenn ich ein Gleiches gegen Ihre Verlobte wagte?“

„Das ist, dem Himmel sei Dank, unmöglich!“ warf sich Herr von Riedd in die Brust. „Ich habe ein Vorzimmer und in diesem Bediente, die den Auftrag haben, Jeden, der nicht in’s Haus gehört, zurückzuweisen. Sie kamen in’s Schloß meines Vaters, um Bilder zu verhandeln, Sie sind der Verkäufer; das ist ein Unterschied. Wen ich bezahle, kann ich nicht in meinen Umgang, geschweige zu meinem Freunde erheben. Sie würden vergeblich den Zeitpunkt erwarten, der Ihnen gestattete, mit meiner Braut zu sprechen.“

„Herr von Riedd,“ suchte sich der Maler zu fassen, „ich sehe, daß es eine Thorheit war, Ihretwegen in Zorn zu gerathen. Es ist eine Schwäche im Menschen, die unwillkürlich ausbricht. Was kann ich Ihnen erwiedern, da Sie nur zu beleidigen verstehen? Meine Kunst ist mir heilig. Ich habe geglaubt, daß unser Zeitalter genug fortgeschritten sei, um solche Worte, wie die Ihrigen nicht mehr hören zu müssen, denn wer die Kunst nicht achtet, der steht auf einer Stufe der Bildung, die nur das tiefste Mitleid erwecken kann. Wer die Armuth schmäht, ist entweder verwahrlost an Herz und Geist, oder ein verwöhntes Kind ohne Begriffe. Ich würde von Ihnen Genugthuung fordern, wenn ich annehmen dürfte, Sie würden mir dieselbe bewilligen. Die Art und Weise einer gewissen mittelalterlichen Sitte, die eine Standesklasse als überliefertes Vorrecht betrachtet, ohne viele Neider zu finden, ist mir nicht unbekannt; da Sie aber selbst diese Art von Genugthuung von mir hätten fordern müssen, indem ich Sie dazu aufforderte, Sie es jedoch unterließen, so will ich mich nicht einer neuen Beleidigung aussetzen und Ihnen nun zeigen, daß Sie keinen Feigling vor sich haben. Ihr Freund zu sein, erfordert zu viel Eigenschaften, die ich, der einfache Sohn einer gesunden Sphäre, nicht genug zu würdigen verstehe, als daß ich je mit meinen Gedanken so weit hätte ausschweifen sollen.“

„Impertinenter, brotloser Landstreicher!“ fuhr der Junker wüthend heraus. „Ich werde Dich von dem Gute mit Hunden hetzen lassen, wenn Du nicht freiwillig gehst. Hier ist mein Grund und Boden! Der Güte meines Vaters danken Sie’s, daß Sie hier frei schalten und walten können, daß für Sie das allgemeine Verbot umgangen ist, aber es hat ein Ende. Treff’ ich Sie noch einmal auf einem verbotenen Wege, so werde ich Sie bedienen, wie es Vagabunden geziemt. Genugthuung fordern? Ich von Ihnen? Wär’ es nicht gar so lächerlich, es könnte frech sein! Die Zeit hat Vieles vernichtet, an dem Standesunterschiede gerüttelt, aber noch keine Revolution hat es vermocht, eine echte durch Jahrhunderte geadelte Gesinnung zu untergraben. Brüstet Euch so viel Ihr wollt mit Gleichheit und Freiheit, was festgewurzelt, besteht. Nie kann ich mich so herabsetzen, um mit einem Ihres ehrsamen Standes mich zu schlagen. Schon der Gedanke mit Ihnen herablassend gewesen zu sein, erfüllt mich mit Abscheu gegen mich selbst, jetzt, nachdem ich weiß, daß Sie einer Handwerksgesellen-Herberge angehören.“

(Fortsetzung folgt.)




Tiflis,
das russische Hauptquartier in Klein-Asien.

„Wenn Rußland Georgien und Tiflis behauptet, und Preußen neutral bleibt, so bekommt es Constantinopel, und dann gehört ihm ganz Europa.“

So etwa sprach sich vor langer Zeit ein alter Napoleonischer General aus. Bis jetzt behauptet Rußland Tiflis, und die türkische Armee, die man ihm hier in Karb und Erzerum in Armenien entgegenstellt, soll mit sich selbst so viel zu thun haben, daß von dieser Seite wenig zu befürchten sein wird. – Tiflis ist das Thor zum Kaukasus. Die Gegend ist nordwestlich durch eine Wüste begrenzt, westlich und südlich durch Berge von den türkischen und persischen Provinzen Akiska und Erivan und östlich durch Daghestan und Schirvan und Kaukasus-Züge vom kaspischen Meere geschieden. Klima, Landesphysiognomie mit wilden Bergen und blühenden Thälern erheben die Gegend von Tiflis zu einer der schönsten in der Welt. Baumwolle, Flachs, Weizen, Hirse, Reis, Hanf u. s. w. wachsen in Fülle ohne besondere Arbeit der Menschenhand, während um das türkische Hauptlager in Armenien die Natur sich den trägen Bewohnern verschließt. Die Berge von Georgien strotzen um Tiflis herum vom herrlichsten Waldwerk und der wildwachsende Wein reift die Fülle von Trauben. Ein schöner Fluß, Kur, durchschlängelt und befruchtet das Land. Die Georgier gelten als das mächtigste Volk am Kaukasus, obgleich sie in Sittenverfall den Persern gleich kommen. Die Georgerinnen sind als die schönsten aller kaukasischen Schönheiten anerkannt. Der Markt von Constantinopel wird hauptsächlich von hier aus über Trebisond versehen. Der Adel des Landes herrscht unbeschränkt über Eigenthum und Leben seiner Vasallen und Sclaven.

Georgien gehörte bis zu Alexander dem Großen zu Persien, wurde dann selbständiger Staat unter türkischem oder persischem Schutze, bis es 1576 unter beide Mächte getheilt ward, obwohl ihm der Form nach ein Souverain blieb. Dieser bat 1586 schon um – russischen Schutz. – Rußland baute eine Stadt am Terek auf der andern Seite des Kaukasus, um dieser Bitte nachzukommen. Obwohl nun Georgien seit 1735 zu Persien gehörte, wußte [253] ihm Rußland doch im Frieden mit der Türkei 1791 seine „Unabhängigkeit“ zu verschaffen. Da es diese nicht vertragen konnte, kam ihm Rußland so zu Hülfe (ersucht von einem Prinzen von Georgien), daß seit 1798 die Georgier alle Plackereien, sich selbst zu regieren, ausschließlich den Russen zu übertragen für gut befanden. Die Bevölkerung schätzt man auf 450,000 Seelen. Die Hauptstadt Tiflis (von Tbili = warm wegen ihrer warmen Quellen und dem italienischen Klima vom April bis November, von den Georgiern Tbilisk Alaki, warme Stadt, genannt) erhebt sich an den Ufern des Kur, der hier durch ein prächtigen Thal zwischen zwei Waldbergreihen fließt, am Ende der einen Bergreihe stolz mit seinen massiven, starken, hohen Thürmen, beschattet von öden, dunkeln Hügeln. Sie liegt auf beiden Seiten des Flusses, die eigentliche Hauptstadt am westlichen Ufer. Hier erheben sich die Paläste des reichsten Adels, der große Bazar, schöne Plätze, prächtige Kirchen, die Bureaux der Regierung und der Palast des Gouverneurs. Der neue Stadttheil, seit der russischen Zeit angelegt, zeichnet sich aus durch prächtige, gerade Straßen von Häusern und Palästen, ganz im Style europäischer Civilisation. Der „Goretuban“ wäre etwa mit den „Linden“ in Berlin zu vergleichen. – Am linken Ufer liegt die Vorstadt Awlabar, eine große Karavanserei von Kasernen, langen Häuserreihen und manchen blühenden Werkstätten und Läden, die fast durchweg in den Händen Deutscher sind. (Wo findet man nicht Deutsche?) Der Engländer, der Tiflis zuletzt sah und beschrieb, nennt sie Süddeutsche, giebt aber keine nähern Umstände an.

Im alten Tiflis sind Straßen und Häuser größtentheils eng und schlecht, wie man dies im Gegensatz zu neuen Stadttheilen in allen „Altstädten“ der Welt finden wird, nur nicht in Amerika, das gleich von vorn herein neue Stadttheile als ganze Städte gleichsam fabrikmäßig und en gros baut, ohne erst „Altstädte“ abzuwarten. Seitdem aber die Einwohner von Tiflis mehr und mehr mit den Genüssen der Civilisation bekannt geworden, haben sie angefangen, aus Hütten Häuser zu machen und enge Straßen niederzureißen, um weite mit Palästen an deren Stelle zu bauen. – Die Zahl und theilweise Pracht der Kirchen ist imposant. Man findet fünfzehn griechische, zwanzig armenische und zwei katholische Kirchen. Beide Stadttheile sind durch eine Brücke da, wo der Fluß durch vorspringende Felsen eingeengt, eine Stromschnelle bildet, verbunden. Ihr Bogen ist 31 Fuß über dem Flusse und 1100 Fuß über dem Spiegel des schwarzen Meeres.

Tiflis.

Auf der Awlabar-Seite stehen hier Ruinen eines alten Forts, einer Kirche und von Häusern, Ueberbleibseln der Verwüstung eines persischen Chans im Jahre 1795, der das damals „unabhängige“ Georgien den Russen streitig machen wollte.

Die größte Natur-, Kunst- und Civilisationsmerkwürdigkeit von Tiflis sind die warmen Heilquellen und Bäder, die noch eine Zukunft haben, da mit zunehmender Civilisation auch Rheumatismus, Gicht und Hautkrankheiten zunehmen werden. Die Quellen springen in großer Anzahl am Südende der Stadt aus Kalksteinschichten hervor, von welchen sie in große, ausgehauene Felsenhöhlen fließen, die in verschiedene Abtheilungen abgebaut, dem männlichen und weiblichen Geschlechte und den verschiedenen Ständen als Badehäuser dienen. Sie werden sehr romantisch beschrieben. Die dunkeln Höhlen mit ihren natürlichen Felsenwänden sind blos durch schwaches Lampenlicht halb erleuchtet und auch das kaum, da das Licht nur spärlich durch die heißen Dämpfe, welche die Räume erfüllen, hindurchdringen kann.

