Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Cunnersdorf bei Camenz
1⅜ Stunden gen N.-W. von Camenz entfernt gelegen, an der hier sich spaltenden Strasse nach Ruland und Ortrand, mit Brauna, Liebenau, Bernbruch, Biehla, Hansdorf, Bulleritz, Schönbach und Rohrbach rainend, ist wohl zu unterscheiden von dem 1 Stunde von Löbau entfernt gelegenen Nieder-Cunnersdorf, welches mit Ober-Cunnersdorf und Neu-Cunnersdorf domstiftliche Besitzung von Bautzen ist.
Ueberhaupt kommt der Name Cunnersdorf in unserem Sachsenlande häufig vor, dass man oft sehr leicht ohne nähere Bezeichnung der benachbarten Stadt irre geleitet werden kann, weshalb wir nicht unterlassen haben unser Cunnersdorf, Cunnersdorf bei Camenz zu nennen.
Ueber den Namen selbst, dessen Bedeutung und Ursprung hat man früher viele Ausleger gefunden, und jezt noch sind die Meinungen darüber getheilt.
Einige wollen den Namen vom sorbischen Krieza (die Kiefer) oder auch von der Göttin Kuna (Krina) abgeleitet wissen. Je nach der Lage des Ortes und der Entstehung desselben könnten vielleicht diese Auslegungen nicht ganz falsch sein, und sich gewissermassen rechtfertigen lassen; in den meisten Fällen dürften sie aber nicht anwendbar sein. Vielmehr ist wohl die Benennung des Ortes von Cunisdorf, d. h. Conradsdorf abzuleiten.
Unser Cunnersdorf hat davon ganz gewiss seinen Namen, da ein Conrad von Camenz der Begründer des Ortes gewesen ist, welcher als Rittersitz mit unter die Burggrafen von Camenz gestellt wurde.
Die Herren von Camenz behaupteten Cunnersdorf bis ins 15. Jahrhundert. Zu dieser Zeit entäusserten sie sich der meisten ihrer hiesigen Besitzungen und Cunnersdorf kam 1504 an W. G. W. von Rechenberg, welcher es noch 1580 besass. Von 1604 bis 1620 finden wir Hans Joseph von Rechenberg im Besitz, von welchem es der Stadtrath zu Camenz acquirirte. Letzterer musste es 1661 nothgedrungen an Wolf, Hans von Schleinitz verkaufen, der es nur bis 1669 besass und es Johann Georg von Schleinitz hinterliess: Dann übernahm es 1683 Wolf Haubold von Schleinitz, welcher 1696 das Mannlehngut in Allodium verwandeln liess.
Nach seinem Tode kam es 1704 in die Hände seiner Tochter, der verehel. Obrist-Lieutenant von Luttitz, geb. von Schleinitz, von welcher es 1739 deren Schwester Frau Susanna Salome, verwittwete Obrist von Wangenheim, geb. von Schleinitz, erbte. Dann war der Frau Obrist von Wangenheim leibliche Tochter die Baronin Caroline Wilhelmine von Friesen Besitzerin von Cunnersdorf, die es wieder ihrer Tochter, der verehel. Gräfin Charlotte Marianne Auguste, Gräfin von Solms Saathayn, schenkte. Letztre besass es nur kurze Zeit und verkaufte es im Jahre 1802 an den Lieutenant Carl von Metzrath, welcher es nur bis 1805 besass, wo es Herr Ehrenfried Lobegott von Lippe erkaufte.
Nach des Letzteren im Jahre 1841 erfolgten Ableben blieb das Gut ein Jahr im Erbe, worauf es der älteste Herr Sohn, Carl Eduard von Lippe übernahm, welcher es nur bis zum Jahre 1847 besass. In diesem Jahre kaufte es der Herr Lobegott von Lippe anderer Herr Sohn, Constantin Robert von Lippe, welcher dasselbe jetzt noch verwaltet und hoffentlich auch für die Familie von Lippe erhalten wird.
Das jetzige herrschaftliche Wohngebäude, welches wir in der Abbildung sehen, stammt vom Jahre 1700. Damals wurde das alte Schloss abgetragen bis auf das untere Erdgeschoss und Letzteres wieder mit einem Dache versehen, das neure Gebäude steht also auf einem ganz andern Platz als das alte Schloss. Im Jahre 1850 sind mehrere im Jahre 1644 erbaute Häuser, wie sie nach einem grosen Feuer wieder hergestellt waren, und zu dem Wirthschaftshof gehörten, niedergerissen und statt deren ein 130 Ellen langes durchaus massiv und gewölbtes Gebäude erbaut worden.
