Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Netzschkau

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Autor: Otto Moser
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Titel: Netzschkau
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aus: Voigtländischer Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 5, Seite 12–14
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Erscheinungsdatum: [1859]
Verlag: Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins
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Erscheinungsort: Leipzig
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Netzschkau.


Am östlichen Abhange der Höhen, die sich von Westen her aus dem Grunde des Limbacher Bächleins erheben, liegt weithin sichtbar das freundliche Städtchen Netzschkau, überragt von den Spitzgiebeln und Thurmzinnen seines alten Edelsitzes, und umgeben von den Städten Mylau, Reichenbach, Lengefeld, Elsterberg, Greiz und Plauen, denen keine über drei Stunden entfernt ist. Das Rittergut, eins der bedeutendsten des Voigtlandes, besitzt die Gerichtsbarkeit über das gewerbthätige Städtchen, welches in seinen 187 Häusern, 1862 grösstentheils aus Fabrikarbeitern und Webern bestehende Einwohner zählt.

Es wird behauptet, dass Netzschkau noch im Anfange des funfzehnten Jahrhunderts ein unbedeutendes Wirthschaftsgebäude gewesen sei, welches nach Mylau gehörte und zur Schafzucht bestimmt war. Urkundlich kommt Netzschkau zuerst im Jahre 1464 vor, wo Churfürst Ernst von Sachsen den Ritter Peter von Metzsch mit dem Gute belehnte. 1492 besass dasselbe Caspar von Metzsch, der nach einem noch im Originale vorhandenen Begnadigungsbriefe von Churfürst Friedrich dem Weisen in genanntem Jahre auf sein dringliches Ansuchen beim Landesherrn für Netzschkau das Stadtrecht erlangte. Es ist nicht bekannt, weshalb der Ort von seinen städtischen Gerechtsamen bis zum Jahre 1687 keinen Gebrauch machte , denn bis dahin blieb Netzschkau ein Dorf, und erst auf wiederholte Anregung beim Churfürsten Johann Georg III., gelang es dem Rittergutsbesitzer auf Netzschkau, Carl Bose, die Anerkennung der Stadtrechte nochmals zu erlangen.

Das Schloss zu Netzschkau erbaute 1491 Caspar von Metzsch, und erhielt von dem damaligen Kaiser Friedrich III. besondere Erlaubniss, das neue Haus mit Thürmen, Gräben und Ringmauern zu verwahren. Es ist die letzte alterthümlich gebaute, und an die Fehden des Mittelalters erinnernde Burg, welche in hiesiger Gegend entstand. Um das Jahr 1542 war Eigenthümer des Schlosses, Caspar von Metzsch und bald darauf Jobst von Metzsch; 1587 aber gehörte Netzschkau bereits den Herren v. Reibold, von denen Joachim und Christoph urkundlich genannt werden. Die Reibolde besassen das Gut bis zum Jahre 1619, wo es durch Kauf an Hans Ernst Bose gelangte, der es seinem berühmten Sohne Carolus Bose, Obersten zu Ross und Fuss, sowie Amtshauptmann von Zwickau, Werdau [13] und Stollberg, hinterliess, einem der reichsten Edelleute Sachsens. Seine Mutter war Clara von Geilsdorf, aus dem Hause Schwand. Im zwölften Jahre trat Carolus Bose als Page in Dienste des Bischofs von Bamberg, und nach dessen Tode in die eines Herrn von Kreilsheim; als achtzehnjähriger Jüngling aber ging er mit seinem Bruder Julius Cäsar nach Metz, und liess sich in einem Garderegimente König Ludwigs XIII. von Frankreich, als Hellebardirer anwerben, wo er zum Gefreiten und später zum Corporal avancirte. Als Corporal gerieth er in Gefangenschaft, aus der ihn die besondere Vermittelung des Königs befreite; mit dem Ausbruche des dreissigjährigen Krieges aber ging Carl Bose nach Deutschland zurück, und nahm Dienste unter dem Banner des wilden Mannsfelders, der ihm ein Fähnlein Fussvolk anvertraute. Bei der Einberufung der Sächsichen Ritterschaft (1620), folgte Carolus Bose dem Befehle seines Landesherrn und wurde zum Capitain ernannt, trat jedoch nach erlangter Erlaubniss des Churfürsten Johann Georg I., im Jahre 1621 in kaiserliche Dienste, und wurde bei dem Drucksischen Regimente als Obristwachtmeister eingestellt, wo er bis zum Jahre 1631 blieb und dann in Sächsische Dienste zurückkehrte, weil Tilly den Churfürsten mit einem Einfalle in dessen Länder bedrohte. Im Regimente des Obersten Eustachius Löser, übernahm Carolus Bose die Stelle eines Obristlieutenants, und führte 1632 dem König Gustav Adolf von Schweden ein Sächsisches Regiment Hülfstruppen zu, worauf in Folge ausgezeichneter Dienste, der Churfürst dem Boseschen Regimente noch 1200 Reiter beigab, so dass Carolus Bose nunmehr Oberst zu Ross und Fuss war. Im Jahre 1638 schied Oberst Bose aus dem Kriegsdienste, leistete aber seinem Fürsten in Kriegsangelegenheiten durch seine Erfahrung noch manchen wichtigen Dienst im Rathe, und erhielt nach beendigtem dreissigjährigen Kriege die Amtshauptmannschaft zu Zwickau, Werdau und Stollberg. Er stand bei dem Churfürst in so hoher Gnade, dass ihn derselbe oft als Gesandten mit wichtigen Aufträgen betraute, und zum Inspektor der Thüringischen, Erzgebirgischen und Voigtländischen Befestigungen und Vertheidigungswerke ernannte.

