Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2 | |
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noch eine Schnur über eine der Wirbelrollen hinweg nach dem Deckel der Kiste. Diese Schnur soll den Zweck gehabt haben, den Abzug des Revolvers bei einem etwaigen früheren Öffnen der Kiste loszureißen und die Kiste zur Explosion zu bringen. Die Uhr war eine sogenannte Junghans-Weckeruhr aus der Fabrik der Gebr. Junghans in Schramberg. Die Vorbereitungen an der Uhr waren so getroffen, daß die Explosion der Kiste am Sonntag, den 30. Juni 1895, vormittags 101/2 Uhr erfolgen mußte, aber auch schon früher, wenn vorher der Kistendeckel abgenommen wurde. Nach dem Gutachten des Gerichtschemikers Dr. Paul Jeserich (Berlin) enthielt die Kiste in ihren verschiedenen Teilen 203 g Pulver. Hierzu kommen noch aus drei Papierröhren 25 g Pulver. Ferner enthielt jede der sieben Flaschen einen Zünder mit 4-5 g Pulver. Unter der Weckeruhr befand sich noch eine Mauserpatrone mit 41/2 g Pulver. Die sieben Flaschen enthielten insgesamt beinahe 5000 g Ligroin, das häufig als Benzin verkauft wird und viel leichter flüssig als dieses ist. Die Anordnung war so getroffen, daß der ganze Raum, in dem die Explosion stattfand, mit brennender Flüssigkeit erfüllt worden wäre. Der Revolver war ein sogenannter 5 Millimeter-Lefaucheux geringerer Güte; das Packpapier, mit dem die Kiste umhüllt war, war mit einem Petschaft gesiegelt, auf dem die Buchstaben C. B., von einer Schleife umgeben, standen.
Es wurde sehr bald festgestellt, daß die Kiste von einem jungen bartlosen Mann, der etwas derartig Mädchenhaftes an sich hatte, daß er für eine verkleidete Frauensperson gehalten werden konnte, am Abend des 20. Juni 1895 zwischen 7 bis 8 Uhr auf dem Postamt in Fürstenwalde aufgegeben worden ist. Dieser Mensch, der auch einen trippelnden Gang hatte, ist mehreren Leuten in Fürstenwalde und auch den Postbeamten, die ihm die Kiste abnahmen, aufgefallen. Auch einigen Leuten, die mit dem Zuge, der abends 8 Uhr 52 Min. auf dem Schlesischen Bahnhof in Berlin eintraf, ist ein solch junger Mann infolge seines mädchenhaften Aussehens aufgefallen.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 2. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_2_(1911).djvu/170&oldid=- (Version vom 31.7.2018)