Die Einwohnerzahl von Tiflis wird auf 50.000 geschätzt. Die Hälfte sind starke, große Armenier, die andere Hälfte besteht aus alten griechischen Christen, kaukasischen Stammes, römischen Katholiken (darunter Deutsche) und Muhamedanern verschiedenen Stammes. Zuweilen lassen sich auch Cirkassier aus den Bergen unangefochten sehen, um hier Pferde, Lebensmittel zu kaufen und mit der Civilisation bekannt zu werden, der sie auf die Dauer doch nicht widerstehen. Sie ist mächtiger, als der seit einem Jahrhundert fortgesetzte Krieg der Russen. Der Kriegszustand mit den Russen bringt ihnen keine Gefahr, wenn sie als Handelsleute kommen – eine russische Politik, die feiner ist, als man glaubt, wie sie denn überhaupt neuerdings gegen ganz Europa feiner war, als sich Napier’s, Aberdeen’s, Napoleon’s träumen lassen mögen. –

Die kaukasische Freiheit, so sehr man sie in ihrer Aufopferung achten muß, stellt sich in der Wirklichkeit nicht sehr dichterisch dar. Ihre Freiheit besteht darin, daß sie in viele Stämme zerfallen. die alle wenig arbeiten, nichts lernen und lesen, da sie nichts von Literatur, ja noch nicht einmal ein A-B-C-Buch haben. Sie leben von Salz und Beute. Ihre größte Tugend ist stehlen. Wenn ein Mädchen ihrem Anbeter einen Korb geben will, wirft sie ihm vor, daß er noch nicht eine Kuh gestohlen habe. Sie erinnern [254] an das alte Sparta. Merkwürdig, daß bei den beiden tapfersten Völkern zugleich der feige Diebstahl unter die Cardinaltugenden gerechnet wird. – Die kriegerischen Stämme werden indeß auch in ihren verschlossenen Bergen von der Kultur aufgesucht werden, die sie von allen Seiten, selbst in russischer Uniform, umgiebt. Und wenn dies der Fall sein wird, so haben wir vollendete Menschen, da bekanntlich die Cirkassier die schönsten Leute des Erdenparadieses sind. Die beiden Häuptlinge, welche vor einiger Zeit in Petersburg waren, brachten die ganze Hauptstadt auf die Beine. Sie besuchten den Kaiser, der sie aus seiner Küche speisen ließ; doch baten sie sich das Fleisch lieber roh aus. Es waren schöne Köpfe, in welchen die Bildung Wunder thun kann. Sie traten in ihrer kriegerischen stählernen Kleidung auf. In Civil erscheinen sie noch grotesker und malerischer. Eine Robe von weißer, indischer Seide, eine kürzere darüber, ringsum von einem Gurt gehalten, der von Goldschmuck schimmert, bis zum Ellbogen geschlitzte Aermel, aus denen der sehnige Arm hervorschimmert, ein schöner Kopf auf markigem Halse, auf dem Kopf eine gestreifte Zipfelmütze, an den Füßen gelbe Pantoffeln, an den Spitzen gespalten, so daß sie wie eine gespaltene Mohrrübe auseinanderklaffen und sich chinesisch in die Höhe krümmen – das letztere sieht zu lächerlich aus für diese schönen kräftigen Menschen, obgleich sie auch nicht in den Leibrock und die Manschetten passen. Bildung und Geschmack wird indessen schon eine Tracht für sie ausfindig machen, die eben so weit entfernt ist von der jetzigen Robe, als von unserm Leibrocke, hoffentlich von letzterem noch weiter. –




Amerikanische Briefe.
I. Die Reise.

Drüben, mitten in dem mit Mastenwäldern überladenen Munde, mit welchem England alle Tage 5000 Centner Baumwolle aus Amerika (und was außerdem noch Alles?) verschlingt, in der Mersey Liverpools gukte der ungeheure Dampfer „Amerika“ über ein dichtes Gewimmel von Schiffen und Booten aus dem Nebel herüber, während ich in unserm „Tender“, dem kleinen Dampfer, der uns hinüber bringen sollte, zwischen Kisten und Kasten und Menschengedränge, mich vergebens bemühte, mich aufrecht und ruhig zu halten, wie ein Mann. In mir und außer mir riß es und stieß es gewaltig. Da liegt das letzte Stück Erde der alten Welt! Wie viel Tausende und Hunderttausende haben ihr während der letzten zehn Jahre ihr letztes Lebewohl zugerufen! Welche Thränen, welche Flüche, welche Segenswünsche und Hoffnungen wanderten damit aus und ein! – Da, die Räder schaufeln – die Taschentücher, welche hüben und drüben Thränen abwischten, winken hin und her, und die schmerzbewegten Gesichter suchen zu lächeln, damit der letzte Eindruck sich heiter eingrabe in die Herzen der Geschiedenen! Beide Abschiedsscenen, die der alten und neuen Welt, verschwinden rasch im Nebel. Es ist keine Zeit zu Sentimentalitäten. Eben rauscht ein gewaltiger Schiffsschnabel über unsern kleinen Dampfer hin, giebt dem Schlott eine Ohrfeige, daß er sich krumm biegt und läßt uns nur mit genauer Noth entwischen. Und nun sind wir auch schon dicht neben dem großen Wasser-Kastell, der Amerika. Menschen und Packete drängen sich hinüber und hinauf. Alles ist Confusion für mindestens eine halbe Stunde, die mit der nächsten Ladung des „Tenders“ auf’s Neue beginnt und nach der dritten Ankunft auf’s Höchste steigt. Mit ihr kam die englische Post: mindestens zwei Frachtwagen voll dicke, große Leder-Packete: nichts als Briefe, Zeitungen und Sendungen innerhalb des Postgewichts. – Unverständliche Seemannswörter flogen auf dem Schiffe umher, von Unten und Oben, dem Hinter- und Vordertheile, alle nach der Mitte oben auf die Ruderbrücke, wo der Kapitän und der Pilot standen. Nachdem er Nachrichten von allen Theilen eingezogen, begann sein Commando. Die Glocke schrillte, die ungeheuern Ruder schlugen hochschäumenden, weißen Gischt, und die majestätische Wasserstadt kam bald in einen Schuß, der kühn dem Nebel und den ringsum drohenden Gefahren zu trotzen schien, obwohl die vom Piloten ausgehenden, nach dem Lenker am Hintertheile commandirten Ordres durch ihre rasche und leidenschaftliche Aufeinanderfolge bewiesen, daß man mit der größten Vorsicht in den Nebel und das Meer hineinschnitt. Die Gefahren für die Liverpooler Amerikaschiffe liegen fast alle im Bereich des Landes. Wir kamen aber glücklich aus dem ireländischen Kanal heraus und nach Amerika.

Und nun sind wir schon drüben! Es ging zwar Alles ganz glatt weg, aber die Reise in einem Cunard’schen königlichen Postdampfschiffe hatte so viel Neues, Elegantes, Instruktives, Wissenschaftliches für mich, daß ich mir und hoffentlich auch dem Leser nicht den Genuß versagen kann, das Wesentliche in Bildern wiederzugeben.

Das Cunard’sche Postdampfschiffsystem (von Herrn Cunard in Halifax) ist britisches Eigenthum und unter Caution der Regierung, um die ihm anvertraute Postverbindung zu sichern. Eine Linie läuft direkt von und nach New-York, eine andere über Halifax zwischen Boston und Liverpool. Das andere System, das Collin’sche, ist amerikanisches Eigenthum und von der amerikanischen Regierung für Postzwecke engagirt. Es läuft direkt zwischen New-York und Liverpool. Eine Menge andere regelmäßige Verbindungen müssen hier übergangen werden.

Nun einen Blick auf das ungeheure Uhrwerk, unser Schiff! Die Amerika ist von 1832 Tonnen Gehalt, 249 Fuß lang und legt im Durchschnitt bei einem Kohlengebrauch von 60 Tonnen täglich mit ihren zwei Maschinen 250 bis 290 englische Meilen zurück (10–12 Meilen in der Stunde). Sie hatte 1000 Tonnen Kohlen an Bord, wovon mindestens 900 gebraucht wurden, mehr in diesen zwölf Tagen der Reise, als 400 Familien in einem Jahre verbrennen.

Die Gallerien, Zimmer, Straßen, Abtheilungen auf dem Deck oben kann ich, ohne viel Raum in Anspruch zu nehmen, nicht schildern. Aber ich nannte die Amerika ein Uhrwerk. Das verdient näher angesehen zu werden. So regelmäßig, wie die Glocken schlagen, so bestimmt lösen sich die Wachen, Offiziere und Matrosen ab, so pünktlich läuft das Senkblei hinunter, so genau wird mit Hülfe der Trigonometrie, der Sonne und Sterne, des Compasses und anderer wissenschaftlichen Instrumente der Ort des Schiffes im Weltmeere, seine Geschwindigkeit, die Kraft der Wellen und des Windes und der Strömungen berechnet, gemessen, gebucht und aus Allem zusammen alle Tage mehrmals ein Hauptresultat gezogen. Auch ohne specielles Verständniß giebt der bloße Anblick dieses sichern, ruhigen Regierens der Wissenschaft, Erfahrung und Disciplin mitten im wilden Toben der Wogen, die manche Nacht ungestüm über das Deck hinfuhren, ein Gefühl der Sicherheit und des Vertrauens. Das Ganze ist der Genuß einen großartigen Triumphes menschlichen Genies über die gewaltigste, wilde Natur, die sich im atlantischen Ocean oft breit genug macht. Die ganze Regierung sieht in Kleidung, Pünktlichkeit und Strenge genau wie auf einem Kriegsschiffe aus. Dem Kapitän stehen in seinen Regierungspflichten drei Offiziere zur Seite, von denen immer zwei auf dem Posten sind, der eine im „Gange“ zwischen den Ruderkasten, der andere im Compaßhause, um die Befehle des Kapitäns oben dem Steuermanne zuzurufen. Nach dem Maschinen-Departement unten, welches von einem Hauptmaschinenmeister und seinen Gehülfen technisch beaufsichtigt wird, gehen die Ordres an einem Drathe herunter, der durch die Art und die Zahl der Glockenschläge, die er hervorruft, blitzschnell das ganze Schiff stille stehen, langsamer oder schneller oder rückwärts gehen läßt. Für die Arbeiten der Matrosen steht immer ein Hochbootsmann auf der Lauer, um die oft kaum merklichen Winke und Handbewegungen des Kapitäns sofort in schreiende Imperative zu verwandeln, die dann blitzschnell in verschiedenen Echo’s sich wiederholen und Segel entfalten, drehen oder verschwinden lassen. Die strengste militärische Pünktlichkeit geht bis in die ungeheuere Küche hinunter und das immerwährende Tafeldecken, Auf- und Wegtragen von fabelhaften Massen von Eß- und Trinkwaaren. Das Tischtuch verschwindet und erscheint wieder, wie ein „preußisches Gewehr auf! Gewehr ab!“ Und die Kellner kommen mit [255] ihren Ladungen so regelmäßig, daß sie gewiß, wenn dan Schiff gerade zur Frühstückszeit unterginge, mitten im Zutragen von Eiern und geröstetem Speck sterben würden.