Von dem ungeheuren Vermögen des Obersten Bose bestand ein grosser Theil in Rittergütern; er besass Schneckengrün, Christgrün mit der Bünauschen Mühle, Limbach, Elsterberg, Nosswitz mit der Mühle, Coschütz, Netzschkau mit der Schwarzhammermühle und Roitzschau, Mylau, Brunn, Weisensand mit der Hoyersmühle, Lengenfeld, Bosenhof, Frankenhof mit der Frankenmühle, Schweinsburg, Crimmitzschau, Lauterbach, Schiedel, Dewitz, Vollmershain, Fuchshain, Zechau, Breitingen, Hirschfeld, Regis, Frauenfels, Gerbitz, Thonhausen und Cannewurf, dabei ein Haus in Dresden und eins in Zwickau. Von seinen vier Gemahlinnen blieben ihm fünf Sohne und sechs Töchter. Der Oberst Bose starb am 12. Januar 1657 im einundsechzigsten Lebensjahre am Schagfluss, und zwar auf dem Rückwege von Leichenbegängniss seines Sohnes, Johann Carol Bose auf Schweinsburg. Bei der ungemein prachtvollen Bestattung des berühmten Kriegers und churfürstlichen Rathes, befanden sich Abgeordnete des Landesherrn und seiner Gemahlin, sowie des Herzogs von Sachsen, und Fürst Heinrich Reuss von Plauen folgte der Leiche in eigener Person. Seine letzte Ruhestätte fand Carolus Bose in der Hauptkirche zu Zwickau, wo sein Epitaphium, das er nebst dem Sarge sich schon mehrere Jahre vor seinem Tode anfertigen liess, noch jetzt vorhanden ist; sein Bildniss in Lebensgrösse, welches ihn im Kriegskleide eines Obersten der damaligen Zeit darstellt, befindet sich noch im Schlosse zu Netzschkau.

