Parthenope. Ein Seegemählde bei Neapel
Ermüdet von des Tages schwerem Brande,
Setzt’ ich danieder mich ans kühle Meer.
Die Wellen wallten liebend hin zum Strande
Des holden Ufers, das mich rings umher
Mit seiner gaukelnden Sylphiden Heer;
Der Liebe luftger Schleier, rings umflogen
Von Zephyretten, spielte mit den Wogen.
Und über mir, hoch über mir in Lüften
Der reingeläutert von der Erde Düften,
Ein himmlisches Gewächs, den runden Saum
Umschreibet mit der Sonne goldnen Schriften,
Und giebt dem Fluge der Begeistrung Raum
Die Pinje rauschte mich in goldne Träume.
Ich hört’! und aus des Meeres leisen Wogen
Erhob sich einer Stimme Silberton:
»Vernimm mich! Nie hat dich dein Herz betrogen,
Daß dir die Hülle werd’ emporgezogen,
Die alle Wesen bis zum lichten Thron
Der schaffenden Natur in Schatten hüllet;
Vernimm mich, und dein Herz wird dir gestillet.«
Hob eine Nymphe göttlich sich empor.
Ihr Antlitz schien die Dämmrung aufzuhellen,
Bis an der Sonne goldnes Abendthor.
Die Wogen küßten sie mit sanftem Schwellen;
Sie sang; ein Saitenspiel von zarten Saiten
War schüchtern, ihre Stimme zu begleiten.
Sie sang: »Was rings dir deine Blicke zeigen,
Was alldurchwallend die Natur bewegt,
Des Athers, drunten sich im Staube regt,
Und in der Welle spielt, und in den Zweigen
Der Fichte rauscht, und dir im Herzen schlägt,
Und dir im Auge, jetzt von Thränen trübe,
Nur Liebe war die Schöpferinn der Wesen,
Und ward der Liebgebohrnen Lehrerinn.
Willst du den Sinn des großen Buches lesen,
Das vor dir liegt; sie ist die Seele drinn.
So folge treu der hohen Führerinn;
Wer außer ihr, der Mutter alles Lebens,
Natur und Wahrheit suchet, sucht vergebens.
Sie ist Natur; sie bildete Gestalten,
Sie läßt den Keim zur Blume sich entfalten,
Daß in der schönen Blume Liebe blüh’.
Die zarten Bande, die das Weltall halten,
Die ewigjunge rege Sympathie,
Wie willst du anders sie, als Liebe nennen?
Schau, wie die Welle, nahend dir, am Rande
Des Ufers spielet, und es leise grüßt;
Sie gleitet weg von dem geliebten Strande,
Und kehrt zurück zu dem geliebten Lande,
Wie wiederkehrend sich das Herz ergießt;
So drängen sich mit immer neuem Schwellen
In aller Schöpfung Meer der Liebe Wellen.
Sich spiegelt in des Meeres Angesicht!
In Amphitritens heil’gen Schooß gesunken,
Wie wallt, wie zittert dort der Sonne Licht!
Und droben glühen schon der Liebe Funken,
Sie schleicht heran mit zarten Silberfüßen,
Um ihren Liebling, ihren Freund zu grüßen.
Dort steht sie; sieht bescheiden sich im Spiegel
Der Wellen an, und weilt und schämet sich,
»Endymion, ich lieb’, ich liebe dich!«
Und drückt auf ihn der Sehnsucht zartes Siegel:
»Endymion, auch du, du liebest mich!« – –
So sang Parthenope; mit süßen Schmerzen
Ich sah, ich sah, bei ihren Freudenmahlen
Die Götter in der Freuden Ueberfluß.
Da labet Zevs sich in den süßen Strahlen
Des schönen Jünglings mit dem ewgen Kuß.
Und blickt in alle Himmel Wohlgenuß;
Läßt Göttlichkeit in jede Ader fließen,
Und reine Liebe sich durchs Weltall gießen.
Ach, sprach ich, und die Menschheit, in der Kette
O! daß sie noch das Kleinod Unschuld hätte,
Das ihr die Mutter an den Busen hing,
Als liebend mit den Göttern um die Wette
Ihr erster Mutterkuß sie froh umfing;
Wird Lieb’ und Unschuld dir allein zum Himmel.
»Versäume nie, zu stolz für diese Freuden,
Die Lieb’ und Unschuld auf beblümter Flur.
Verschmähe nie dein Glück, und suche Leiden
Ach, aber ach, getrennt von ihnen beiden,
Von Lieb’ und Unschuld, Wahrheit und Natur,
Wie taumelt jetzt der Mensch, und sucht dem Herzen
Ein süßes Gift, für Liebe – Gram und Schmerzen.
Erhob noch einmal ihren Silberton:
»Vernimm dein Herz. Nie hat es dich betrogen.
Du liebest Unschuld, und sie wird dein Lohn.
Was unter diesem goldnen Himmelsbogen
Erklingt, das klinget dir im Herzen wieder,
In deinem Herzen.« – Und sie schlüpfte nieder.