Der eigentliche Regierungssitz ist in der Cajüte des Capitains, der im Grunde niemals schläft während der ganzen Reise. Mitten in der Nacht, während ein erster Offizier das Commando hat, liegt er vollständig angekleidet, auf seinem Ruhebett unter hellerleuchteten Karten, Kompassen, Baro- und Thermometern, Quadranten, großen Büchern und mir unbekannten Instrumenten. Alle Stunden kommt ein Offizier und meldet den Lauf des Schiffes, den Stand und die Kraft des Windes u. s. w., trägt Alles in ein Buch ein, vergleicht dabei die Kompasse und die durch ihn genau beschriebenen Richtungen des Schiffes. Zuletzt empfängt er die Befehle des Capitäns, die er daraus zusammenrechnet, schriftlich, um kein Mißverständniß zuzulassen. Die Beschreibung der Richtungen des Schiffes durch einen mit einem Compaß in Verbindung gebrachten Mechanismus blieb mir ein Geheimniß, aber ich sahe es, wie der Compaß mit Hülfe dieses Mechanismus jede Abweichung des Schiffes von seiner geraden Richtung in Zickzacks auf Papier schrieb und die officielle, gerade Richtung eben so in einer geraden Linie angab. Der Capitän sieht beim Aufwachen hier zugleich, ob seine Befehle pünktlich ausgeführt wurden und corrigirt durch frische Commando’s jede Abweichung. So stieg er manchmal wie ein allwissender Gott herauf, ging direct auf einen Beamten zu und sagte ihm kurz und bestimmt: „Sie haben um Uhr So und So den Fehler gemacht, aus Nachlässigkeit oder unwillkürlich.“ Im ersteren Falle folgte allemal ohne weitere Untersuchung eine Strafe.

Diese wenigen Thatsachen mögen hinreichen, um uns ein Bild von dem Uhrwerk einer modernen höheren Dampfschifffahrt zu machen. Es ist die genaueste, complicirteste angewandte Mathematik und Naturwissenschaft. Mit ihren Augen sehend fährt der Capitän blindlings über den Ocean und alle dessen Hinternisse hinweg, schnurgerade in den bestimmten Hafen bei den Antipoden hinein. Freilich müssen Instrumente, Beobachtungen und Berechnungen haarscharf genau sein. Die kleinste Vernachlässigung stürzt den ungeheuern Wasserpalast oft mitten in schnelles Verderben. So erzählte uns der Capitän, daß er eines Morgens mit voller Wuth des Dampfes in einer schmalen Bucht östlich von Neufoundland gegen steile Felsen zugeschleudert wurde. Durch sofortige Umkehr der Dampfkraft rettete er zwar das Schiff, aber nicht seine Wissenschaft. Zu seinem Erstaunen sah er, daß alle seine Befehle pünktlich ausgeführt worden und alle Instrumente, Berechnungen u. s. w. in haarscharfer Richtigkeit waren. Woher dieser Irrthum von 30 Seemeilen? Er mußte lange suchen, bis er aus allen Compassen, die er sich von allen Theilen des Schiffes bringen ließ und von denen nicht zwei übereinstimmten, herausfand, wo der Fehler stecken müsse, im Ofen eines Passagiersalons. Worin aber bestand er? Man hatte in Halifax ohne sein Wissen eine neue, kleine Eisenröhre in die beschädigte, metallene hineingezogen. Sie mußte sofort über Bord und der Schuldige in’s Gefängniß.

So viel und nicht mehr von der Technik und Wissenschaft unserer Fahrt. Das ästhetische Element derselben ist auch bald abgethan. Tag für Tag ohne Unterbrechung schien das Schiff stets im Mittelpunkte einer grenzenlosen, sich rund ringsum in den Himmel verlierenden Wasserscheide, trotz seiner unermüdlichen Arbeit, befestigt zu sein. Immerwährend pflügend, Tag und Nacht immer mit gleichem Eifer schaufelnd und durch und über das Gewoge schneidend, schien es niemals vorwärts zu kommen. Jeden Morgen dieselbe Scheibe von Osten her. jeden Abend von Westen her sich röthend und spielend in demselben unbegrenzten Tonreich von Farbentinten. Der Anblick eines Schiffes in weiter Ferne war ein Ereigniß, ein Wunder, so gewöhnt war der Blick an die unendliche, einfache Erhabenheit dieser Himmels- und Wasserscheibe, als deren Mittelpunkt wir vergebens mit der unendlichen Tiefe, Weite und Breite zu kämpfen schienen. Der Kontrast unserer scheinbaren Nichtigkeit in diesem flüssigen All und des großartigen Comforts, der Eleganz, Vornehmheit und Ordnung unseres Essens, Trinkens, Schlafens und Lebens überhaupt verlor seinen Reiz während der ganzen Reise nicht. So mitten in dem Oceane sich alle Tage mehrmals regelmäßig und vornehm in dem großartigsten, prächtigsten Speisesaale zu Tische zu setzen und in der gutschmeckerischsten Weise aus großen Vorräthen der schönsten Speisen und Getränke, für deren Darreichung stets ein Dutzend dienstbarer Geister bereit stehen, zu wählen, und sonst auf die comfortabelste Weise nichts zu thun, sich zu kleiden, zu schlafen, Besuche zu machen und anzunehmen u. s. w. – ich denke, das ist auch kein kleiner Triumph menschlichen Witzes.

Jeden Morgen 8 Uhr ertönt die große Glocke zum Anziehen. Grade genau 30 Minuten später schrillt sie zum zweiten Male und mahnt zur ersten schweren Arbeit des Tages, dem Frühstücke im großen Salon, der sich nun an seinen acht großen Tafeln und mit seinen rothsammetnen Sopha’s mit allerhand Damen und Herren füllt, die partien- und klikenweise sich an ihren bestimmten Plätzen fixiren. Die Tische seufzen bis 10 Uhr unter Lasten von Kaffee, Thee, irländisch Geschmortem, Eiern, Schinken, kalten Hinterkeulen, Hammelrippchen (den in England klassischen „mutton chops“), Fischen, Eiern, Toasten (d. h. gerösteten Weißbrotscheiben), noch mehr Eiern, heißen Wecken, gebratenem Speck und noch mehr Eiern. So wie es 10 Uhr schlägt, fallen zwölf feine Herren in blauen Jacken unter Commando eines Oberbefehlshabers wie Räuber über alle nicht vertilgten Vorräthe her und räumen die Tische ab, die nun bis 12 Uhr rein bleiben würden, wenn nicht einzelne anarchische Geister aus- und einlahtschten, um individuellen Appetit zu befriedigen. Um 12 Uhr große Glocke für „lunch,“ zweites Frühstück: Suppe, kaltes Rindfleisch, geröstete Kartoffeln u. s. w. Halb 4 Uhr Mahnung der Glocke sich zum großen „Diner“ vorzubereiten, um 4 Uhr Zeichen zum Anfange und Anfang. Alle 160 Passagiere nehmen Theil. So wie der Capitän eintritt, verschwinden die silbernen, schweren Deckel von den Suppen-Terrinen, aus denen die Teller gefüllt werden, welche dann, wie alle folgende Gerichte, die verschiedenen Linien von Kellnern hinunterlaufen. Alles wie geschmiert, leicht, pünktlich, geräuschlos. Suppe, Fleischarten, Fische, Vögel, Wild, frische und eingemachte Früchte u. s. w. Als Getränk hauptsächlich Wasser, worin Eis schwimmt, wenig Wein und Bier. Um 5 Uhr tritt eine Ebbe im Salon ein bis 7 Uhr, wo die Glocke die überall Zerstreuten wieder zum Thee, Kaffee und „Supper“ zusammenruft. Nach dieser letzten Arbeit des Tages bleibt blos noch Zeit übrig zum Domino-, Schach-, Karten- und Tricktrakspielen. Einige spielten immer, wenn sie nicht aßen, und haben, glaub’ ich, kaum einmal auf’s Meer hinausgeblickt, es besteht ja blos aus Seewasser, und sie haben die Reise oft schon ein Dutzendmal gemacht, da die verbundenen Geschäfte zwischen England und Amerika immer Massen von Dienern und Compagnons hin- und herschicken. Die Gesellschaft hatte mit Ausnahme eines ehemaligen Goldsuchers in Australien, eines grauhaarigen Wallfischfängers, eines Ireländers von Ohio und eines Californiers, die oft sehr hübsch in’s Erzählen kommen, wenig Interessantes. Ich wurde nur mit einem Wesen näher bekannt, der Freundin Aller, der Kuh, welche alle Morgen für die ganze Gesellschaft frische Milch gab. Sie hatte ihr kleines Hotel am großen Gange und guckte immer sehr klug und gemüthlich zu ihrem Fenster heraus, von Jedem, der vorbeiging gestreichelt und getröstet in ihrer Einsamkeit. Ich brachte ihr jedesmal einen Apfel oder dergleichen mit, wofür sie mir immer dankbar und sanft entgegen muhte, vielleicht zum Aerger der Dame, die ihr kaltes Roostbeef angeboten hatte und mit stiller Verachtung abgewiesen worden war.