Nach Carolus Bose’s Tode gelangte Netzschkau an einen seiner Söhne, den churfürstlichen Hofmarschall und Domherrn zu Naumburg, Carl Gottfried Bose, welcher durch seine Bemühungen dem Dorfe Netzschkau die Stadtgerechtigkeit verschaffte. Kaiser Carl VI. erhob ihn sammt seinen Nachkommen 1715 in den Reichsgrafenstand. In einem Alter von siebenundsiebzig Jahren starb Carl Gottfried, Reichsgraf von Bose, im Jahre 1731 zu Dresden, und Netzschkau wurde Eigenthum seines Sohnes, des Grafen Carl Alexander, der nur bis 1744 lebte und in Netzschkau beigesetzt ist. Da er keine Kinder hinterliess, so erbte die Güter seines verstorbenen ältesten Bruders, der Reichshofrath und Domherr zu Wurzen gewesen war, einziger Sohn, Graf Friedrich Carl, churfürstlich Sächsischer Ober-Kammerherr und Geheimrath, Inhaber des Brandenburgischen rothen Adlerordens und Grosskreuz des Würtembergischen grosser Ordens. Derselbe starb zu Dresden in seinem einundvierzigsten Jahre.

Der letzte Besitzer Netzschkau’s aus der Bose’schen Familie war des Ober-Kammerherrn Grafen Friedrich Carl Sohn, Friedrich Wilhelm August Carl, Erb-, Lehn- und Gerichtsherr auf Netzschkau, Gamig, Neuschönfels, Mäuschau, Limbach und Reisewitz, Sächsischer Staatsminister, Staatssecretair der auswärtigen Angelegenheiten, Ritter des Ordens der Rautenkrone, Grosskreuz der französischen Ehrenlegion, Ritter des Bairischen Hubertusordens und Commandeur des Ordens vom Nordstern. Das Andenken an diesen wohlwollenden leutseligen Herrn, der am 9. September 1809 im dreiundsechzigsten Jahre seines Alters mit Tode abging, lebt noch im Andenken vieler seiner einstmaligen Unterthanen segensreich fort.

Netzschkau kam nunmehr an den königlich Sächsichen Kammerherrn, Grafen Moritz Levin Friedrich von der Schulenburg, und später an dessen Sohn, den Grafen Levin Friedrich auf Burgscheidungen, Kirchscheidungen, Branderode, Netzschkau und Limbach. Letzterer[WS 1] starb im kräftigsten Mannesalter am 16. Juni 1842, zur tiefen Betrübniss Aller, die so oft Gelegenheit hatten, seine Güte und Wohlthätigkeit kennen zu lernen. Durch testamentarische Bestimmung wurde die Gemahlin des Verewigten Universalerbin, und von ihr gelangte Netzschkau an den jetzigen Besitzer Herrn Johann Gottfried Opitz.

Die Kirche zu Netzschkau wurde im Jahre 1619 vom Obersten Carolus Bose erbaut, bis dahin war die Gemeinde nach Mylau eingepfarrt. Im Eingange der beiden von ihm 1629 und 1648 errichteten Fundationsurkunden sagt der Gründer des Gotteshauses: Aus christlicher Andacht und Bewegniss, dass Gott ihn mit gehäuften, unzähligen Wohlthaten durch sein ganzes Leben begabt und gesegnet, wolle er seine Dankbarkeit durch ein äusserlich Kennzeichen der Mildigkeit offenbaren, und habe darum seine Gedanken, Arbeit und Benutzung auf einen neuen Kirchenbau zu Netzschkau gerichtet. Am 10. August 1629 wurde die neue Kirche eingeweiht, eine Orgel erhielt dieselbe jedoch erst 1647, und den aus Salzburger Alabaster angefertigten und mit Marmorsäulen verzierten Altar im Jahr 1659, wo der Erbauer des neuen Gotteshauses bereits zwei Jahre im Grade ruhte. Die drei Glocken, von Lorenz Hendel und Stephan Buchaim zu Zwickau gegossen, sind ebenfalls ein Geschenk des Obersten Bose.

