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Otto Schrader †

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Georg Schläger
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Titel: Otto Schrader †
Untertitel:
aus: Zeitschrift des Vereins für Volkskunde, 29. Jahrgang, S. 55–56
Herausgeber: Fritz Boehm
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1919
Verlag: Behrend & Co.
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Erscheinungsort: Berlin
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Originalherkunft:
Quelle: Michigan-USA*, Commons
Kurzbeschreibung:
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Bearbeitungsstand
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Otto Schrader †.

Mit Otto Schrader (geb. am 28. März 1855, gest. am 21. März 1919) ist ein Forscher selbständigster Eigenart dahingegangen, der von sich aus den Weg von der Philologie und Linguistik zur Kulturgeschichte gefunden hat – man kann ruhig sagen: zur Volkskunde in dem weiten Sinne, wie ihn diese Zeitschrift vertritt. So hat schon 1877 der Leipziger Student in einem Festvortrage ‘Sprachwissenschaft und Kulturgeschichte’ sein Arbeitsfeld vorausbezeichnet; und unter den vielen grossen und kleineren Arbeiten, die uns sein Lebensgang beschert hat, gibt es kaum eine, die sich diesem Rahmen entzöge.

Aus der Fülle von Schraders Schriften seien nur einzelne herausgehoben. Die Neubearbeitung von V. Hehns ‘Kulturpflanzen und Haustiere’ 1890 (mit A. Engler); das ‘Lebensbild Hehns’ 1891. Zur Urgeschichte der Familie: ‘Die Schwiegermutter und der Hagestolz’ 1904; ‘Über Bezeichnungen der Heiratsverwandtschaft’. Sitte und Brauch: ‘Totenhochzeit’ 1904. Zur deutschen Kulturgeschichte: ‘Deutsches Reich und Deutscher Kaiser’, ‘Die Deutschen und das Meer’. Als Beispiel gemeinverständlicher und doch gediegener Darstellung das Büchlein ‘Die Indogermanen’ 1911, das nunmehr in dritter Auflage vorliegt. Aber am Anfang und am Ende stehen kraftvolle Zusammenfassungen, die immer zu den bewunderten Denkmälern weitschauenden Gelehrtenfleisses zählen werden. 1883 das Programmwerk ‘Sprachvergleichung und Urgeschichte’, bis 1907 noch zweimal völlig umgearbeitet. Und 1901 die Krönung seiner Lebensarbeit, das ‘Reallexikon der indogermanischen Altertumskunde’, als Werk eines einzelnen vielleicht die grösste Tat auf diesem Gebiete. Wie rastlos Schrader auch an diesem Werke fortgearbeitet hat, zeigt das erste Heft der zweiten Auflage 1917; es war sein grösster Schmerz, dass der Krieg den Druck des von ihm aus fertig vorliegenden Buches so arg ins Stocken brachte. Dabei bewegten ihn noch grosse Pläne. Über eine Stammesgeschichte der Germanen hatte er bereits mit einem Verleger angeknüpft; vieles hoffte er noch aus seiner reichen und tiefen Kenntnis des russischen Volkstums zu schöpfen. –

Der Sohn Weimars war eine reiche, glänzende Persönlichkeit: ein vielseitiger, schlagfertiger Geist voll überlegenen Humors, ein Meister des gesprochenen und geschriebenen Wortes, dichterisch und gesellschaftlich veranlagt. Über seinem Leben aber hat bittere Tragik gewaltet. Dreissig Jahre an den anspruchsvollen Schuldienst gebunden, der ihm trotz hervorragender Eigenschaften dafür doch eine Fessel wurde, und im Nebenamt Universitätslehrer, musste er mit seinen Kräften Raubbau treiben. Als 1908 der erlösende Ruf nach Breslau kam, war es zu spät: [56] schleichende Krankheit war dem scheinbar so rüstigen Manne schon bis ins Mark gedrungen. Überaus traurig ist sein Lebensabend gewesen. Körperlich schon ganz hinfällig, ohne Hoffnung, sein Lebenswerk selbst bis zum Ende betreuen zu können, wurde der glühende Vaterlandsfreund noch durch den Zusammenbruch unserer Macht und Zukunft völlig zerbrochen. In seinen letzten Tagen liess er sich den Lehnstuhl im Schlafzimmer so rücken, dass er das Bismarckbild in seinem Arbeitszimmer im Auge behalten konnte. Die Erinnerung an die Zeit, da er tätigsten Anteil an der Ehrung des verfemten Altreichskanzlers in Jena nehmen durfte, hat ihn noch zuletzt erhoben.

Er lebt in seinen Werken fort. Möchte nun auch alles geschehen, um das Schmerzenkind seiner letzten Jahre, das Reallexikon, so bald und so vollkommen wie möglich zum Abschluss zu bringen!

     Freiburg i. Br. Georg Schläger.