Ich habe schon gesagt, daß die Reise glatt weg ging, so daß sich von Sturm und Lebensgefahr nichts berichten läßt. Diese Art Schiffe verachten jeden Sturm und gehen ohne besondere Schwankungen (wegen ihrer Last und Länge) durch Dick und Dünn. Freilich hatten wir, die wir etwas weit vom großen Salon wohnten, manchmal in dicker Finsterniß um Mitternacht durch unhöfliches Meerwasser auf dem Deck zu waten, wenn der Ireländer oder der Californier zu lange erzählt hatten. Die Amerikaner des Collins sind noch länger und bequemer und viel schneller. Zu erwähnen bleibt nur noch der Gottesdienst, der Sonntags um 1 Uhr feierlich im großen Salon abgehalten ward. Ganze Thürme von Gesangbüchern und Bibeln wurden vertheilt. Der Capitän las nach dem Gesange eine Predigt. Er ist weltliches und geistliches Oberhaupt auf dem Schiffe und kann zur Noth vollgültig trauen und taufen.

Und nun noch das Interessanteste. Am 10. Tage bekamen wir ein großes Dampfschiff in Sicht, das, während es etwa in einer Entfernung von zwei Meilen von uns vorbeipassirte, ein [256] langes, interessantes Gespräch mit unserm hielt. Der Capitän erzählte beinahe eine Stunde, um uns mitzutheilen, was ihm das Schiff Alles in der wahrhaften Universalsprache aller Völker zutelegraphirt hatte. Der Erfinder dieser Universalsprache ist der bekannte Capitän Marryat. Die Wort- oder vielmehr Sachzeichen bestehen aus funfzehn verschiedenen, kleinen Flaggen, die am Hintertheile des Schiffes, bis zu einem bestimmten Punkte aufgezogen und zusammengesetzt werden und durch das Fernrohr gut zu sehen sind. Ein großes Buch, in der Form eines Lexikons, giebt die Uebersetzung der Zeichen, die sich natürlich jedes Volk in seiner Sprache hält. Die meisten Capitäne, wie z. B. die Beiden, die sich jetzt begegneten, sind aber so bewandert in dieser Sprache, daß sie gar kein Lexikon nachzuschlagen brauchen, so daß sie sich in der größten Geschwindigkeit in ihren Fragen und Antworten ganze Geschichten erzählen konnten. Alle seefahrende Nationen haben jetzt diese Marryat’sche Universalsprache – das Symbol der Brüderschaft unter gebildeten Nationen – angenommen und können jetzt auf allen Meeren ohne Aufenthalt und ohne besondere Abweichung von ihren Wegen, ohne Kanonen und Sprachröhre, mitten in dampfbeschwingter Eile meilenweit her mit einander reden.

Nach zwölf Mal 24 Stunden bekam die Wasserscheibe vor uns feste Gestalt in nebeligen Höhenzügen und braunen Hügelketten. Gegen Abend leuchteten der Hafen und die Häuser von Halifax immer deutlicher und massenhafter herüber. Wir sind bald im Hafen. Racketen steigen, Kanonenschüsse donnern. Dort drüben am hölzernen Bollwerk drängen sich Lichter und Leute. Die Räder unserer Wasserstadt werden mit jeder Minute stiller. Taue fliegen, eine große Brücke rennt herüber und wir, die wir nicht nach Boston gehen, steigen aus auf amerikanischem Boden und zwar auf einer Stelle, die noch nicht durch Bücher über Amerika erschöpft ist, so daß ich in meinen künftigen Briefen Erlebtes und Gesehenes zugleich auch als neu hinüber zu senden gedenke.




Das Spielen der Kinder.
Für alle Mütter von einer Mutter.

Die Leser und Leserinnen der Gartenlaube sind in vielen und für die Gesundheitspflege überaus lehrreichen und wichtigen Aufsätzen, namentlich auch auf die ersten Lebensbedingungen des Kindes und die Erfordernisse seiner ersten physischen Pflege aufmerksam gemacht worden. Vielleicht scheint es nicht unangemessen, gerade hieran einige Worte über die ersten geistigen Lebensäußerungen des Kindes, wie diese sich im Spiele kundgeben, anzuschließen.

Wie wir von erwachsenen Menschen sagen: Arbeit ist Leben, so müssen wir im Hinblick auf das Kind in der ersten Lebensperiode sagen: Spiel ist Leben, d. h. das Spiel oder Spielen ist ein natürliches Bedürfniß, ja eine nothwendige Bedingung des Kindeslebens und charakterisirt dieses Leben in seinem Gegensatze zu den Erscheinungen und Thatsachen höherer Lebensalter. Ist Arbeit, schöpferisches Wirken die Bestimmung des menschlichen Lebens überhaupt, so ist das Spiel des kleinen Kindes die Vorbereitung hierauf, der erste bedeutungsvolle Anfang dieser Arbeit, entsprechend allenthalben den leiblichen und geistigen Kräften, welche das Kind zu Bethätigung seines Lebens aufzuwenden hat. Jede Mutter, wie gebildet oder ungebildet sie sein mag, wo sie es nicht weiß, so fühlt sie es, daß sie nur mit Scherz und Spiel ihrem Kinde entgegen treten und seine Aufmerksamkeit auf sich und ihre Liebe lenken kann. So viele Mißgriffe in der ersten Kinderpflege begangen werden, selten wird eine Mutter so weit fehlgehen, daß sie mit dem Ernste, den nur ein reifer Verstand faßt, ihr Kind zu unterhalten oder zu bethätigen versuchen sollte. – Spiel ist Leben. Das Kind will und muß spielen; seine Triebe, dazu die durch den Einfluß der Außenwelt zur Thätigkeit erstarkenden und nach ihr verlangenden Sinne (Gesicht und Gehör), endlich die durch die Sinne zum Bewußtsein und zum Wollen erwachende Seele verlangen es so. Spielt das Kind wirklich, durch die Mutter veranlaßt oder aus eignem Antriebe, – so ist dies sonach auch ein Beweis seiner leiblichen und geistigen Gesundheit und der Natürlichkeit seiner Entwicklung. Zeigt es dagegen keine Neigung zum Spiel, blickt es stumpfsinnig und theilnahmlos auf seine Umgebung, die sich alle Mühe giebt, es zur Selbstthätigkeit im Spiel anzuregen, dann müssen wir auch sagen: Wo kein Spiel, da kein Leben. Sicher ist ein Kind krank oder es walten Hemmnisse und Störungen in der harmonischen Entwicklung seines Gesammtorganismus ob, wenn es, sobald die Zeit dazu gekommen ist, auf die Einwirkungen der Mutter oder seiner Pflegerin keine Rückäußerung zu erkennen giebt, durch kein Lächeln, keine Bewegung seiner kleinen Glieder sein Wohlgefallen ausdrückt. Wie wichtig und nothwendig ist hier eine sorgfältige Beobachtung durch die Mutter und die übrige Umgebung, um zu rechter Zeit aufkeimenden Uebeln entgegenzuarbeiten; wie wichtig, wenn Aeltern wissen oder erfahren, daß durch eine solche Gleichgültigkeit gegen das Spiel und gegen alle höhern Sinneseindrücke nicht selten spätere Geistesschwäche und Blödsinn sich ankündigen, wovon wir jetzt so oft hören. – Sehen wir nicht auch unter den Erwachsenen überall Krankheit; – leibliche, geistige, sittliche, – wenn ihnen die so wichtige Lebensbedingung – Arbeit, fehlt, wenn sie weder Neigung noch Geschick zur Arbeit und keine Freude an derselben haben? –

Gewinnt schon bei einer solchen allgemeinen Betrachtung das Spiel des Kindes eine große Bedeutung für die Erziehung des Letzteren, so wird uns diese Bedeutung, dieser hohe Sinn, um mit dem Dichter zu reden, noch klarer vor die Seele treten, wenn wir einige der verschiedenen Spiele selbst näher betrachten, mit denen das Kind im Verlaufe seiner ersten Lebensperiode unterhalten wird, oder sich selbst unterhält. – Spiele begleiten den ganzen ersten Entwicklungsgang des Kindes oder gehen vielmehr in natürlich richtiger Reihenfolge wie von selbst aus demselben hervor und wirken ihrerseits wieder bestimmend und fördernd auf denselben ein. Wie diese Spiele in den Augenblicken der Beschäftigung mit ihnen dem Kinde Unterhaltung und Freude gewähren, so sind sie zugleich die Nahrung, durch welche der Geist desselben allmälig zum Selbstbewußtsein und zur Beschäftigung mit ernsteren Dingen heranerzogen wird; – leichte und doch kräftige Speise, zu vergleichen der Muttermilch, die das einfachste und zugleich heilsamste Mittel der Körperkräftigung des kleinen Kindes ist. – Blicken wir auf den Gang der Entwicklung des Kindes von der Geburt ab, so sehen wir, scherzt und spielt die Mutter mit dem Kinde redend, singend und durch Geberden vom ersten Lebenstage desselben und lange bevor das Kind Verständniß oder auch nur Aufmerksamkeit beweist. Wird man diese Handlungsweise der Mutter bedeutungslos, überflüssig oder unnütz nennen dürfen? Keineswegs. Die Mutter gehorcht hier einem Gesetz, einer weisen und wohlthätigen Einrichtung ihrer Natur, zufolge welcher sie durch den Ausdruck der uneigennützigsten Liebe gewissermaßen den Weg zuvor bereitet, auf dem der Geist ihres Kindes in das Leben eingeführt werden und seine Richtung erhalten soll. –