[14] Mit der neuen Kirche entstand nun auch ein Pfarr- und Schulamt, und zwar in der Art, dass der ganze kirchliche Verband keiner Superintendentur, sondern dem Oberconsistorium in Dresden untergeben war. Im Jahre 1629 einigte sich der damalige Eigenthümer von Mylau, ein Herr von Schönberg, in Gemeinschaft mit dem Pfarrer M. Pöllmann, und der Oberst Carolus Bose, in einem vom Churfürsten Johann Georg I. confirmirten Recess dahin, dass dem Erbauer der neuen Schlosskirche, sammt dessen Erben und Nachkommen, nebst ihren Weibern, Kindern und Dienstleuten, gestattet sei, den neuen Gottesdienst zu gebrauchen, wobei sich Ersterer verpflichtete, den derzeitigen Pfarrherrn zu Mylau, auf die Zeit seines Lebens für seine Person als Beichtvater in Netzschkau zu betrachten, und auch sonst zutragender Fälle halber jedesmal mit demselben sich abzufinden, dessen Nachfolgern aber zur Recompens der Accidentien sechs Thaler zu erlegen. Nachdem jedoch der Oberst Bose auch das Schloss Mylau mit Zubehör erkauft hatte, fand 1638 eine Trennung des kirchlichen Verbandes der Gemeinde zu Netzschkau mit Mylau statt, wobei urkundlich festgesetzt wurde, dass der Pfarrer zu Mylau, sammt seinen Amtsnachfolgern, die fünf Scheffel Korn, und der Schulmeister einen Scheffel, so sie früher vom Rittergut Netzschkau empfangen, für ewige Zeiten vom Rittergute Mylau empfangen sollten. Das Getreide, welches jetzt von Rittergute Netzschkau an den Pfarrer zu Mylau entrichtet wird, hat dieses für das Vorwerk Foschenroda und die sogenannten wüsten Häuser zu Netzschkau zu liefern. Ebenso sollte der Zehnten nicht bloss von Mühlberg, sondern auch von den Bewohnern Netzschkau’s, wie vor Alters geschehen, gegeben werden, und zur Entschädigung für die Accidentien von den Unterthanen erhielt die Kirche ein Capital, wovon der Pfarrer die Zinsen, bestehend in fünf Thalern, geniesst. Endlich enthält die Urkunde auch die Bestimmung, dass die Unterthanen schuldig und verbunden sein sollten, wenn Etwas an der Kirche zu Mylau oder dem dasigen Kirchhofe zu bauen nöthig würde, das Ihrige, wie bisher geschehen, dabei zu verrichten. Dieser Recess wurde im Jahre 1648, wo der Collator die Einkünfte des Schlosspredigers erhöhte, wiederholt und 1661 wiederum vom Landesherrn confimirt. – Einen eigenen Gottesacker erhielt die Gemeinde erst im Jahre 1666; bis dahin begrub man die Netzschkauer Leichen auf den Friedhof zu Mylau, und zwar seit 1629 unter Begleitung des Netzschkauer Pfarrers. Die vormaligen Geistlichen in Netzschkau wurden als Pfarrer und Hofprediger eingesetzt, indem der ausserordentlich reiche Oberst Carolus Bose allhier einen kleinen Hofstaat hielt; der jetzige Pfarrer aber führt den Titel eines Schlosspredigers.

Die von Carl Bose erbaute Kirche war im Laufe zweier Jahrhunderte so baufällig geworden, dass sie im Jahre 1814 völlig abgetragen werden musste. Der Gottesdienst wurde bis zum Jahre 1840 in einem Saale des Schlosses abgehalten, da in Folge verschiedener, nicht zu beseitigender Hindernisse lange Jahre nicht zu einem Neubau der Kirche geschritten werden konnte. Am 30. April 1838 legte man endlich den Grundstein zu einem neuen Gotteshause, dessen Einweihung am 18. October 1840 erfolgte. Die Baumeister waren die Maurermeister Herold, Vater und Sohn, aus Greiz, und der Zimmermeister Zehner aus Treuen; die Orgel ist ein Werk von Ernst Poppe in Altenburg. Der ganze Bau kostete 14592 Thaler 12 Groschen.

Zum Schluss gedenken wir noch als eines Curiosums einer Predigt des Netzschkauer Pfarrers Zimmermann vom Jahre 1667, worin er den Namen Netzschkau aus dem Hebräischen herzuleiten versuchte, und den Ort für eine Gottes-Küssens-Stadt oder eine Gottes-, Schatz- und Rüstkammer erklärte.

Otto Moser. Redact.     



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Letzerer