Gesetz, betreffend die Errichtung eines Reichs-Eisenbahn-Amtes
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(Nr. 941.) Gesetz, betreffend die Errichtung eines Reichs-Eisenbahn-Amtes. Vom 27. Juni 1873.
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.
verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrathes und des Reichstages, was folgt:
§. 1.
- Unter dem Namen „Reichs-Eisenbahn-Amt“ wird eine ständige Centralbehörde eingerichtet, welche aus einem Vorsitzenden und der erforderlichen Zahl von Räthen besteht und ihren Sitz in Berlin hat.
- Auch können nach Maßgabe des Bedürfnisses Reichs-Eisenbahn-Kommissare bestellt werden, welche vom Reichs-Eisenbahn-Amt ihre Instruktionen empfangen.
§. 2.
- Der Vorsitzende und die Mitglieder des Reichs-Eisenbahn-Amtes, sowie die Reichs-Eisenbahn-Kommissare werden vom Kaiser, die Subaltern- und Unterbeamten werden vom Reichskanzler ernannt.
- Auf den Vorsitzenden finden die Vorschriften des §. 25 des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten, vom 31. März 1873, Anwendung.
- Personen, welche bei der Verwaltung einer deutschen Eisenbahn betheiligt sind, können keinerlei Thätigkeit bei dem Reichs-Eisenbahn-Amt oder als Reichs-Eisenbahn-Kommissare ausüben.
§. 3.
- Vorbehaltlich der Bestimmung im §. 5 Nr. 4 führt das Reichs-Eisenbahn-Amt seine Geschäfte unter Verantwortlichkeit und nach den Anweisungen des Reichskanzlers.
§. 4.
- Das Reichs-Eisenbahn-Amt hat innerhalb der durch die Verfassung bestimmten Zuständigkeit des Reichs:
- 1) das Aufsichtsrecht über das Eisenbahnwesen wahrzunehmen;
- 2) für die Ausführung der in der Reichsverfassung enthaltenen Bestimmungen, sowie der sonstigen auf das Eisenbahnwesen bezüglichen Gesetze und verfassungsmäßigen Vorschriften Sorge zu tragen;
- 3) auf Abstellung der in Hinsicht auf das Eisenbahnwesen hervortretenden Mängel und Mißstände hinzuwirken.
- Dasselbe ist berechtigt, innerhalb seiner Zuständigkeit über alle Einrichtungen und Maßregeln von den Eisenbahnverwaltungen Auskunft zu erfordern oder nach Befinden durch persönliche Kenntnißnahme sich zu unterrichten und hiernach das Erforderliche zu veranlassen. [165]
§. 5.
- Bis zum Erlaß eines Reichs-Eisenbahngesetzes gelten folgende Vorschriften:
- 1) In Bezug auf die Privateisenbahnen stehen dem Reichs-Eisenbahn-Amte zur Durchführung seiner Verfügungen dieselben Befugnisse zu, welche den Aufsichtsbehörden der betreffenden Bundesstaaten beigelegt sind. Werden zu diesem Zwecke Zwangsmaßregeln erforderlich, so sind die Eisenbahn-Aufsichtsbehörden der einzelnen Bundesstaaten gehalten, den deshalb an sie ergehenden Requisitionen zu entsprechen.
- 2) Staats-Eisenbahnverwaltungen sind nöthigenfalls zur Erfüllung der ihnen obliegenden Verpflichtungen im verfassungsmäßigen Wege (Art. 7 Nr. 3, Art. 17 und Art. 19 der Reichsverfassung) anzuhalten.
- 3) Den Reichseisenbahnen gegenüber wird der Reichskanzler die Verfügungen des Reichs-Eisenbahn-Amtes zum Vollzuge bringen.
- 4) Wird gegen eine von dem Reichs-Eisenbahn-Amte verfügte Maßregel Gegenvorstellung erhoben auf Grund der Behauptung, daß jene Maßregel in den Gesetzen und rechtsgültigen Vorschriften nicht begründet sei, so hat das durch Zuziehung von richterlichen Beamten zu verstärkende Reichs-Eisenbahn-Amt über die Gegenvorstellung immer selbstständig und unter eigener Verantwortlichkeit in kollegialer Berathung und Beschlußfassung zu befinden. Zu diesem Zwecke wird der Bundesrath ein Regulativ erlassen, welches den kollegialen Geschäftsgang ordnet und die hierbei dem Präsidenten zustehenden Befugnisse regelt.
- Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
- Gegeben Schloß Babelsberg, den 27. Juni 1873.