So werden alle Mütter fast ohne Ausnahme mit ihrem Kind, noch bevor dasselbe mit vollem Bewußtsein sehen, hören, viel weniger verstehen kann, eine Art „Verstecken und Suchen“ spielen. „Wo ist mein Kindchen, mein Hänschen, Maxel, Fränzchen?“ – so und ähnlich werden Alle ihre Kleinen fragen und dann die Beantwortung durch allerlei Geberden und Spiele, die ihnen die Liebe lehrt, darzustellen wissen. Dieses erste Spiel, so bedeutungslos es auf den ersten Blick erscheinen mag, da sich hierbei das Kind im Anfange fast ganz passiv verhält, ist doch von nicht geringer Wichtigkeit; denn es ist dasselbe die erste Ansprache an den im Kinde schlummernden Geistesfunken, die erste Anregung zu Erweckung des Selbstbewußtseins. Sehen wir nun, wie dieses Spiel sich fortsetzt und erweitert. Erkennt die Mutter an dem Lächeln des Kindes und seinen auf ihr fester haftenden Blicke die ersten Spuren geistiger Regsamkeit, so wird sie nun dasselbe Spiel, dieselbe Frage: Wo ist mein Kind? in lebhafterer Weise und sprechenderem Geberdenausdrucke wiederholen. Sie wird ringsumher blickend scheinbar ihr Kind suchen, gespannt wird ihr der Blick des Kindes folgen, bis sie mit dem bezeichnenden Ausrufe, da ist [257] ja mein Kind! zur Lust des letzteren den Scherz endet, um ihn durch die lebhaftesten Zeichen des Wohlgefallens des Kleinen dazu aufgefordert, von Neuem wieder zu beginnen. Jetzt ist durch häufige Wiederholung der Nachahmungstrieb – diese wichtigste Triebkraft zu geistigem Fortschreiten – auf das Lebhafteste angesprochen und beginnt sich zu äußern, das Kind ist im Verständniß dieses Spielen so weit vorgeschritten, daß es sich verstecken läßt oder sich selbst versteckt, um gesucht und gefunden zu werden, daß[WS 1] es nach dem Orte blickt, von woher ihm der Ruf der sich verbergenden Mutter tönt. Es wird nun mit der Mutter so wie jene zuvor mit ihm spielen. Durch Lächeln oder Lallen wird es der Mutter seine Gegenwart anzeigen. Da es noch nicht selbst sich entfernen kann, so wird es durch Verstecken des Köpfchens oder durch Verdecken des Gesichts mit einem Tuche etc. sein Fern- oder Verborgensein ausdrücken, und in freudiger Spannung wird es den Augenblick erwarten, wo die Mutter es findet. – Dieses Spiel, welches in einem wiederkehrenden Entgegensetzen oder Trennen und Wiedervereinigen der Persönlichkeiten, der Mutter und des Kindes, besteht, begründet im Kinde das Bewußtsein seines Ich, seiner Person, und mit diesem Bewußtsein, so dunkel es immerhin noch sein mag, beginnt nun – leibliche Kraft und Gesundheit vorausgesetzt – in Wahrheit erst das geistige Leben des Kindes, beginnt jene fortlaufende Kette von Geistesthätigkeiten, die im ersten Kinderspiele symbolisch vorgebildet, – ein immer wiederkehrendes Suchen und Finden des Verborgenen sind.

Mit dem Auftreten des Bewußtseins, mit den ersten deutlichen Aeußerungen bewußter Sinnesthätigkeit und den Nachahmungstriebes ist die erste geistige Entwicklungsperiode zurückgelegt. Der Zeit nach fällt dieser Abschnitt nach dem ersten Vierteljahre, das, wegen der Zeichen noch mangelnden, dann mangelhaften Bewußtseins in der Volkssprache auch das „dumme“ genannt wird. – Es beginnt jetzt die zweite Periode, die schon durch eine größere Selbstthätigkeit des Kindes sich auszeichnet, und die Aufgabe der Erziehung erweitert. Auch die Spiele gewinnen jetzt an Umfang und Bedeutung und schließen sich in größerer Mannigfaltigkeit dem Bedürfnisse des sich erweiternden Sinneslebens und den ersten Versuchen zu freier Bewegung und zur Sprachnachahmung an.




Hans Christian Oersted.

Durch Tausende von Fäden, die Nerven, ist der Mensch an die Außenwelt geknüpft. Aus einem gemeinsamen Mittelpunkte, dem Gehirn, laufen sie durch alle Theile seines Leibes, nach jedem Punkte seiner Körperoberfläche. Dort stehen sie als Kunde empfangende Wächter und als Kunde gebende Sendboten, nimmer, rastend in der blitzähnlichen Behendigkeit ihres räthselhaften Doppelamtes, welches so schnell wechselt, so schnell, daß seine Geschwindigkeit nur mit sich selbst verglichen werden kann: der Schnelligkeit des Gedankens, der den Sturmwind und den Blitz und den Schall und den Lichtstrahl als Lahme hinter sich zurückläßt.

Im Nu von der Außenwelt gezeugt, im Nu aus dem Gehirn, dem Mutterschooße des Geistes, geboren, tritt der Gedanke, neugeboren und sofort selbst wieder zeugungskräftig in die Welt hinaus und knüpft den Menschen an den Menschen, das Volk an das Volk, baut aus den Menschen die Menschheit auf.

Die zarten Fädchen der Nerven, die weiche Masse des Gehirnes erfüllen den todten Erdball mit Leben, erheben das Leben zum Geist; sie ziehen die ganze unermeßliche Außenwelt in unser kleines Innere hinein und stellen unser Inneres als etwas Gegenständliches aus und heraus, damit wir dieses wie jenes erkennen.

Wie wunderbar! bis jetzt nur das Ergebniß der Thätigkeit unseres Nervensystems kennend, was wir bald Wollen, bald Denken, bald Empfinden nennen, müssen wir, um der Erkenntniß seines Wesens um einen Schritt näher zu kommen, dies unbekannte Wesen selbst danach fragen, daß es uns sage, was es sei; wir sind dabei Fragender und Gefragter in einer Person.

Bisher haben wir auf diesem großen Kampfplatze der neu gewordenen Wissenschaft vorerst eine wichtige Antwort erhalten: Stoff und Kraft sind untrennbar Eins.

Siehst Du also eine Wirksamkeit, so suche nach einem Stoffe, dem die Kraft angehört, von welcher jene Wirksamkeit ausgeht.

So suchen jetzt unbestechliche Denker nach dem Räthsel unserer Gehirn- und Nerventhätigkeit; und giebt es für den Menschen eine höhere Aufgabe?

So suchte auch der Mann, dessen Bild wir heute vor uns haben, nach einem Naturgesetze, dessen Aeußerung ohne Zweifel in der allernächsten Verwandtschaft zur Nerventhätigkeit steht und dessen Wirkungen, nachdem jenes Gesetz gefunden war, heute noch selbst der Kundige kaum mit minderem Staunen sehen kann, als der Laie. Oersted eroberte nach langjährigem und beharrlichem Kampfe gegen das Dunkel, hinter welches die Natur sich so oft verbirgt, den Elektro-Magnetismus; denn so muß man es nennen; nicht entdecken oder erfinden, wobei ja oft der glückliche Zufall das Hauptverdienst hat. Ihm verdankte Oersted nichts; was er fand, das hatte er gesucht.

Es sind in Folge dieser großen Entdeckung oder, wie wir es eben lieber nennen, wissenschaftlichen Eroberung nicht minder Tausende von Fäden, wodurch Ost an West, Süd an Nord geknüpft ist. Die Geschwindigkeit, womit die Kunde eines Schalles vom Ohr nach dem Gehirn fliegt und dort zur Vorstellung wird, ist nicht größer, als diejenige, mit welcher die Depesche auf den Drähten des elektromagnetischen Telegraphen von Paris nach London gleitet. In einer Secunde legt der elektrische Strom 62.000 Meilen zurück. Die dabei zu Tage tretende Erscheinung ist hier wie dort beinahe dieselbe.

Bedarf es noch weiterer Worte, um eines Mannes Bedeutung für die Menschheit zu schätzen, dessen große Erfindung das Nervensystem des menschlichen Körpers in ein Nervensystem der Menschheit umwandelte? Ober wäre dieser Ausspruch da falsch, wo in derselben Secunde in Hamburg ein Gedanke vernommen wird, den Jemand in Wien aus den Nerven seiner Fingerspitzen auf den elektromagnetischen Telegraphendraht überströmen läßt? Ist das nicht ein wahres Aneinanderknüpfen der Nerven der beiden so weit von einander entfernten Männer?

Wenn die Erfindung der Buchdruckerkunst und der Benutzung der Dampfkraft bisher die größten Erfindungen waren, so ist die elektromagnetische Telegraphie die dritte im Bunde; und Oersted, ihr Begründer, ist der ebenbürtige Genosse von Gutenberg und dem ersten Erfinder der Dampfmaschine, über dessen Namen leider gestritten wird.

Hans Christian Oersted, 1777 in dem Städtchen Rudkjöbing auf der dänischen Insel Langeland geboren, war der Sohn eines unbemittelten Apothekers, daher die Bedingungen seiner geistigen Entwickelung wenigstens äußerlich keine besonders günstigen. Aber schon als zwölfjähriger Knabe wurde er vom Vater zur Mithülfe in die Apotheke gezogen und so die Richtung seiner geistigen Entwickelungsbahn durch seine chemischen Beschäftigungen vorgeschrieben. Wie Humboldt gleichen Schrittes mit einem im Alter nur wenig verschiedenen Bruder im thätigsten Wetteifer fortschreitend, ging er mit diesem 1794 nach Kopenhagen, wo zuletzt beider Studienbahnen eben so weit auseinander gingen, wie die der Gebrüder Humboldt. Hans Christian Oersted wurde der größte Physiker und der um ein Jahr jüngere Brnder der größte Rechtsgelehrte des Nordens. Beide mit einem Eifer, der bald allgemeine Bewunderung erregte, ihren Studien sich hingebend, versäumten sie fast den Umgang mit der Welt, und ihr beinahe einziger, aber um so innigerer Genosse war der nachmalige große Dichter Oehlenschläger, den das greise Brüderpaar in der letzten Zeit zu Grabe geleitete.

Wie es selten vorkommt, so durchdrangen in dem langen Zeitraum von mehr als einem Menschenalter diese drei Geister einander so innig, daß einer dem andern von seinem Wesen mittheilte; und es ist ohne Zweifel der Einfluß des geniale Funken sprühenden Oehlenschläger, daß Oersted’s Naturforschung innig verschwistert ist mit Begeisterung für das Schöne; während von dem philosophirenden Scharfsinn des jüngern Bruders ein Theil auf den älteren übergegangen ist; so daß er lange Zeit mehr für einen Naturphilosophen als für einen Physiker angesehen wurde.

[258] Eine außergewöhnliche Gelehrsamkeit, treffender Scharfsinn, gewandtes und gründliches Eingehen auf die Leistungen Anderer, liebenswürdige Bescheidenheit in seinem jugendlich frischen, fast kindlichem Aeußeren, gewannen dem jungen Dänen auf einer ersten Reise in den Jahren 1801–1803 die Achtung fast aller Berühmtheiten Deutschlands und Frankreichs.

