Münchener Künstlerfesttage
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Münchener Künstlerfesttage.
Entzückende Sommertage waren es, während deren die Münchener Künstlergenossenschaft ihr fünfundzwanzigjähriges Bestehen feierte. Wohl thürmten sich am 3. wie am 4. Juli Gewitterwolken mitunter auf, aber nur, um die Landschaftsbilder zu verschönen und ab und zu aus weiter Ferne her einen kühlenden Hauch zu senden. – In vier lose zusammenhängende Festakte gliederte sich die Gesamtfeier. Der erste dieser Festakte bestand in der Grundsteinlegung zum neuen Künstlerhause, die am 2. Juli vormittags stattfand. Seit Jahrzehnten wurde gearbeitet, um die Mittel für ein Künstlerheim aufzubringen; jetzt endlich konnte auf einem der schönsten Plätze Münchens der Grund zu diesem Heim gemauert werden. Ueberragt von den alten Thürmen der Frauenkirche, angesichts der schönen Synagoge und des prachtvoll emporstrebenden Justizpalastes, umrauscht vom Grün der benachbarten Anlagen, wird dieses Künstlerheim wohl für alle Zukunft eine Stätte werden, an welcher künstlerischer Geist und schaffenslustige Phantasie frohe und ernste Gedanken reifen können.
Am Abend dieses Tages fanden sich gegen zweitausend Menschen in den weiten Hallen des Salvatorkellers zusammen, wo durch kunstfertige Hände in fliegender Hast eine reiche und anmuthige Dekoration geschaffen war. In der Tiefe des Saales war eine Bühne errichtet. Als nach einigen einleitenden Musikstücken und nach einer kurzen Begrüßung der Versammlung durch den Präsidenten der Kunstgenossenschaft der Vorhang sich hob, sah man in ein uraltes zertrümmertes Kellergewölbe, in verworrenes Gerank und winkeldüsteres Gemäuer, wo zerfallende Fässer umherlagen. Waldkobolde beginnen ein spukhaftes Spiel und erwecken den seit Jahrhunderten verwünschten Kellergeist aus seinem Schlafe; ein irrendes Kunstgenie erlöst ihn aus seiner Verbannung. Unter den Klängen geisterhafter Musik erscheinen, über die zerfallenden Treppen herabschwebend, sieben Kunstmusen und erbitten sich das finstere Gewölbe von dem Kellergeiste für das Stiftungsfest der Genossenschaft. Nach einigem Sträuben wird ihnen dies gewährt; sie rufen ihren viellieben Gast: jenes schmucke Kind im Mönchsgewande, welches das Wappenbild der Stadt München ist. Aus Dampf und Lichtglanz steigt es herab, grüßt das Künstlervolk, füllt den Keller mit einem bunten Gefolge von Herolden, Bannerträgern, Pagen und altbekannten Münchener Originalgestalten, worauf unter den Klängen des Walhallaliedes das Festspiel zu Ende geht.
Nach einer durch Gesang und Deklamation ausgefüllten Pause kam noch ein zweites, musikalisches Festspiel, eine launige Magistratsversammlung in mittelalterlicher Gewandung, die durch das Eindringen des Humors in köstlicher Weise unterbrochen wird. Ein Zwiegesang zwischen dem gestrengen Bürgermeister und dem Schalksnarren entspinnt sich, durchflochten mit mancherlei Beziehungen zu schwebenden Fragen, und endet mit dem weisen Rathe des Humors, daß einem alles „Wurst“ sein müsse. Dieser Rath wird denn auch sogleich in eine imposante That umgesetzt, indem der Schalksnarr eine etwa fünfzig Meter lange Göttinger Wurst vom Umfang eines ausgewachsenen Eichbaumes durch den Saal tragen läßt. Musik und Tanz folgten. Erst spät nach Mitternacht lichteten sich die Räume.
Der zweite Festtag begann wieder mit einer ernsten Feier, mit der Enthüllung des Denkmals für Moritz v. Schwind, worüber die „Gartenlaube“ schon an anderer Stelle berichtet hat (Nr. 30). Die großartigste Festpracht aber entfaltete sich am Nachmittage des 4. Juli bei dem Sommerfeste zu Feldafing. Am Westufer des Starnberger Sees, gegenüber der blüthenduftenden Roseninsel, auf die unsere Anfangsvignette einen Blick verstattet, liegt eine breite Wiesenterrasse; dort wollte einst der unvergeßliche König Maximilian II. ein Schloß erbauen und seine Grundmauern sind heute noch vorhanden. Mit dem Herzschlag des edlen Fürsten aber hat auch der Bau aufgehört: üppige Gräser wiegen sich wieder auf der verlassenen Stätte. Diese war zum Festplatze gewählt. Berückend schön ist der Blick von hier hinab auf den See, über dessen fernen Ufern wie Märchenbilder die Felszinnen am oberen Isarthal aufragen.