Im Jahre 1855 ist ein Theil des ehemaligen Wallgrabens ausgeschüttet, und auf dessen Stelle eine 80 Ellen lange Scheune mit an die ehemaligen Schlossmauern unter ein Dach erbaut und so dem ganzen Wirthschaftshofe ein recht freundliches Ansehen gegeben worden.
An das jetzige herrschaftliche Wohngebäude stösst ein wohl angelegter Garten und ausserhalb desselben befinden sich schöne Fruchtbaumanlagen.
Zum Gute, welches überhaupt nicht unbedeutend ist, gehört eine [184] vortreffliche Schäferei mehre Teiche und schöne Obstanlagen und Gärten.
Der Boden hiesiger Gegend ist etwas hügelig und steinig, übrigens mittelsandig.
Man erbaut aber in hiesiger Gegend viel Rübsen und Heidekorn und die Einwohner ernähren sich grösstentheils vom Ackerbau.
Im Jahre 1857 ist der jetzige Besitzer auf Adern von Kalksteinen gekommen und derselbe hegt die Hoffnung noch ein reichliches Lager zu entdecken, welches für die ganze Gegend von der grössten Wichtigkeit werden dürfte.
Am Sandberg und rothen Berg entspringt aus 2 Quellen der über Hausdorf und Gross-Grabe dem Schwarzwasser an der preussischen Grenze zufliessende Bach, welcher fälschlich von einigen Geographen ebenfalls Schwarzwasser genannt worden ist.
Im Orte Cunnersdorf befinden sich ausser den Wohnungen der Bauern und Häusler, auch noch eine Wassermühle mit einem Gang und eine Windmühle, ausserdem mehrere Hirsenstampfen.
Das hiesige Schulhaus wird von 60 Kindern besucht, wozu das wendische Dorf Hausdorf 15 Kinder schickt.
Im Ganzen hat Cunnersdorf 54 bewohnte Gebäude mit 274 Einwohnern, worunter sich 10 Bauern, 4 Halbbauern, 3 Gross- und 6 andere Gärtner, 17 Häusler mit Feld und 6 feldlose Häusler befinden. Die Wohnungen der Letzteren stehen auf herrschaftlichen Grund und Boden.
Die Einwohner des Ortes gehören zu den sogenannten 11 deutschen Dörfern, die in die Haupt-Kirche zu Camenz, ausser den sogenannten 9 wendischen Dörfern, gewiesen sind. Eigentlich ist aber eine solche Bemerkung nicht mehr richtig, da die Letzteren zum Theil ganz deutsch sind, die Einwohner von allen auch deutsch verstehen.
Die Schicksale des Ortes anlangend, so hat es mit Camenz im Hussitenkriege furchtbar gelitten. Weiber und Kinder wurden gemartert und die übrigen nach Camenz geflüchteten männlichen Bewohner gingen im Kampfe unter.
Bruso von Gamenz und dessen Mutter, welche den Hussitensturm überlebt hatten, verkauften 1432 die Stadt Camenz sammt Schloss und übrigen Besitzungen, wodurch die Herrschaft über das Camenzer Ländchen für das Geschlecht derer von Camenz aufhörte, und von nun an im Namen des Königs durch den Königlichen Landvoigt in Buddissin gehandhabt wurde.
Auch durch Pest und spätere Kriegsdrangsale wurde Cunnersdorf schwer heimgesucht, und im Jahre 1707 verloren die hiesigen Einwohner ihre ganze Habe bei dem grossen Brande in Camenz, wohin sie solche der Kriegsunruhen wegen geflüchtet hatten.
Erst nach den Napoleon’schen Feldzügen und während der langen schönen Friedensjahre hat sich auch Cunnersdorf wieder erholt und ist sogar zu Wohlstand gelangt.
Denn die meisten Bewohner des Ortes sind wohlhabend zu nennen und über eigentliche der Gemeinde zur Last fallende Arme kann man hier nicht klagen.
Cunnersdorf hatte bis zur Einführung der neuen Gerichtsordnung seine eigene Gerichtsbarkeit und von den dasigen Gerichtsherrschaften wurde Alles stets gethan, um ihre Unterthanen nicht in Rechtshändel zu verwickeln und sie vor Schaden und Nachtheil zu bewahren.
Namentlich wurde in Sterbe- und Erbefällen jede mögliche Anstrengung gemacht, den Descendenten die Besitzungen ihrer Adscendenten zu erhalten.
Jetzt gehört Cunnersdorf zum Gerichtsamte Camenz.