Seine Thätigkeit steigerte sich bis zu rastlos schaffender Begeisterung, als er 1806 die Professur der Physik in Kopenhagen erhalten hatte. Dabei zeichnete sich Oersted vor vielen andern Forschern dadurch aus, daß er nicht in’s Ungewisse hinein experimentirte, erwartend was und ob er etwas finden werde. Er suchte vielmehr, wie wir bereits andeuteten, und fand. Schon 1813 deutete er durch den französischen Titel: „Untersuchungen über die Uebereinstimmung der elektrischen und der chemischen Kräfte,“ (recherches sur l’identité des forces électriques et chimiques) seiner zuerst deutsch herausgegebenen „Ansichten der Naturgesetze“ hinlänglich an, wonach er suchte. Oersted meinte: ist der Galvanismus nur eine verborgene Form der Elektricität, so kann der Magnetismus auch nur Elektricität in einer noch verborgenen Form sein. Er forschte, bis er den Einfluß des galvanischen Stromes auf die Magnetnadel gefunden hatte. Er hatte damit die Bahn geöffnet, welche zuletzt zu dem elektromagnetischen Telegraphen führen mußte; er befestigte damit am östlichen und westlichen Rande des Weltmeeres die Ringe, an denen man vielleicht bald Europa und Amerika aneinander knüpfen wird. – Oersted’s Entdeckung hat das Jahr 1820 zu einem der denkwürdigsten unsers Jahrhunderts gemacht.

Er hatte die Freude, auf dem von ihm gelegten Grunde seine Ehrensäule der elektromagnetischen Telegraphie sich noch erheben zu sehen. Alle Culturvölker Europa’s und der Riesenarbeiter Nordamerika wetteiferten in ihrem Ausbau.

Hans Christian Oersted.

Neben diesem großartigen Streben vergaß Oersted niemals, daß die Naturwissenschaft nicht blos Befriedigungsmittel für das Völkerleben zu gewähren habe, sondern auch die kleinen Lebenskreise jedes Einzelnen erwärmen und durchdringen müsse. Er war darum unter den ersten, welche in allgemein verständlicher Weise bemüht waren, die Naturwissenschaft zum Gemeingut des Volkes zu machen. Wer kennt nicht „Oersted’s Geist in der Natur?“ Dies ist eine von ihm selbst besorgte Sammlung populärer Vorträge Oersted’s. Es kann sein Verdienst nicht schwächen, daß diese dem minder Gebildeten nicht überall verständlich sind, und daß sein vorwaltend milder Charakter ihn hie und da vom Aussprechen der letzten Wahrheit, vielleicht sogar von deren Erkennen zurückgehalten hat. Oersted bewegte sich in den letzten Jahrzehnten seines Lebens in Kreisen, welche auch dem kühnsten Streiter für die Wahrheit es oft fast unmöglich machen, das Ziel seines Vordringens bis an die letzte Grenze zu verfolgen. Er hielt in Kopenhagen, nicht in der diplomatischen Sprache Frankreichs sondern deutsch, Vorlesungen für – das corps diplomatique!

Schon von Anfang an zog er in den Kreis seiner Zuhörer auch die Frauen. Sie sind ja die einflußreichsten Bildnerinnen des heranwachsenden Geschlechtes.

Sein Freisinn bekundete sich namentlich 1835 durch seine Betheiligung bei der Gründung der „Gesellschaft für Preßfreiheit“ und in einer Rede, welche er an den König Christian VIII. bei dessen Thronbesteigung richtete.

Mit Orden und Ehrenstellen decorirt starb Oersted im hohen Alter am 9. März 1851. Wir zählen jene nicht auf, denn der Conferenzrath und Großkreuz des Dannebrog wird bald vergessen sein. Oersted der Entdecker des Elektromagnetismus ist unsterblich.



[259]
Blätter und Blüthen.

Pariser Bilder und Geschichten. Jacoteau, ein junger Mann von 23 Jahren, kam kürzlich, des Diebstahls angeklagt, vor die Assisen und wurde von den Geschworenen für schuldig erkannt. Jacoteau war nicht wenig erstaunt über diese Auffassung von Handlungen, die er vielmehr zu seinen Gunsten als zu seinem Nachtheil ausgelegt. Doch wir wollen nicht vorgreifen, und die Geschichte sowie den Prozeß dieses jungen Mannes erzählen, dessen Erziehung ein Produkt des Pariser Lebens ist.

Jacoteau war der Sohn eines Schneiders, der in der Vorstadt St. Martin in einem hintern Hofe fünf Treppen hoch, d. i. unmittelbar unter dem Dache, mit großem Fleiße, aber ohne jene Hülfsmittel, die empfehlen und emporheben, sein Handwerk betrieb.

Früh von der Mutter verwaist, blieb Jacoteau ganz der Sorge des Vaters überantwortet, der selbst, ohne alle weitere Kenntniß, den Knaben mit Vernachlässigung aller andern Anlagen, in der Kleiderkunst unterwies und zur Ausübung derselben anhielt.

Jacoteau war ein gewandter und anstelliger Knabe, so daß er nach dem Ausspruche seines väterlichen Lehrmeisters ein ganz tüchtiger Schneider hätte werden können; allein er erwies sich stets als ein Feind vom Arbeiten, und wo er es nur vermochte, sich der Aufsicht seines Vaters zu entziehen, suchte er mit gleichgearteten Kameraden allerhand Spiel und Zeitvertreib, und da er zu Hause knapp mit Geld gehalten wurde, suchte er seinem Vater oder auch seiner Tante, einer Milchhändlerin in der Vorstadt Montmartre, durch verschmitzte Vorstellungen und Angaben manchen Sous zu entlocken, der dann, zu der kleinen Baarschaft der übrigen Gesellschaft gelegt, die Kosten kindischer Vergnügungen bestreiten half.

So wie Jacoteau zum Jüngling heranwuchs, bemächtigte sich seiner die Sucht, lustig und müßig zu leben und der Ehrgeiz, in eine andere Spbäre zu gelangen, als auf die er durch Geburt und Verhältnisse angewiesen war. Er leugnete oft seine wirkliche Abkunft und gab sich für den Sohn eines Beamteten aus, der aus politischen Gründen seine Stelle verloren. Diese Schwächen in Jacoteau wurden durch seine Muhme genährt, einer Tochter der gedachten Milchhändlerin, die als Figurantin im Theater „la Gaité“ angestellt, Gelegenheit hatte, in ein glänzenderes Leben hineinzusehen, und mit ihren eigenen Erfahrungen die Seele ihres Vetters erfüllte. Oefters verschaffte sie diesem Eintritt in das Theater, auf dessen Bühne sie beschäftigt war; auch gerieth er durch sie in einen Kreis von Bekanntschaften, der nichts weniger als wohlthätig auf die sittlichen Anschauungen des jungen Mannes wirkte. Einen einzigen Vortheil hatte der Einfluß der Figurantin auf den Sohn des Schneiders, daß er nämlich durch ihren Spott und Antrieb bewogen, sich alle Mühe gab, lesen und schreiben zu lernen, Künste, deren Ausübung nicht mit in den Plan seiner Erziehung aufgenommen worden und in welcher sie ihm selbst die erste Unterweisung gab.

Jacoteau, in Verbindungen mit leichtsinnigen, mehr als zweideutigen Frauenzimmern und Männern gerathen, die man in Paris aller Orten findet, ergab sich ganz einem lustigen Leben und ließ seinen Vater allein arbeiten, der vergebens all’ sein Ansehen, all’ seine Strenge aufbot, um den Sohn von dem schlimmen Wege zurückzubringen.

Jacoteau war auf allen Bällen zu sehen, des Winters in den Sälen Valentino, St. Cecile, Paganini, besonders Prado, wo die Studenten ihr Vergnügen suchen, unter denen er gute, dienstfertige Kameraden gefunden; des Sommers zu Mobile, Chateau des fleurs, der Chaumière und Chausesse de Lilas, und wer die stehende oder eigentlich tanzende Gesellschaft der genannten Lokalitäten kennt, wird auch die Gesunkenheit Desjenigen begreifen, der sich zum Mitglied derselben gemacht. Da wird die gemeinste Entwürdigung, so weit es die Polizei nur gestattet, zur Schau getragen, da prahlt man mit Unverschämtheit; das Vergnügen wird bis zur Orgie entstellt. Die Ausgelassenheit springt bei hellen Gasflammen zum Entzücken von Zuschauern umher, die hinter dieser lachenden Außenseite die Verderbniß und das zwiefache Elend nicht kennen oder die bereits unempfindlich für die tiefste Jämmerlichkeit geworden sind, die nichts mehr sittlich zu entrüsten vermag.

Deutsche Bewunderer haben über die genannten Unterhaltungsorte all’ ihr enthusiastisches Lob ausgegossen; doch denen ist es zu verzeihen; sie sehen nur das Fremde und was braucht es mehr, damit sie preisen?

Doch um wieder auf Jacoteau zu kommen. Er hatte oft die lebhaftesten Vorstellungen seines Vaters auszuhalten.