[526] In ihr sonnigstes Festgewand hatte sich die Landschaft gekleidet, den Tausenden zu Ehren, die mittags in langen Wagenzügen herausgefahren waren, Männer aus allen Kreisen der Münchener Gesellschaft, dazu ein reicher Kranz von Frauen und Mädchen in duftigen Sommergewändern. Um vier Uhr verkündeten Böllerschüsse die Ankunft der Galeere, welche den Prinzregenten und sein Gefolge brachte. Kaum hatte der Hof das für ihn erbaute Prachtzelt erreicht, als weithinschallende Fanfaren den Beginn des eigentlichen Festes einleiteten. Und nun bewegte sich wie eine lebendig gewordene Sage ein ganz eigenartiges Bild über den See herbei. Von einem riesigen Seeungeheuer gezogen, schwamm eine zerklüftete Felseninsel, eine haushohe Grotte daher. Korallen rankten um sie; Seesterne und andere Meergebilde hingen an ihr, an ihrem Fuße bewegten sich langmähnige Wasserweiber und fischschwänzige Nixen. Auf dem höchsten Punkte des Felsens aber stand der Seegeist in ehrwürdigem Weißbart. Athemlos still standen die Tausende von Zuschauern, als der Alte vom See mit dröhnender Stimme seinen Festgruß ans Land herüber rief. Dann wandte sich das Ungeheuer wieder prustend und schnaubend seewärts; die „Nixen“ – lauter jüngere Kunstschüler – sprangen jauchzend und plätschernd in den See, schwammen neben der Insel her, und langsam verschwand das Märchengebilde hinter den bergenden Baumgruppen eines Landvorsprunges, während die Menge in lauten Jubel ausbrach. Der war kaum verhallt, als unbeschreiblich zarte Töne sich vernehmen ließen. Vom Ufer der Roseninsel her zog eine reichgeschmückte Galeere mit vergoldetem Mast und gerefftem Purpursegel. Sie trug die Rosenkönigin und ihr Gefolge: etwa fünfzig oder sechzig Mädchen in hellen vielfarbigen Gewändern, welche einen eigens komponierten Chorgesang mit Harfenbegleitung sangen. Ruderknechte in alterthümlichen Gewändern bewegten das wunderbare Fahrzeug; hoch auf dem ragenden Hinterdeck aber stand, den Lauf des Schiffes leitend, die Rosenkönigin in wehendem weißen Kleide. So landete das Fahrzeug, die Mädchen stiegen aus, tausendstimmig begrüßt, überschütteten die Gäste mit einem Blumenregen und brachten auch Blumenkörbe und Kränze hinauf in den Kiosk der Prinzessinnen. – Damit aber neben den Geistern des Sees und der Insel auch der Wald vertreten sei, zog gleich nachher auf einem von Einhörnern gezogenen Wagen „Waldmeister“ ein, geführt von einem ehrwürdigen Klausner, begleitet von einem entzückenden Gefolge kleiner Mädchen, die als Insekten und Blumenelfen erschienen, mit buntschillernden Flügeln und schwankenden Fühlhörnchen, Später, als diese kleinen Waldgeisterchen auf einer benachbarten Wiese zu spielen und zu tanzen begannen, konnten sich die Zuschauer kaum satt sehen an dem liebenswürdigen Anblick dieser kleinen Elfen, die mit kindlichem Jauchzen sich haschten und durch das Gras tollten. Reizend war’s aber auch, als nach einiger Zeit die Rosenmädchen wieder in ihr Prunkschiff stiegen und mit dem gleichen Gesange wie bei der Ankunft langsam in den See hinaus steuerten. Und als sie mit ihren Tüchern und Fächern zum Abschied winkten, flogen, als wär’s verabredet gewesen, Tausende von Taschentüchern und Hüten grüßend in der Luft; schien es doch, als wollte das schöne Fahrzeug hinausgleiten in unendliche blaue Fernen, bis zu den Inseln der Seligen, beglänzt von den letzten Strahlen der Abendsonne.
Und als endlich der Sommertag ganz zur Neige gegangen war und eine laue Nacht sich über Wald und See hereinsenkte, da blitzte es allerwärts auf von bunt funkelnden Lichtern; Feuergarben schossen über den See und in lohender Pracht zeigte sich noch einmal, wie ein Phantom aus dem Dunkel auftauchend, die Felseninsel der Seegeister, um gleich einem sprühenden irrenden Gestirn wieder zu verschwinden. Tiefe Nacht verschlang das zauberische Bild, während unzählige Boote heimwärts eilten und oben unter Musikbegleitung die Gäste auf breiter Waldstraße zum Bahnhofe hinaufzogen.
Diese Tage reihen sich würdig dem Schönsten an, was die Münchener Künstlergenossenschaft während ihres fünfundzwanzigjährigen Bestandes schuf. Ist auch der Festjubel verbraust: die reinen und poesievollen Anregungen, die er nach allen Seiten hin gab, sie bleiben als holdes Vermächtniß bestehen. M. H.