„Was soll aus Dir nur werden?“ frug ihn der Bekümmerte, nachdem er wieder eine Nacht außer dem Hause verbraust hatte. –

„In einer Dachstube zu sitzen und für Magazinknechte und Kutscher Kleider zu flicken, zu diesem Glücke, denke ich, hat man immer Zeit zu gelangen.“ –

„Brot ist die Hauptsache, ob hier oder dort, so oder so, wenn nur auf ehrliche Weise erworben.“ –

„Brot und nichts als Brot. Immer Anstrengung, niemals ein Vergnügen. Stets den Rücken krumm und die Beine verschränkt, dumpfe Luft, Unverdaulichkeit und Leberkrankheit, kein Ansehen, keinen Vorzug, viel weniger Bewunderung, und nicht einmal einen fröhlichen Tag, nicht einen Gran Lebensreiz. Und das soll mein Beruf sein?“ –

„Brot, sag ich Dir, Brot! Warte nur, bis Dein leerer Magen statt Deines Vaters Dich ermahnt und die Noth hinter Dir steht mit ihrer Geißel, die Dich antreibt, schlimmer als die russische Knute, dann wirst Du rufen: „Gesegnet, drei Mal gesegnet ist redlich erworbenes, unter Müh’ und Qual erworbenen Brot!“ das Du nicht finden wirst, weil Du es nicht verdienst.“ –

„Habe ich nicht genug Freunde und Bekanntschaften? Ich werde mir zu helfen wissen.“ –

„Du kennst nicht dieses Paris. Das lacht mit Dir und tanzt mit Dir, wenn Du lachst und tanzest; es giebt Dir bereitwillig Vergnügen, aber Brot, das mußt Du ihm gewaltsam abtrotzen. Ich habe Dir oft genug erzählt, wie lange ich mit der Noth gekämpft, bis ich es zu dieser Dachstube gebracht.“

„Hätten Sie mehr Genie, Vater – erlauben Sie, daß ich es sage – Sie hätten es leichter und besser gefunden.“

„Mehr Genie?“ wiederholte der Schneider traurig. „Möglich. Geh’, Ungerathener, Verblendeter! Dein Genie mög’ Dir helfen. Hielte das Andenken Deiner Mutter mich nicht ab, ich setzte Dich auf’s Pflaster, und würde sehen, ob Dein Genie Dir Obdach und Nahrung verschaffte.“ – Der Schneider sprach nicht mehr, sondern rührte, in Gedanken versunken, emsig die Nadel. Nach solchem Zwiegespräch pflegten oft Wochen zu vergehen, ohne daß ein Wort zwischen Vater und Sohn gewechselt wurde.

Jacoteau war zwei und zwanzig Jahre alt, als sein Vater einem Brustübel erlag, an dem er seit mehreren Jahren in Folge anhaltender Arbeit gelitten. Es fielen ihm fünftausend Franken als Erbschaft zu, die der thätige Schneider mühselig erspart hatte. Jacoteau, dessen Baarschaft niemals über zehn Franken hinausgegangen, war ganz betäubt von dem ungeheuern Reichthum, den er in die Hände bekam; er hielt ihn für unerschöpflich und meinte, er müßte für das ausschweifendste Leben Jahre lang ausreichen. Er suchte sich elegantere und noch schlimmere Gesellschaft beiderlei Geschlechts, als die bisherige war, kleidete sich reich, nahm eine prächtige Wohnung und traktirte geladene Gäste aller Art in den ersten Gasthäusern. Er sah die Hinterlassenschaft zusammenschmelzen, allein er achtete nicht darauf: als er jedoch nach vier Monaten das letzte Bankbillet von hundert Franken wechselte, da stieg ihm einige Besorgniß auf, die er aber mit den Worten von sich wieß: „Ei was, es wird schon gehen; wozu hat man sonst Genie?“ Die hundert Franken gingen, wie natürlich, den Weg ihrer Vorgänger. Sie wurden im sogenannten goldenen Hause, wo schon so viele Glücksgüter ihr Grab gefunden, von einer lustigen Gesellschaft beigesetzt.

Jacoteau schlief nach dem rauschenden Vergnügen für sein letztes Geld tief in den Tag hinein, und als er erwachte, da war es ihm ganz seltsam zu Muthe, denn er sah sich ohne einen Sous, um die Ausgabe für sein Frühstück zu bestreiten. Er rieb sich die Augen, wie Jemand, der sich über seinen Zustand Rechenschaft abzulegen sucht, den er aber nicht recht begreift.

Von nun an geht alles Sinnen und Trachten Jacoteau’s darauf hin, sich Geld für seinen nöthigen Unterhalt zu verschaffen. Zunächst wandern Kleidungsstücke und sonstige Habseligkeiten, die er sich als vornehmer Herr angeschafft, in’s Leihhaus; dann ging’s an’s Borgen; diese letztere Hülfsquelle war sehr wenig ergiebig und sehr bald ganz versiecht. In seinen Gesellschaften sucht er sich noch immer zu bewegen, ist aber mehr geduldet als gesucht. Und da er häufig dem Einen oder Andern seiner Bekannten zur Last fällt, sucht er sich so angenehm als möglich zu machen, durch Witz und Spaß zu belustigen, um auf diese Weise für manche Opfer schadlos zu halten. Da er sich aber durch diese Behelfe unmöglich lange über der Misere zu erhalten vermag, greift er zu Mitteln, die am Ende eine gerichtliche Verfolgung nach sich ziehen.

Jacoteau ist kaum 23 Jahre alt, mittlerer Größe, blaß und von lebhaften Augen, die, ob er gleich auf der Anklagebank sitzt, sorglos blicken.

Er scheint ganz guter Dinge und die zahlreich versammelten Zuhörer, welche den Gerichtssaal füllen, glauben nicht anders, als daß der junge Mann nur durch ein Mißverständniß der Behörde in diese klägliche Lage, auf diese unwürdige Stelle gekommen. Indessen wiederlegte die einleitende Förmlichkeit der Sitzung, die mit dem Namensaufruf anfängt, die allgemeine Voraussetzung. Die Fragenstellung begann:

Präsident. Herr Jacoteau Sie sind Ihres Handwerks ein Schneider?

Jacoteau. Nicht so ganz. Herr Präsident.

Präs. Was sind Sie denn eigentlich?

Jac. Darf ich hier vor aller Welt den geheimsten Gedanken meiner Seele offenbaren?

Präs. Sie müssen Alles sagen.

Jac. Nun denn, ich bin ein Mensch in der Erwartung.

Präs. Was erwarten Sie?

Jac. Eine günstige Gelegenheit, welche so gut sein wollte, mir als Leiter zu dienen, auf der ich emporklettern kann.

Präs. Mittlerweile haben Sie Ungesetzlichkeiten begangen. Hier haben Sie sich für einen Studenten, dort für einen Rentier und überall für den Sohn eines Beamteten ausgegeben.

Jac. Da ich meine Abkunft nicht ändern konnte, mußte ich sie wohl verleugnen. Und diese Titel, von denen Sie sprechen, Herr Präsident, nahm ich nur provisorisch an, bis zu der Zeit, da ich sie gegen einen wirklichen eintauschen und wieder abgeben würde.

Präs. Sie haben noch Schlimmeres begangen. Statt sich eine Beschäftigung zu wählen, durch die Sie der Gesellschaft nützlich geworden wären, haben sie diese beeinträchtigt und auf ihre Kosten sich zu unterhalten gesucht.

Jac. Ich habe, als ich mich aufmerksam umgesehen, bemerkt, daß die Gesellschaft hinreichend versehen war mit Handwerkern, Gelehrten, Fabrikanten, Handelsleuten, Erfindern und Künstlern. Da dachte ich, daß es nicht mehr als billig wäre, wenn sie etwas von den vielen ihr zufallenden Vortheilen abgäbe, was sie leicht thun kann.

Präs. Sie haben Freunde und Bekannte auf die unerlaubteste Weise bestohlen.

Jac. Verzeihen Sie, Herr Präsident, wenn ich die Vermuthung ausspreche, daß Sie den Ausdruck nicht gewählt, sondern ohne Vorbedacht haben entschlüpfen lassen.

[260] Präs. Sie haben dem Herrn Cabanot, Studirenden der Medizin, wohnhaft in der Rue Jacob Nr. 7, einen Ueberrock entwendet und dazu die Unverschämtheit gehabt, ihm Folgendes zu schreiben: (liest)

„Mein Herr!

„Gestern Morgens habe ich Ihnen in der freundlichsten Weise einen Besuch abgestattet. Ich fand Sie noch im Bette und Sie begingen die Unhöflichkeit, ruhig weiter zu schlafen, ohne im Geringsten Notiz von meiner Anwesenheit zu nehmen. Sie begreifen, daß ich mir Genugthuung und Ihnen eine Lektion in der guten Lebensart schuldig geworden. Um diese Doppelpflicht zu erfüllen, nahm ich Ihren Ueberrock an mich. Ich hoffe, daß Ihnen dieser Schaden eine Warnung für die Zukunft sein werde, und daß Sie Ihren Besuchen mehr Aufmerksamkeit erweisen werden. Ich setze bei Ihnen so viel Zartgefühl voraus, daß Sie jeden Skandal vermeiden werden, der Ihnen doch nichts nützen würde. Bei Leuten aus guter Familie wie wir, werden alle Dinge mit Anstand abgemacht. Ihr Hausmann frug mich, als ich das Haus verließ, ob ich ein Schneider sei? Da ich Eile hatte, beantwortete ich bejahend die Frage, um eine weitere Auseinandersetzung zu ersparen. Berichtigen Sie diesen Irrthum, damit der Thürhüter besser von mir denke.

Ihr  Jacoteau.“

Sind Sie der Schreiber dieser Zeilen?

Jac. Es ist meine Handschrift.

Präs. Der Diebstahl ist erwiesen.

Jac. In dem Schreiben ist eine Ansicht ausgesprochen, Herr Präsident, die wohl Berücksichtigung verdient.

Präs. Eine andere Probe Ihrer seltsamen schriftstellerischen Thätigkeit. Es handelt sich um einen Herrn Balard, Handlungsdiener, der Ihnen 25 Franken einhändigte, damit sie dieselben einer Dame seiner Bekanntschaft überreichten, mit welcher er eine persönliche Zusammenkunft vermeiden wollte. (Liest)

„Mein Herr!

„Nichts ist gefährlicher für eine junge Dame, die hinreichend Jugend und Liebenswürdigkeit besitzt, um sich geltend und wünschenswerth zu machen als Geld. Nichts ist so geeignet wie Geld ihrer Würde nahe zu treten und ihr Zartgefühl, theils zu verletzen, theils abzustumpfen. Diese Wahrheit bedachte ich erst, nachdem Sie mir die 25 Franken für Fräulein J… eingehändigt. Ich handelte nach meinem Gewissen, indem ich Ihren Auftrag unausgeführt ließ. Unsere Bildungsstufe und Familie lassen mich hoffen, daß zwischen uns von diesem Gegenstande weiter keine Rede sein werde, da Sie doch durch ein überflüssiges Aufsehn nichts erzielen können, als die Lächerlichkeit.

„Genehmigen Sie meine Freundschaftsversicherungen.
Jacoteau.“

Es giebt kaum eine sträflichere Weise zu hintergehen.

Jac. Meine Erfahrung bestätigt vollkommen, was ich in dem Briefe ausgesprochen und der besondere Umstand, daß Fräulein J… von dem in dieser Angelegenheit die Rede ist, und deren Charakter ich kennen zu lernen mehrfach Gelegenheit hatte, ohnehin eine übermäßige Neigung zum Geld stets an den Tag gelegt, ist wohl ein Gewicht mehr in der Waagschale, die zu meinen Gunsten neigt.

Der Polizeipräsident liest noch mehrere Briefe in diesem Sinne, mit naiver Sophistik abgefaßt. Die Jury zieht sich zurück und der Spruch lautet auf „Schuldig.“ In Berücksichtigung der Jugend des Angeklagten werden ihm nur zwei Jahre der Verhaftung zugemessen.

Das Publikum geht heiter und doch bestürzt aus dem Sitzungssaal. Man bedauert den Verirrten, aus dem, vermöge seiner Anlagen, ein interessanter Mensch hätte werden können.




Prinz Napoleon Bonaparte, der Cousin des jetzigen Kaisers, Commandeur der französischen Reserve in der Türkei, ist der Sohn Jerome Bonaparte’s und seiner zweiten Frau, der Prinzessin Katharina von Württemberg[WS 2]. Geboren in Triest am 9. Sept. 1822, hörte er bald von dem untergegangenen Glanze seines großen Namens und ward durch Erziehung, Unterricht, Reisen durch Deutschland, Italien, Amerika, England u. s. w., französirte Politik und Umgang mit dem Volke in seiner energischen, feurigen Natur bald zu einem öffentlichen Charakter. – Nach der Februar-Revolution trat er plötzlich, um es kurz zu bezeichnen, als ein blutrother Republikaner auf und ward als solcher in die constituirende Versammlung gewählt. Hier sprach er oft leidenschaftlich als geschworner Feind aller Fürsten, Könige und Kaiser.

Doch vom republikanischen Roth bis zum kaiserlichen Purpur war bei ihm nur ein Schritt, als sein Cousin, der Neffe des Onkels, glücklich Kaiser geworden. Die Zeitungs-Correspondenten verheiratheten ihn schon zweimal, einmal mit einer schönen Tochter der Königin Christine von Spanien, und dann mit einer andern Königstochter, seiner Cousine in Würtemberg. Noch ist er ledig und blos mit einer bedeutenden Stelle im Oriente von seinem Kaiser und Vetter versehen worden. Sein Durst nach Thaten und Ruhm machte ihn zum Bittsteller bei einem Kaiser.

„Wenn die Nation zu den Waffen greift,“ schrieb er an Kaiser Napoleon, „werden Ew. Majestät wohl finden, daß mein Platz nur unter den Soldaten sein darf, und Ich bitte Sie deshalb, unter sie zu treten, damit ich die Rechte und die Ehre Frankreichs vertheidigen helfen kann. Mein Platz ist in der Mitte von Soldaten.“

Sollte darin etwas Prophetisches liegen? Napoleon der Große war auch ein Kind der Republik – „Ein solcher Brief von einem ehemaligen „Blutrothen“ geschrieben, ist keins der geringsten, unter den epigrammatischen Ereignissen der neuesten Geschichte Frankreichs. Daß ein Mann, dessen politische Feindschaft gegen Louis Napoleon um so bittrer war, als sie sich gerade von Blutsverwandtschaft nährte, dessen Republikanismus vom glühendsten Hochroth war, in dessen Augen Königthum als ein nie zu vergebendes Verbrechen erschien, und dessen Ausbrüche in der National-Versammlung selbst die Linksten und die Höchsten des „Berges“ überraschten, daß solch ein Mann seinen Cousin in aller Unterthänigkeit mit „Majestät“ anreden konnte, ist ein eklatanter Beweis der Wahrheit und vielfachen Wirklichkeit des französischen Sprüchwortes: „On ne doit jamais jures de rien“. (Man darf Niemals auf Etwas schwören.“) –

Doch steht er als solche Metamorphose durchaus nicht allein, am Wenigsten in Frankreich. Der Kaiser hat sein Gesuch bewilligt, und wir können vielleicht bald von großen Thaten eines Napoleon in der Türkei hören. Nach Beweisen aus seiner bisherigen Haltung zu schließen, muß man ihn für einen feurigen. energischen Napoleonscharakter halten, von kühnem Ehrgeiz, von Ruhmbegier beseelt, der nicht sehr gewissenhaft in seinen Mitteln sein würde, wenn es gälte, Ruhm und militärische Ehren zu ernten. Er charakterisirt sich durch eine ruh- und rastlose Energie des Strebens nach etwas Großem, seines Schlachten- und Kriegsruhm bedeckten Namens würdigen, das ihm selbst noch nicht recht klar sein mag, und dessen Gestalt zunächst von den Fäden und Fehden des orientalischen Kriegsfatums abhängen wird.




Aus dem Leben Sir Charles Napier’s. Palmerston erzählte beim Festessen, das man dem alten Admiral zum Abschiede gab, folgende Thatsachen aus dem portugiesischen Kriege: „Als unser tapferer Freund hier beim Entern eines portugiesischen Schiffs sich in ein Segel verwickelte und sich anstrengte, aufs Deck des feindlichen Schiffs hinüberzuspringen, rannte ein portugiesischer Offizier mit geschwungenem Messer in voller Hast gegen ihn, um ihn zu durchbohren. Er parirte den Stich, stolperte auf’s Deck und rannte den Offizier mit einem tüchtigen Fußtritte eine steile Cajüttentreppe hinunter.“ – Lord William Russel hörte eines Tages, daß unser Freund Sir Charles Napier sich in die Nähe der Festung Valenza, mehrere Meilen von unserm Hauptquartiere, begeben habe. Russel hatte ihm eine nothwendige Mittheilung zu machen, und so machte er sich auf den Weg, um ihn aufzusuchen. Endlich fand er zwei Menschen, von denen der eine sehr ungeschickt zwei Musketen trug. Er hielt den Andern für eine Art von Robinson, als er ihn aber bei Lichte besah, war es Napier mit einem Soldaten hinter sich.

„Nun Napier, was machen Sie hier?“

„I na, ich will Valenza nehmen.“

„So! Aber Valenza ist eine Festung, mein lieber Karl, die man mit Soldaten und Blutvergießen nehmen muß. Und welche Vorbereitungen gehören dazu!?“

„O, Ich habe nicht Zeit zu Vorbereitungen und Blutvergießen,“ antwortet unser tapferer Freund, „ich habe hier eine von meinen „Blaujacken“ und zwei Musketen mitgenommen, und ich denke so die Festung zu nehmen.“

Und so nahm er sie. Er schickte dem Gouverneur einen Brief und bewies ihm, daß es besser sei, ihm die Festung gutwillig zu geben, ohne guten Willen incommodire es auf beiden Seiten. Der Gouverneur war ein vernünftiger Mann und so sah er das ein und so gab er die Festung dem Napier und dem Marinesoldaten mit zwei Musketen. Nachdem er Valenza sich so gekauft, machte er sie der Königin von Portugal zum Präsent und so hernach auch ganz Portugal.“ Konnte Karlchen mit zwei Musketen eine Festung nehmen, wie viel muß er nun nach der Regel de Tri mit 4000 Kanonen an sich bringen? Er weiß es selbst nicht, weiß er doch selbst nicht, was er morgen thun muß. Er hat für jeden Tag versiegelte Briefe von „zu Hause,“ die er jeden Morgen öffnen muß, um zu sehen, wie Freund Aberdeen auch „heute“ seine Friedens- und Freundesgefühle zeigen will.




Napoleon’s Staatsgrundgesetz für die Franzosen. Napoleon I. sagte einmal bei Tafel zu Lafitte: „Man muß, um die Franzosen zu regieren, Waffen von Eisen und Handschuhe von Sammet tragen.“ Ein neben Madame Lafitte essender Engländer erwiederte darauf, so daß es Napoleon hören konnte: „Ja, das ist richtig, aber er vergaß oft, die Handschuhe anzuziehen.“ Es wurde gefragt, wer der Engländer mit seinem guten Witz und schlechten Französisch sei: „Marquis of Landsowne“ war die Antwort, jetziges Mitglied des Aberdeen-Ministeriums.




Die Lerche. Kein Vogel singt methodischer, musikalischer, als die Lerche. Im Aufsteigen singt sie – vivace crescendo – die Ouverture; in voller Höhe wird sie moderato in kurzen 3–4 mal wiederholten Passagen und in derselben Tonart. Bei starkem Winde erhebt sie sich in Stößen und setzt ihm dann ihre liederreiche Brust entgegen. Bei ruhigem Wetter in Spiralen und fliegt während des Hauptgesanges in horizontalen Cirkeln abwärts und beim Finale in Zickzack. Gewöhnlich hört sie abwärts in der Mitte des Weges auf zu singen und schießt dann rasch und grade herab. Der erste Theil Ihres Gesanges ist brennende Ungeduld, der zweite, andante, ist Phantasie, gefühlvolles Lobsingen der Luft und Erde in der Vogelperspektive, der dritte zeichnet sich durch Piano- Modifikationen des Hauptthemas mit Erinnerungen an die Subdominante am Ende aus. Takt und Noten entsprechen gewöhnlich den Flügelvibrationen. Zuweilen singen sie wohl auch auf der Erde, aber dann nur in Käfigen, wobei sie viel leiden, da ihre ganze lustige, fliegende, elastische Natur dabei verleugnet werden muß. Es sieht fürchterlich aus, Lerchen in Käfigen oft Stunden vergebens gegen die niedrige Decke springen sehen.




Der schottische Mathematiker Johann Craig hat in einem zu London 1699 erschienenen Werke („Theologiae christianae principia mathematica“) nach den Gesetzen der Probabilität genau berechnet, daß die christliche Religion nur noch Jahre existiren könne und nach Verlauf dieser Zeit ihr Ende nehme. Als guter Christ läßt er aber keine andere Religion an ihre Stelle treten, sondern nimmt an, daß kurz vor Ablauf dieser Frist, um dem Untergange des Christenthums vorzubeugen, Christus zum Weltgericht erscheinen werde.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: das
  2. Vorlage: Friederike von Würtemberg